Von Luxusgrün zu Notwendigkeitsgrün?
Die taz berichtet heute über den schrumpfenden Umsatz der Bioläden; dabei geht es vor allem um die schon etwas ältere Konventionalisierungsdebatte, also Bioprodukte im Supermarkt. Interessanter finde ich einen zweiten Aspekten: nämlich den Zusammenhang der letzten „Öko-Wellen“ mit dem wirtschaftlichen Aufschwung. Ich habe das ja die letzten Jahre etwas genauer verfolgt, und „cool green“ ebenso wie Dinge wie das plötzliche Interesse Prominenter für den „Lifestyle of Health and Sustainability“ (LOHAS) koinzidieren durchaus mit „keine andere Sorgen“. Umgekehrt wurde das Umweltthema Anfang der 1990er Jahre von Platz 1 der bundesdeutschen Sorgenhitliste verdrängt. Plötzlich ging es um soziale Sicherheit, Arbeitslosigkeit und dergleichen mehr.
Mit dem von einigen jetzt wahrgenommenen Rüberschwappen der Rezession von den USA hierher scheint es eine ähnliche Entwicklung zu geben. Jedenfalls kommentiert die Times „Suddenly being green is not cool anymore“. Kurz gesagt: das nötige Geld, um sich einen grünen Lebensstil leisten zu können und diesen als hip zu propagieren, ist (in Großbritannien) nicht mehr da, die Hypewelle um Luxusgrün scheint sich dem Ende zuzuneigen. Die Times-Kommentatorin Alice Thomson sieht darin aber auch etwas gutes:
But paradoxically, just as Britain is turning its back on the environment, the country is finally becoming greener. Fewer people are moving house so they are buying fewer new white goods such as washing machines and fridges. They may not be queueing up for £9 organic Poilâne bread, but for the first time in a decade they are discarding less food. They buy less impulsively and think more carefully before their weekly shop. Children are wearing hand-me-down uniforms rather than new ones made in sweatshops.
Mich erinnert das an die Beobachtung u.a. von Silke Kleinhückelkotten (wenn ich mich jetzt an den richtigen Text erinnere), dass die in der tatsächlichen Wirkung „grünsten“ Milieus nicht die Postmaterialisten sind, sondern eher relativ arme, mit Sparsamkeitswerten aufgewachsene traditionelle Milieus. Das könnte als Gegenpol zum Luxusgrün auch als „Notwendigkeitsgrün“ bezeichnet werden (oder auch als „unfreiwillige Umweltschützer“).
Allerdings hat Armut (über deren Unerwünschtheit geht es hier gar nicht) nicht nur ökologisch positive Effekte. Neben den von Thomson beschriebenen stehen die fehlenden Möglichkeiten, mittelfristig in öko-sparsame Produkte zu investieren. Thomson spricht von weitergenutzten Waschmaschinen und Kühlschränken – genau die sind aber ebenso wie schlechtgedämmte Wohnungen möglicherweise ein großes ökologisches Problem. Und wer gezwungen ist, die billigsten Nahrungsmittel zu wählen, schmeißt diese zwar vielleicht nicht weg, trägt aber trotzdem ungewollt zur Verstärkung industrieller Agrarwirtschaften und zu langen Transportkreisläufen bei. Notwendigkeitsgrün muss also nicht unbedingt funktionieren. Das kann an fehlenden idellen Werten liegen (Sparsamkeit und auch das von Thomson ebenfalls angeführte Beispiel, selbst Gemüse anzubauen, funktionieren nur mit entsprechendem Wissen), die fehlenden materiellen Werte können zu ökologischen Fehlallokationen führen, und fehlende Rahmenbedingungen (Discounter nimmt Bio wieder aus dem Angebot, um nur ein Beispiel zu wählen) zeigen die Abhängigkeitsstrukturen deutlich auf, unter denen Notwendigkeitsgrün steht.
Damit wird auch politischer Handlungsbedarf in allen drei Bereichen sichtbar: in der Popularisierung der Wissens- und Wertgrundlagen eines tragfähigen „Suffizienzlebensstil“ (der ja – ebenso wie Subsistenz – durchaus mit Sparsamkeit und nicht Askese vermarktbar ist), in der Unterstützung ökologischer Investitonen bei fehlenden Einkommen (der Öko-Bonus geht in diese Richtung, aber auch mobile Energiespar-Beratungen sozialer Einrichtungen, die es neuerdings gibt), aber auch in der ordnungspolitischen Steuerung der Rahmenbedingungen (d.h. letztlich auch: Internalisierung externer Konsequenzen in Preisstrukturen, auch wenn das erst mal unsozial aussieht).
Soweit ein paar erste rohe Überlegungen zur Frage, ob das Ende der LOHAS-Welle erreicht ist, und was danach kommen könnte.
Warum blogge ich das? Mich interessiert der scheinbar konjunkturabhängige Zusammenhang von Umwelt und Milieu, aber auch die politische Frage, wie unter wirtschaftlich schwieriger werdenden Bedingungen Nachhaltigkeit gestaltet werden kann.
Kurz: „… kann wegen Unfall des vorhergehenden Fahrzeugs nicht ins Rieselfeld einfahren“ (Update: schon wieder ein Unfall)
An der Stelle, wo das Rieselfeld stadteinwärts endet, kreuzen sich Radweg und Straßenbahntrasse. Ich habe es schon ein paar Mal erlebt, dass dort Fahrradfahrer nur knapp vor der Straßenbahn über die Gleise gekommen sind, oder dass nur das energische Hupen und Bremsen der StraßenbahnfahrerIn einen Unfall verhindern konnte. Diesmal ist es wohl nicht ganz so glimpflich ausgegangen. Meine Straßenbahn fuhr jedenfalls nur bis zur Haltestelle „Am Lindenwäldle“, dort gab es dann die im Titel genannte Durchsage, dass das Fahrzeug wegen eines Unfalls das Rieselfeld nicht anfahren werde. Also zu Fuß weiter (geht von der Entfernung einigermaßen), und damit auch an der Unfallstelle vorbei. Dort standen ein äußerlich unversehrtes Straßenbahnfahrzeug, drei Fahrräder, zwei junge Frauen, ein Krankenwagen und diverse PolizistInnen. Ich hoffe, dass es nur zu einem Touchieren und nicht zu Schlimmeren kam, jedenfalls eine ziemlich grauslige Vorstellung. Die Stelle bleibt gefährlich und lässt sich auch kaum entschärfen. Und ich bin nur froh, dass ich noch einen kurzen Zwischenstopp zum Einkaufen gemacht habe – sonst wäre ich vermutlich mit der Bahn gefahren, die am Unfall beteiligt war.
Update: (10.9.2008) Nachdem Google einige Anfragen wegen des heutigen Straßenbahnunfalls im Rieselfeld hierhergeleitet hat: persönlich habe ich davon nichts mitgekriegt, aber der Unfall, bei dem eine ältere Frau unter die Straßenbahn geraten ist, ist tatsächlich direkt hier an der Haltestelle Maria-von-Rudloff-Platz passiert. Mehr bei fudder.
Kurz: Marsroboter-Vergesellschaftung (Update)
Wie wichtig und neu die Nachricht ist, dass es auf dem Eis tatsächlich Wassereis gibt (und wohl mal mehr flüssiges Wasser gab), tatsächlich ist, mögen andere beurteilen. Ebenso die Frage, ob es bei „Mars was habitable“ um den zukünftigen Organisationsbestand der NASA, um eine Legitimierung für teure Raumfahrtprojekte oder um den Plan B der Menschheit geht. Ich wollte nur drauf hinweisen, dass der Phoenix Mars Lander nicht nur eine Website hat, sondern auch twittert. Und zwar, das macht die Sache interessant, in der Fiktion einer ersten Person Singular, als in der Ich-Form. Da heißt es dann z.B.
Heard about the recent news reports implying I may have found Martian life. Those reports are incorrect.
10:06 PM August 02, 2008 from web
Oder:
@bradinvegas My goal is to determine if Mars may have been habitable. There’s lots of data to analyze on that, and no clear answer yet.
7 Minuten ago from web in reply to bradinvegas
Natürlich werden diese Einträge nicht vom Phoenix Lander geschrieben, sondern von irgendjemand aus dem Team, der/die für Wissenschaftskommunikation zuständig ist. In der gewählten Form tragen sie aber definitiv dazu bei, der Lander zu verniedlichen und zu anthropomorphisieren (was ja auch mit den beiden Rovern schon gut gelungen ist). Interessanter Effekt – hier kann die ESA noch lernen. Und ein gutes Thema für eine techniksoziologische Arbeit wäre diese Rhetorik auch.
Update: (10.11.2008) Nach fünf Monaten ist jetzt der Kontakt zu Phoenix verloren gegangen – und auch dies wurde der Welt im Stil einer persönlichen Abschiedsnachricht mitgeteilt.