Kurz: Teebenennungen

Ich gebe zu: Ich trin­ke ger­ne das, was gemein­hin als „Yogi-Tee“ bekannt ist. Unser Bio­la­den hat seit eini­gen Mona­ten eine neue Mar­ke für die­se Sor­te Tee im Ange­bot. Ich will da jetzt gar nicht Wer­bung für machen (oder mich der schwie­ri­gen Fra­ge stel­len, wel­che reli­giö­se Gemein­schaft durch den Kauf sol­chen Tees unter­stützt wird), son­dern dar­auf hin­wei­sen, dass es eine lus­ti­ge Deutsch-Eng­lisch-Dis­kre­panz in der Teeben­nen­ung gibt. Die vier Sor­ten, die ich momen­tan hier im Küchen­re­gal ste­hen habe (sie­he Bild), hei­ßen – von links nach rechts – auf deutsch: Kraft & Wär­me – Balan­ce – Visi­on – Ein­klang. Klingt alles ein biss­chen eso­te­risch, und scheint drauf anzu­spie­len, wel­che ech­te oder ver­meint­li­che Wir­kung die jewei­li­ge Mischung aus Tee, Min­ze, Ing­wer, Zimt, Zitro­nen­gras, Sal­bei oder Laven­del haben soll.

Auf eng­lisch tra­gen die sel­ben Tees dage­gen ganz ande­re Namen (zu erwar­ten wäre ja so was wie „Fire – Balan­ce – Visi­on – Harm­o­ny“ gewe­sen, von den deut­schen Beschrif­tun­gen aus­ge­hend). Nein, hier heißt es jetzt: „I am“ – „Harm­o­ny“ – „Deligh­ted“ – „Talk to Me“. Es gibt noch ein paar Sor­ten mehr – viel­leicht wer­de ich sie allein schon der kurio­sen Namen wegen ausprobieren. 

Die eng­li­schen Benen­nun­gen haben den Vor­teil, dass sich damit Sät­ze bil­den las­sen. Ob die Wir­kun­gen sich je nach Auf­ent­halts­ort und damit der „gül­ti­gen“ Beschrif­tung unter­schei­den, müss­te hin­ge­gen noch empi­risch getes­tet werden.

Das „Institut solidarische Moderne“ – eine Namenskritik

Die taz berich­tet heu­te über die für mor­gen anvi­sier­te Grün­dung eines „Insti­tut Soli­da­ri­sche Moder­ne“ als rot-rot-grü­nem Think-tank:

Die trei­ben­den Kräf­te der ISM-Grün­dung sind die SPD-Poli­ti­ker Her­mann Scheer und Andrea Ypsi­lan­ti, der grü­ne Euro­pa­par­la­men­ta­ri­er Sven Gie­gold und Kat­ja Kip­ping, Vize­che­fin der Links­par­tei. Unter­stützt wird die ISM unter ande­rem von Anke Mar­ti­ny, Juso-Che­fin Fran­zis­ka Droh­sel, dem Rechts­exper­ten der Links­frak­ti­on, Wolf­gang Nes­ko­vic, und dem Grü­nen Arvid Bell.

Ergänzt wird die­se Grup­pe um Wis­sen­schaft­le­rIn­nen und ande­re Persönlichkeiten. 

Das klingt alles erst­mal ziem­lich gut. Aller­dings kann ich mich – wenn das alles so stimmt – auch Ste­fan Rei­ne­cke anschlie­ßen, der im Kom­men­tar dazu schreibt: 

Das größ­te Hin­der­nis für Rot-Rot-Grün liegt frei­lich noch auf einer ande­ren Ebe­ne. Man ist zwar gegen Neo­li­be­ra­lis­mus und AKWs, für die Bür­ger­ver­si­che­rung und öko­lo­gi­schen Umbau. Aber es fehlt eine zün­den­de Vision.

Trotz­dem ist das eigent­lich gar nicht der Anlass für die­sen Blog-Bei­trag. Viel­mehr mag ich den Namen „Insti­tut Soli­da­ri­sche Moder­ne“ nicht (ob die Domain schon reser­viert ist)?. Mal schau­en, ob der Grün­dungs­kreis das mor­gen so bei­be­hält – ver­mut­lich schon. Hier den­noch mei­ne drei Kri­tik­punk­te, die sich vor allem am Namen festmachen.

1. ISM – war da nicht was? Mei­ne ers­te Asso­zia­ti­on ist jeden­falls die INSM – die neo­li­be­ra­le „Initia­ti­ve Neue Sozia­le Markt­wirt­schaft“. Mag ja sein, dass die­se Ähn­lich­keit bewusst gewählt ist, so als kom­mu­ni­ka­ti­ver Gue­ril­la-Akt. Beson­ders klug fin­de ich das jedoch nicht.

2. Mir ist der Name zu sozi­al­de­mo­kra­tisch. Aber gut – wenn zwei der drei Grün­dungs­strö­mun­gen sozi­al­de­mo­kra­tisch sind, muss das viel­leicht so sein. Natür­lich ist „soli­da­risch“ auch ein grü­ner Begriff, und ein – inzwi­schen weit­ge­hend aner­kann­tes – grü­nes The­ma. Trotz­dem: gera­de wenn die­ser Think-tank sich um die­ses Auf­ga­ben­feld küm­mern will (wie­der laut taz) …

Die tra­di­tio­nel­le Lin­ke des Indus­trie­ka­pi­ta­lis­mus habe die öko­lo­gi­sche Kri­se nicht aus­rei­chend begrif­fen und sei zu stark auf „Erwerbs­ar­beit“ focus­siert. Die neue Lin­ke müs­se sich auch um „öko­lo­gi­sche Gerech­tig­keit“ küm­mern und fra­gen wie man ohne „sozia­le Brü­che“ Abschied vom „quan­ti­ta­ti­vem Wachs­tum“ neh­men kann. 

… dann fra­ge ich mich schon, ob „soli­da­risch“ das rich­ti­ge Adjek­tiv ist. Ich wür­de ja sagen, dass eigent­lich „grün“ hier viel bes­ser passt, oder zumin­dest „sozi­al-öko­lo­gisch“. Viel­leicht wäre auch eine ganz neue Wort­schöp­fung not­wen­dig. Oder eben bei­des – „Insti­tut für eine soli­da­ri­sche und öko­lo­gi­sche Moderne“.

3. Mir ist der Name zu modern. Mit Beck, Gid­dens & Co. sind wir in der „zwei­ten Moder­ne“, der „Nach­mo­der­ne“, der „spä­ten Moder­ne“ oder der „refle­xi­ven Moder­ne“ ange­kom­men. Und gera­de, wenn es um eine „neue neue Lin­ke“ geht, wobei die Grenz­zie­hung ja wohl – s.o. – wie­der­um die Abgren­zung vom Fokus auf Erwerbs­ar­beit ist – fra­ge ich mich, ob die Epo­che der (ers­ten, …) „Moder­ne“ eigent­lich wirk­lich der rich­ti­ge Bezugs­punkt ist. Für mich schwin­gen da Tra­ban­ten­städ­te im inter­na­tio­na­len Stil, auto­ge­rech­te Städ­te und for­dis­ti­sche Arbeits­ver­hält­nis­se mit. Gleich­zei­tig lässt sich der Begriff „Moder­ne“ auch mit Latour angrei­fen. Gera­de wenn es dar­um geht, Soli­da­ri­tät nicht nur auf (heu­ti­ge und zukünf­ti­ge) Men­schen zu beschrän­ken – das wäre übri­gens die m.E. ein­zi­ge Mög­lich­keit, den Fokus auf den öko­lo­gi­schen Umbau der moder­nen Indus­trie­ge­sell­schaft ins Adjek­tiv „soli­da­risch“ hin­ein­zu­den­ken – also gera­de dann zeigt Latour, wie die Moder­ne als Ord­nungs­sys­tem den Men­schen allei­ne stellt. 

Wenn ich die Leu­te, die bis­her öffent­lich damit in Ver­bin­dung gebracht wer­den, rich­tig ein­schät­ze, dann will die­ser Think-tank eigent­lich sowas wie ein „Insti­tut für eine soli­da­ri­sche, eman­zi­pier­te und öko­lo­gi­sche Gesell­schaft“ sein. Nun ist auch Ifese­oeGe kein beson­ders gutes Akro­nym. Und ISOE, IÖW etc. gibt es auch schon. Und ver­mut­lich soll der Name auch noch ernst­haft klin­gen (also nichts mit „Gesell­schaft 2.0“ oder so). Dass alles zusam­men­zu­brin­gen, dürf­te nicht so ein­fach sein. Die geball­te Ener­gie des Grün­dungs­krei­ses müss­te aber eigent­lich in der Lage sein, was bes­sers zu fin­den. Oder wenn das nicht, dann zumin­dest dafür zu sor­gen, dass die Buch­sta­ben­kom­bi­na­ti­on ISM in ein paar Jah­ren pro­gres­siv, eman­zi­pa­to­risch und öko­lo­gisch nach­hal­tig klingt.

War­um blog­ge ich das? Weil ich die­se Initia­ti­ve sehr span­nend fin­de und neu­gie­rig bin, was draus wird. Und weil mir der Name nicht gefällt.

Update: Wenn der Link stimmt, den Björn Böh­ning gera­de rum­schick­te, dann könn­te solidarische-moderne.de der Web­auf­tritt sein (Inhal­te feh­len noch, viel­leicht ist’s auch nur ein Kon­zept). Da steht als Name „die­Soli­da­ri­scheMo­der­ne . Cross­over-Insti­tut“. Ist ein biß­chen schi­cker, und Punkt 1 mei­ner Kri­tik trifft dann nicht zu, aber die Punk­te 2 und 3 blei­ben bestehen. Vor allem, wen der Ban­ner wei­ter­hin „Sozia­le Gerech­tig­keit, sozia­le Öko­lo­gie, sozia­le Öko­no­mie“ heißt. Einem „Cross­over-Insti­tut“, das die „öko­lo­gi­sche Öko­no­mie“ und die „öko­lo­gi­sche Gerech­tig­keit“ ver­gisst, fehlt was.

Update des Updates: Die ein­zi­gen drei Punk­te, die schon Inhal­te brin­gen, sind „Mit­glied wer­den“, „News­let­ter bestel­len“ und Kon­takt. Und da steht dann doch wie­der „Insti­tut soli­da­ri­sche Moder­ne e.V.“ als Name.

Noch ein Nach­trag: Der Inha­ber der Domain ist der Jena­er Sozio­lo­ge Ste­phan Les­se­nich, der neben den oben genann­ten Poli­ti­ke­rIn­nen immer wie­der mit dem „ISM“ in Ver­bin­dung gebracht wird – scheint also tat­säch­lich die Domain des Insti­tuts zu sein/zu wer­den. Und zumin­dest Goog­le kennt den Begriff „soli­da­ri­sche Moder­ne“ nur im Zusam­men­hang mit der Institutsgründung.

Web­site zu: solidarische-moderne.de ist jetzt mit einem Pass­wort­schutz ver­se­hen. War wohl noch nicht für die Öffent­lich­keit gedacht.

Update: (31.01.2010, 20:30 Uhr) Die Web­site solidarische-moderne.de ist jetzt wohl offi­zi­ell in Betrieb. U.a. fin­det sich dort auch die Gründungserklärung.