Nachdenken über Nachhaltigen Konsum

Fast food III

Vor ein paar Tagen habe ich ein biss­chen was über die Mün­che­ner Tagung zu Kon­sum und Nach­hal­tig­keit geschrie­ben. Jetzt bin ich am Über­le­gen, ob ich für die Tagung Sus­tainable Con­sump­ti­on – Towards Action and Impact im Novem­ber in Ham­burg einen Abs­tract ein­rei­che (die Dead­line ist heu­te abend). Mir gefällt jeden­falls die Aus­rich­tung der Tagung, und eini­ge der Key­note-Spea­k­er klin­gen auch sehr span­nend. Das mal als Vor­be­mer­kung zu den fol­gen­den Über­le­gun­gen zum The­ma „Nach­hal­ti­ger Konsum“.

Ein Grund­pro­blem der sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Nach­hal­tig­keits­de­bat­te ist mei­ner Mei­nung nach die dop­pel­te Bedeu­tung des Begriffs „nach­hal­tig“. Und damit mei­ne ich jetzt nicht die Tat­sa­che, dass das Adjek­tiv auch als Syn­onym für „dau­er­haft“ ver­wen­det wer­den kann, son­dern die Unter­schei­dung zwi­schen einer mate­ri­el­len und einer sym­bo­li­schen Ebe­ne, wenn es um „nach­hal­ti­gen Kon­sum“ oder um „nach­hal­ti­ge Lebens­sti­le“ geht. Das sieht dann unge­fähr so aus:

Sym­bo­li­sche Ebene
gerin­ge Iden­ti­fi­ka­ti­on mit Nachhaltigkeit hohe Iden­ti­fi­ka­ti­on mit Nachhaltigkeit
Mate­ri­el­le Ebene gerin­ge Umweltauswirkungen* A B
hohe Umwelt­aus­wir­kun­gen C D

Mein Ein­druck ist nun der, dass oft nicht klar zwi­schen bei­den Ebe­nen getrennt wird. Das führt dann dazu, dass viel Ener­gie und Auf­wand in Vor­ha­ben gesteckt wer­den, die dar­auf abzie­len, die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit Nach­hal­tig­keit zu ver­stär­ken (gera­de auch im Bereich Nach­hal­tig­keits­kom­mu­ni­ka­ti­on). Ganz ähn­lich wie in den Umwelt­be­wusst­seins­de­bat­te des letz­ten Vier­tel­jahr­hun­derts (oder auf eng­lisch: „atti­tu­de-beha­viour-gap“) gibt es doch immer wie­der den Fehl­schluss, dass nur das Nach­hal­tig­keits­be­wusst­sein gestei­gert wer­den müs­se, um letzt­lich auf der Ebe­ne der mate­ri­el­len Wir­kun­gen Erfol­ge zu erzielen.

Wenn wir mal anneh­men, dass A, B, C und D für unter­schied­li­che Lebens­sti­le ste­hen (z.B. A=Traditionsorientiert, B=ÖkopionierIn/Askese?, C=Materiell ori­en­tiert, D=LOHAS**), wür­de das bedeu­ten, dass ver­sucht wird, ins­ge­samt nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung zu beför­dern, indem über­legt wird, wie der mate­ri­ell ori­en­tier­ten Bevöl­ke­rungs­mehr­heit bei­gebracht wer­den kann, sich mehr für Nach­hal­tig­keit zu inter­es­sie­ren. (Und ja, ich ver­wen­de den Begriff „bei­gebracht“ hier bewusst). Also: ein Ver­such, von C nach D zu kom­men, in der (impli­zi­ten) Hoff­nung, dass aus D irgend­wann B wird, und dann auch die tat­säch­li­chen Umwelt­fol­gen etc. unse­rer Lebens­sti­le sinken.

Natür­lich gibt es im Bereich der sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Nach­hal­tig­keits­for­schung auch ande­re Ansät­ze. Sil­ke Klein­hü­ckel­kot­ten (2005) bei­spiels­wei­se geht nicht von einer nor­ma­ti­ven Vor­stel­lung über den einen nach­hal­ti­gen Lebens­stil aus, son­dern schaut sich unter­schied­li­che Milieus an, um her­aus­zu­fin­den, wo jeweils Anknüp­fungs­punk­te für Nach­hal­tig­keits­kom­mu­ni­ka­ti­on lie­gen – nicht im Sin­ne der Stär­kung der Nach­hal­tig­keit auf der sym­bo­li­schen Ebe­ne, son­dern im Hin­blick auf die tat­säch­li­chen mate­ri­el­len Effek­te. Dann wird zum Bei­spiel sicht­bar, dass das Feld „A“ durch­aus gefüllt ist – mit Men­schen, die von Kind­heit auf mit dem Gebot der Spar­sam­keit auf­ge­wach­sen sind (also oft heu­te schon älter sind), die wenig mate­ri­el­le Res­sour­cen haben – und die des­we­gen in ihren Umwelt­aus­wir­kun­gen ins­ge­samt gar nicht so schlecht daste­hen. Ohne einen Gedan­ken an Umwelt­schutz und Nach­hal­tig­keit zu verschwenden.

Gleich­zei­tig wird – von der Pres­se, aber auch aus der Umwelt­so­zi­al­for­schung her­aus (etwa Diek­mann & Prei­sen­dör­fer 1992; im Zuge der Debat­te um „LOHAS“ wäre bei­spiels­wei­se Hart­mann 2009 zu nen­nen) – immer wie­der mehr oder weni­ger genüß­lich dar­auf hin­ge­wie­sen, dass ja gera­de über­zeug­te „Ökos“ mit die schlech­tes­te Umwelt­bi­lanz haben. Da wird dann zwar regio­na­ler Bio-Joghurt gekauft, aber mehr­fach im Jahr Flug­zeug geflo­gen. Schon ist die Umwelt­bi­lanz ver­saut. Und der schö­ne Ver­such, Kapi­ta­lis­mus, Kon­sum und Nach­hal­tig­keit zu ver­knüp­fen, klappt auch nicht so recht (vgl. Häl­ter­lein 2011). 

Schei­tert damit das Kon­zept des „nach­hal­ti­gen Kon­sums“? Wenn die, die nach­hal­tig leben, sich über­wie­gend nicht dafür inter­es­sie­ren, und mög­li­cher­wei­se auch sofort damit auf­hö­ren wür­den, wenn sie nur könn­ten – und die, die Nach­hal­tig­keit gut und wich­tig fin­den, und ger­ne nach­hal­tig leben wür­den, das im End­ef­fekt nicht tun, weil zum Genuss eben auch der Urlaub im Süden gehört? 

Eine Mög­lich­keit, auf die­se Pro­ble­ma­tik zu reagie­ren, könn­te nun dar­in bestehen, sich dafür stark zu machen, dass wir alle in das Feld B rücken – also Nach­hal­tig­keit ver­in­ner­li­chen und leben, hin zum wah­ren Nach­hal­tig­keits­kon­sum nach Suf­fi­zi­enz- und Sub­sis­tenz­kri­te­ri­en. Damit wären wir in moder­nem Gewand letzt­lich wie­der am Aus­gangs­punkt der Debat­te ange­langt (Wen­ke & Zil­le­ßen 1978). Und hät­ten eine wich­ti­ge Erkennt­nis ver­lo­ren, die im Zuge der lang­jäh­ri­gen Aus­ein­an­der­set­zug um nach­hal­ti­ge Lebensstil(e) und nach­hal­ti­gen Kon­sum zu Tage getre­ten ist – näm­lich die, dass Lebens­sti­le eine (mate­ri­ell ver­an­ker­te) gesell­schaft­li­che Funk­ti­on haben, und damit nicht ein­fach zu ändern und erst recht nicht zu ver­ein­heit­li­chen sind. 

Damit mei­ne ich, dass die „Ästhe­ti­sie­rung der Lebens­welt“ (Flaig et al. 1993) in Form aus­dif­fe­ren­zier­ter Milieus eben nicht zufäl­lig ist (und eben auch nicht ein­fach einen Neben­ef­fekt kapi­ta­lis­ti­scher Bedürf­nis­ma­xi­mie­rung dar­stel­len), son­dern min­des­tens zwei gesell­schaft­li­che Funk­tio­nen erfüllt: Nach innen hin die­nen Lebens­sti­le und Milieus der Selbst­ver­ge­wis­se­rung und Iden­ti­täts­bil­dung. Und nach außen ermög­li­chen sie Kom­ple­xi­täts­re­duk­ti­on in Abgren­zung zu ande­ren sozia­len Grup­pen. Als Res­sour­ce der Distink­ti­on sind Lebens­sti­le kon­tin­gent, aber nicht belie­big gestalt­bar und auch nicht frei wähl­bar. Sie kön­nen als tra­dier­tes Bün­del kol­lek­ti­ver Prak­ti­ken ver­stan­den wer­den – und sind damit auch nicht ein­fach von ihren Umwelt­wir­kun­gen zu ent­kop­peln. Als Pra­xis­bün­del haben indi­vi­du­el­le Lebens­sti­le zudem eine Aneig­nungs­ge­schich­te; sie wur­den gelernt, über­nom­men, ent­wi­ckelt – unter spe­zi­fi­schen Bedin­gun­gen des bio­gra­phi­schen Pra­xis­be­stands (d.h. der sozia­len Her­kunft und der damit ver­bun­de­nen Sozia­li­sa­ti­ons­pro­zes­se) und begrenzt durch bei­spiels­wei­se die Ver­füg­bar­keit mate­ri­el­ler Res­sour­cen (und ande­rer Kapi­tal­sor­ten im Sin­ne Bour­dieus). Wich­tig ist mir hier, dass Lebens­sti­le eine pra­xeo­lo­gisch und auch pra­xis­theo­re­tisch erklär­ba­re sozia­le Bedingt­heit in sich tra­gen, die zwar eine gewis­se Dyna­mik erlaubt (etwa in Reak­ti­on auf popu­lä­re gesell­schaft­li­che Dis­kur­se – schön nach­zu­zeich­nen an der Wel­len­be­we­gung zwi­schen „Alter­na­ti­vem Milieu“ (4%) und „Post­ma­te­ria­lis­ten“ (12–15%) in der Ent­wick­lung der SINUS-Milieus über die Jah­re), die aber bestimm­te Lebens­ent­wür­fe unwahr­schein­lich macht.

Gleich­zei­tig kor­re­spon­die­ren Lebens­sti­le mit Kon­sum­entschei­dun­gen. Aus der Per­spek­ti­ve der Märk­te wer­den aus sozia­len Milieus damit spe­zi­fi­sche Zielgruppen. 

„Nach­hal­ti­ger Kon­sum“ geht nicht unbe­dingt von kon­sis­ten­ten Lebens­sti­len aus. Viel­mehr zer­split­tert die all­täg­li­che Lebens­wirk­lich­keit in bereichs­spe­zi­fi­sche Sti­li­sie­run­gen (bspw. Kon­sum­sti­le, Empa­cher & Schultz 2001), die mög­li­cher­wei­se als Patch­work wie­der zusam­men­kom­men (Ernäh­rung nur Bio, aber bei ande­ren Kon­sum­entschei­dun­gen aus Geld­man­gel das Bil­ligs­te). Trotz­dem bleibt etwas von den über­grei­fen­den Bedingt­hei­ten bestimm­ter For­men der Lebens­füh­rung, die mit bestimm­ten Sti­li­sie­run­gen und letzt­lich dann doch auch mit bestimm­ten Milieu­bil­dun­gen zusammenfallen. 

Neben den Bedingt­hei­ten haben Lebens­sti­le Fol­gen – die etwas damit zu tun haben, dass Lebens­sti­le bzw. die ihnen zugrun­de­lie­gen­de Prak­ti­ken mate­ri­ell ver­an­kert sind. Eine Ent­schei­dung für oder gegen ein Auto, für oder gegen eine bestimm­te Form zu Woh­nen, für oder gegen bestimm­te Ernäh­rungs­for­men ist immer auch eine Ent­schei­dung mit mate­ri­el­len Kon­se­quen­zen. Auf der sym­bo­li­schen Ebe­ne sind unter­schied­li­che Sti­li­sie­run­gen zunächst ein­mal „gleich­wer­tig“: Ob jemand Sinn und Iden­ti­tät dar­aus gewinnt, schnel­le Autos zu fah­ren oder einen urba­nen Klein­gar­ten zu pfle­gen (oder bei­des zu tun), spielt sozio­lo­gisch gese­hen kei­ne Rol­le. Auf der mate­ri­el­len Ebe­ne unter­schei­den sich bei­de Sti­li­sie­run­gen sehr wohl. Und in der nor­ma­ti­ven Per­spek­ti­ve der Umwelt­so­zio­lo­gie unter­schei­den sich letzt­lich – im Sin­ne der oben dar­ge­stell­ten Vier­fel­der­ta­fel – auch die sym­bo­li­schen Perspektiven.

Märk­te set­zen nun an der sym­bo­li­schen Per­spek­ti­ve an, und laden die­se (etwa über For­men der Wer­bung und der „Mar­ken­füh­rung“) nor­ma­tiv auf. Bestimm­te Kon­sum­for­men „pas­sen“ dann bes­ser zu bestimm­ten Ziel­grup­pen als zu ande­ren. Ich füh­le mich am rich­ti­gen Platz, wenn ich im Bio­la­den Pro­duk­te mit dem Bio­sie­gel kau­fe, und am fal­schen, wenn ich im Ede­ka die güns­tigs­te Mar­me­la­de erwerbe. 

Damit erscheint es zunächst ein­mal als ele­gan­te Lösung, Markt­me­cha­nis­men dazu ein­zu­set­zen, bestimm­te Kon­sum­for­men zu popu­la­ri­sie­ren. Die Nach­fra­ge nach „nach­hal­ti­gen Pro­duk­ten“ wird mit einem ent­spre­chen­den Ange­bot gestillt, und die immer wie­der wie­der­hol­ten Kauf­ent­schei­dun­gen sta­bi­li­sie­ren die Ziel­grup­pe – und füh­ren dazu bei, den Lebens­stil „Nach­hal­tig­keit“, den Kon­sum­stil „öko und fair“ sym­bo­lisch auf­zu­wer­ten. Damit lau­fen dann aber die oben beschrie­be­nen Distink­ti­ons­me­cha­nis­men an. Zwar kann es durch­aus auch pas­sie­ren, dass es zu Über­nah­men kommt (wenn nach­hal­ti­ger Kon­sum als sta­tus­hoch erscheint, kann es sein, dass als „Luxus“ dann eben auch im Super­markt die Bio-Erd­bee­ren gekauft wer­den) – letzt­lich scheint mir aber die Abgren­zung zu über­wie­gen („wer es sich leis­ten kann“).

Nach­hal­ti­ge Lebens­sti­le und nach­hal­ti­ger Kon­sum haben damit ein neu­es Markt­seg­ment geschaf­fen – und gleich­zei­tig die Fort­exis­tenz ande­rer Markt­seg­men­te sta­bi­li­siert. Zugleich wur­de damit die sym­bo­li­sche Ebe­ne in der Vier­fel­der­ta­fel gestärkt: Sich für (oder gegen) bestimm­te, als nach­hal­tig erschei­nen­de Pro­duk­te zu ent­schei­den, wird zu einer Fra­ge der sym­bo­li­schen Ord­nung. Mate­ri­el­le Effek­te gera­ten in den Hin­ter­grund bzw. wer­den über Vetrau­ens­me­cha­nis­men aus­ge­blen­det (Label, Mar­ken, Zer­ti­fi­ka­te). Solan­ge mein Strom „grün“ ist, muss ich ihn nicht spa­ren. Und solan­ge das Bio-Label auf dem Apfel klebt, ist es auch egal, wo er her­kommt. Flug­rei­sen sind doch über Atmos­fair abge­gol­ten, oder?

Gleich­zei­tig gibt es vie­le Teil­be­rei­che des täg­li­chen (Konsum-)Lebens, die noch nicht „öko­lo­gi­siert“ sind; d.h. selbst wenn jemand hier nach­hal­ti­ge Kon­sum­entschei­dun­gen tref­fen woll­te, wäre das gar nicht so ein­fach. Wer als Pri­vat­kun­de mit der Bahn fährt, hat zwar ver­mut­lich die bes­se­re Öko­bi­lanz. Aber auch da kommt es auf die Alter­na­ti­ven an – und auf den Strom­mix. Oder um das Bei­spiel mei­ner eige­nen For­schung her­an­zu­zie­hen: Es gibt zwar diver­se Mög­lich­kei­ten, Mobil­te­le­fo­ne län­ger zu nut­zen, auf ihre Nut­zung zu ver­zich­ten oder sie geord­net zu recy­clen. Auf den weit­aus größ­ten Teil der damit ver­bun­de­nen sozi­al-öko­lo­gi­schen Fol­gen haben Nut­ze­rIn­nen jedoch kei­nen Einfluss. 

Damit wären wir bei der Poli­tik anbe­langt. Nach­hal­ti­gen Kon­sum zu för­dern, klingt zunächst ein­mal sinn­voll. Als Kon­sum­entschei­dung sind Prak­ti­ken, bestimm­te als nach­hal­tig gel­ten­de Pro­duk­te zu bevor­zu­gen, jedoch nur begrenzt anschluss­fä­hig. Sie „pas­sen“ nur zu bestimm­ten Lebens­sti­len. Markt­me­cha­nis­men unter­stüt­zen die­se Seg­men­tie­rung noch. Zudem sind Kon­sum­entschei­dun­gen bedingt: Durch die indi­vi­du­el­len Res­sour­cen („Kann ich mir bio leis­ten?“), durch die lan­gen und zumeist unsicht­ba­ren Ver­ar­bei­tungs- und Wert­schöp­fungs­ket­ten, die sozi­al­öko­lo­gi­sche Fol­gen glo­bal ver­tei­len und nur ver­mit­telt (über media­le Dis­kur­se, über Labels) in Ent­schei­dun­gen ein­be­zo­gen wer­den kön­nen, durch das viel­fa­che Feh­len an Kon­su­mal­ter­na­ti­ven anhand des Kri­te­ri­ums „Nach­hal­tig­keit“ und nicht zuletzt durch die Träg­heit „ein­ge­fleisch­ter“ All­tags­prak­ti­ken. Inso­fern müss­te der Begriff der „Ent­schei­dung“ mög­li­cher­wei­se in Anfüh­rungs­zei­chen gesetzt wer­den. Unser All­tag besteht eben zum aller­größ­ten Teil aus Rou­ti­nen, die bestimm­ten Kon­tex­ten ein­ge­bet­tet sind – und nicht aus Ent­schei­dun­gen (War­de 2005; Hand & Sho­ve 2007; Sho­ve et al. 2007; Wel­ler 2008; Brand 2011).

Inso­fern ver­wun­dert es nicht, dass nach­hal­ti­gem Kon­sum nur ein begrenz­ter Erfolg zukommt, und dass selbst über­zeug­te Anhän­ge­rIn­nen eines nach­hal­ti­gen Lebens­stils sich in bestimm­ten Teil­be­rei­chen ihrer Lebens­füh­rung im Effekt alles ande­re als nach­hal­tig verhalten.

Poli­tisch heißt das für mich: natür­lich ist es wich­tig, das Leit­bild „Nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung“ dis­kur­siv wei­ter­hin zu stär­ken. Die eigent­li­chen Gele­gen­heits­fens­ter, die mate­ri­el­le Ebe­ne von Kon­sum­prak­ti­ken zu ver­än­dern, lie­gen aber vor der „Kon­sum­entschei­dung“, in dem, was Sho­ve als „Sys­tems of Pro­vi­si­on“ beschreibt (vgl. Sho­ve 2002; Brand 2009; Brand 2011). Und die­se Infra­struk­tu­ren und Sys­te­me las­sen sich poli­tisch-regu­la­tiv beeinflussen.

Anmer­kun­gen

* Oder im Sin­ne eines umfas­sen­de­ren Nach­hal­tig­keits­kon­zepts: gerin­ge bzw. hohe Aus­wir­kun­gen auf die Umwelt und die sozia­le Gerech­tig­keit welt­weit und für gegen­wär­ti­ge und zukünf­ti­ge Gene­ra­tio­nen – das macht für mei­ne Argu­men­ta­ti­on jetzt aber zunächst ein­mal kei­nen Unterschied.

** Life­style of Health and Sus­taina­bi­li­ty – je nach Defi­ni­ti­on zwi­schen 5 und 35% der Bevöl­ke­rung, denen es wich­tig ist, beim Kon­sum auf Gesund­heit und Nach­hal­tig­keit zu achten.

Lite­ra­tur

Brand, Karl-Wer­ner (2009). „Sys­tems of Pro­vi­si­on“ und nach­hal­ti­ger Kon­sum – Erklä­rungs­kraft eines sys­te­mi­schen Ansat­zes. Dis­ku­tiert am Bei­spiel des Ernäh­rungs­sys­tems. In: Wel­ler, Ines (Hrsg.): Sys­tems of Pro­vi­si­on & Indus­tri­al Eco­lo­gy: Neue Per­spek­ti­ven für die For­schung zu nach­hal­ti­gem Kon­sum? Uni­ver­si­tät Bre­men, artec-paper 

Brand, Karl-Wer­ner (2011): »Umwelt­so­zio­lo­gie und der pra­xis­theo­re­ti­sche Zugang«, in Mat­thi­as Groß (Hrsg.): Hand­buch Umwelt­so­zio­lo­gie. Wies­ba­den: VS, S. 173–198.

Diek­mann, Andre­as & Prei­sen­dör­fer, Peter (1992): »Per­sön­li­ches Umwelt­ver­hal­ten – Dis­kre­pan­zen zwi­schen Anspruch und Wirk­lich­keit«, in Köl­ner Zeit­schrift für Sozio­lo­gie und Sozi­al­psy­cho­lo­gie, Jg. 44, H. 2, S. 226–251.

Empa­cher, Clau­dia & Schultz, Irm­gard (2001): »Nach­hal­ti­ge Kon­sum­sti­le: Neue Erkennt­nis­se«, in Gün­ter Alt­ner et al. (Hrsg.): Jahr­buch Öko­lo­gie 2002. Mün­chen: C.H. Beck, S. 199–211.

Flaig, Bert­hold Bodo; Mey­er, Tho­mas & Ueltzhöf­fer, Jörg (1993): All­tags­äs­the­tik und poli­ti­sche Kul­tur. Zur ästhe­ti­schen Dimen­si­on poli­ti­scher Bil­dung und poli­ti­scher Kom­mu­ni­ka­ti­on. Bonn: Dietz. 

Häl­ter­lein, Jens (2011): »Nach­hal­ti­ger Kon­sum. Neo­li­be­ra­le Sub­jek­te zwi­schen grü­nem Life­style und gesell­schaft­li­cher Ver­ant­wor­tung«, in K. Gäb­ler (Hrsg.): Gesell­schaft­li­che Öko­lo­gie, Bd. 12 der Sozi­al­geo­gra­phi­schen Hef­te, Jena, S. 101–124. (im Erscheinen)

Hand, Mar­tin & Sho­ve, Eliza­beth (2007): »Con­den­sing Prac­ti­ces: Ways of living with a free­zer«, in Jour­nal of Con­su­mer Cul­tu­re, vol. 7, no. 1, pp. 79–104.

Hart­mann, Kath­rin (2009): Ende der Mär­chen­stun­de. Wie die Indus­trie die Lohas und Life­style-Ökos ver­ein­nahmt. Mün­chen: Blessing. 

Klein­hü­ckel­kot­ten, Sil­ke (2005): Suf­fi­zi­enz und Lebens­sti­le. Ansät­ze für eine milieu­ori­en­tier­te Nach­hal­tig­keits­kom­mu­ni­ka­ti­on. Ber­lin: Ber­li­ner Wissenschafts-Verlag.

Sho­ve, Eliza­beth (2002): Sus­taina­bi­li­ty, sys­tem inno­va­ti­on and the laun­dry. Lan­cas­ter: Lan­cas­ter Uni­ver­si­ty, Dept. of Socio­lo­gy. Elek­tro­ni­sches Doku­ment, URL: http://www.comp.lancs.ac.uk/sociology/papers/Shove-Sustainability-System-Innovation.pdf, Abruf Jan. 2008. 

Sho­ve, Eliza­beth; Wat­son, Matthew; Hand, Mar­tin & Ing­ram, Jack (2007): The Design of Ever­y­day Life. Oxford/New York: Berg. 

War­de, Alan (2005): »Con­sump­ti­on and Theo­ries of Prac­ti­ce«, in Jour­nal of Con­su­mer Cul­tu­re, vol. 5, no. 2, pp. 131–153.

Wel­ler, Ines (2008): »Kon­sum im Wan­del in Rich­tung Nach­hal­tig­keit? For­schungs­er­geb­nis­se und ‑per­spek­ti­ven«, in Hell­muth Lan­ge (Hrsg.): Nach­hal­tig­keit als radi­ka­ler Wan­del. Die Qua­dra­tur des Krei­ses? Wies­ba­den: VS. 

Wen­ke, Karl Ernst & Zil­le­ßen, Horst (Hrsg.) (1978): Neu­er Lebens­stil – ver­zich­ten oder ver­än­dern? Auf der Suche nach Alter­na­ti­ven für eine mensch­li­che­re Gesell­schaft. Opla­den: West­deut­scher Verlag.

4 Antworten auf „Nachdenken über Nachhaltigen Konsum“

  1. Hey Till,

    super­span­nen­des The­ma und gro­ße Zustim­mung zu Dei­nem Fazit.

    Ich lie­ge gera­de in den letz­ten Zügen mit mei­ner Magis­ter­ar­beit (über­mor­gen Abga­be), die sich mit Insze­nie­rung von Umwelt- und Natur­mo­ti­ven in Print­wer­bun­gen beschäf­tig. Die Idee hin­ter der Arbeit ist prin­zi­pi­ell, dass sol­che grü­nen Wer­bun­gen einen öko­lo­gi­schen Dis­kurs mit­prä­gen, ohne dass sie auf einer microe­be­ne wirt­schaft­lich beson­ders erfolg­reich sein müss­ten. Sie legi­ti­mie­ren statt­des­sen, so mei­ne Ver­mu­tung, Kon­sum ins­ges­mt durch eine sym­bo­li­sche Sub­sti­tu­ti­on von uti­li­ta­ris­ti­schen Bezie­hun­gen zwi­schen Pro­dukt und Umwelt (Aus­beu­tung) mit alteri­täts­ori­en­tier­ten und iden­ti­täts­ori­en­tier­ten Natur­welt­bil­dern (Gill 2003). Ins­ge­samt auch von­mir also Zwei­fel am Kon­strukt „Kon­su­men­ten­sou­ve­rä­ni­tät“ bzw. dem Glau­ben an eine Lösung durch den Markt.

    Da sie noch nicht ganz fer­tig ist und nicht ver­öf­fent­licht wer­den soll/darf, schick ich dir ein­fach mal mein Fazit per mail.

    Grü­ße

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