You can’t have the pie and eat it, too

Introduction I
Timo­thy Simms
Reinhold Pix
Rein­hold Pix

Ges­tern war ja die Nomi­nie­rungs­ver­samm­lung für den Wahl­kreis Frei­burg-Ost für die Land­tags­wahl. Als Ko-Ver­samm­lungs­lei­ter muss­te ich ges­tern abend ja neu­tral sein (und den­ke, dass mir das auch eini­ger­ma­ßen gelun­gen ist). Als Kreis­vor­stands­mit­glied des KV Breis­gau-Hoch­schwarz­wald freue ich mich sehr, dass unser Abge­ord­ne­ter Rein­hold Pix wie­der nomi­niert wur­de. Trotz – oder viel­leicht auch wegen – all sei­ner Ecken und Kan­ten ist er genau der rich­ti­ge für den oft zitier­ten „länd­li­chen Raum“. Er hat uns im Schwarz­wald in der Tat Türen geöff­net, die vor­her ver­na­gelt und bar­ri­ka­diert waren. Er steht für ein boden­stän­di­ges, manch­mal etwas rup­pi­ges Grün jen­seits der Groß­städ­te. Und genau das brau­chen wir auch in der Landtagsfraktion.

Inso­fern bin froh, dass Rein­hold mit 42 Stim­men der 53 Wahl­be­rech­tig­ten wie­der nomi­niert wur­de. Wenn ich mich im Saal umge­schaut habe, habe ich vie­le Leu­te aus Gun­del­fin­gen, vor allem aber aus dem Dreis­amt­al und aus dem Hoch­schwarz­wald gese­hen. Ich den­ke, dass (fast) alle davon Rein­hold gewählt haben.

Eigent­lich also aller Grund, zufrie­den zu sein. Ganz zufrie­den bin ich nicht, und das hat damit zu tun, dass der Frei­bur­ger Gemein­de­rat Timo­thy Simms nur 11 Stim­men erhal­ten hat. Tim, den ich seit Jah­ren – u.a. aus dem Sozio­lo­gie­stu­di­um und der Hoch­schul­ar­beit – ken­ne und per­sön­lich sehr schät­ze, hat­te sich rela­tiv kurz­fris­tig für die Kan­di­da­tur bewor­ben. Er hat das mit einer sehr urba­nen Bewer­bung getan, mit einem Schwer­punkt auf weit ver­stan­de­ne Kul­tur­po­li­tik und – als Deutsch-Ame­ri­ka­ner – auf Migra­ti­on und Inte­gra­ti­on. Auch das sind The­men, die ich ger­ne in der Frak­ti­on ver­tre­ten gese­hen hät­te. Eben­so wie Rein­hold ist Tim ein unab­hän­gi­ger Geist; eben­falls ein Vorteil. 

Mein liebs­tes Ergeb­nis des Abends wäre also gewe­sen, dass bei­de nomi­niert wor­den wären. Das ist nun aber tat­säch­lich unmög­lich. Ich hät­te also mit bei­den mög­li­chen Ent­schei­dun­gen leben kön­nen – als Kreis­vor­stands­mit­glied des „länd­li­chen“ KVs dann doch mit einer Prä­fe­renz für Rein­hold. Inso­fern bin ich, wie gesagt, froh über das Ergebnis. 

Vor der Ver­samm­lung bin ich davon aus­ge­gan­gen, dass es knap­per wer­den wür­de. Ich bin auch des­we­gen davon aus­ge­gan­gen, weil die Nomie­rungs­ver­samm­lung vor fünf Jah­ren heiß umkämpft war. So unschön das klingt: eine Nomi­nie­rungs­ver­samm­lung ist nur zu gewin­nen, wenn der Kan­di­dat oder die Kan­di­da­tin vor­her par­tei­in­ter­nen „Wahl­kampf“ macht, wenn für die Per­son gewor­ben wird, wenn, kurz gesagt, Leu­te mobi­li­siert wer­den. Ich weiss, dass Rein­hold hier in den Tagen vor der Wahl­ver­samm­lung noch ein­mal gro­ße Anstren­gun­gen unter­nom­men hat, was sich letzt­lich auch aus­ge­zahlt hat. Um nicht falsch ver­stan­den zu wer­den: es geht hier nicht dar­um, Leu­te zu über­re­den, für den einen oder den ande­ren zu stim­men, sich Stim­men in irgend­ei­ner Form zu erkau­fen. Viel­mehr mei­ne ich damit, dass der Kan­di­dat bei den­je­ni­gen Wahl­be­rech­tig­ten, die von ihm und sei­ner Poli­tik über­zeugt sind, dafür wirbt, die Ver­samm­lung zu besu­chen und so die poten­zi­el­le in eine tat­säch­li­che Stim­me umzuwandeln.

Ich bin davon aus­ge­gan­gen, dass auch Tim in die­sem Sin­ne mobi­li­sie­ren wür­de. Er hat das – wohl bewusst – nicht gemacht, son­dern sich mit sei­ner Bewer­bung der Ver­samm­lung gestellt. Demo­kra­tie­theo­re­tisch ist das vor­bild­haft – fak­tisch hat Poli­tik doch zu viel mit Macht zu tun, als dass die Annah­me, dass die Mehr­zahl der Teil­neh­me­rIn­nen einer Nomi­nie­rungs­ver­samm­lung dort hin­fährt, ohne nicht vor­her schon zum einen oder zum ande­ren zu ten­die­ren. In einem rela­tiv wei­ten Rah­men ist es dann auch egal, wie die Reden aus­fal­len, wel­che Fra­gen gestellt und wel­che Unter­stüt­zungs­state­ments geäu­ßert wer­den. Viel­leicht las­sen sich damit die Mit­glie­der, die ein­fach als Wahl­be­rech­tig­te gekom­men sind, ohne sich vor­her fest­ge­legt zu haben, in die eine oder in die ande­re Rich­tung bewe­gen. Wah­len und Abstim­mun­gen auf Par­tei­ta­gen schei­nen mir aber nur dann zu gewin­nen zu sein, wenn im Vor­feld, schon vor der eigent­li­chen Ver­hand­lung, vie­le von einer Sache oder einer Per­son über­zeugt wor­den sind, sich ihre Mei­nung also schon gebil­det haben – und dann auch teilnehmen. 

In die­ser Per­spek­ti­ve wird eine Nomi­nie­rungs­ver­samm­lung dann zu einem Ort, an dem es weni­ger dar­um geht, wer am Abend bes­ser auf­tritt, span­nen­der spricht, die wich­ti­ge­ren The­men ver­tritt – son­dern zu einem Ort, an dem sich ent­schei­det, wem es vor­her bes­ser gelun­gen ist, in der Par­tei für sich zu wer­ben. Und natür­lich – das hat­te Tim in sei­ner Bewer­bungs­re­de ange­spro­chen – sind die Vor­aus­set­zun­gen dafür nicht gleich. Gera­de in der Situa­ti­on, dass ein neu­er Kan­di­dat oder eine neue Kan­di­dat gegen den oder die amtierende(n) Abgeordnete(n) antritt, scheint es ohne mas­si­ve Wer­bung im Vor­feld nicht klap­pen zu können.

Es lie­ße sich jetzt noch viel dazu sagen, wie unde­mo­kra­tisch es ist, das letzt­lich die – mehr oder weni­ger zufäl­li­ge – Zusam­men­set­zung der Wahl­ver­samm­lun­gen in den aus­sichts­rei­chen Krei­sen dar­über ent­schei­det, wer mit einer hohen Wahr­schein­lich­keit in den Land­tag gewählt wird; dass Macht zu einer geo­ma­the­ma­ti­schen Ange­le­gen­heit wird. Solan­ge wir in Baden-Würt­tem­berg kein Lis­ten­wahl­recht haben, ist die Situa­ti­on aber so. Und natür­lich ist es eine Illu­si­on, zu glau­ben, dass ein Lan­des­par­tei­tag, der eine Lis­te auf­stellt, nach kom­plett ande­ren Regeln abläuft. Auch dort sind es – neben allen ande­ren Fak­to­ren – eben auch die vor­her mobi­li­sier­ten Netz­wer­ke und Grup­pen, die mit dar­über ent­schei­den, wie aus­sichts­reich eine Kan­di­da­tur ist.

Trotz­dem hät­te die Lis­ten­wahl den Vor­teil, dass die räum­li­che Begren­zung weni­ger strikt aus­fällt. Natür­lich könn­te Tim – als über­zeug­ter Frei­bur­ger ist das aber sehr unwahr­schein­lich – es noch in einem ande­ren Wahl­kreis ver­su­chen, etwa in Tübin­gen oder in Stutt­gart. Aber dass dort jemand „von außer­halb“ nomi­niert wird, ohne dass es dafür sehr gute Grün­de gibt, kommt kaum vor – schon allei­ne des­halb, weil die Fra­ge, wie groß das poten­zi­ell mobi­li­sier­ba­re Netz­werk inner­halb der loka­len Par­tei ist, eben eine ent­schei­den­de Bedeu­tung hat. Die­se loka­le Begren­zung wür­de also bei einer Lis­ten­wahl auf­ge­weicht (durch das Dele­gier­ten­prin­zip und den Wunsch, die eige­ne Regi­on auch im Par­la­ment ver­tre­ten zu sehen, gibt es de fac­to auch bei der Auf­stel­lung von Lis­ten gewis­se „Pro­por­ze“). Dann könn­te ich mei­nen Kuchen haben und ihn essen. 

So muss ich dabei blei­ben, gleich­zei­tig zufrie­den und unzu­frie­den mit dem Wahl­er­geb­nis zu sein. 

Was mir der Abend aber auch noch­mal gezeigt hat: es ist sehr leicht, und der Zuschnitt des Wahl­krei­ses ver­lei­tet gera­de­zu dazu, Stadt und Land als Bina­ri­tät zu kon­stru­ie­ren; fest­ge­macht an der Zuge­hö­ri­ge­kit zum einen oder zum ande­ren Kreis­ver­band, und dann schnell – ich habe es am Anfang die­ses Tex­tes ja auch getan – pola­ri­sier­bar auf „Land­the­men“ und „Stadt­the­men“. Es ist sehr leicht mög­lich, so zu tun, als wären das sich aus­schlie­ßen­de Gegen­sät­ze; mei­ner Beob­ach­tung nach haben bei­de Kan­di­da­ten sich auch genau so posi­tio­niert. Rein­hold als Agrar- und Tou­ris­mus­po­li­ti­ker, für den selbst Ver­brau­cher­schutz im Boden ver­an­kert ist – und Tim als Groß­stadt­kul­tur­po­li­ti­ker, für den der länd­li­che Raum nur Aus­flugs­ku­lis­se ist. 

Auch des­we­gen bin ich mit dem Ver­lauf der Nomi­nie­rungs­ver­samm­lung nicht ganz zufrie­den: den ich bin fest davon über­zeugt, dass es gera­de wir Grü­ne sind, denen es gelin­gen kann, die­sen schein­ba­ren Gegen­satz zu über­win­den. Kul­tur fin­det auch außer­halb der Stadt­gren­zen statt, und Agrar- und Ver­brau­cher­po­li­tik spielt sich auch im städ­ti­schen Super­markt ab. Dazu kommt die rea­le Unschär­fe der schö­nen Pola­ri­tät. Wer mit der Höl­len­tal­bahn vom Frei­bur­ger Haupt­bahn­hof bis in den Schwarz­wald hoch­fährt, fährt durch ein Kon­ti­nu­um aus Innen­stadt, Grün­der­zeit­stadt­vier­tel, sub­ur­ba­ner Vor­stadt, sub­ur­ba­ner Gemein­de, länd­li­cher Gemein­de. Die Gren­zen sind längst nicht so fest gezurrt, wie man­che das ger­ne hätten.*

Da liegt viel­leicht auch ein The­ma, mit dem ich mich in Zukunft stär­ker beschäf­ti­gen könn­te – nicht nur mit dem poli­ti­schen Hin­ter­grund als Vor­stands­mit­glied des „länd­li­chen“ Kreis­ver­ban­des Breis­gau-Hoch­schwarz­wald, der „urban“ geprägt und in der Stadt Frei­burg wohnt, son­dern auch mit dem, was mir in mei­ner beruf­li­chen Beschäf­ti­gung mit Agrar­so­zio­lo­gie und Forst­po­li­tik so unter die Fin­ger gekom­men ist. Ich wer­de dar­über nachdenken!

War­um blog­ge ich das? Ich bin mir gar nicht so sicher, ob es legi­tim ist, der­ar­ti­ge Gedan­ken – die ja auch ein biß­chen dem Hei­le-Welt-Bild inner­par­tei­li­cher Mit­be­stim­mung wider­spre­chen – öffent­lich zu machen. Trotz­dem sehe ich es als Auf­ga­be an, über die Gren­zen hin­aus zu den­ken, statt sie zu ver­fes­ti­gen. Und das Nach­den­ken über die gest­ri­ge Nomi­nie­rungs­ver­samm­lung mit ihrem für mich nicht ganz ein­fa­chen Ergeb­nis ist dazu ein Anlass.

* Neben­bei gesagt: auch unter dem Aspekt inter­es­sant, dass die Abgren­zung Stadt/Landkreis ein kla­res sozia­les Kon­strukt mit vie­len Kon­tin­gen­zen ist – zum Bei­spiel gehö­ren zur Stadt Frei­burg auch eini­ge rich­tig länd­li­che Gemein­den am Tuni­berg – die viel damit zu tun hat, wel­cher Gemein­de in den 1960er und 1970er Jah­ren ein Hal­len­bad ver­spro­chen wer­den konn­te und wo ein Bür­ger­haus gebaut wur­de. Die natu­ra­le „Bio­re­gi­on“ zieht dage­gen ganz ande­re Gren­zen, die ihre eige­ne Wirk­mäch­tig­keit haben.

Zehn Bilder aus Genf

Eini­ge wer­den es über Twit­ter, Flickr oder Face­book schon gese­hen habe – letz­te Woche war ich zum „Baby­sit­ten“ in Genf. Abge­se­hen vom Ras­mus-Füt­tern, ‑Wickeln und ‑Her­um­tra­gen hat­te ich also mehr oder weni­ger Urlaub – und den dazu genutzt, trotz eher reg­ne­risch-kal­tem Wet­ter mit Kin­der­wa­gen und Kame­ra durch Genf spa­zie­ren zu gehen. Da sind dann natür­lich jede Men­ge Fotos ent­stan­den. Zehn davon, die für mich einen guten Ein­blick in die Viel­falt Gen­fs geben, möch­te ich hier ohne Anspruch auf Voll­stän­dig­keit präsentieren:

People in the light II

Die­se Sze­ne aus dem Ban­ken­vier­tel in der Innen­stadt ent­spricht viel­leicht am ehes­ten den Vor­ur­tei­len, die nor­ma­ler­wei­se mit der Stadt und der Schweiz ver­bun­den wer­den: auf­ge­räumt, grau und reich. Mit noblen Luxus­uh­ren und geheim­nis­tue­ri­schen Pri­vat­ban­ken. Und wich­ti­gen (oder wich­tig­tue­ri­schen?) busi­ness people.

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Evening building

Genf kann aber auch ganz anders aus­se­hen – zwi­schen Bahn­hof Cor­na­vin und der Jugend­her­ber­ge in der Rue Roth­schild erstreckt sich „Les Pâquis“. Und das ist – so jeden­falls mein Ein­druck – eher durch por­tu­gie­si­sche Bäcke­rei­en, indi­sche Restau­rants, asia­ti­sche oder afri­ka­ni­sche Lebens­mit­tel­lä­den, Stu­di­wohn­hei­me, Miets­blö­cke und teu­re Möbel­ge­schäf­te gekenn­zeich­net. Also bunt gemischt. Wie übri­gens auch die Archi­tek­tur, mit einer Ten­denz zur kan­ti­gen Moder­ne (egal, ob Sozi­al­woh­nungs­an­la­ge oder Bank­haus). Die Gen­fer Bevöl­ke­rung hat übri­gens als einer von nur weni­gen Kan­to­nen die Initia­ti­ve zum Mina­rett­ver­bot mehr­heit­lich abgelehnt.

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Geneva night series X

Wäh­rend die „beleb­ten“ Stra­ßen­zü­ge von etwa sie­ben­stö­cki­gen Stadt­häu­ser und Wohn­blocks flan­kiert sind, erstreckt sich im Nor­den der Stadt ein Band inter­na­tio­na­ler Orga­ni­sa­tio­nen in eher soli­tär ste­hen­den Gebäu­den – von der Welt­han­dels­or­ga­ni­sa­ti­on bis zu den Ver­ein­ten Natio­nen. Hier links im Bild: die World Metero­lo­gi­cal Organisation.

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School yard I

Zurück zum Vier­tel süd­lich der Jugend­her­ber­ge. Ein­drucks­voll fand ich einen aus­ge­dehn­ten Kom­plex aus Stadt­teil­zen­trum, Schu­len und Frei­zeit­ein­rich­tun­gen. Hier ist ein Blick auf den Schul­hof zu sehen.

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Stairway II

Die Jugend­her­ber­ge selbst ist (außen) auch eher Beton­mo­der­ne, unser Zim­mer war ganz okay. Vom fünf­ten Stock (lei­der nur von drin­nen – eine Dach­ter­ras­se o.ä. gibt es nicht) gibt es einen schö­nen Blick auf eini­ge Eigen­hei­ten Gen­fs: der Gen­fer See samt den schrof­fen Berg­mas­si­ven eben­so wie die Kon­tras­te zwi­schen noblen Luxus­ge­bäu­den und im wört­li­chen Sin­ne brö­ckeln­den Altbauten.

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Lake with tree

Nicht satt­se­hen konn­te ich mich am Gen­fer See und den Berg­pan­ora­men, in deren Schat­ten die Stadt klein und zusam­men­ge­drängt wirkt. Bei bes­se­rem Wet­ter sicher noch ein­drucks­vol­ler. Eini­ge Dut­zend Bil­der davon mehr sind im Flickr-Stream zu finden.

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Light show VII

Dafür gab es jetzt im Win­ter eine ein­drucks­voll aus­ufern­de Weih­nachts­be­leuch­tung in der Innen­stadt und an der Uferpromenade.

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Painting and unpainting

Aber auch die Innen­stadt ist nicht nur durch graue Monu­men­te, gro­ße Refor­ma­to­ren und Glit­zer­schick gekenn­zeich­net. Aus der Stra­ßen­bahn her­aus erwisch­te ich die­sen Graf­fi­ti­ent­fer­ner auf einem bunt bemal­ten Stromkasten.

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UTOPIE

In einer umge­bau­ten Fabrik mit Muse­en und Künst­ler­ate­liers und dem Cent­re d’art con­tem­po­rain Genè­ve hat­ten wir die Mög­lich­keit, mir die Aus­stel­lung „Uto­pie et Quo­ti­di­en­ne­té“ (zu deutsch: „Uto­pie und All­täg­lich­keit“) anzu­se­hen. Es war etwas müh­sam, inso­fern die Aus­stel­lung auf fran­zö­sisch statt­fand, und zwar Über­set­zun­gen zu allen Tex­ten ger­reicht wur­den, das gan­ze aber sehr kon­zep­tu­ell und text­las­tig daher kam. Ziel der Aus­stel­lung ist es „in Genf und lan­des­weit eine Debat­te dar­über an[zu]regen, wel­che Rol­le Künst­le­rin­nen und Künst­ler im Bil­dungs­pro­zess in und aus­ser­halb von Insti­tu­tio­nen spie­len könn­ten.“ Dazu wur­den künst­le­ri­sche Ansät­ze mit „päd­ago­gi­schem“ Anspruch (z.B. Beuys sozia­le Plas­tik) mit einer Auf­ar­bei­tung reform­päd­ago­gi­scher Expe­ri­men­te und gegen­kul­tu­rel­ler Uto­pien zusam­men­ge­führt. Letzt­lich ging es um Künst­le­rIn­nen, deren Wer­ke nicht im Muse­um hän­gen, son­dern in der sozia­len Pra­xis statt­fin­den und dar­auf zie­len, die­se zu ver­än­dern und zu reflek­tie­ren. Neben dem (kunst-)historischen Blick auf die­se Ansät­ze gehö­ren zu „Uto­pie et Quo­ti­di­en­ne­té“ auch drei Gemein­schafts­pro­jek­te, die vor Ort (und eben nicht im Cent­re) statt­fin­den – trafo.K. und Gabu Heindl mit revo­lu­tio­nä­rem Kunst­un­ter­richt in einer ört­li­chen Schu­le, Nils Nor­man und Tilo Stei­reif mit einer Archiv-Instal­la­ti­on zur Geschich­te von Anar­chie im Bil­dungs­we­sen und Damon Rich und Oscar Tua­zon prä­sen­tie­ren einen „play­ground for adults“ für eine Sied­lung in Vernier.

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The border II

Genf könn­te auch eine fran­zö­si­sche Stadt sein. Oder sowas wie Frei­burg in groß­städ­tisch. Hier sind wir mit der Stra­ßen­bahn bis zu End­sta­ti­on (im Osten) gefah­ren – bis Moil­le­sul­laz. Die­se Stre­cke dau­er­te etwa 20 Minu­ten von der Innen­stadt aus, und die gan­ze Zeit über fuhr die Bahn durch bebau­tes Gebiet (ins­ge­samt drei Gemein­den plus Stadt Genf) – den Berg hoch. Mei­ne Hoff­nung auf Land­schafts­bli­cke erfüll­te sich nicht. Am Anfang der Stre­cke waren eher Vil­len zu sehen, am Ende Wohn­blö­cke. Direkt an der fran­zö­si­schen Gren­ze ende­te die Stra­ßen­bahn dann. Was aber nur an der Grenz­sta­ti­on zu sehen war – die Bebau­ung setz­te sich danach fort. Die Stadt Genf selbst hat nur etwa 180.000 Ein­woh­ne­rIn­nen (und ist auch rela­tiv klein) – mit den umlie­gen­den Vor­or­ten dürf­ten es in der metro­po­li­ta­nen Agglo­me­ra­ti­on deut­lich mehr sein.

War­um blog­ge ich das? Als Diaabendersatz.

Unsichtbare Wahlkampfthemen: Platz der Alten Synagoge

KG II, I

Es gibt Wahl­kampf­the­men, die prä­sent sind. In Frei­burg gehört die Fra­ge Stadt­bau, Mie­ten, Woh­nungs­si­tua­ti­on sicher dazu. Es gibt aber auch Wahl­kampf­the­men, die unter­schwel­lig vor sich hin­kö­cheln. Mög­li­cher­wei­se ist die geplan­te Umge­stal­tung des Plat­zes der Alten Syn­ago­ge ein sol­ches unter­schwel­li­ges Wahl­kampf­the­ma. Viel­leicht ist’s auch eines, dass nur Stu­die­ren­de und deren Umfeld (also mich z.B. ;-)) wirk­lich inter­es­siert. Hell­hö­rig gemacht hat mich jeden­falls die Tat­sa­che, dass im aktu­el­len u‑as­ta-infou‑Bote lis­ten­über­grei­fend gleich sie­ben der dort por­trä­tier­ten zwölf „stu­den­ti­schen“ Kan­di­da­tIn­nen für die Gemein­de­rats­wahl den Platz der Alten Syn­ago­ge ansprechen. 

Ich wür­de mich freu­en, eini­ge die­ser Stim­men dann auch im Gemein­de­rat wie­der­zu­fin­den (und nein, das soll jetzt kei­ne Wahl­emp­feh­lung für die Kan­di­da­tIn­nen der SPD oder CDU wer­den – aber wer schon die­se Par­tei­en wäh­len möch­te, kann ja mal in der Stimm­ge­wich­tung nach­den­ken, wer passt). Bei eini­gen ist auch gar nicht so ganz klar, was sie jetzt eigent­lich wol­len. Zumin­dest das The­ma wird aber gesetzt – das ist schon mal ganz gut so.

Hier die wich­tigs­ten Zita­te (in der Rei­hen­fol­ge, in der das u‑as­ta-info sie abge­druckt hat – lei­der haben sich nicht alle Lis­ten an der Kan­di­da­tIn­nen-Vor­stel­lung dort betei­ligt. Die Lin­ke Lis­te z.B. darf ihre Posi­ti­on ger­ne im Kom­men­tar­feld zu die­sem Bei­trag nachholen ;-)):

„Oft haben wir ganz eige­ne Anlie­gen, z.B. eine Umge­stal­tung des Plat­zes der Alten Syn­ago­ge, die auch die Inter­es­sen der Stu­die­ren­den berück­sich­tigt […]“ (Anna Schmid, Bünd­nis 90/Die Grü­nen, Platz 15)

„[…] möch­te ich mich, falls gewählt, für fol­gen­de Din­ge ein­set­zen: […] Umge­stal­tung des Plat­zes der Alten Syn­ago­ge mit mehr Grün­flä­chen […]“ (Johan­nes Wald­schütz, Bünd­nis 90/Die Grü­nen, Platz 22)

„Ein ande­rer Punkt ist der Umbau des Rott­eck­rings und des Plat­zes der Alten Syn­ago­ge vor dem KG II. Hier soll­ten mei­ner Mei­nung nach die Bedürf­nis­se und die Lebens­welt der Stu­die­ren­den bes­ser berück­sich­tigt wer­den.“ (Dani­el San­der [!], CDU, Platz 2)

„Die Stadt ent­schei­det […] wie der Platz der Alten Syn­ago­ge gestal­tet wird. […] Es gibt also vie­le Grün­de, war­um Stu­die­ren­de sich für Kom­mu­nal­po­li­tik inter­es­sie­ren und enga­gie­ren soll­ten.“ (Hen­ri­ke Hepp­rich, GAF, Platz 6)

„Zur Kom­mu­nal­po­li­tik kam ich über die Hoch­schul­po­li­tik – und anders­rum. Rott­eck­ring und Platz der Alten Syn­ago­ge sol­len seit vie­len Jah­ren umge­stal­tet wer­den […] Stein­wüs­te statt Wie­se? […] Nicht mit mir!“ (Kon­stan­tin Gör­lich, GAF, Platz 15)

„The­men wie die […] Stadt­ent­wick­lung (Platz der alten Syn­ago­ge, Rem­part­stra­ße) […]“ (Kai-Achim Kla­re, SPD, Platz 5)

„Die Umge­stal­tung des Plat­zes der Alten Syn­ago­ge betrifft uns in hohem Maße. Mit dem der­zei­ti­gen Ent­wurf ist die Mehr­heit unzu­frie­den. Vor allem muss die Grün­flä­che vor dem KG II erhal­ten blei­ben. Sie ist ein wich­ti­ger Ort, um Son­ne zu tan­ken, zu ler­nen und Freun­din­nen und Freun­de zu tref­fen.“ (Mari­el­la Schar­fen­berg, SPD, Platz 26)

War­um blog­ge ich das? Aus der lei­sen Hoff­nung her­aus, dass Kom­mu­nal­wah­len man­che schein­bar schon fest­ste­hen­den Tat­sa­chen doch noch ver­än­dern können.

Kurz: Solardacheignung

freesun

Bei der Suche nach den Öff­nungs­zei­ten der Stadt­bi­blio­thek bin ich auf der Sei­te der Stadt Frei­burg bei „Free­sun“ – die Frei­bur­ger Son­nen­dä­cher – hän­gen geblie­ben: ein inter­ak­ti­ver Atlas, der zu ein­zel­nen Gebäu­den im Stadt­ge­biet sagt, ob die aus der Luft ver­mes­se­ne Dach­flä­che sich nach Nei­gung und Win­kel zur Son­ne für Pho­to­vol­ta­ik und Solar­ther­mie eig­nen wür­de. Fin­de ich span­nend. Und das Miets­haus, in dem wir woh­nen, wäre aus­ge­spro­chen gut geeig­net. Jetzt bleibt nur zu hof­fen, dass die GAGFAH das auch so sieht …

Radfahren im Freiburger Frühling

rad_panorama_kleinIch fah­re ja nor­ma­ler­wei­se gar nicht so viel Rad. Und das, obwohl ich auto­los lebe. Also, ich mei­ne, mal abge­se­hen vom werk­täg­li­chen Hin­brin­gen und Abho­len mei­ner Toch­ter in den eigent­lich nur mit Rad irgend­wie sinn­voll erreich­ba­ren Wald­kin­der­gar­ten. Aber das zählt nicht so richtig.

Aus ver­schie­de­nen Grün­den war ich in den letz­ten Tagen und Wochen etwas häu­fi­ger mit dem Rad unter­wegs – zu IKEA, in die Stadt zum Arbei­ten, zum grü­nen Büro oder auch zur Kreis­mit­glie­der­ver­samm­lung. Dabei sind mir ein paar Din­ge aufgefallen:

1. Nach­dem sich der Früh­ling jetzt doch mal ent­schie­den hat, so rich­tig durch­zu­star­ten, macht es wirk­lich Spaß, Rad zu fah­ren. Das gilt ins­be­son­de­re für den vier Kilo­me­ter lan­gen Drei­sam­ufer­rad­weg – kreu­zungs­frei, ohne Autos, und mit einem Fluss an der Sei­te, der an man­chen Stel­len Mee­res­bran­dung spielt. Schön!

2. Vom Rad aus wird so rich­tig sicht­bar, dass Frei­burg der­zeit eine Bau­stel­len­stadt ist. Die Blaue Brü­cke ist noch immer gesperrt, d.h., wer von der einen Sei­te der Bahn­li­nie (z.B. der, auf der ich woh­ne) auf die ande­re will (z.B., um in der Innen­stadt zu arbei­ten), muss wei­ter­hin Umwe­ge fah­ren. Die wer­den klag­los hin­ge­nom­men, haben sich eta­bliert, aber wie das wer­den soll, wenn dann dem­nächst auch die Kro­nen­brü­cke und die Stadt­bahn­brü­cke saniert wer­den, ist mir nicht so ganz klar. Frei­burg zweigeteilt?

3. Toll ist das Rad­we­ge-Infor­ma­ti­ons­sys­tem der Stadt, dass es inzwi­schen gibt. Im letz­ten Jahr habe ich es jeden­falls noch nicht bewusst wahr­ge­nom­men. Fast über­all ste­hen Weg­wei­ser, die den Rad­ver­kehr in die ein­zel­nen Stadt­tei­le und auf geeig­ne­te Stra­ßen und Rad­we­ge len­ken. Funk­tio­niert sehr gut, scheint einen gro­ßen Teil des Stadt­ge­bie­tes zu erfas­sen – und ist ein­zig und allein da schwie­rig, wo Scherz­bol­de die Weg­wei­ser umge­dreht haben (z.B. an der Auf­fahrt zur Drei­sam vom Rie­sel­feld kommend).

4. Gera­de auf den Express­rad­we­gen (also z.B. besag­tem Drei­sam­ufer­rad­weg) herrscht ein ganz schö­ner Ver­kehr. Wenn dann noch ein paar Ang­ler (Ang­le­rin­nen habe ich kei­ne gese­hen) dazu kom­men, oder sich zwei Räder mit Kin­der­an­hän­ger begeg­nen, schei­nen die zwei oder drei Meter Rad­weg auf ein­mal ziem­lich eng. Und an der – stadt­aus­wärts gese­hen – rech­ten Sei­te lappt die Drei­sam. Ein biß­chen Mut zum Aben­teu­er gehört also noch immer zum städ­ti­schen Rad­fah­ren. Gilt auch für die Bahn­hofs­un­ter­tun­ne­lung als Teil der Blaue-Brü­cke-Umlei­tung, durch die vie­le ziem­lich schnell durch­brau­sen. Und das sind alles Stel­len, an denen kei­ne Autos oder Stra­ßen­bah­nen mit­spie­len – die gibt’s auch.

5. Nor­ma­ler­wei­se – vor allem im Win­ter – fah­re ich von und zur Arbeit mit dr Stra­ßen­bahn. Das ver­bin­de ich immer mit der Vor­stel­lung, ein Buch oder die Zei­tung lesen zu kön­nen (oder gar mobil zu twit­tern ;-). Die Vor­stel­lung ist aller­dings nur bedingt rich­tig – mor­gens habe ich meis­tens einen Sitz­platz, in der Schul­rush­hour mit­tags oder in der Berufs­rush­hour am spä­ten Nach­mit­tag wird’s in den Stra­ßen­bah­nen eng und stres­sig. Auch wenn’s nicht mög­lich ist, beim Rad­fah­ren Zei­tung zu lesen, ist die Fahrt durch die (Stadt-)Natur im Ver­gleich dazu doch deut­lich ange­neh­mer – und bie­tet eben­so die Mög­lich­keit, (in Maßen und vor allem auf den lan­gen Express­rad­weg-Stre­cken) den Gedan­ken nachzuhängen.

Fazit: Rad zu fah­ren macht jetzt rich­tig Spaß und Frei­burg als bekannt-berüch­tig­te Fahr­rad­me­tro­po­le ist noch ein gan­zes Stück fahr­rad­freund­li­cher gewor­den – trotz Bau­stel­len und Umlei­tun­gen. Was ich span­nend fän­de, wäre in eini­gen Stadt­tei­len eine Umset­zung des „shared-space“-Konzepts.

War­um blog­ge ich das? Weil’s mir heu­te mit­tag auf dem Rad an der Drei­sam ein­ge­fal­len ist.