Kurz: Komisches Wahlsystem, gutes Ergebnis – mit Obama ist der erste Internetpräsident gewählt (Update 2)

Noch sind in Kali­for­ni­en die Wahl­lo­ka­le nicht geschlos­sen, noch sind in Flo­ri­da, India­na, Vir­gi­na und North Caro­li­na hauch­dün­ne Vor­sprün­ge zu sehen, die Staa­ten sind noch nicht für den einen oder ande­ren ent­schie­den – aber trotz­dem steht jetzt fest, dass McCain kaum noch Prä­si­dent wer­den kann, und dass der desi­gnier­te Prä­si­dent Barack H. Oba­ma heißt. Bis zur offi­zi­el­len Erklä­rung sind es noch weni­ge Minu­ten, bis dann tat­säch­lich alle gewählt haben.

Die nächs­ten Mona­te und Jah­re wer­den span­nend: wie lässt sich eine auf Mil­lio­nen Frei­wil­li­ge auf­bau­en­de Kam­pa­gne ins Prä­si­den­ten­amt mit­neh­men? Wie wird der ers­te mass­geb­lich mit Hil­fe des Inter­nets gewähl­te Prä­si­dent elek­tro­ni­sche Medi­en nut­zen? Auf wel­che Bera­te­rIn­nen wird er hören, wie die Bevöl­ke­rung mit­neh­men – und wie volks­nah kann sich Oba­ma als „POTUS“ mit gro­ßer Entou­ra­ge und Sicher­heits­gar­de noch geben?

Noch ein paar Res­sour­cen: die BBC-Wahl­kar­te (Staa­ten ankli­cken für Details, schön auch die pro­por­tio­na­le Dar­stel­lung der Staa­ten), Fra­gen zur netz­po­li­ti­schen Posi­ti­on sowie inter­es­san­te Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen, wie das „cal­len“ ein­zel­ner Staa­ten funk­tio­niert (und wel­che Rol­le AP dabei spielt).

Update: (6.11.2008) Eine lan­ge Ana­ly­se zur Fra­ge, ob eine der­ar­ti­ge Netz­kam­pa­gne auch in Deutsch­land mög­lich ist, fin­det sich bei netzpolitik.org.

Update 2: change.gov, die Tran­si­ti­ons­web­site von Oba­ma, ist jetzt online. Wird inter­es­sant. Inkl. Blog und user-gene­ra­ted con­tent („inspi­ring sto­ries from the cam­paign and the elec­tion day“).

Geschichte wird gemacht

Der Web­auf­tritt des Mas­sen­blatts USA Today spricht davon, dass vie­le die heu­ti­ge Prä­si­dent­schafts­wahl in den USA als his­to­risch bezeich­nen wer­den, und auch der Live-Ticker der BBC ist mit „Ame­ri­ca votes in a his­to­ric elec­tion“ über­schrie­ben. Grün­de dafür gibt es genug. 

Viel­leicht gehört auch der allem Opti­mis­mus bei­gemisch­te Zwei­fel dazu. Fivethir­ty­eight berech­net die Chan­cen für einen McCain-Sieg mit 1,1 %. Eigent­lich hat Barack Oba­ma die Wahl also schon in der Tasche – trotz­dem traut nie­mand die­sem Gefühl. Red­dit ist von Wahl­auf­ru­fen über­flu­tet, die Wahl­be­tei­li­gung ist vie­ler­orts über­wäl­ti­gend hoch (wobei ange­sichts des selt­sa­men Wahl­sys­tems nicht so ganz klar ist, auf was für eine Grund­ge­samt­heit sie eigent­lich bezo­gen wird), aber dass Oba­ma tat­säch­lich gewon­nen hat, wird erst mor­gen mit­tag wirk­lich, wirk­lich sicher sein. (Und wenn nicht, dann gibt es Bür­ger­krieg?).

Familie Obama wartet auf das Wahlergebnis
Barack Oba­ma mit Fami­lie am Wahl­abend. Quel­le, Lizenz. Foto: Flickr-Account Barack Oba­ma.

Auch ich gehö­re zu denen, die bei die­ser Wahl mit­fie­bern (ob ich bis zu den ers­ten Wahl­er­geb­nis­sen wach blei­ben wer­de – mal sehen). Es sind vor allem zwei Punk­te, für die ich die Bezeich­nung his­to­risch gebrau­chen wür­de. Bei­de hän­gen mit­ein­an­der zusammen.

Zum einen ist Oba­ma objek­tiv gese­hen wohl die bes­se­re Wahl (selbst wenn er an euro­päi­schen Maß­stä­ben gemes­sen längst kei­ne Licht­ge­stalt ist). Und noch dazu eine, der vor eini­ger Zeit noch kaum jemand Chan­cen aus­ge­rech­net hät­te: die fal­sche Haut­far­be, zuviel Ernst und Intel­li­genz, teil­wei­se „libe­ra­le“ Ein­stel­lun­gen usw. Also jemand, dem ernst­haft abge­nom­men wer­den kann, sich zu über­le­gen, was für Posi­tio­nen er ver­tritt; jemand, der für Argu­men­te offen ist; jemand, der Prag­ma­tis­mus mit Über­zeu­gun­gen ver­bin­den. Soweit die Lobrede.

Zum ande­ren fin­de ich fas­zi­nie­rend, wie die Wahl­kam­pa­gne ver­lau­fen ist, und wie wohl bereits vor­han­de­ne Wech­sel­hoff­nun­gen, ein schlech­ter Gegen­kan­di­dat und der zen­tral gesteu­er­te Basis-Akti­vis­mus so zusam­men­ge­ar­bei­tet haben, das es heu­te selbst „Red­necks for Oba­ma“ und „Repu­bli­cans for Oba­ma“ gibt. Dazu gehört der geschick­te Gebrauch der klas­si­schen Mas­sen­me­di­en (das 30-Minu­ten-Info­mer­cial!) und die Fort­set­zung der Howard-Dean-Web2.0‑Grassroots-Kampagne mit dem Etat eines erfolg­rei­chen Kan­di­da­ten. In der bruch­lo­sen Ver­knüp­fung von user gene­ra­ted con­tent, mul­ti­pli­zie­ren­der Spen­den­ein­wer­bung, Frei­wil­li­gen, hun­der­ten von Medi­en­ka­nä­len und einem gran­dio­sen ground game in allen fünf­zig Staa­ten scheint nicht nur mir hier die his­to­ri­sche Beson­der­heit zu liegen. 

Da wer­den – Stich­wort „Poli­tik 2.0“ und Kam­pa­gnen­man­ge­ment in einer Balan­ce von Flex­bi­li­tät und Sta­bi­li­tät – dann auch die deut­schen Wahl­kämp­fe­rIn­nen ver­su­chen, sich eini­ges abzu­schau­en. Die Fra­ge, ob die Vor­be­din­gun­gen in Deutsch­land hier­für rich­tig sind, ist aller­dings einen eige­nen Blog-Ein­trag wert. Aber nicht jetzt.

Wenn nichts mehr schief geht, wird sich dann im Janu­ar zei­gen, wie gut das Gras­wur­zel­netz­werk von Oba­ma funk­tio­niert, wenn er Prä­si­dent gewor­den ist. Die Hoff­nun­gen sind hoch gelegt – nicht nur für den poli­ti­schen Wan­del, son­dern auch für die poli­ti­sche Ein­bin­dung der Bevöl­ke­rung, für einen ganz neu­en poli­ti­schen Stil. Auch hier­in könn­te ein lang­fris­tig wir­ken­des his­to­ri­sches Moment die­ser Wahl liegen.

War­um blog­ge ich das? Wohl vor allem aus Fas­zi­na­ti­on über die­se Kampagne.

P.S.: Mar­kus hat „Links zur US-Wahl­nacht“ gesammelt.

Update: (7.11.2008) Foto eingefügt.

Kurz: US-Wahlen

Was ich noch nicht so ganz kapie­re, ist das US-Wahl­sys­tem. Mut­ter der Demo­kra­tie usw., aber wie­so dann drei Stun­den War­te­zeit in der Vor­wahl-Wahl­schlan­ge, poli­ti­scher Streit dar­über, wer über­haupt wäh­len darf, poli­tisch besetz­te Wahl­kom­mis­sio­nen und noch dazu defek­te Wahl­ma­schi­nen? Wor­an liegt’s?