Hessen bleibt spannend, aber aus links-grüner Perspektive stellt sich doch vor allem die Frage, „Wie lange will sich die Sozialdemokratie noch in einer Koalition mit den Christdemokraten quälen, wenn es doch eine Mehrheit für eine progressive Politik gibt?“. Nachdem die FDP offensichtlich nicht regieren will, frage ich mich das auch, und meine: gerade im ja doch grün gesehen sehr realpolitischen Hessen wäre rot-rot-grün ein interessantes Experiment. Von mir aus auch – vgl. Geschichte der Grünen – als Lafontaine-Cohn-Benditsche Duldung.
Kurzeintrag: zu 95 % grün
Zum Wahlkampfendspurt hat die Bundesgeschäftsstelle von Bündnis 90/Die Grünen jetzt den „Grün-o-mat“ ins Netz gestellt. 20 mehr oder weniger suggestive Fragen später weiß jede/r, wie grün (im Sinne der grünen Beschlusslage) er oder sie wirklich ist. Bei mir kommen jedenfalls 95 % heraus – keine 100 % v.a. deswegen, weil ich das konkrete Mindeslohnmodell der Bundestagsfraktion nicht so gut finde. Interessant wäre jetzt, mal die Programme anderer Parteien über die Fragen zu legen und zu schauen, wie grün SPD, CDU, FDP und LINKE inzwischen sind. Oder so.
Wer’s ausprobieren will: http://www.gruen-o-mat.de/
Ist Nokia jetzt böse? (Update 2)
Auch wenn es ein tiefsitzender Reflex ist, der nicht zuletzt meiner Sozialisation in der Jugendumweltbewegung zu verdanken ist, Konzerne anhand der Kategorien „gut“ und „böse“ zu beurteilen (McDonalds: böse, Google: gut, Microsoft: böse usw.), zeigt Nokias Werksverlagerung von Bochum nach Jucu einmal mehr, dass es ganz so einfach nicht ist. Ich habe inzwischen mein drittes Nokia-Handy, und bin von der Qualität der Nokia-Produkte nach wie vor überzeugt. Wenn jetzt Seehofer und Struck ihre Handys wegwerfen wollen, dann zeigt das erstens, dass Nokia brauchbare Produkte herstellt (warum sonst haben die Telefone dieser Marke) – und zweitens, dass die Aufrechterhaltung eines moralisch hochwertigen Markenimages so einfach nicht ist.
Wer versucht, nachhaltig zu konsumieren, weiss das bereits – auch jenseits der aktuellen Aufregung. Auch Nokia-Handys haben relativ hohe SAR-Werte, auch Nokia-Handys werden zu einem großen Teil aus Komponenten hergestellt, die irgendwo gefertigt werden (wo es halt gerade am billigsten ist); und auch Nokia-Handys landen nach zwei Jahren auf dem Müll. Ich jedenfalls werde mein Nokia-Handy behalten – und verstärkt über den Stellenwert von Konsum, Marken und politischen Symbolhandlungen nachdenken.
Bleibt die empirisch offene Frage: kann ein Konzern überhaupt erfolgreich im Sinne kapitalistischer Werte sein und trotzdem „gut“ (sprich: irgendwie freundlich, sympathisch, mit guten Arbeitsbedingungen, nachhaltig, …) bleiben? Und woran wäre das festzumachen?
Warum blogge ich das? Vielleicht vor allem deshalb, weil ich es etwas scheinheilig finde, wenn PolitikerInnen jetzt großes Getöse veranstalten, zugleich aber „Standortwettbewerb“ für ein sinnvolles und zu subventionierendes Konzept halten.
Update: Julia und Dennis sehen das wohl auch so ähnlich. Und Henning weist darauf hin, dass die Subventionen das Problem sind. Große (jung-)grüne Einigkeit über die Realitäten des globalen Kapitalismus?
Update 2: (24.01.2008) Ganz vernünftig klingt die Argumentation der Attac-Kampagne zu Nokia, die den Fall zum Anlass nehmen, ganz generell gegen Subventionswettstreit, für europaweite Mindestlöhne und ähnliche Formen der Kontrolle „des Kapitals“ zu streiten. Gefunden wiederum bei Julia.
Kurzeintrag: Abgeordnetenevaluation (Update)
Theresia Bauer, die hochschulpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag von Baden-Württemberg, war heute in Freiburg und hat in einer Veranstaltung der grünen Hochschulgruppe über 30 Jahre Kampf für die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft berichtet. War ganz interessant, hätten ruhig mehr Leute da sein können, ist aber gar nicht Thema dieses Kurzeintrags. Sondern die Tatsache, dass Theresia am Schluss ihres Beitrags einige Ideen äußerte, wie studentische Mitwirkung an der Hochschule denn noch so verbessert werden könne. Als positives Beispiel nannte sie u.a. auch spickmich.de, ein durchaus umstrittenes LehrerInnen-Bewertungsnetzwerk. Und ähnliches gibt es natürlich auch für ProfessorInnen. Kam im Publikum allerdings nicht ganz so gut an.
Bleibt trotzdem die Frage: Wer registriert (und realisiert) meinMdL.de?
Update: (15.01.2008) Zufälligerweise bin ich in einem Werbe-Kommentar bei Henning auf Trupoli gestoßen. Gibt es also auch schon. Aber abgeordnetenwatch.de finde ich konzeptionell eigentlich besser (Deliberation statt Evaluation!), um das auch mal zu sagen.
Was haben Dieter Salomon und Leonardo DiCaprio gemeinsam? (Update)
Die Frage könnte auch lauten: was verbindet Angela Merkel und den ehemaligen Sänger von Midnight Oil, Peter Garrett?
Alle finden sich auf der Liste „50 people who could save the world“, die der Guardian aufgestellt hat (gefunden bei SEED). Über Salomon (oder eigentlich über Freiburg, ganz passend zum neuen Image als „green city“) lesen wir da:
Freiburg in southern Germany is the most ecologically-aware town in Europe and possibly the rich world. The city of 250,000 people dubs itself a „solar region“ and gathers nearly as much power from the sun as is collected in all of Britain. It’s stacked with research establishments and its solar firms employ thousands of people. It is also the playground of architect Rolf Disch, who builds houses that need to be heated for only a week each year and whose cost is paid for by the electricity generated by the panels on their roofs. Salomon, 47, says that by 2010, at least 10% of all the energy consumed in Freiburg will come from renewables. To attain this, a huge area of the city centre has been turned into a pedestrian zone and there are 500km of bike paths. More than a third of all journeys are made by bike, and there are fewer than 200 parking places for cars in the centre compar ed with 5,000 for bikes. The snag? The quality of life is so good in Freiburg that too many people want to live there and it’s hard for anyone to buy a house.
Und zu Merkel heißt es u.a.:
Angela Merkel, 53, has inherited Tony Blair’s mantle as the politician forcing climate change the hardest on to the world stage, and she is a formidable advocate. The only major player left who helped hammer out the original global warming agreement at Kyoto in 1997, she is one of the very few with a grasp of what it means if humanity fails.
Warum blogge ich das? Mal unabhängig davon, ob diese Liste so Sinn ergibt (auch Björn Lomborg steht mit dabei …) – es ist auf jeden Fall ganz interessant, zu lesen, wie die Fremdwahrnehmung über Merkel, Salomon und Scheer in einer eher kritischen britischen Zeitung aussieht. Und wer demnach die wichtigsten „player“ im Spiel um die Zukunft sind.
Update: (15.01.2008) Inzwischen haben auch taz und Badische Zeitung (nur Abo) die Guardian-Liste aufgegriffen.