Adieu, Wildnis vor der Haustür

Zwi­schen unse­rem Haus (also dem Haus, das mei­ne Eltern 1990 gekauft haben, und in dem wir jetzt wie­der woh­nen, und das in einer Stich­stra­ßen neben vie­len iden­ti­schen Rei­hen­häu­sern liegt) und dem Gun­del­fin­ger Schul­zen­trum liegt ein Pri­vat­grund­stück, das nicht bebaut ist.

Wiese 1990 - Gundelfingen

Auf Fotos aus den 1990er Jah­ren ist das Grund­stück eine Wie­se, auf der ein paar Bäu­me ste­hen. Da sah das unge­fähr so aus.

Das war, wie gesagt, 1990 – also jetzt etwa ein Drit­tel­jahr­hun­dert her. Wobei es das Wort Drit­tel­jahr­hun­dert viel­leicht gar nicht gibt, passt hier aber gut. Eine Gene­ra­ti­on. Jeden­falls: beim Ein­zug lag eine Wie­se vor dem Haus, ein paar weni­ge Bäu­me, das damals noch etwas klei­ne­re Schul­zen­trum war zu sehen, und eben­so die Bahnlinie.

Im Lauf der Zeit sind aus den dama­li­gen klei­nen Bäu­men gro­ße Bäu­me gewor­den. Wei­te­re sind dazu gekom­men. Und: Gestrüpp, Brom­beer­he­cken, Schilf (war­um auch immer), all sowas. Das Grund­stück ist nach und nach zugewuchert.

Lei­der fin­de ich jetzt kein Foto, das die­sen Zustand der Wild­nis zeigt, fast schon ein klei­ner Wald. Das liegt dar­an, dass auf allen Fotos spie­len­de Kin­der zu sehen sind. Denn ein klei­ner Wald vor der Haus­tür eig­net sich natür­lich her­vor­ra­gend, um sich zu ver­ste­cken – das fan­den immer wie­der auch Teen­ager von den Schu­len gegen­über -, um Pira­ten­schif­fe und Baum­häu­ser zu ima­gi­nie­ren und so weiter.

Und neben Kin­dern und Kat­zen waren da beim Blick aus dem Küchen­fens­ter auch Eich­hörn­chen und Els­tern zu sehen. Einen Igel habe ich da schon getrof­fen, und natür­lich die übli­chen Stadt­vö­gel – Mei­sen, Amseln, Krähen.

Das Grund­stück blieb ein Pri­vat­grund­stück, das irgend­wem gehör­te. War­um es nicht bebaut wur­de, weiß ich nicht. So lag es über Jahr­zehn­te brach. Ab und zu wur­de der Rand­strei­fen von der Gemein­de gemäht. Vor ein paar Jah­ren gab es eine Bau­stel­le, ein Teil des Grund­stücks wur­de genutzt, um Bau­ma­te­ri­al zu lagern. Im Gro­ßen und Gan­zen blieb aber alles so, und wucher­te weiter.

Ein klei­ner Tram­pel­pfad führ­te durch das Wäld­chen. Wild aus­ge­sät hat­ten sich nicht nur Hasel­nüs­se, son­dern auch Mira­bel­len, Pflau­men, Bir­nen, und – ich sag­te es schon – Brom­bee­ren. Alles gut gedüngt durch Grün­schnitt der Anwohner*innen. Aus einem aus­ge­setz­ten Weih­nachts­baum (nicht von uns) wur­de eine statt­li­che Tan­ne. Und Sicht- und Lärm­schutz zur Schu­le, zur Bahn­li­nie, zur Stra­ße bot die­ses Grund­stück auch.

Letz­te Woche dann eine klei­ne Notiz in den Gun­del­fin­ger Nach­rich­ten – das Land­rats­amt wird Bäu­me fäl­len, um Con­tai­ner für die Schul­sa­nie­rung aufzustellen.

Rodung, Gundelfingen

Ich hat­te damit gerech­net, dass das ähn­lich sein wird wie vor ein paar Jah­ren, beim Baum eines der vie­len Anbau­ten für das Schul­zen­trum. Damals – auf dem Goog­le-Satel­li­ten­fo­to gut zu sehen – wur­de etwa ein Drit­tel dafür genutzt. Aber nein: erst wur­de gemäht, dann fuhr ein Robo­ter­schaf durchs Unter­holz, und ges­tern früh Motor­sä­gen­ge­räu­sche. In nicht mal einem Tag wur­den unzäh­li­ge Bäu­me gefällt, man­che davon mit 30, 40 oder mehr cm Durch­mes­ser. Ein Trak­tor mit Greif­arm, ein Mann mit Ket­ten­sä­ge – und aus dem wil­den Grund­stück wur­de ein lee­re Flä­che, am Rand ein rie­si­ger Hau­fen Stäm­me und Äste. Ein ein­zi­ger Nuss­baum ganz in der Ecke des Grund­stücks durf­te stehenbleiben.

Ich ver­ste­he, dass eine Sanie­rung Platz für Con­tai­ner braucht, und abs­trakt betrach­tet eig­net sich die Flä­che dafür sicher­lich. Trotz­dem bin ich trau­rig dar­über, dass die­ser über Jahr­zehn­te gewach­se­ne klei­ne Wald jetzt Geschich­te ist. Gun­del­fin­gen hat lei­der kei­ne Baum­schutz­sat­zung. Ob die in dem Fall etwas gehol­fen hät­te, weiß ich nicht. Viel­leicht wäre es bei einer ande­ren Pla­nung mög­lich gewe­sen, ein­zel­ne Bäu­me zu erhal­ten. Con­tai­ner­klas­sen zwi­schen Bäu­men statt Schach­tel­sta­pel. Aber: zu spät.

Die Schu­le ist ein Kreis­gym­na­si­um, inso­fern war das Land­rats­amt und nicht die Gemein­de zustän­dig. For­mal haben wir mit dem Grund­stück direkt vor unse­rer Haus­tür nichts zu tun. Trotz­dem hät­te ich mich gefreut, wenn wir Anwohner*innen vor­ab infor­miert wor­den wären, was da pas­siert, statt macht­los mit anzu­se­hen, wie nach und nach Baum um Baum und Hecke um Hecke abge­holzt werden.

Kurz: Tendenz zum Kulturkampf in Gundelfingen

Ich bin froh, wenn die­se Woche vor­bei ist. Dann wur­de näm­lich – am Sonn­tag – in Gun­del­fin­gen über die Fra­ge abge­stimmt, ob die Gemein­de sich unver­züg­lich für eine Wie­der­auf­nah­me der Stra­ßen­bahn­pla­nun­gen ein­set­zen soll oder nicht. Eine simp­le Sach­fra­ge, eigentlich. 

Der Wahl­kampf aller­dings ist zer­mür­bend. Nach­dem sich abzeich­ne­te, dass drei der vier Gemein­de­rats­frak­tio­nen den Bür­ger­ent­scheid, die Stra­ßen­bahn und über­haupt alles ver­hin­dern wol­len – SPD, CDU und anfüh­rend die Frei­en Wäh­ler mit ihrem Chef, Herrn Horn­bruch – grün­de­te ein Ange­stell­ter von Horn­bruchs Pfle­ge­dienst flugs eine Gegen-BI. Der Pfle­ge­dienst liegt an der Alten Bun­des­stra­ße, also direkt an der mög­li­chen Tras­se einer Stra­ßen­bahn­ver­län­ge­rung durch Gun­del­fin­gen. Und dann ging’s los mit Emo­ti­ons­wahl­kampf. Die 12.000-Einwohner-Gemeinde Gun­del­fin­gen wird in der Pro­pa­gan­da der Nein-Sager zum Dorf, schon im August, lan­ge vor Beginn der offi­zi­ell erlaub­ten Wahl­kampf­zeit, wird das „Dorf“ mit gro­ßen Ban­nern zuge­pflas­tert, die die Stra­ßen­bahn düs­ter aus­ma­len. An Geld scheint es der Nein-Sei­te dabei nicht zu feh­len. Anzei­gen der Frei­en Wäh­ler und der Pseu­do-BI, vie­le gro­ße Pla­ka­te, Brie­fe an Senior*innen (mit Grü­ßen des Pfle­ge­diensts) und Erstwähler*innen („mega, du“). Weni­ger wich­tig: Fak­ten und Argumente. 

Die Stra­ßen­bahn wür­de durch Land und Kreis bezahlt. Die Nein-Sei­te ver­spricht statt des­sen „E‑Busse“, pro­pa­giert die­se als bil­li­ger und fle­xi­bler. Dass der Bus­fahr­plan für Gun­del­fin­gen bes­ser wer­den kann, stimmt, dass es klug wäre, die Die­sel­bus­se – wie im Rest des VAG-Net­zes – durch E‑Busse zu erset­zen, auch. Ob die Nein-Sager und vor allem die popu­lis­tisch auf­tre­ten­den Frei­en Wäh­ler nach Sonn­tag noch etwas von E‑Bussen hören wol­len, wer­den wir dann sehen. Weil: die müss­te die Gemein­de selbst zah­len. Und sind ziem­lich teu­er. Eigent­lich wun­dert es mich nur, dass Nein-Sager-BI nicht gleich Flug­ta­xis ver­spro­chen hat.

Jeden­falls: ein eher uner­freu­li­cher Wahl­kampf, mit Popu­lis­mus, mit abge­ris­se­nen und zer­stör­ten Pla­ka­ten, mit Fehl­in­for­ma­tio­nen und einer ziem­lich zuge­spitz­ten Stim­mung. Am Sonn­tag haben wir dann min­des­tens mal Klar­heit, ob die Mehr­heit der Gundelfinger*innen möch­te, dass der nächs­te Schritt für den Anschluss ans Stra­ßen­bahn­netz gegan­gen wird. 

P.S. (17.11.): Hat lei­der nicht geklappt – wobei 42% Ja zu 58% Nein zumin­dest nicht dra­ma­tisch schlecht ist. Grü­ne Stel­lung­nah­me zum Ergebnis.

Notizen zu Gemeinsam Handeln, Tag 2

Mannheim / Tagung "gemeinsam handeln"

Der zwei­te Tag der Tagung „Gemein­sam Han­deln“ des baden-würt­tem­ber­gi­schen Staats­mi­nis­te­ri­ums war wohl­ge­packt. Und obwohl eini­ge hoch­ka­rä­ti­ge Referent*innen krank­heits­be­dingt abge­sagt hat­ten, blieb doch eini­ges an bemer­kens­wer­ten Vor­trä­gen und Redner*innen – inso­fern bin ich auf das ange­kün­dig­te Buch zur Tagung gespannt. Noch mehr dar­auf, wie die dis­ku­tier­ten Pro­blem­stel­lun­gen ihren Weg in das Regie­rungs­han­deln finden.

Ging es am ers­ten Tag um über­grei­fen­de The­men, um Bür­ger­be­tei­li­gung und um die Wirt­schaft, so stand am zwei­ten Tag v.a. der Kli­ma­wan­del im Mittelpunkt. 

Zuvor bau­te Prof. Jan-Wer­ner Mül­ler aus Prince­ton (Mot­to „kon­ser­va­ti­ve Denk­fi­gu­ren für eine pro­gres­si­ve Poli­tik frucht­bar machen“) aber noch den gan­zen gro­ßen poli­tisch-phi­lo­so­phi­schen Rah­men auf, indem er den Zusam­men­hang von Frei­heit und Zusam­men­halt aus­leuch­te­te. Im Kern ging es hier um das Pro­blem des „Ver­lie­rers“ in der Demo­kra­tie – wie muss ein demo­kra­ti­scher Pro­zess in einer frei­heit­li­chen und plu­ra­len Gesell­schaft aus­se­hen, um am Schluss nicht eine Spal­tung in Mehr­heit und Min­der­heit her­vor­zu­ru­fen, son­dern ein Ergeb­nis, das auch von denen mit­ge­tra­gen wird, die in der Sach­fra­ge ver­lo­ren haben. Als Vor­aus­set­zun­gen für einen zusam­men­halts­för­dern­den Umgang mit Kon­flik­ten nann­te Mül­ler drei Punk­te: (1) ande­re nicht kate­go­ri­al aus­schlie­ßen, den poli­ti­schen Geg­ner nicht zum Feind erklä­ren; (2) zwi­schen einer gemein­sa­men Fak­ten­grund­la­ge und ger­ne strit­ti­gen Mei­nun­gen zu gemein­sam geteil­ten Fak­ten unter­schei­den; (3) nicht auf tech­no­kra­ti­sches Recht­ha­ben vertrauen. 

D.h. auch: wer ver­liert, muss immer eine Chan­ce haben, sei­ne oder ihre Posi­ti­on in der nächs­ten Run­de durch­set­zen zu kön­nen. Mül­ler ging dann wei­ter auf die spe­zi­fi­sche Rol­le von Par­tei­en und Gerich­ten ein und stell­te dar, dass Bür­ger­rä­te ein Instru­ment der zusam­men­halts­för­dern­den Kon­flikt­lö­sung sein kön­nen, wenn sie als Ergän­zung, nicht als Ersatz einer reprä­sen­ta­ti­ven Demo­kra­tie kon­zi­piert sind. Dis­ku­tiert wur­de auf dem anschlie­ßen­dem Podi­um ins­be­son­de­re die Fra­ge, was die­se Aus­sa­gen mit Bezug auf AfD und Rechts­extre­mis­mus bedeu­ten – vor der Folie der Transformation(en). Mit­ge­nom­men habe ich das Wort davon, dass der „Kul­tur­kampf die Ein­stiegs­dro­ge in den Popu­lis­mus für bür­ger­li­che Krei­se ist“ – und die Auf­for­de­rung, mit Populist*innen zu reden, aber nicht wie diese.

Das zwei­te Podi­um zur „Geschwin­dig­keit der Demo­kra­tie“ wur­de krank­heits­be­dingt zu einem mode­rier­ten Zwie­ge­spräch zwi­schen Pau­li­ne Brün­ger (Fri­days for Future) und dem grü­nen Alt-Vor­den­ker Ralf Fücks. Da ging es rela­tiv hef­tig zur Sache, die jeweils unter­schied­li­chen Bewe­gungs­er­fah­run­gen wur­den sich sich vor­ge­hal­ten, das Ver­hält­nis zwi­schen Par­tei und Bewe­gung aus­ge­lo­tet zwi­schen Ver­ständ­nis für real­po­li­ti­sche Zwän­ge und Wunsch beschleu­nig­ten Han­delns ange­sichts phy­si­ka­li­scher Her­aus­for­de­run­gen. Fücks lan­de­te letzt­lich beim grü­nen Wachs­tum, bei intel­li­gen­ten Märk­ten und der öko­lo­gi­schen Moder­ni­sie­rung im Bünd­nis mit der Mehr­heit, was zu erwar­ten war. Statt poli­tisch beschleu­nigt zu regu­lie­ren, soll­te lie­ber in die Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit der Märk­te ver­traut wer­den, sobald die Prei­se die rich­ti­gen Anrei­ze set­zen. Alles nichts neu­es. Inter­es­san­ter die Hal­tung von Brün­ger, die sehr reflek­tiert die Stra­te­gie der Fri­days erläu­ter­te, und immer wie­der beton­te, dass Kli­ma­pro­test aus Sicht von FFF eben auch sozia­le Akzep­tanz und Lebens­wirk­lich­keit mit­denkt. Dabei gab es eine deut­li­che Abgren­zung zu Stra­ßen­blo­cka­den um der Blo­cka­de wil­len, bes­ser: sich Kämp­fe aus­su­chen, die für die trans­for­ma­ti­ons­wil­li­ge Mehr­heit der Bevöl­ke­rung anschluss­fä­hig sind. Zur Reflek­ti­on gehör­te auch die Fest­stel­lung, dass die Kli­ma­be­we­gung von der Debat­te um das Hei­zungs­ge­setz kalt erwischt wur­de – Brün­ger sprach hier von einem Rea­li­täts­check für zukünf­ti­ge Kämpfe. 

Noch ein Stück wei­ter in Rich­tung Kli­ma­schutz und Sozi­al­po­li­tik zusam­men­den­ken ging dann Prof. Ani­ta Engels, die für eine akti­ve Trä­ger­schaft der Trans­for­ma­ti­on durch wei­te Bevöl­ke­rungs­krei­se plä­dier­te. Sie mach­te die sozio­de­mo­gra­fisch sehr unter­schied­li­che Mit­wir­kung am Kli­ma­wan­del deut­lich und nahm hier ins­be­son­de­re die Pri­vat­jets der Super­rei­chen in den Blick. Hier lie­gen – bei zah­len­mä­ßig weni­gen Per­so­nen, aber extrem hohem Pro-Kopf-CO2-Aus­stoss – auch ganz kon­kre­te Hand­lungs­mög­lich­kei­ten. Dem stell­te sie am ande­ren sozio­de­mo­gra­fi­schen Ende „Kli­ma­schutz aus Man­gel“ gegen­über. Kli­ma­schutz sozi­al gerecht zu gestal­ten, ist aus Engels Sicht nicht nur die Her­stel­lung von Sozi­al­ver­träg­lich­keit (etwa durch ein Kli­ma­geld oder Aus­gleichs­zah­lun­gen), son­dern der Blick auf sozia­le Gerech­tig­keit (also eine fai­re Ver­tei­lung von Kos­ten und Ver­ant­wor­tung). Noch einen Schritt wei­ter gedacht kommt die ange­spro­che­ne akti­ve Trä­ger­schaft ins Spiel. Das könn­te z.B. hei­ßen, klei­ne Gewer­be­trei­ben­de mit ins Boot zu holen – oder ganz schlicht im Bereich der sozia­len Arbeit in den Leis­tungs­ver­ein­ba­run­gen Kli­ma mit zum The­ma (und damit zum Gegen­stand) zu machen. 

Im Block „Wie reden wir über Kli­ma­schutz“ mach­te die Neu­ro­wis­sen­schaft­le­rin Prof. Maren Urner Wer­bung für ihr Kon­zept des „kon­struk­ti­ven Jour­na­lis­mus“ – da schweb­te, neben berech­tig­ter und zuge­spitz­ter Erläu­te­rung neu­ro­wis­sen­schaft­li­cher Grund­la­gen dafür, dass wir die Kli­ma­kri­se ver­drän­gen, auch viel Wer­bung für die eige­ne Per­son mit. 

High­light zum Schluss der Tagung dann Bun­des­trans­for­ma­ti­ons­mi­nis­ter Robert Habeck, der die Auf­ga­be hat­te, zum The­ma „Aus Zuver­sicht Wirk­lich­keit machen“ zu spre­chen. Das tat er mit einem gro­ßen Bogen von den zeit­ge­nös­si­schen Pro­tes­ten gegen das in Mann­heim erfun­de­ne Lauf­rad bis zur heu­ti­gen Lage. Statt an unbe­grün­de­te Hoff­nung zu glau­ben, plä­dier­te er für die begrün­de­te Zuver­sicht – zu der wir mit Are­ndt ver­dammt sind. Es geht nicht um Zweck­op­ti­mis­mus, son­dern um das in einer gesell­schaft­li­chen Situa­ti­on mach­ba­re, nicht um die immer bes­se­re – apo­ka­lyp­ti­sche – Pro­blem­be­schrei­bung, son­dern um die Wer­bung und letzt­lich Mehr­heits­be­schaf­fung für Lösun­gen. Inter­es­sant für mich, weil das ein sich durch­zie­hen­des The­ma der Tagung war, der Schwenk hin zu Infra­struk­tur – auch im Sin­ne des Erhalts und der Schaf­fung öffent­li­cher Räu­me, an denen unter­schied­li­che Men­schen zusam­men­kom­men. Das dür­fe – Sei­ten­hieb in Rich­tung des Kabi­netts­kol­le­gen – auch nicht an knap­pen Kas­sen schei­tern. In der öffent­li­chen Begeg­nung ent­steht Neu­es, aber auch Rea­li­täts­sinn, und Zuver­sicht – und damit Fort­schrit­te – baut genau auf die­sem Blick auf die Rea­li­tä­ten auf. Und ganz en vogue: der Blick auf Trig­ger­punk­te (Mau), die zu drü­cken ver­mie­den wer­den soll. Statt des­sen warb Habeck für inte­gra­le Lösun­gen – und die Wie­der­ent­de­ckung repu­bli­ka­ni­scher Tugen­den von Tole­ranz bis Neugierde.

Im Schluss­fa­zit des Minis­ter­prä­si­den­ten Kret­sch­mann habe ich ins­be­son­de­re noch ein­mal ein Plä­doy­er für star­ke Insti­tu­tio­nen gehört – auch für die Insti­tu­ti­on Demo­kra­tie selbst als „Infra­struk­tur der Frei­heit“ -; kei­ne Kul­tur­kämp­fe, aber auch ein genau­es Hin­schau­en, wo es um ganz nor­ma­le demo­kra­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zun­gen geht, um den zivi­li­sier­ten Streit auf Fak­ten­ba­sis – und, im Sin­ne ein­fa­cher, erhel­len­der Bot­schaf­ten: für eine rea­lis­ti­sche und in den Tat­sa­chen ver­an­ker­te Zuversicht. 

Hier mei­ne Noti­zen zu Tag 1 der Tagung

Kurz: Heiße Phase im Straßenbahnwahlkampf eingeläutet

Straßenbahn-Wahlkampf, Gundelfingen

Seit einer Woche darf pla­ka­tiert wer­den – die hei­ße Pha­se im Wahl­kampf um den Bür­ger­ent­scheid für die Wie­der­auf­nah­me der Stra­ßen­bahn-Pla­nun­gen hat begon­nen. Der Bür­ger­ent­scheid selbst fin­det am 12. Novem­ber 2023. Neben Pla­ka­ten wird es bis dahin auch noch eini­ges an offi­zi­el­len und inof­fi­zi­el­len Info-Ver­an­stal­tun­gen, Fly­ern, Info­stän­den und so wei­ter geben. Dann haben die Gundelfinger*innen das Wort, und kön­nen ent­schei­den, ob die Pla­nung für die Stra­ßen­bahn­ver­län­ge­rung der Linie 4 aus den 1990er Jah­ren aktua­li­siert wird – womit eine Grund­la­ge für eine fun­dier­te Ent­schei­dung pro/contra Stra­ßen­bahn vor­lie­gen wür­de – oder ob wie in ande­ren Orten aus Angst vor der Bau­pha­se und Fehl­vor­stel­lun­gen dar­über, wie eine Stra­ßen­bahn funk­tio­niert, die­ses Vor­ha­ben abge­sagt wird. Frei­burgs Stadt­teil St. Geor­gen stand vor eini­gen Jah­ren vor einer ähn­li­chen Ent­schei­dung, hat die Stra­ßen­bahn­an­bin­dung abge­lehnt und bedau­ert das jetzt.

Neben den Pla­ka­ten der Bür­ger­initia­ti­ve – die zei­gen, wie lebens­wert ein Ort mit Stra­ßen­bahn sein kann – und denen der Geg­ner (aggres­si­ves Ver­bots­schild, und der künst­li­che Gegen­satz von „Stadt­bahn“ und „Dorf“) haben auch wir Grü­nen ein paar Pla­ka­te unter dem Mot­to „Ja zur Stra­ßen­bahn-Pla­nung“ auf­ge­hängt. Im Ver­gleich zu der sehr gro­ßen Pla­katan­zahl der aus dem Gun­del­fin­ger Arbeits­kreis Mobi­li­tät her­vor­ge­gan­ge­nen Stra­ßen­bahn-BI und denen der Gegner*innen (die bereits im August, weit vor Beginn der offi­zi­el­len Fris­ten, die Gemein­de mit Ban­nern geflu­tet hat­ten) gehen unse­re weni­gen Pla­ka­te aller­dings fast unter. Dass ein Vier­tel davon kurz nach dem Auf­hän­gen zer­stört oder abge­ris­sen wur­de, trägt auch nicht zur Sicht­bar­keit bei. Über zer­stör­te Pla­ka­te klagt auch die BI für die Stra­ßen­bahn. Es ist ein biss­chen beängs­ti­gend zu sehen, was ein sach­li­ches The­ma wie die Fra­ge zukunfts­fä­hi­ger Mobi­li­tät für Pola­ri­sie­rung und Aggres­si­on her­vor­ruft. Neben Ängs­ten um das „Dorf“ mit sei­nen inzwi­schen fast 12.000 Einwohner*innen – ande­re Gemein­den die­ser Grö­ße den­ken dar­über nach, das Stadt­recht zu bean­tra­gen – dürf­te da auch mit­spie­len, dass die Stra­ßen­bahn eine Alter­na­ti­ve zum Auto­ver­kehr dar­stellt. Und Autos sind viel zu vie­len Men­schen lei­der immer noch ein Heiligtum.

Die Geg­ner der Stra­ßen­bahn stel­len ein E‑Bus-Sys­tem ins Schau­fens­ter. Das gibt es noch nicht, es gibt auch kei­ne kon­kre­ten Aus­sa­gen dazu, was das kos­ten wür­de, und die Anti-Stra­ßen­bahn-Frak­tio­nen FW, SPD und CDU haben bis­her auch nichts unter­nom­men, um so ein Sys­tem zu eta­blie­ren. Mit ande­ren Wor­ten: das ist eine Chi­mä­re. Bei der Stra­ßen­bahn lässt sich dage­gen selbst ohne kon­kre­te Pla­nung jetzt schon sagen, dass die Kos­ten zu einem gro­ßen Teil vom ZRF über­nom­men wer­den wür­den. Und wie gut eine dich­te Bahn­an­bin­dung funk­tio­niert, lässt sich in Frei­burg stu­die­ren. (Bei eini­gen Gegner*innen habe ich das Gefühl, dass die­se die Orts­gren­zen Gun­del­fin­gens in den letz­ten zwan­zig Jah­ren nie über­schrit­ten haben …). Dass FW und CDU sich (mehr­heit­lich) mit der Stra­ßen­bahn nicht anfreun­den kön­nen, war zu erwar­ten. Die Hal­tung der SPD irri­tiert – nicht nur mich, son­dern auch die Jusos Breis­gau-Hoch­schwarz­wald. Mal sehen, was die nächs­ten Wochen bringen.