Reinhard Loske – in letzter Zeit bereits durch den einen oder anderen Profilierungsversuch (neue Radikalität im Umweltschutz etc.) aufgefallen, darf sich in der taz von heute in einem ganzseitigen Interview äußern. Ein paar Aussagen finde ich spannend genug, um hier darauf hinzuweisen – etwa den durchaus negativ für die Parteipolitik ausfallenden Vergleich von politischer Tätigkeit und vorheriger wissenschaftlicher Tätigkeit, oder auch die relativ ausführliche Darstellung von Loskes Vorstellungen eines Grundeinkommens. Zur Rolle des „Vordenkers“, wie sie ihm der interviewende Redakteur Hannes Koch schmackhaft machen will, reicht es aber doch noch nicht so ganz.
Julia Seeliger im taz-Interview
Nach dem ganzen etwas seltsamen Presserummel um Julia Seeligers Wahl in den Parteirat finde ich das lange Interview mit ihr in der taz von heute richtig entspannend – ist gut geworden und rückt einiges richtig. Glückwunsch dazu!
Update zu „Verlängern, nein danke“
Wie gestern geschrieben, will EnBW Strommengen vom neusten Reaktor Neckarwestheim II auf den ältestens – Neckarwestheim I – umlegen. Wohl in der Hoffnung, so bei einer etwaigen CDU-FDP-Regierung im Bund und einem kippenden Atomausstieg doch beide Reaktoren zu „retten“. Erste Reaktionen des für den Antrag zuständigen Bundesministers Gabriel (SPD) sehen relativ positiv aus: Spiegel-online von heute, d.h. der Antrag wird erst nach einer – hoffentlich gründlichen – Sicherheitsabwägung genehmigt. Protest dagegen bleibt weiterhin sinnvoll; ebenso die Abstimmung mit den Füssen im Sinne eines Anbieterwechsels hin zu einem nicht-atomaren Stromversorger.
Verlängern, nein danke!
Die EnBW ist das drittgrößte Energieversorgungsunternehmen Deutschlands, entstanden aus den ehemaligen baden-württembergischen Staatsunternehmen in diesem Bereich. Erst neulichs ist die EnBW durch eine eigentlich nur zynisch zu nennende – unter anderem in der taz geschaltete – Anzeige (pdf) aufgefallen, in der das 30-jährige Bestehen des von der EnBW betriebenen AKW Neckarwestheims als Beitrag zum Klimaschutz verkauft oder grüngewaschen wurde. Das war aber nur der erste Schritt – heute wurde offiziell der Antrag gestellt, Restenergiemengen anderer AKWs laut Atomkonsens auf Neckarwestheim zu übertragen. Damit würde das AKW Neckarwestheim acht Jahre länger als geplant laufen – und nicht 2007 abgeschaltet.
Nicht nur ist die Gleichsetzung Atomkraft = Klimaschutz naiv (weil da weder die ebenfalls problematischen Folgen der Produktion radioaktiven Mülls noch der im Betrieb entweichenden Radioaktivität noch des mit Unfällen verbundenen Risikos berücksichtigt wird), sie ist auch falsch: der Bau und Abriss von AKWs ebenso wie der Abbau von Uran trägt eben doch zum CO2-Ausstoss bei. Statt also Restlaufzeiten so zu verschieben, dass möglichst lange AKWs laufen (in der Hoffnung, irgendwann den Atomaustieg doch wieder rückgängig zu machen), wäre es besser, wenn die EnBW ihrem selbstverordneten Umwelt-Image gerecht würde und in den Bereichen Wind / Sonne / Wasser / Biomasse / Geothermie den Schwerpunkt ihrer Arbeit setzen würde.
Wer ebenfalls dieser Ansicht ist, kann gegen den EnBW-Antrag protestieren – und natürlich seinen/ihren Stromversorger wechseln, zum Beispiel zu den erst kürzlich ausgezeichneten Elektrizitätswerken Schönau (EWS).
> Info- und Protestseite bei den Grünen BaWü
> Information zum Thema bei Sylvia Kotting-Uhl, MdB (neuste PM leider noch nicht online)
> Blogeintrag beim grünen Landesvorsitzenden Mouratidis
> Website ATOMAUSSTIEG SELBER MACHEN der Umweltverbände
((Disclaimer: als engagiertes grünes Mitglied habe ich natürlich ein Interesse daran, unsere Kampagnen bekannt zu machen …))
Die Angst der (bürgerlichen) Gesellschaft vor dem Anderen
Nicht zum ersten Mal bei Grüns entscheiden sich Delegierte spontan für jemand, die nicht zur Parteiprominenz gehört, sondern mit Frechheit und Spontanität überzeugt. Ich finde das gut, und finde es auch vollkommen in Ordnung, das Julia weiterhin die Positionen vertritt, für die sie sich auch schon in der GRÜNEN JUGEND stark gemacht hat. Dazu gehören eine weitgehende Drogenfreigabe ebenso wie ein Rückzug des Staates aus der Regulation privater Beziehungen. Also klassische linksliberale Positionen – der Schutz des Bürgers und der Bürgerin vor zuviel staatlicher Einmischung.
Die (bürgerliche) Gesellschaft reagiert darauf vor allem: verstört. Das lässt sich den Kommentaren in Julias Blog ebenso entnehmen wie der Presseberichterstattung in der ZEIT und der BILD. Es gibt auch Pressestimmen, die da etwas sachlicher rangehen – etwa die WAZ mit Metaberichterstattung über den Medienrummel rund um Julia. Insgesamt aber scheint mir doch vor allem eines durchzuscheinen. Da hatte sich die gesellschaftliche Mitte es so schön eingerichtet mit den langweilig und verbürgerlicht gewordenen Alternativen. Und jetzt wird deutlich, dass es doch noch gewisse Differenzen zwischen FDP und Grünen gibt. Was nicht sein darf, kann auch nicht sein – oder muss runtergeschrieben, verbal beschimpft (siehe Blogkommentare) oder für verrückt erklärt werden.
Der Lack der Toleranz scheint dünner zu sein, als ich es nach den sieben Jahren rot-grüner Liberalisierungen erwartet hätte. Was darunter zum Vorschein kommt, ist nicht schön – aber auch kein Grund, aufzugeben.