Kurz: Erst ab 14 lesen … (Update 5: der Roboter war’s)

… soll­test Du, soll­ten Sie die­ses Blog. Sagt jeden­falls „Jugend­schutz­pro­gramm“, ein wohl recht weit ver­brei­ter­ter, von Bau­er und Free­net ent­wi­ckel­ter Jugend­schutz­fil­ter (a pro­pos Jugend­schutz: es feh­len noch unge­fähr 5000 Mit­zeich­ne­rIn­nen für die Peti­ti­on gegen die Von-der-Ley­en-Sper­ren, um 100.000 Mit­zeich­ne­rIn­nen zu errei­chen). Die­ser Bau­er-Free­net-Fil­ter – Ero­tik-Bezahl-Inhal­te – ist ein schö­nes Bei­spiel für die Miss­brauchs­ge­fahr von Sperr­lis­ten. Denn in der Nega­tiv­lis­te ste­cken nicht nur die eigent­lich dort hin­ge­hö­ren­den Ero­tik- und Gewalt­sei­ten, son­dern auch das kri­ti­sche und links­li­be­ra­le Spek­trum. Mit der Frei­ga­be ab 14 bin ich noch ganz gut weg­ge­kom­men, diver­se grü­ne und links­li­be­ra­le Blogs sind ganz gesperrt, auch gruene.de ist gesperrt (Nach­trag: inzwi­schen auf auf „ab 14“ run­ter­ge­setzt), eben­so die taz.de (wei­ter­hin ganz gesperrt). 

Was das soll? Bis­her gibt es nur Ver­mu­tun­gen, die sind beim Spie­gel­fech­ter gut zusam­men­ge­fasst. Ich habe Frei­tag eine höf­li­che Mail an jusprog.de geschickt, die aber bis­her nicht beant­wor­tet wur­de. Bleibt also der Ver­dacht, der gera­de die Rune im Netz zieht, dass da jemand unter dem Deck­man­tel „Jugend­schutz“ alles all­zu unlieb­sa­me, kri­ti­sche für Kin­der und Jugend­li­che, deren Eltern (oder Insti­tu­tio­nen) wohl­mei­nend die­sen Fil­ter instal­lie­ren, aus dem Netz räumt. Mal schau­en, ob ein medi­al wirk­sa­mer Skan­dal drauß wird. Ein „schö­nes“ Bei­spiel für die Risi­ken und Neben­wir­kun­gen von Fil­ter­pro­gram­men ist es allemal. 

Update (26.5.2009): Ich ste­he mit feh­len­den Ant­wor­ten auf eine höf­li­che Anfra­ge nicht allei­ne da – selbst der Tele­po­lis gegen­über woll­te sich jusprog.de wohl nicht äußern. Dubios!

Update 2 (27.5.2009): Inzwi­schen hat jusprog.de mir eine Ant­wort­mail auf mei­ne Anfra­ge geschickt. Klingt ganz freund­lich – jetzt bin ich auf die ange­kün­dig­ten Inter­views gespannt. Und was sonst dahin­ter ste­cken könn­te, wenn’s kei­ne poli­ti­sche Vor­auswahl ist:

Hal­lo Herr Westermayer,

Vie­len Dank für Ihre Anfra­ge, wir über­prü­fen bereits gewis­sen­haft alle Mel­dun­gen. Es wer­den in den nächs­ten Tagen Inter­views bei heise.de und Taz.de erschei­nen, in denen der Ver­ein Stel­lung bezieht. Sei­en Sie ver­si­chert, dass kein poli­ti­sches Motiv unser Han­deln antreibt.

Mit freund­li­chen Grüßen

Ihr Help­desk-Team

Update 3: Gleich danach gab’s noch eine Mail, und zwar als Reak­ti­on auf mei­ne kon­kre­te Kri­tik, dass taz.de fälsch­lich gesperrt sei. Klingt nach Stan­dard­text – und zwi­schen den Zei­len weni­ger sinn­voll. Unmo­de­rier­te Foren gibt’s bei der taz näm­lich nicht.

Guten Tag,

Die Sei­te „taz.de“ ist als Rubrik „Default ab 14“ in den Fil­ter ein­ge­tra­gen und kann von Ihnen selbst natür­lich sofort wie­der mit­tels Admin Pass­wort als ein­zel­ne URL oder Rubrik frei­ge­ge­ben werden.

Bei unse­rer Soft­ware geht es nicht nur um Ero­tik son­dern auch den Schutz von Kin­dern im Netz vor unmo­de­rier­ten Foren etc.

Es muss also enwe­der die Sei­te selbst, oder die ent­spre­chen­de Kate­go­rie frei­ge­ge­ben wer­den, um Zugriff auf die Sei­te zu haben. Die Frei­schal­tung kann nur durch den Admi­nis­tra­tor erfolgen.

Mit freund­li­chen Grüßen

Ihr Help­desk-Team

Update 4 (28.5.2009): Soll­te das hier der oben ange­kün­dig­te taz-Bericht sein, klingt das aller­dings mehr nach der alten Lei­er – kein Kom­men­tar, wir sagen nichts zu Details und kön­nen es auch nicht erklä­ren, Sperr­emp­feh­lun­gen geben wir trotz­dem. Aber viel­leicht kommt ja noch mehr. 

Übri­gens: war­um ist die Debat­te um ein Fil­ter­pro­gramm rele­vant? Ers­tens, weil genau die­ses Fil­ter­pro­gramm mög­li­cher­wei­se bald eine offi­zi­el­le Ein­satz­emp­feh­lung bekom­men; zwei­tens, weil dar­an die Pro­ble­ma­tik von „gehei­men“ Sperr­lis­ten schön deut­lich wird – und drit­tens, weil sich zeigt, dass Eltern, die ihre Kin­dern ein „siche­res“ Netz prä­sen­tie­ren wol­len (was ja durch­aus ein legi­ti­mes Anlie­gen ist), gut dar­an tun, ent­spre­chen­de Fil­ter vor Ein­satz selbst zu tes­ten – und nöti­gen­falls so lan­ge an den Ein­stel­lun­gen her­um­zu­dre­hen, bis zumin­dest ein paar lesens­wer­te Sei­ten auch für Teens auf­tau­chen. Gleich­zei­tig wird deut­lich: blin­des Ver­trau­en in Soft­ware ist – wie immer – Murks.

Update 5 (29.5.2009): Schrieb ich da gera­de was vom blin­den Ver­trau­en in Soft­ware? Wie sich jetzt her­aus­stellt, wer­den die in den Fil­ter ein­ge­pfleg­ten Sei­ten nicht von „gut­ge­schul­ten Mit­ar­bei­tern“, son­dern in ers­ter Linie von „Craw­lern“ – also Soft­ware­agen­ten – erfasst, die neue Sei­ten sich­ten und ver­su­chen, die­se anhand von Wort­ver­knüp­fun­gen „raten“ (oder ver­su­chen, zu er-raten, um was es geht). 

4 Antworten auf „Kurz: Erst ab 14 lesen … (Update 5: der Roboter war’s)“

  1. Es sind sehr vie­le Sites betrof­fen und es ent­wi­ckelt sich wohl zu einem trau­ri­gen, media­len Skandal.

    Bereits am Sonn­tag hat­te ich berich­tet, dass eines mei­ner Blogs, das sich u.a. mit Sex-Sucht beschäf­tigt, betrof­fen ist. 

    Am Mon­tag abend habe ich nach einem Inter­view Rena­te Kün­ast dar­über infor­miert, dass http://www.gruene.de indi­ziert wur­de, ande­re Par­tei­en aber nicht in der Daten­bank ent­hal­ten sind. Ich den­ke, dass sich der Bun­des­tag und der Spen­den­rat mit dem Fall befas­sen wird. 

    Ges­tern erhielt ich nach einer Mail an den Uhse-Kon­zern eine ers­te Reak­ti­on der Kon­zern­spre­che­rin, mal schau­en, was sich dar­aus noch entwickelt.

  2. Also so ganz ver­ste­he ich den Hype um die­ses omi­nö­se Pro­gramm nicht. Jetzt bin ich in der Jugend­ar­beit tätig und ken­ne die­sen Fil­ter über­haupt nicht. Ver­mut­lich weil ich aber auch nicht so auf Fil­ter ste­he. Naja. 

    Eine poli­ti­sche Moti­va­ti­on wür­de ich übri­gens auch nicht als ers­tes anneh­men. Viel wahr­schein­li­cher: ein­fach schlech­te Pro­gram­mie­rung und schlech­te Arbeit. Man mags nicht glau­ben, aber das kommt auch in Schland vor. Lei­der viel zu oft. 

    Was mich beson­ders ärgert: In die­sem Fall kommt es wie­der ein­mal dort vor, wo sich Eltern ohne­hin nicht aus­ken­nen. Wie so oft wird dann aus „gut gemeint“ „ziem­lich mies“. Und wer badet es aus? Nicht in ers­ter Linie gruene.de oder taz.de, son­dern die poten­ti­el­len Rezi­pi­en­ten, also die Jugendlichen.

  3. Blöd­sinn, ich hab‘ hier noch nie was gese­hen, habe was ich Kin­dern oder Jugend­li­chen nicht hät­te zumu­ten wol­len. Es wäre noch schö­ner, wenn Web­sei­ten ‚aus­ge­wähl­ter‘ Par­tei­rich­tun­gen als kin­der- oder jugend­ge­fähr­dend ein­ge­stuft wür­den. Kin­der und Jugend­li­che sol­len doch erle­ben, dass Demo­kra­ten in Ein­zel­fra­gen nicht immer der­sel­ben Mei­nung sind. Das ist per­sön­lich­keits­för­dernd, und auch für die gepfleg­te poli­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung gibt es das Netz! Aber das scheint um Image von Jus­prog zu pas­sen soweit ich es bis­her mit­be­kom­men habe. Kannst ja mal mein Blog durchchecken.

  4. Habe heu­te einen neu­en Gast­bei­trag in mei­nem Blog ver­öf­fent­licht, der die Hin­ter­grün­de noch­mals detail­liert mit eini­gen Links – als Glos­se – dar­stellt.

    Pein­lich vor allem, dass hier die staat­li­che Auf­sicht – die KFM (Kom­mis­si­on für Jugend­me­di­en­schutz der Lan­des­me­di­en­an­stal­ten) für das Modell­pro­jekt JuS­Prog ver­sagt hat und so eine Art von Zensur/Indizierung – ganz ohne Geset­ze statt­fin­den konn­te. Per Soft­ware? Bit­te mal nach­se­hen, wer für inhalt­li­che Fra­gen zustän­dig ist: Drei Anwäl­te, u.a. pornoanwalt.de

    Inter­es­sant zu sehen, wie sich die Web­site des Ver­eins ver­än­dert hat – wäh­rend ich bis heu­te kei­ne Stel­lung­nah­me erhielt: Impres­sum ver­än­dert, Logos der Spon­so­ren von der Start­sei­te entfernt. 

    Die KFM hat sich eben­falls nicht geäu­ßert. Alle Ver­ant­wort­li­chen sind im Urlaub. 

    Bleibt nur zu hof­fen, dass die Sache nicht in Ver­ges­sen­heit gerät und die­se Pra­xis damit zum de-fac­to-Stan­dard wird.

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