Zen des Pendelns

Regel­mä­ßi­ges Pen­deln mit der Deut­schen Bahn ist eine gute Übung in Gelas­sen­heit. Zwei oder drei­mal in der Woche zwei­ein­halb Stun­den in die eine Rich­tung und zwei­ein­halb Stun­den in die ande­re Rich­tung zu fah­ren, heißt auch, dass das oft Zeit ist, in der nichts wirk­lich sinn­vol­les geschieht. Ja, die lässt sich mit Twit­tern, mit dem Lesen eines Buches oder mit Arbeit überbrücken.
 
Manch­mal. Manch­mal auch nicht. Es gibt Tage, an denen im Zug sit­zen ein­fach nur bedeu­tet, zu war­ten. Ohne etwas sinn­vol­les tun zu kön­nen. Und das übt die Gelas­sen­heit und das Ver­trau­en dar­in, irgend­wann anzukommen.


Meis­tens klappt das ja. Meis­tens sind die Ver­spä­tun­gen nicht so groß, um ernst­haft zu stö­ren. Meis­tens klappt es mit den Anschlüs­sen. Und fast immer auch mit einem Sitzplatz.
 
Und dann gibt es – wer mir auf Twit­ter oder Face­book folgt, wird das wis­sen – Tage wie heu­te. Eigent­lich woll­te ich früh aus Stutt­gart auf­bre­chen. Das heißt, den Zug um 16.00 Uhr oder den um 17.11 Uhr neh­men. Lei­der fiel mir das zu spät wie­der ein. Den Zug um 16.00 hät­te ich nicht mehr erwischt. Aber nach­dem eh alles ver­spä­tet ist, zur Zeit, setz­te ich auf mein Glück, und nahm den Zwi­schen­zug, der in Karls­ru­he kei­nen Anschluss hat. Abfahrt regu­lär 16.41 Uhr, voll. Steh­platz. Abfahrt tat­säch­lich dann 16.45, noch im Rahmen.
 
Lei­der kein Glück mit den Ver­spä­tun­gen: der Anschluss-ICE davor hat­te kaum wel­che, den wür­de ich in Karls­ru­he nicht erwi­schen, der danach hoch­was­ser­be­dingt 50 Minu­ten. Aber es gibt ja immer ande­re Optio­nen. Zum Bei­spiel die, mit dem IC aus Stutt­gart bis Offen­burg zu fah­ren, inzwi­schen auch mit einem Sitz­platz im zuneh­mend lee­re­ren Zug, und dort dann in die Regio­nal­bahn umzu­stei­gen. Statt um 19.00 Uhr wäre ich dann zwar erst um 19.30 Uhr in Frei­burg, aber immerhin.
 
Gedacht, getan. Drau­ßen Som­mer, drin­nen kühl. Gemäch­lich zuckeln­de Fahrt bis Lahr, dann die Ansa­ge, dass die­ser Zug jetzt hier ste­hen bleibt, weil es einen Not­arzt­ein­satz am Gleis vor Lahr gebe. Per­so­nen­scha­den. Wer häu­fi­ger Bahn fährt, weiß, dass das nichts Gutes bedeu­tet, son­dern meis­tens etwas damit zu tun hat, dass sich Men­schen vor den Zug gewor­fen haben. Stre­cken­sper­rung, Not­arzt, Polizei.
 
Die Regio­nal­bahn wür­de zurück nach Offen­burg fah­ren, hieß es. Es wür­de Schie­nen­er­satz­ver­kehr geben, hieß es. Kei­ne Durch­sa­gen, kein Schie­nen­er­satz­ver­kehr in Sicht, und es dau­er­te bis 19.38 Uhr, bis die Regio­nal­bahn wie­der zurück­fuhr. Ich mit dabei, den letzt­lich erschien mir die Aus­sicht, in Offen­burg einen ICE zu erwi­schen, dann doch attrak­ti­ver, als auf einen even­tu­ell irgend­wann in Lahr auf­tau­chen­den Schie­nen­er­satz­ver­kehr zu warten.
 
Den ursprüng­li­chen Plan, heu­te Abend mei­ne Kin­der zu über­neh­men, muss­te ich eh ver­wer­fen – bis ich in Frei­burg sein wür­de, wäre es längst Schla­fens­zeit für die bei­den. Fami­li­en­plä­ne also durch­ein­an­der geworfen.
 
Jetzt, um 20.52 Uhr, sit­ze ich noch immer im ICE in Offen­burg. Mitt­ler­wei­len ist ein Unwet­ter mit spek­ta­ku­lä­ren Regen­fäl­len über Offen­burg gezo­gen. Die Zug­che­fin ent­schul­digt sich alle fünf­zehn Minu­ten, dass der Zug doch nicht wie geplant los­fah­ren kann, dass die Stre­cke immer noch gesperrt sei. Ich habe ja den Ver­dacht, dass die­ses Unwet­ter etwas damit zu tun hat. Ein Glück, dass ich im Zug sit­ze, und nicht an einem der vie­len Bahn­hö­fe und Hal­te­punk­te ohne Haus und Dach auf einen Zug war­ten muss, der nicht kommt.
 
Die ICEs ste­hen in Offen­burg und Baden-Baden. Sie sta­peln sich sozu­sa­gen. Irgend­wann wer­den sie wei­ter­fah­ren. Bis dahin heißt es war­ten. Irgend­wann wer­de ich in Frei­burg ankom­men (und sei es, wie bei dem einen Mal, als die Bahn mich mit dem Taxi von Karls­ru­he nach Frei­burg brach­te, deut­lich nach Mit­ter­nacht). Ich habe Geduld. Was bleibt mir auch ande­res übrig.
 
War­um blog­ge ich das? Wenn in schon im Zug sit­zen muss, kann ich euch ja auch dar­an teil­ha­ben lassen.

P.S.: Um 22.33 war ich mit einer Ver­spä­tung von 3.33 dann in Frei­burg, um kurz vor elf zu Hau­se. Endlich.

2 Antworten auf „Zen des Pendelns“

  1. Ich füh­le mit Dir. Das Unwet­ter, das man für Hei­del­berg gg. 17 Uhr vor­aus­ge­sagt hat­te, hat nun Euch erwischt und legt den Schie­nen­ver­kehr lahm. Das tut mir leid. Freu­di­ge Nach­richt für mich und ande­re Leser: Dein Text, der mich in mei­ne Zeit des Pen­delns zurück­ver­setz­te. Medi­tie­re noch schön über das Zen einer sol­chen Zug­fahrt und komm gut bei Dei­ner Fami­lie in Frei­burg an! LG juna

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