Glaskugel: die grüne Fraktion nach der Wahl (Update: tatsächliches Ergebnis)

Single marbleBei Face­book fand ich heu­te eine Ein­la­dung für die Grup­pe „Die neue grü­ne Frak­ti­on“ vor (Link lei­der ver­legt) – Tenor: nach der Wahl wird alles anders und bes­ser. Das weck­te mei­ne Neu­gier­de, mal in die Glas­ku­gel zu schau­en, was sich bei der grü­nen Bun­des­tags­frak­ti­on ändern wird.

Der­zeit gehö­ren dem Deut­schen Bun­des­tag 51 grü­ne Abge­ord­ne­te an; davon sind 50 über die Lan­des­lis­ten ein­ge­zo­gen (ins­be­son­de­re bei denen aus Hes­sen mit einer gan­zen Rei­he von Nach­rü­cke­rIn­nen) und einer (Strö­be­le in Ber­lin) wur­de direkt gewählt. Das Wahl­er­geb­nis 2005 lag bei 8,1 Prozent.

Wie wird es nach der Wahl am 27. Sep­tem­ber 2009 aus­se­hen? Das Wahl­er­geb­nis steht heu­te – glück­li­cher­wei­se – noch nicht fest. In den Sonn­tags­fra­gen ste­hen Grü­ne zwi­schen 12 und 13 Pro­zent. Wenn wir eine aktu­el­le Pro­gno­se der For­schungs­grup­pe Wah­len als Grund­la­ge neh­men (CDU/CSU 36%, SPD 23%, FDP 14%, GRÜNE 12%, LINKE 9%), dann spuckt ein auf diver­sen grü­nen Mai­ling­lis­ten kur­sie­ren­der Man­dats­rech­ner der von Chris­ti­an Brug­ger pro­gram­mier­te Man­dats­rech­ner (V. 0.91) aus, dass mit etwa 76 grü­nen Man­da­ten zu rech­nen wäre – das wären genau ein­ein­halb mal so vie­le wie jetzt. Etwas kon­ser­va­ti­ver gerech­net, wären bei zehn Pro­zent für die Grü­nen etwa 64 Sit­ze drinne. 

Soll­te sich bis zur Bun­des­tags­wahl nicht noch gra­vie­rend etwas ver­schie­ben, kann also mit 65–75 Sit­zen gerech­net wer­den. Der Man­dats­rech­ner ver­teilt das – anhand der Ergeb­nis­se 2005 anhand der Ver­tei­lung der Ergeb­nis­se zwi­schen den Län­dern bei der Euro­pa­wahl – auch gleich auf die Bun­des­län­der. Das sieht dann – ohne jede Gewähr – so aus:

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Kurz: Plakate in Kreuzberg (Update 4)

Plakat Ströbele 2009Nicht alles, was sich wie­der­holt, muss schlecht sein. Mir jeden­falls gefällt das neue, wie­der von Sey­fried gezeich­ne­te Pla­kat des grü­nen Direkt­kan­di­da­ten, Hans-Chris­ti­an Strö­be­le, für den Wahl­kreis Fried­richs­hain-Kreuz­berg in Ber­lin. „Augen­zwin­kernd pathe­tisch“ schreibt der Tages­spie­gel – das trifft es gut, und das gefällt mir. Ich jeden­falls drü­cke Chris­ti­an die Dau­men für einen erneu­ten Direkt­ein­zug in den Bundestag.

Ach ja, Björn Böh­ning. Das ist der SPD­ler („Spre­cher der SPD-Lin­ken“, Mit­ar­bei­ter von Wowe­reit, der nicht auf die Lan­des­lis­te gewählt wur­de und im Wahl­kampf auf bil­li­ge Prak­ti­kan­tIn­nen setzt), der meint, die­ses Pla­kat mit „Über­ra­schungs­los – Span­nungs­los – Ideen­los“ kom­men­tie­ren zu müs­sen. Dass ein gutes grü­nes Pla­kat dem SPD-Gegen­kan­di­da­ten nicht gefällt, wird wohl nie­mand wun­dern. Dass ein der­ar­ti­ger Null-Kom­men­tar auch in der wort­rei­chen Erläu­te­rung nicht bes­ser wird, auch nicht. 

Und war­um macht er das? Wohl, weil Hans-Chris­ti­an Strö­be­le mit der wit­zi­gen Sey­fried-Adap­ti­on der fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­ons­i­ko­no­gra­fie dem SPD-Pla­kat (die Ber­li­ner Zei­tung beschreibt es als „Mini-Oba­ma in Kreuz­berg“) die Show gestoh­len hat. Bil­der davon fin­de ich im Netz noch kei­ne, aber wenn’s tat­säch­lich ein uniro­ni­scher Ver­such sein soll­te, Oba­mas „Hope“ zu kopie­ren, dann wäre neben „ein­falls­los“ auch „völ­li­ge Selbst­über­schät­zung“ eine gute Beschreibung.

Update: (10.8.2009) Ein Exem­plar des Böh­ning-Pla­kats habe ich noch immer nicht gese­hen, dafür das defi­ni­tiv niveau­lo­se Pla­kat der CDU-Kan­di­da­tin, Vera Lengs­feld (sie­he auch Süd­deut­sche).

Update 2: Böh­ning sieht so aus – auf sei­nem eige­nen Web­auf­tritt fehlt das Pla­kat aller­dings immer noch. Net­tes Pla­kat, die Oba­ma-Anlei­he ist weit weni­ger schlimm als befürch­tet – beson­ders gewagt fin­de ich’s aller­dings auch nicht.

Update 3: Auch das Pla­kat der Kan­di­da­tin der LINKEN, Hali­na Waw­zy­ni­ak, über­rascht eher durch Kör­per­ein­satz als durch inhalt­li­che Spannung.

Update 4: (11.08.2009) Alle vier Pla­ka­te im Ver­gleich noch­mal im Tages­spie­gel.

Denial-of-Service-Attacke auf Twitter und Facebook (Update)

Circuit city III

Ges­tern nach­mit­tag war Twit­ter eini­ge Stun­den lang aus­ge­fal­len bzw. nur sehr schlecht zu errei­chen. Auch Face­book lahm­te merk­lich; immer wie­der funk­tio­nier­ten Aktua­li­sie­run­gen nicht und konn­ten Sei­ten nicht gela­den wer­den. Ges­tern abend schon wur­de dann klar, dass es sich nicht um einen tech­ni­schen Feh­ler han­del­te, son­dern um eine dis­tri­bu­ted Deni­al-of-Ser­vice-Atta­cke. Nur – wer steck­te dahinter?

Bei Clau­dia Som­mer konn­te die Spe­ku­la­ti­on gele­sen wer­den, dass das Motiv die Unter­drü­ckung von Gegen­öf­fent­lich­keit zum The­ma Iran sein könn­te. Inzwi­schen ist die über­ein­stim­men­de Deu­tung wohl die, dass die Angrif­fe auf Twit­ter, Face­book und Live­jour­nal einem ein­zi­gem Blog­ger gal­ten, dem Geor­gi­er „Cyxy­mu“ (d.h. „Suchumi“), der auf die­se Wei­se zum Schwei­gen gebracht wer­den sollte.

Unab­hän­gig davon, ob der Hin­ter­grund eher poli­tisch oder kri­mi­nell ist – oder ob sich bei­des gar nicht so ein­fach tren­nen lässt – zeigt die Atta­cke zwei­er­lei. Zum einen sind wir wie­der ein Stück wei­ter in der Zukunft ange­kom­men (wer Gib­son, Ster­ling, Stross – oder wie ich gera­de – Richard K. Mor­gans ‚Alte­red Car­bon‘ liest, wird eini­ges fin­den, was ihm oder ihr sehr bekannt vor­kommt). Zum ande­ren wird noch ein­mal deut­lich, wie anfäl­lig zen­tral orga­ni­sier­te Web‑2.0‑Dienste für der­ar­ti­ge Angrif­fe, aber auch für Zen­sur­maß­nah­men, Wech­sel in der Geschäfts­po­li­tik etc. sind – und wie abhän­gig moder­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on inzwi­schen vom Funk­tio­nie­ren die­ser Infra­struk­tur­net­ze ist.

Dem CNet-Arti­kel zufol­ge war Goog­le wohl nicht (oder weni­ger) betrof­fen – You­Tube hak­te bei mir auch – weil die dahin­ter­lie­gen­de Hard­ware und Netz­werk­ar­chi­tek­tur robus­ter war. Trotz­dem bleibt auch hier das Pro­blem letzt­lich pri­vat­wirt­schaft­li­cher Infra­struk­tur­oli­go­po­le. Dass es (theo­re­tisch) auch anders geht, zeigt Identi.ca – ein Mikro­blog­ging-Dienst, der auf ver­teil­te und offe­ne Struk­tu­ren aus­ge­legt ist. 

War­um blog­ge ich das? Nicht nur wegen der doch gru­se­li­gen Fest­stel­lung, dass man­che SF-Welt­ent­wür­fe näher sind, als das einem lieb ist (Charles Stross muss­te gera­de zum zwei­ten Mal den Plot eines sei­ner nächs­ten Roma­ne umstel­len, weil die Wirk­lich­keit ihn über­holt hat), son­dern auch, weil ich die Beob­ach­tung span­nend fin­de, wie kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­ni­sche Pfa­de sich schlie­ßen bzw. öff­nen, und wie dies mit Ein­zel­er­eig­nis­sen und Kon­tin­gen­zen zusammenhängt.

Update: (8.8.2009) Tech­crunch weist dar­auf hin, dass die Atta­cken auf Twit­ter wei­ter­ge­hen und sich noch ver­stärkt haben.

Politische Unterhaltung

Grü­ne 1 Mio., LINKE 2 Mio, SPD 4 Mio. Was ist das? Genau, Stein­mei­ers per­sön­li­cher „Deutsch­land­plan“. Pas­send dazu gibt’s heu­te drei Urlaubs­le­se­tipps aus dem Bereich poli­ti­scher Science-Fiction.

Kim Stan­ley Robin­son schreibt eher lite­ra­risch ori­en­tier­te Sci­ence-Fic­tion. In der Tri­lo­gie Sci­ence in the Capi­tal (For­ty Signs of Rain (ama­zon), Fif­ty Degrees Below (ama­zon)und Six­ty Days and Coun­ting (ama­zon)) spie­len wie schon in frü­he­ren Wer­ke Umwelt­fra­gen eine gro­ße Rol­le – hier gekop­pelt mit dem Blick auf Ver­qui­ckun­gen zwi­schen Poli­tik und Wis­sen­schaft. Die Tri­lo­gie zeich­net den Auf­stieg des US-Sena­tors Phil Cha­se zum glo­ba­len Öko­prä­si­den­ten nach – geschrie­ben vor dem Obama-Wahlkampf!

Der zwei­te Tipp ist eher netz­po­li­tisch span­nend: Charles Stross wid­met sich in sei­nem Thril­ler Hal­ting Sta­te (ama­zon) einer Welt in naher Zukunft, in dem das orga­ni­sier­te Ver­bre­chen inner­halb von Online-Wel­ten statt­fin­det, und die Com­pu­ter­spie­le auf der Stra­ße – und kop­pelt das mit dem See­len­le­ben von Finanz­jon­gleu­rIn­nen. Ähn­lich, nur noch etwas wil­der und in Süd­afri­ka statt Groß­bri­tan­ni­en ange­sie­delt, Lau­ren Beu­kes Moxy­land (ama­zon).

Zum Schluss noch was deutsch­spra­chi­ges: Ali­en Earth (1, 2, 3 bei ama­zon)- drei dicke Bän­de des Frei­bur­ger Per­ry-Rho­dan-Autors Frank Borsch (hat­te übri­gens für die Grü­nen kom­mu­nal kan­di­diert). Vor dys­to­pi­schem Hin­ter­grund (Deutsch­land treibt Hartz-IV auf die Spit­ze, Gedan­ken­ver­bre­chen wer­den bestraft, die Groß­macht heißt Ver­ei­nig­te Staa­ten von Ame­ri­ka und Ara­bi­en) ent­wi­ckelt Borsch eine packen­de Geschi­che um gen­tech­ni­sche Mutan­ten und geheim­nis­vol­le Außerirdische.

Erst­ver­öf­fent­li­chung: blog.gruene-bw.de>