Lasst euch nicht verhärten

Als ich vor ein paar Wochen erfah­ren habe, dass ich als baden-würt­tem­ber­gi­scher Ersatz­de­le­gier­ter für den Län­der­rat im hes­si­schen Bad Vil­bel ein­sprin­gen soll, bin ich noch davon aus­ge­gan­gen, dass das eine eher mäßig span­nen­de Sache wer­den würde. 

Der Län­der­rat – also der klei­ne Par­tei­tag von Bünd­nis 90/Die Grü­nen mit rund 100 Dele­gier­ten, vie­le davon „Funktionär*innen“ – ist übli­cher­wei­se viel weni­ger dyna­misch als unse­re gro­ßen Par­tei­ta­ge mit rund 800 Dele­gier­ten. Und dies­mal ging es auch mit der The­men­set­zung – Kli­ma­schutz in Ver­bin­dung mit Sicher­heit und Wirt­schaft – und dem Tagungs­ort in der Nähe von Frank­furt ganz offen­sicht­lich dar­um, Tarek Al-Wazir und den hes­si­schen Grü­nen Rücken­wind für die Land­tags­wahl im Herbst zu geben.

Der Län­der­rat, zu dem ich heu­te mor­gen durch­aus mit Sor­ge auf­ge­bro­chen bin, stand dann unter ganz ande­ren Vor­zei­chen. Zum einen, weil die Debat­ten der letz­ten Tage um Hei­zungs­ge­setz und Kli­ma­schutz schwie­rig waren, zum ande­ren aber, weil das eigent­lich wich­ti­ge The­ma unter dem Punkt Ver­schie­de­nes noch auf die Tages­ord­nung gesetzt wor­den war: die Fra­ge, wie wir uns als Par­tei zum euro­päi­schen Asyl­kom­pro­miss des Rats ver­hal­ten wol­len – und wie das dies­be­züg­li­che Han­deln der grü­nen Regie­rungs­mit­glie­der bewer­tet wer­den soll. 

Seit Don­ners­tag letz­ter Woche hat­te die­se Debat­te zu einer mas­si­ven Pola­ri­sie­rung geführt – man­che sahen alte Flü­gel­kämp­fe wie­der auf­le­ben, es gab sich jeweils wider­spre­chen­de State­ments der ent­spre­chen­den Per­so­nen aus dem Bun­des­vor­stand und der Frak­ti­ons­spit­ze, auf Son­der­sit­zun­gen und in Video­kon­fe­ren­zen und Web­i­na­ren wur­de hit­zig dis­ku­tiert. Der ent­spre­chen­de Antrag war letzt­lich mit über 50 Ände­rungs­an­trä­gen bestückt.

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Länderrat in Lübeck: Ritt durch den Gemüsegarten

Ges­tern tag­te der grü­ne Län­der­rat – unser klei­ner Par­tei­tag mit etwa 60 Dele­gier­ten – in der schö­nen Stadt Lübeck. Dass der Län­der­rat nach Schles­wig-Hol­stein kam, war sicher­lich eben­so wenig Zufall wie die Tat­sa­che, dass eine ande­re Par­tei ihren Bun­des­par­tei­tag zeit­gleich im nicht weit ent­fern­ten Neu­müns­ter statt­fin­den ließ. Eine Woche vor den Wah­len in Schles­wig-Hol­stein, zwei Wochen vor den Wah­len in Nord­rhein-West­fa­len war die­ser Län­der­rat vor allem Schau­büh­ne, um grü­ne Poli­tik (auf­ge­lo­ckert durch ein paar Pony-Scher­ze) sicht­bar zu machen. 

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Grüne Frauenquote bleibt auch an der Spitze

Angeb­lich dis­ku­tie­ren „die Grü­nen“ über die Abschaf­fung der Dop­pel­spit­ze. Schreibt jeden­falls die WELT. Und man­che grei­fen das ger­ne auf.

BDK: Claudia Roth
Es geht auch um Claudia

Aus mei­ner Sicht ist die Debat­te dop­pel­ter Blöd­sinn. Ers­tens dis­ku­tiert die Par­tei gar nicht über die Abschaf­fung der Dop­pel­spit­ze. Ein paar sub­stan­ti­ell real­po­li­ti­sche, jung­männ­li­che Nach­wuchs­hoff­nun­gen (Al-Wazir, Pal­mer) über­le­gen sich, wie sie die Par­tei ger­ne hät­ten. Dar­aus wird dann die angeb­li­che Debat­te. Mir ist aller­dings nicht bekannt, dass die­se Grup­pe ernst­haft vor hat, für den Bun­des­par­tei­tag (BDK) im Herbst einen ent­spre­chen­den Sat­zungs­än­de­rungs­an­trag zu stel­len. Der wür­de auf einer BDK auch kei­ne 2/3‑Mehrheit erhalten.

Der zwei­te Grund, war­um die­se angeb­li­che Debat­te Blöd­sinn ist, besteht dar­in, dass in der Pal­mer-Al-Wazir-Vari­an­te aus der gen­der­po­li­ti­schen Dop­pel­spit­ze (Quo­te etc.) eine flü­gel­po­li­ti­sche Dop­pel­spit­ze wird. Und gegen die kann dann ja auch wun­der­bar argu­men­tiert wer­den, Stich­wort: Über­win­dung des Lager­den­kens, usw. Sagt zumin­dest das eine Lager. Nur: dass die Dop­pel­spit­ze fak­tisch ger­ne auch zur Strö­mungs­in­te­gra­ti­on ver­wen­det wird, ist nir­gend­wo fest­ge­schrie­ben – und muss auch nicht so sein. (Neben­bei bemerkt: ande­re Par­tei­en, z.B. die LINKE, schei­nen sogar eige­ne Dele­gier­te auf Par­tei­ta­gen für Strö­mun­gen zu haben – ganz so ist das bei uns nicht, auch wenn ger­ne mal in Flü­gel­netz­wer­ken geklün­gelt wird). 

War­um dann die­ser media­le Ver­suchs­bal­lon? Ich ver­mu­te, dass dahin­ter eine gan­ze Rei­he von Zie­len ste­cken: neben der bereits erwähn­ten Umdeu­tung der Dop­pel­spit­ze, die dann nicht mehr als Gleich­be­rech­ti­gungs­in­stru­ment begrif­fen wird – also der Erlan­gung von dis­kur­si­ver Hege­mo­nie – geht es ver­mut­lich vor allem um die Vor­be­rei­tung des Par­tei­tags. Ich könn­te mir sogar vor­stel­len, dass hin­ter die­sen Äuße­run­gen letzt­lich z.B. der Ver­such steht, eine Dop­pel-Kan­di­da­tur Kat­rin Göring-Eck­art / Cem Özd­emir vor­zu­be­rei­ten. Und zusam­men mit der Umdeu­tung von der Gen­der- zur Flü­gel­quo­te könn­te gleich­zei­tig ver­sucht wer­den, eine lin­ke Kan­di­da­tur für den männ­li­chen Vor­sit­zen­den (bzw. die zwei­te weib­li­che Vor­sit­zen­de) zu ver­hin­dern. Bei der aktu­el­len Kan­di­da­ten­la­ge wäre der m.E. ein gewis­ser Erfolg zuzu­spre­chen. Und schließ­lich geht es über den Par­tei­tag hin­aus auch dar­um, einen infor­mel­len Füh­rungs­an­spruch (die „Josch­ka-Nach­fol­ge“) zu eta­blie­ren: die Par­tei­soll gefäl­ligst so tun, als wären Pal­mer und Al-Wazir, die bei­de gera­de nicht kan­di­die­ren kön­nen, das eigent­li­che Füh­rungs­zen­trum der Partei. 

Das wird sich die Par­tei nicht gefal­len las­sen, und wenn die Medi­en ein rea­lis­tisch Bild der Poli­tik von Bünd­nis 90/Die Grü­nen behal­ten wol­len, soll­ten sie sich auch nicht dar­auf einlassen.

War­um blog­ge ich das? Weil ich – ganz unab­hän­gig von der Per­son Clau­dia Roth – es ärger­lich fin­de, wie hier ver­sucht wird, über Ban­de die eman­zi­pa­to­ri­schen Grund­struk­tu­ren der Grü­nen zu erschüttern.