Tag der deutschen Einheit

Rain colours VI

Schon über zwan­zig Jah­re Ein­heit – 1989 war ich 14 Jah­re alt. Und war poli­tisch inter­es­siert genug, um das west­deutsch-lin­ke Lebens­ge­fühl schon so weit ver­in­ner­licht zu haben, dass ich damals und in den fol­gen­den Jah­ren die deut­sche Ein­heit erst­mal als Ver­lust emp­fand. Klingt aus heu­ti­ger Sicht selt­sam, war aber so. 

Deutsch­land war für mich damals die BRD, die Bun­des­re­pu­blik – und eine Wie­der­ver­ei­ni­gung etwas, das nur die dun­kels­ten und kon­ser­va­tivs­ten Tei­le der Kohl-Regie­rung anstreb­ten, Ewig­gest­ri­ge, die auch Polen noch dazu­ge­nom­men hät­ten, wenn es ihnen ange­bo­ten wor­den wäre. 

Lin­kes Lebens­ge­fühl: In den 1980er Jah­ren war es zu so einer Art Waf­fen­still­stand zwi­schen dem kon­ser­va­ti­ven Estab­lish­ment und der links-alter­na­ti­ven Bewe­gung gekom­men. Die einen hat­ten sich so halb­wegs damit ange­freun­det, dass eine grü­ne Par­tei in Par­la­ment saß, dass es Öko­lä­den, Aktio­nen der Frie­dens­be­we­gung und sozio­kul­tu­rel­le Zen­tren gab – die ande­ren glaub­ten, ihre sub­kul­tu­rel­le Nische gefun­den zu haben, in der es sich eini­ger­ma­ßen leben ließ, und von der aus dem eta­blier­ten Regime nach und nach das eine oder ande­re Zuge­ständ­nis abge­run­gen wer­den konnte. 

Bonn war ein Pro­vinz­nest und der beson­de­re Sta­tus der BRD sorg­te effek­tiv dafür, dass sowas wie Natio­nal­ge­fühl oder Groß­macht­ge­lüs­te im rhei­nisch Kapi­ta­lis­mus klein gehal­ten wur­de. War doch pri­ma, oder?

Und dann kam die Wen­de in der DDR. Die Wen­de fand mein dama­li­ges Teen­ager-Ich durch­aus gut. Solan­ge es bei „Wir sind das Volk!“ blieb, und ver­sucht wur­de, die guten Ideen und die schlech­te Pra­xis auf eine neue Grund­la­ge zu stellen.

Aber dann kamen, so mein dama­li­ger Ein­druck, Kohl und Gen­scher und mach­ten dar­aus „Wir sind ein Volk!“. Und aus zwei mit­tel­gro­ßen Staa­ten wur­de ein Land, das plötz­lich nur noch Deutsch­land hieß, dass (DDR-Import?) plötz­lich wie­der offen Natio­na­lis­mus zeig­te, sich als Groß­macht fühl­te und nach innen hin zu ver­ges­sen schien, was es in den 1980ern an Tole­ranz („Mul­ti­kul­ti“) gelernt hat­te. Ein Land, das sei­ne Ver­fas­sung nicht ver­bes­sern woll­te, son­dern lie­ber das Asyl­recht can­cel­te. (Und dann flo­gen im natio­na­len Ein­heits­rausch 1990 auch noch die Grü­nen aus dem Bundestag!) 

Und das soll­te dann auch noch jähr­lich gefei­ert werden?!

War­um blog­ge ich das? Weil eini­ges davon sich aus heu­ti­ger Sicht sehr selt­sam anfühlt.