Länderrat in Lübeck: Ritt durch den Gemüsegarten

Ges­tern tag­te der grü­ne Län­der­rat – unser klei­ner Par­tei­tag mit etwa 60 Dele­gier­ten – in der schö­nen Stadt Lübeck. Dass der Län­der­rat nach Schles­wig-Hol­stein kam, war sicher­lich eben­so wenig Zufall wie die Tat­sa­che, dass eine ande­re Par­tei ihren Bun­des­par­tei­tag zeit­gleich im nicht weit ent­fern­ten Neu­müns­ter statt­fin­den ließ. Eine Woche vor den Wah­len in Schles­wig-Hol­stein, zwei Wochen vor den Wah­len in Nord­rhein-West­fa­len war die­ser Län­der­rat vor allem Schau­büh­ne, um grü­ne Poli­tik (auf­ge­lo­ckert durch ein paar Pony-Scher­ze) sicht­bar zu machen. 

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Ausblick: So wird 2012

Looking glass

Janu­ar 2012: Trotz Kre­dit- und Anruf­be­ant­wor­ter­af­fä­re bleibt Chris­ti­an Wulff vor­erst wei­ter Bun­des­prä­si­dent. Die inter­nen Ver­hand­lun­gen zwi­schen BILD und CDU um die Nach­fol­ge lau­fen jedoch an.

Febru­ar 2012: Twit­ter, Face­book, einer­lei: der Schalt­tag bringt eini­ges durch­ein­an­der und wird zum letz­ten Aus­lö­ser dafür, dass RLing („real life social net­wor­king“) tren­det. Form­er­ly known as Kaffeeklatsch.

März 2012: Nach Kredit‑, Anruf­be­ant­wor­ter- und Brat­wurst­af­fä­re und mit Blick auf die dem­nächst schwie­ri­ge­ren Mehr­heits­ver­hält­nis­se in der Bun­des­ver­samm­lung beschlie­ßen CDU und BILD, dass das Fass jetzt voll ist und Chris­ti­an Wulff zurück­tre­ten muss. Nach­fol­ge­rin in der kurz­fris­tig ter­mi­nier­ten Bun­des­ver­samm­lung wird aus Effi­zi­enz­grün­den kur­zer­hand Ange­la Mer­kel, die vor­erst jedoch Bun­des­kanz­le­rin und CDU-Vor­sit­zen­de bleibt.

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Zehn Sätze zum Landtag in Schleswig-Holstein

Das Wahl­recht in Schles­wig-Hol­stein hat sei­ne Tücken. Die haben dazu geführt, dass es bei der Land­tags­wahl im Sep­tem­ber 2009 drei nicht aus­ge­gli­che­ne Über­hang­man­da­te für die CDU gab – die letzt­lich die aktu­el­le schwarz-gel­be Regie­rung dort ermög­li­chen. Heu­te hat das Lan­des­ver­fas­sungs­ge­richt ver­kün­det, dass die­se Situa­ti­on ver­fas­sungs­wid­rig ist.

Ver­wun­dert bin ich aller­dings – und da bin ich wohl nicht der ein­zi­ge – über zwei­er­lei. Dar­über, dass zur Lösung der Mise­re Neu­wah­len kom­men sol­len – und dar­über, dass die­se erst in zwei Jah­ren statt­fin­den müs­sen. Dass das Wahl­ge­setz geän­dert wer­den muss, um hier Klar­heit und Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit zu schaf­fen, leuch­tet mir ein. Dass das eine gewis­se Zeit braucht, auch. Aber zwei Jah­re sind doch etwas lang dafür – genau­so gut hät­te das Gericht pro­vi­so­ri­sche Aus­gleichs­man­da­te ver­ge­ben kön­nen, um eine Situa­ti­on her­zu­stel­len, in der die Stim­men­ver­hält­nis­se im Land­tag Schles­wig-Hol­stein dem Wahl­er­geb­nis ent­spre­chend. Das wäre aller­dings das sofor­ti­ge Ende der schwarz-gel­ben Mehr­heit gewe­sen. So dau­ert es noch maxi­mal zwei Jah­re – und wenn bei eini­gen doch noch die poli­ti­sche Ver­nunft durch­schlägt, geht’s viel­leicht auch schneller.

Nach­trag: Die Urtei­le (1, 2) bei Wahlrecht.de (als pdf).

Kurzeintrag: Kommunalwahl Schleswig-Holstein (Update 3: Jamaika?)

Nach ers­ten Trend­aus­sa­gen haben bei der heu­ti­gen Kom­mu­nal­wahl in Schles­wig-Hol­stein bei­de grö­ße­ren Par­tei­en deut­lich Ver­lus­te hin­neh­men müs­sen (CDU: ‑10 Punk­te, SPD, ‑4 Punk­te), wäh­rend die klei­ne­ren Par­tei­en mehr oder weni­ger deut­li­che Stimm­ge­win­ne hat­ten. Beim NDR heißt es dazu:

Nach einer ers­ten Schät­zung der Lan­des­wahl­lei­te­rin liegt die CDU bei 40,1 Pro­zent, das sind 10,7 Punk­te weni­ger als 2003. Die SPD ver­liert 3,6 Punk­te und erreicht 25,7 Pro­zent. Die Grü­nen lie­gen lan­des­weit bei 9,6 Pro­zent (2003: 8,4 Pro­zent), die FDP bei 8,3 Pro­zent (5,7). Die Lin­ke kommt auf Anhieb auf 7,3 Pro­zent, der Süd­schles­wig­sche Wäh­ler­ver­band (SSW) erreicht 3,0 Pro­zent (2003: 2,5 Pro­zent). (Quel­le)

Mit dazu bei­getra­gen hat mög­li­cher­wei­se auch das Ver­bot der bis­he­ri­gen 5%-Hürde; damit ist das Risi­ko, Stim­men, die an klei­ne Par­tei­en gehen, effek­tiv zu ver­lie­ren, gesun­ken. Wie dem auch sei, auf jeden Fall sind die 9,6 % ein gutes grü­nes Ergeb­nis. Mal schau­en, ob es bei die­sen Trend­aus­sa­gen bleibt, und schon mal herz­li­chen Glück­wunsch in den Norden!

Update: Sehr schön eini­ge Ein­zel­er­geb­nis­se – so sind die Grü­nen in Lübeck in zwei Wahl­krei­sen stärks­te Par­tei, in Kiel in vier Wahl­krei­sen zweit­stärks­te Par­tei mit Pro­zent­sät­zen um die 20 %. Inter­es­sant fin­de ich das doch über­ra­schend gute Abschnei­den der LINKEN – auch im Hin­blick dar­auf, dass wir in Baden-Würt­tem­berg 2009 Kom­mu­nal­wah­len haben werden.

Update 2: Ein inter­es­san­ter Neben­ef­fekt des Kie­ler Ergeb­nis­ses ist, dass die bis­her dort regie­ren­de schwarz-grü­ne Koali­ti­on nun kei­ne Mehr­heit mehr hat.

Update 3: (26.05.2008) Die WELT – wer auch sonst – dis­ku­tiert das Wahl­er­geb­nis als Start­schuss für Jamai­ka-Koali­tio­nen in vie­len Städ­ten und Gemein­den. Und zitiert den Lan­des­vor­sit­zen­den der Grü­nen Schles­wig-Hol­stein, Robert Habeck, damit, dass es tat­säch­lich eine Wäh­ler­wan­de­rung von der CDU zu den Grü­nen (im End­ergeb­nis sogar bei 10,3%) gege­ben habe, ins­be­son­de­re im Ham­bur­ger Umland.

Stadtwerke Tübingen bauen Kohlekraftwerk in Schleswig-Holstein (Update 8: Klimacamp)

CO2hleNicht nur im Ham­bur­ger Koa­li­tons­ver­trag war „Moor­burg“ das gro­ße The­ma – also die Fra­ge, ob der Bau eines neu­en Koh­le­kraft­werks geneh­migt wird oder nicht. In den Jah­ren kli­ma­schüt­ze­ri­scher Real­po­li­tik, die jetzt auf uns zukom­men, ist der Aus­stieg aus der Koh­le – oder alter­na­tiv: die Koh­le als „Über­gangs­tech­no­lo­gie“ – der Punkt, an dem Umwelt­ver­bän­de und Grü­ne einer­seits und die gro­ßen Ener­gie­kon­zer­ne und die „Volks­par­tei­en“ ande­rer­seits auf­ein­an­der­pral­len. Das dies­jäh­ri­ge, von einem brei­ten Bünd­nis getra­ge­ne Kli­ma­camp sieht in Koh­le (Ham­burg: Koh­le­ha­fen, Vat­ten­fall, Kraft­swerks­neu­bau­ten und Expor­te) einen Kris­tal­li­sa­ti­ons­punkt. Robin Wood macht Aktio­nen zu „Moor­burg“ und „Karls­ru­he“. Der BUND hat eben­falls eine Kam­pa­gne Koh­le­kraft­wer­ke stop­pen. Bei cam­pact gibt’s einen Kli­ma-Appell gegen Koh­le. Und die Grü­nen: die erst recht. Zum Bei­spiel mit der Betei­li­gung an der Demo gegen ein Koh­le­kraft­werk bei Mann­heim. Und auch für die umwelt­po­li­ti­sche Spre­che­rin der grü­nen Bun­des­tags­frak­ti­on, Syl­via Kot­ting-Uhl, ist der Umgang mit Koh­le und der „Clean-Coal“-Schimäre ein zen­tra­les kli­ma­po­li­ti­sches The­ma. Soweit könn­te fast der Ein­druck ent­ste­hen, dass die Bau­plät­ze der neu geplan­ten Koh­le­kraft­wer­ke so etwas wie das Wyhl oder Bruns­büt­tel unse­rer Gene­ra­ti­on wer­den könnten. 

Aller­dings schei­nen das nicht alle so zu sehen. Der von mir durch­aus geschätz­te Tübin­ger Ober­bür­ger­meis­ter Boris Pal­mer hat zwar erst vor kur­zem eine hoch­wer­ti­ge Kli­ma­schutz-Kam­pa­gne „Tübin­gen macht blau“ (sie­he auch hier) gestar­tet. Aber jetzt ist er doch aus etwas selt­sa­men Grün­den in die Schlag­zei­len gera­ten, näm­lich mit der Betei­li­gung der Tübin­ger Stadt­wer­ke an einem Koh­le­kraft­werks­neu­bau in Brunsbüttel: 

Der Tübin­ger Ober­bür­ger­meis­ter Boris Pal­mer (Grü­ne) ver­tei­digt die Betei­li­gung sei­ner Stadt am Bau eines gigan­ti­schen Koh­le­kraft­werks in Schles­wig-Hol­stein: „Wir dür­fen neue Kraft­werks­pro­jek­te nicht um den Preis ver­hin­dern, dass alte inef­fi­zi­ent wei­ter lau­fen“, sagt Pal­mer der ZEIT und stellt sich damit gegen sei­ne Par­tei, die neue Koh­le­kraft­wer­ke ablehnt. Tübin­gen wol­le sich von den gro­ßen Ener­gie­ver­sor­gern unab­hän­gig machen, sagt Pal­mer und fährt fort: „Denn wenn die Stadt­wer­ke ster­ben, hat man kei­ne Chan­ce, den völ­lig ver­krus­te­ten Strom­markt öko­lo­gisch neu aus­zu­rich­ten.“ Aller­dings sei es auch sein Ziel, einen „ener­gie­po­li­ti­schen Rah­men“ zu schaf­fen, „der alle Koh­le­kraft­wer­ke über­flüs­sig und unwirt­schaft­lich macht“.

Damit hat Boris zwar mal wie­der bewie­sen, dass er es her­vor­ra­gend schafft, die grü­ne Par­tei bei Bedarf als Kon­trast­fo­lie zu benut­zen, um sich selbst beson­ders her­vor­he­ben zu kön­nen. Inhalt­lich scheint mir der Schluss von „Stadt­wer­ke müs­sen über­le­ben“ (rich­tig) zu „wir betei­li­gen uns an einem Koh­le­kraft­werk“ feh­ler­haft. EWS und ande­re machen vor, dass wirt­schaft­lich erfolg­rei­che Ener­gie­pro­duk­ti­on – selbst ohne kom­plett rege­ne­ra­tiv auf­ge­stellt zu sein – auch ohne Koh­le mach­bar ist. Es gibt Alter­na­ti­ven, und jetzt die fal­schen ener­gie­po­li­ti­schen Wei­chen für die nächs­ten 30 Jah­re zu stel­len, muss ein­fach nicht sein.

Noch dazu hat die Sache inso­fern einen unschö­nen Bei­geschmack, als die Luft­li­ni­en­ent­fer­nung von Tübin­gen nach Schles­wig-Hol­stein doch recht groß ist. Wenn Boris mit den Tübin­ger Stadt­wer­ken unbe­dingt ein Koh­le­kraft­werk mit­bau­en will, dann soll er das halt im Länd­le ver­su­chen – aber bit­te nicht in Karls­ru­he oder Mann­heim (s.o.). Noch bes­ser wäre es jedoch, das finan­zi­el­le Enga­ge­ment zukunfts­fä­hi­ger zu platzieren. 

War­um blog­ge ich das? Weil mich die Argu­men­ta­ti­on des Tübin­ger Ober­bür­ger­meis­ters doch ein biß­chen stört. Und der „deut­sche Barack Oba­ma“, wie er viel­leicht bald genannt wer­den wird, kann’s eigent­lich bes­ser. Was also soll das?

Update: (22.5.2008) Eine beson­ders inter­es­san­te Note erhält das gan­ze dadurch, dass in weni­gen Tagen Kom­mu­nal­wah­len in Schles­wig-Hol­stein sind – und die Grü­nen dort u.a., und rich­ti­ger­wei­se, einen kla­ren Anti­koh­le-Schwer­punkt gesetzt haben. 

Update 2: Der Kon­stan­zer OB Horst Frank, eben­falls ein Grü­ner, setzt sich gegen eine Betei­li­gung der Kon­stan­zer Stadt­wer­ke an dem in Bruns­büt­tel geplan­ten Kraft­werk ein. Die dor­ti­gen Stadt­wer­ke sind aller­dings eben­falls dafür. Horst Frank wird in dem Arti­kel mit fol­gen­der Aus­sa­ge zitiert: „Die Stadt­wer­ke [Kon­stanz] soll­ten mit der Süd­west­strom ver­han­deln, war­um sie nicht auf ein Gas­kraft­werk setzt.“ Dar­um geht es. Die Süd­west­strom Kraft­werk GmbH&Co KG, die das Koh­le­kraft­werk in Bruns­büt­tel bau­en will, ist übri­gens ein Zusam­men­schluss von Stadt­wer­ken aus Süddeutschland.

An die­ser Stel­le viel­leicht auch noch eine Klar­stel­lung zu mei­ner etwas rei­ße­ri­schen Über­schrift – natür­lich sind es nicht die Stadt­wer­ke Tübin­gen allein, viel­mehr sind die­se nur mit einem Anteil von 0,4 % / 2 Mio. Euro betei­ligt, und erzeu­gen (so jeden­falls die Aus­kunft von Boris) über 90 % ihres Stroms nicht in Kohlekraftwerken. 

Update 3: (25.5.2008) Der Voll­stän­dig­keit hal­ber hier noch der Ver­weis auf das Posi­ti­ons­pa­pier der Stadt­wer­ke Tübin­gen zu die­sem Thema.

Update 4: (27.5.2008) Zur Situa­ti­on in Bruns­büt­tel – und dem vor Ort fast völ­lig feh­len­den Wider­stand – ist die­ser ZEIT-Arti­kel recht lesenswert.

Update 5: (3.6.2008) In einer heu­te ver­öf­fent­lich­ten Pres­se­mit­tei­lung der Tübin­ger Grü­nen (lei­der nicht online) heißt es „Kreis­vor­stand von Bünd­nis 90/DIE GRÜNEN, Lan­des­vor­stands­mit­glied Chris­ti­an Kühn und Win­fried Her­mann, MdB gegen Tübin­ger Ein­stieg in das Koh­le­ge­schäft“. Damit stellt sich natür­lich die Fra­ge, wer außer Boris eigent­lich den Ein­stieg der öko­b­lau­en Stadt in die Koh­lestrom­pro­duk­ti­on möch­te. Und ob das die rich­ti­gen Bünd­nis­part­ner für den grü­nen Ober­bür­ger­meis­ter sind.

Update 6: (26.6.2008) Ob’s stimmt, weiss ich nicht, aber den Link woll­te ich doch noch hier unter­brin­gen: heu­te steht in der Tele­po­lis ein kur­zer Arti­kel, in dem behaup­tet wird, dass das Kraft­werk in Bruns­büt­tel eigent­lich ein Gas­kraft­werk (viel­leicht sogar ein GuD-Kraft­werk?) in Wert­heim sein soll­te, dort aber von einem grün ange­führ­ten Bür­ger­ent­scheid ver­hin­dert wur­de. Wenn’s so ist, ist’s scha­de. Aber viel­leicht lässt sich ja auch anders­wo ein bes­se­res Kraft­werk als ein Koh­le­gi­gant hinstellen.

Update 7: (3.7.2008) Ein paar inter­es­san­te Hin­wei­se zum glo­ba­len Kon­text, z.B. zu einem mög­li­cher­wei­se geplan­ten zwei­jäh­ri­gen Mora­to­ri­um für Koh­le­kraft­wer­ke in Groß­bri­tan­ni­en, bei Nature/TheGreatBeyond.

Update 8: (10.8.2008) Spree­blick berich­tet anläss­lich des Ham­bur­ger bri­ti­schen Kli­ma­camps über Koh­le. (Upps, genau­er lesen: nicht nur in Ham­burg wird klimagecampt).