Kurz: Flugzwerg, der

Flug•zwerg, der, myth. Wesen, Kennz.: Flug­fä­hig­keit nur m. techn. Hilfsm. gegeb., für einen Zwerg ungew. Kör­per­grö­ße (äußerl.), aus­ge­pr. Dünn­häu­tig­keit u. zwer­genh. Sta­tur (innerl.); satr. Ver­wendg. 2023 nach­gew. („Flug­zwerg aus dem Mit­tel­stand“, Kar­nev. Aach., M.-A. St.-Z., Bsp.).

Kurz: Lei‑, Lei‑, Leitkultur

Mir fällt ja so eini­ges zu Tho­mas de Mai­zie­res Leit­kul­tur­vor­stoß ein. Etwa das Stich­wort „schicht­spe­zi­fi­scher Habi­tus“. Oder die Idee vom immer wie­der­keh­ren­den Wahl­kampf­ma­nö­ver. Vor allem aber habe ich einen Ohr­wurm. Denn es gibt von Rai­nald Gre­be ein Lied Ich bin der Prä­si­dent. In die­sem Stil wür­de sich auch fol­gen­der Text für kaba­ret­tis­ti­sche Auf­füh­run­gen eignen:

Ich bin der Herr Minister
Wir geben uns die Hand

Cho­rus: Guten Tag!

Ich hei­ße de Maiziere
Wir geben uns die Hand

Wie ange­nehm

Das ist die Lei‑, Lei‑, Leitkultur
In die­sem unse­ren Land

Guten Tag! Wie angenehm

Ich bin der Herr Minister
Wir essen gern Spinat

Guten Tag!

Ich bin der Herr Minister
Mei­ne Lieb­lings­far­ben sind blau und grün

Wie ange­nehm

Das ist die Lei‑, Lei‑, Leitkultur
In die­sem unse­ren Land

Guten Tag! Wie ange­nehm. Blau! Nein, Sauerkraut!

Wir schüt­teln uns die Hand.

Kurz: Ho, ho, heute-show!

Die Reich­wei­te der heu­te-show ist beein­dru­ckend – unge­fähr ein Dut­zend Men­schen haben mich im Lauf des Tages schon dar­auf ange­spro­chen, dass ich dort einen Gast­auf­tritt hat­te. Genau­er gesagt: Dass die heu­te-show ab 31:15 in der Sen­dung vom 27.11.2015 ein paar Sät­ze aus mei­ner Rede zur Zeit­po­li­tik raus­ge­pickt hat. Ich hat­te (Kin­der, Kli­ma­de­mo, …) bis gera­de eben noch kei­ne Zeit, mir das anzu­schau­en, hat­te aber eine Ver­mu­tung – „Es leuch­tet jetzt hier das rote Licht, ich kom­me zum Schluss – mei­ne Zeit ist zu Ende“. Bingo! 

Dazu noch „wir brau­chen alle mehr Zeit“ (stimmt ja auch), und fer­tig ist der Scherz über den grü­nen Par­tei­tag. Was zeigt, dass auch Poli­tik ein biss­chen mehr Zeit als die 15 Sekun­den heu­te-show-Schnipp­sel braucht. Ich emp­feh­le den län­ge­ren Bei­trag der Gast­red­ne­rin Jut­ta All­men­din­ger (WZB) und die Reden von Gesi­ne Age­na und Bet­ti­na Jarasch.

Und wer wis­sen will, wie ich die drei Minu­ten Rede­zeit gefüllt habe, bevor die Rede­zeit­am­pel am Pult auf­leuch­te­te und die heu­te-show zuge­schla­gen hat, fin­det mei­nen Bei­trag bei phoe­nix ab 23:33 – oder hier die gesam­te Debatte:

* Und wem das nicht reicht: Hier ist der Beschluss zur Zeit­po­li­tik.

Zum Andenken an Terry Pratchett

RIP Terry Pratchett

Es hat eine Wei­le gedau­ert, bis sich mir erschlos­sen hat, dass die Schei­ben­welt-Serie von Ter­ry Prat­chett mehr ist als ein Mas­sen­pro­dukt. Die unglaub­li­che Pro­duk­ti­vi­tät (gera­de auch im Ver­gleich zu Dou­glas Adams, des­sen Bücher ich frü­her ent­deck­te) und die „lus­ti­ge“ Ober­flä­che täusch­te – dahin­ter steck­te, wie ich schnell fest­stell­te, als ich mich dann doch her­an­trau­te, weit mehr: ein fun­keln­der, tief­grün­di­ger und hin­ter­sin­ni­ger Humor. Der huma­nis­ti­sche Ärger dar­über, wie die Welt ein­ge­rich­tet ist, der Prat­chetts Schrei­ben antrieb. Lebens­weis­hei­ten in Fuß­no­ten und phi­lo­so­phi­sche Über­le­gun­gen, nur hin­ter dem dün­nen Vor­hang des schnör­kel­los-ver­schro­be­nen Fan­ta­sy-Set­tings ver­steckt. Kurz: Bücher, die es sich zu lesen lohnt, um nicht nur unter­hal­ten zu wer­den, son­dern auch, um sich beim Lesen aktiv mit der Welt – unse­rer Welt – auseianderzusetzen.

Nicht jedes sei­ner zahl­rei­chen Bücher begeis­ter­te mich, und ich habe nicht jedes gele­sen (aber doch vie­le, eini­ge auch des­we­gen, weil sie bei Freun­den stan­den, oder weil es das ein­zig brauch­ba­re war, was es in Bahn­hofs­buch­hand­lun­gen zu kau­fen gab). Mit Long Earth konn­te ich nicht so rich­tig etwas anfangen. 

Aber es gibt doch mehr als eine Hand­voll Bücher, die mir ganz beson­ders ans Herz gewach­sen sind, dazu zählt an vor­ders­ter Stel­le die Serie um Tif­fa­ny Aching. 

Und wenn ich mich so umschaue, wer aus wel­chen Grün­den sich seit ges­tern alles geäu­ßert hat, dann sind da sehr vie­le dabei, die in den Büchern von Ter­ry Prat­chett Halt und Vor­bil­der fan­den, die dar­aus etwas gelernt haben, wie die Welt, wie Gesell­schaft, wie Poli­tik, wie Reli­gi­on funk­tio­niert. Ein sati­ri­sches Zerr­bild der Wirk­lich­keit, das eben nicht bei­ßend und zynisch ist, son­dern zeigt, dass eine gelas­se­ne, freund­lich-amü­sier­te Mensch­lich­keit (ja, den­noch: eine Mensch­lich­keit mit einem gewis­sen Biss und mit einer poli­ti­schen Agen­da) durch­aus auf Trol­le und Vam­pi­re aus­ge­wei­tet wer­den kann, und dass Din­ge sich ändern können. 

Es wird kei­ne neu­en Bücher von Ter­ry Prat­chett mehr geben. TOD lau­er­te schon seit eini­gen Jah­ren im Hin­ter­grund, seit er sei­ne Ear­ly-Alz­hei­mer-Dia­gno­se vor eini­gen Jah­ren öffent­lich gemacht hat­te. Das macht es nicht weni­ger trau­rig, dass Prat­chett ges­tern im Alter von 66 Jah­ren gestor­ben ist. So selt­sam das klin­gen mag: in sei­nen Büchern wird er als Weg­wei­ser auch für neue Gene­ra­tio­nen wei­ter wir­ken. Prat­chetts Disc­world hat das Gesche­hen auf der run­den Kugel ver­än­dert, auf der wir leben. Und was mehr als das könn­te ein Autor erreichen?

Kurz: Wer es glaubt, …

Kom­mu­ni­ka­ti­on ist etwas ziem­lich zer­brech­li­ches. Das macht den ver­füh­re­ri­schen Reiz der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­gue­ril­la aus. Und kenn­zeich­net das Risi­ko, das mit Kom­mu­ni­ka­ti­ons­gue­ril­la-Aktio­nen ein­her­geht. Sati­re über­zeich­net. Kom­mu­ni­ka­ti­ons­gue­ril­la legt fal­sche Fähr­ten, und war­tet dar­auf, dass ande­re die­sen fol­gen, bis nicht mehr so ganz klar ist, was nun eigent­lich stimmt, was erlo­gen ist, und was viel­leicht stim­men könn­te. Kom­mu­ni­ka­ti­ons­gue­ril­la ist groß­ar­ti­ge und, wenn sie funk­tio­niert, durch­aus gefähr­li­che Meta­kri­tik am Medi­en­sys­tem inkl. PR und sei­ner Wirk­lich­keits­kon­struk­ti­on (und Luther Blis­setts bahn­bre­chen­des Werk dazu ist unbe­dingt zu empfehlen …).

Aktu­ell fin­det ein Akt der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­gue­ril­la statt. Dass rech­te Struk­tu­ren von staat­lich bezahl­ten V‑Leuten leben, ist bekannt. In den letz­ten Tagen ver­brei­te­ten sich Gerüch­te, dass eine wohl orga­ni­sier­te und staat­lich finan­zier­te „Anti­fa e.V.“ für Pro­tes­te gegen Pegi­da und Co. ver­ant­wort­lich ist. Inkl. Twit­ter-Account, der die­se Gerüch­te aus rech­ten Foren ger­ne bestä­tigt. Die taz setz­te dem jetzt die Kro­ne auf – mit einer nicht als „Wahr­heit“ gekenn­zeich­ne­ten angeb­li­chen Repor­ta­ge über die gut bezahl­ten Antifa‑e.V.-DemonstrantInnen.

Die­ser Text wird jetzt von eini­gen geglaubt. Rech­te zie­hen ihn als Beleg für ihr „Wis­sen“ her­an. Ande­re fra­gen sich, ob bezahl­te Pro­tes­te nicht Demos dele­gi­ti­mie­ren. Wer bis zur letz­ten Zei­le liest, erkennt, dass ein „P. Flas­ter­stein“ zitiert wird – star­ker Hin­weis auf das Erfun­den­sein des Tex­tes. Der rech­te Kopp-Ver­lag glaubt, dass die nicht gekenn­zeich­ne­te Ver­öf­fent­li­chung von Sati­re ein Hin­weis auf inter­ne Gra­ben­kämp­fe in der taz ist. Mei­ne Time­line auf Twit­ter strei­tet dar­über, ob die­se Art der Sati­re gelun­gen oder gefähr­lich ist, ein Fil­ter für Gut­gläu­bi­ge oder ein Meta­kom­men­tar zur „Lügen­pres­se“. Das ist Kom­mu­ni­ka­ti­ons­gue­ril­la in all ihren schril­len Grautönen.

P.S. Natür­lich ver­gibt die Anti­fa e.V. auch groß­zü­gi­ge Sti­pen­di­en, ins­be­son­de­re für enga­gier­te Stu­die­ren­de der Sozialwissenschaften.