Sind die sieben neuen Sünden sinnvoll? (Update)

Ich bin ja nun, wie wahr­schein­lich bekannt, über­haupt kein Freund eta­blier­ter Reli­gio­nen. Wenn dann ab und zu die rel­giö­sen Groß­or­ga­ni­sa­tio­nen sich dem Zeit­geist nicht ganz ver­schlie­ßen, ist das zumin­dest ein Grund, etwas dar­über zu schrei­ben. So hat der Vati­kan wohl neben den alten Tod­sün­den (Woll­lust, Neid, Eitel­keit usw.) sie­ben neue Sün­den in die Welt gesetzt. Näm­lich die folgenden:

1. „Bio­ethi­sche“ Über­grif­fe wie Geburtskontrolle
2. „Mora­lisch frag­wür­di­ge“ Expe­ri­men­te wie Stammzellenforschung
3. Drogenmissbrauch
4. Umweltverschmutzung
5. Bei­trä­ge zur Ver­grö­ße­rung der Dif­fe­renz zwi­schen Arm und Reich
6. Exzes­si­ver Reichtum
7. Erzeu­gung von Armut

Wer nicht genau hin­schaut, fin­det das erst­mal fort­schritt­lich: etwas gegen Umwelt­ver­schmut­zung und sozia­le Ungleich­heit zu tun, ist doch wirk­lich pri­ma (und sei es das In-Die-Welt-Set­zen eines neu­en Memes). Beim genaue­ren Hin­schau­en ist dass dann aber doch nicht so ganz neu. Kapi­ta­lis­mus­kri­ti­sche Äuße­run­gen etc. und den Wunsch nach der „Bewah­rung der Schöp­fung“ gab es aus dem Vati­kan auch schon, bevor Reich­tum jetzt in den Rang einer Sün­de erho­ben wur­den. Und so ganz anders als die alte Sün­den erscheint der exzes­si­ve Reich­tum dann auch nicht. 

Dann ste­cken im neu­en Sün­den­re­gis­ter ja nicht nur Nr. 4 bis 7, son­dern auch die Sün­den 1 bis 3. Weder hal­te ich Gebur­ten­kon­trol­le (und ähn­li­che „bio­ethi­sche Ver­ge­hen“) für etwas nega­ti­ves, noch möch­te ich, dass der Vati­kan dar­über ent­schei­det, wel­che For­men von For­schung mora­lisch ok sind und wel­che nicht. Und auch beim Dro­gen­miss­brauch ist es (wie beim exzes­si­ven Reich­tum) nicht weit zur alten Sün­de Völ­le­rei. Span­nend dabei auch die Fra­ge, was denn ein „Miss­brauch“ ist, wenn es um Dro­gen geht? Jeder Kon­sum, oder nur einer, der nicht vom Vati­kan frei­ge­ge­ben wur­de? Auch da ist die katho­li­sche Kir­che die fal­sche Kontrollinstanz!

Damit erschei­nen die sie­ben neu­en Sün­den doch eher als zeit­geis­ti­ge Auf­hüb­schung bereits vor­han­de­ner katho­li­scher Moral­stan­dards in all ihrer Zwiespältigkeit. 

Neben die­ser Ebe­ne der Kri­tik – sind’s die rich­ti­gen Sün­den, darf der Vati­kan da über­haupt legit­mier­wei­se was zu sagen – steht aber noch eine zwei­te Ebe­ne der Kri­tik im Raum: das gan­ze Kon­zept von Sün­de und (gött­lich legit­mier­ter) Ver­ge­bung näm­lich. Ers­tens sind „Sün­den“ ein grund­le­gen­des Ele­ment der Poli­tik der Angst (wir ver­bie­ten das, indem wir es mit Angst um das himm­li­sche Wohl­erge­hen ver­knüp­fen). Viel sinn­vol­ler erscheint es mir, Poli­tik nicht mora­lisch zu begrün­den, son­dern den ratio­na­len Hin­ter­grund die­ser „Sün­den“ dar­zu­stel­len. Das gelingt nicht bei jeder, aber bei der Umwelt­ver­schmut­zung und auch bei der sozia­len Spal­tung kann m.E. ganz pro­blem­los auch ohne reli­gi­ös-mora­li­sche Instanz argu­men­tiert wer­den, war­um es ver­nünf­ti­ger ist, sich anders zu verhalten.

Zwei­tens steckt in der Idee einer Sün­de ja – zumin­dest im Katho­li­zis­mus – bereits die Über­le­gung, dass Men­schen solan­ge dage­gen ver­sto­ßen kön­nen, solan­ge sie recht­zei­tig Abbit­te leis­ten (oder dann eben einen Teil des exzes­si­ven Reich­tums für wohl­tä­ti­ge Mis­si­ons­wer­ke aus­ge­ben). Auch das ist etwas, was mir an die­ser Kon­zep­tio­na­li­sie­rung von Nach­hal­tig­keit und gutem Leben nicht gefällt.

Fazit: mög­li­cher­wei­se mag die­se PR-Akti­on des Vati­kans dazu bei­tra­gen, dass ein paar Katho­li­kIn­nen mehr als vor­her sich um umwelt­freund­li­ches Ver­hal­ten und einen Abbau von sozia­len Spal­tun­gen bemü­hen. Im gro­ßen und gan­zen wird sich dar­an aber wohl nichts ändern. 

Via Boing­Bo­ing.

War­um blog­ge ich das? Viel­leicht, weil mein (evan­ge­lisch auf­ge­wach­se­ner) Papa den Begriff Sün­de schon seit 20 oder 30 Jah­ren ähn­lich füllt wie der Vati­kan heu­te. Und weil ich gespannt bin, wann Magnum die Eis­sor­te „Erzeu­gung von Armut“ produziert.

Update: Das Natu­re-Blog nimmt das The­ma auch auf und weist dar­auf hin, dass es bereits ers­te Schis­men (na gut, zwi­schen ver­schie­de­nen Tages­zei­tun­gen) dar­über gibt, wie das Ori­gi­nal­zi­tat eigent­lich zu ver­ste­hen ist, und ob es sich wirk­lich um sie­ben Sün­den han­delt, oder viel­leicht nur um zweieinhalb.

Kurzeintrag: Wintereinbruch + Streik

Die­ser Ein­trag dient nur dazu, mei­nem Ärger dar­über, dass ein ten­den­zi­el­ler Win­ter­ein­bruch (ges­tern hat’s rich­tig geschneit, und heu­te ist’s immer noch kalt, mor­gen ???), ein Streik des Frei­bur­ger Nah­ver­kehrs (VAG mor­gen ganz­tags)* und eine recht hef­ti­ge Erkäl­tung unbe­dingt zusam­men kom­men müs­sen: kei­ne Lust, mich mor­gen auf’s Fahr­rad zu schwin­gen, muss aber wohl sein. Brrr.

* Den ver.di-Streik, der sich hier in ste­hen­den Stra­ßen­bahn äußert, fin­de ich ja eigent­lich sogar gerecht­fer­tigt. Aber in der Form dann doch ziem­lich hart. Und dar­über, dass die GDL schon wie­der Bahn­streiks ange­kün­digt hat, bin ich auch nicht glück­lich – im Fern­ver­kehr gibt’s halt kei­ne Alter­na­ti­ve für mich.

Kurzeintrag: Parteivorsitzendenquartett (Update 4)

Nach­dem Rein­hard Büti­ko­fer ange­kün­digt hat, im Novem­ber nicht wie­der für den Par­tei­vor­sitz zu kan­di­die­ren, wird bei Julia jetzt mun­ter Quar­tett gespielt.

Update: Par­tei­vor­sit­zen­den­taug­lich­keit scheint bei uns groß geschrie­ben zu wer­den. Moritz Dar­ge hat nach einem Fach­po­li­ti­ker als Vor­sit­zen­den­vor­schlag gesucht und mich gefun­den – dan­ke für die Blu­men, ist aber nichts für mich. In Juli­as Quar­tett-Zusam­men­fas­sung des Vor­schlags liest sich dass dann so:

Till Wes­ter­may­er

Vor­tei­le: Fach­po­li­ti­ker, Blogger
Nach­tei­le: will kein Spit­zen­po­li­ti­ker sein, kein Realo

Trifft es in etwa ;-)

Update 2: Es gibt wei­ße Ostern! Äh, nee, das ist zwar erstaun­li­cher­wei­se so, aber eigent­lich woll­te ich auf den Deutsch­land-sucht-den-Par­tei­vor­sit­zen­den-Poll hin­wei­sen, der sich aus dem oben genann­ten Quar­tett-Bei­trag erge­ben hat.

Update 3: (7.3.08) Nun berich­tet sogar die taz über Juli­as Akti­on DSDP, die sie selbst inzwi­schen als Kunst­pro­jekt gerahmt hat. Die taz-Über­schrift stimmt aller­dings nicht so ganz – es ist nicht „the next Fischer“, son­dern „the next Büti­ko­fer“. Fischer hat­te ja nie wich­ti­ge Par­tei­äm­ter inne.

Update 4: (12.3.08) Zumin­dest bei Julia ist das Wahl­spiel samt Mul­ti­mehr­fach­stim­men nun been­det. Das Ergebnis: 

1. Robert Habeck – 4263
2. Andre­as Braun – 3319
3. Ger­hard Schick – 2223
4. Boris Pal­mer – 1100
5. Anna Lühr­mann – 303
6. Ario Ebra­im­pour Mir­zaie – 270
7. Ste­fan Wen­zel – 227
8. Sepp Daxen­ber­ger – 197
9. Chris­toph Erd­men­ger – 151
10. Kat­rin Göring-Eckardt – 133
11. Ras­mus And­re­sen – 118 

Kurzeintrag: Munter protestierende Menschen sind keine Versammlung

"Reclaim the streets" posterMun­ter pro­tes­tie­ren­de Men­schen – etwa bei einem „Recla­im the street“-Event – schei­nen, so ver­ste­he ich jeden­falls die­sen Arti­kel aus juris­ti­scher Sicht kei­ne grund­ge­setz­lich gedeck­te Wil­lens­be­kun­dungs-Ver­samm­lung ohne Anmel­dung dar­zu­stel­len, son­dern eine – lega­ler­wei­se ein­zu­kes­seln­de – Ansamm­lung. Erscheint mir etwas frag­wür­dig, nicht zuletzt, weil ja durch­aus dafür gewor­ben wur­de. Und die Frei­bur­ger Poli­zei macht sich auch nicht belieb­ter. Tipp für die nächs­te der­ar­ti­ge Akti­on: ein­deu­ti­ge poli­ti­sche Bot­schaf­ten mitführen …

Kurzeintrag: Flickr > Yahoo > Microsoft – Google (Update)

Eigent­lich habe ich das Gefühl, mich zum hei­ßen The­ma „Micro­soft will Yahoo über­neh­men“ äußern zu müs­sen. Dazu kom­me ich gera­de aber nicht. Des­we­gen ver­wei­se ich auf die Pres­se­mit­tei­lung, die Griet­je Bet­tin MdB dazu her­aus­ge­ge­ben hat – als einer von vie­len inter­es­san­ten Ein­schät­zun­gen der poten­zi­el­len Über­nah­me. Dort heißt es aus einer vor allem am Ver­brau­cher­schutz ori­en­tier­ten Sicht u.a.:

Schein­hei­lig sind daher auch Äuße­run­gen aus Goo­gles Füh­rungs­ebe­ne, die mit dem Zusam­men­gang von Micro­soft und Yahoo den Ver­lust von Offen­heit und Inno­va­ti­on im WWW in Gefahr sehen. Hier spricht immer­hin ein Mono­po­list, der im Bereich Such­ma­schi­nen welt­weit auf einen Markt­an­teil von über 60 Pro­zent kommt, in Deutsch­land sogar über 80 Prozent.

Update: Lesens­wert erscheint mir auch fol­gen­de Hei­se-Mel­dung, in der um die Affi­ni­tät von Yahoo-Mana­gern und Teil­fir­men (u.a. Flickr) zu offe­ner Soft­ware geht – ganz im Gegen­satz zu Micro­softs tech­ni­schem Port­fo­lio. Eine Über­nah­me wäre inso­fern auch ein gewal­ti­ger Zusam­men­stoß von Kulturen.