Bürgerliche Werte – oder wie wir uns unsere WählerInnen vorstellen (Teil II)

Fort­set­zung von Teil I. Anfän­ge.

II. Werte, Lager und Milieus

Die gesell­schaft­li­chen Ver­än­de­run­gen der letz­ten vier­zig Jah­re las­sen sich auch anders beschrei­ben, auf einer noch grund­sätz­li­che­ren Ebe­ne. Damit sind wir bei Ingel­hart und dem Post­ma­te­ria­lis­mus. Eine wirt­schaft­lich und sozio­kö­no­misch eini­ger­ma­ßen gesät­tig­te Gesell­schaft ent­deckt, dass es nicht unbe­dingt um „Haben“ geht. „Sein“ kommt ins Spiel – und dif­fe­ren­ziert sich wei­ter aus, in Rich­tung „Erleb­nis­kon­sum“ einer­seits und in Rich­tung „Selbst­ent­fal­tung“ andererseits. 

Aus die­sen Grund­ori­en­tie­run­gen einer­seits und dem sozia­len Sta­tus – Bil­dung, Ein­kom­men, Aner­ken­nung, Ein­fluss; kurz: unten und oben – ande­rer­seits lässt sich ein Ras­ter ent­wi­ckeln. Das Markt­for­schungs­in­sti­tut SINUS hat das gemacht (und Bour­dieu hat schon zuvor ähn­li­ches getan, und ande­re auch) – übri­gens wohl aus der Beob­ach­tun­gen her­aus, dass die poli­ti­schen Dif­fe­ren­zen der Bewe­gun­gen der 1980er Jah­re sich durch­aus auch in all­tags­äs­the­ti­schen Unter­schie­den, in unter­schied­li­chen Lebens­stil­prä­fe­ren­zen nie­der­ge­schla­gen haben. Am Schluss sind dann Wohn­zim­mer­ka­ta­lo­ge herausgekommen.

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Nachdenken über Nachhaltigen Konsum

Fast food III

Vor ein paar Tagen habe ich ein biss­chen was über die Mün­che­ner Tagung zu Kon­sum und Nach­hal­tig­keit geschrie­ben. Jetzt bin ich am Über­le­gen, ob ich für die Tagung Sus­tainable Con­sump­ti­on – Towards Action and Impact im Novem­ber in Ham­burg einen Abs­tract ein­rei­che (die Dead­line ist heu­te abend). Mir gefällt jeden­falls die Aus­rich­tung der Tagung, und eini­ge der Key­note-Spea­k­er klin­gen auch sehr span­nend. Das mal als Vor­be­mer­kung zu den fol­gen­den Über­le­gun­gen zum The­ma „Nach­hal­ti­ger Konsum“.

Ein Grund­pro­blem der sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Nach­hal­tig­keits­de­bat­te ist mei­ner Mei­nung nach die dop­pel­te Bedeu­tung des Begriffs „nach­hal­tig“. Und damit mei­ne ich jetzt nicht die Tat­sa­che, dass das Adjek­tiv auch als Syn­onym für „dau­er­haft“ ver­wen­det wer­den kann, son­dern die Unter­schei­dung zwi­schen einer mate­ri­el­len und einer sym­bo­li­schen Ebe­ne, wenn es um „nach­hal­ti­gen Kon­sum“ oder um „nach­hal­ti­ge Lebens­sti­le“ geht. Das sieht dann unge­fähr so aus:
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Äpfel und Birnen vergleichen

Apples on blue


Ich kau­fe inzwi­schen zu unge­fähr 80–90% Bio­pro­duk­te. Das mag auch dar­an lie­gen, dass ich inzwi­schen eine Kun­den­kar­te bei „mei­nem“ Bio­la­den habe und damit das Preis­ni­veau halb­wegs erträg­lich ist. Letzt­lich kau­fe ich aber aus poli­ti­schen Grün­den „bio“: weil ich Pro­ble­me damit habe, wie der agrar­in­dus­tri­el­le Kom­plex wirt­schaf­tet, weil ich, wenn ich schon Milch­pro­duk­te und Eier ver­zeh­re, zumin­dest kei­ne Mas­sen­tier­hal­tung damit unter­stüt­zen möch­te, und weil ich – zum Bei­spiel beim Kaf­fee und bei Scho­ko­la­de – inzwi­schen „fair“ und „bio“ ver­bin­den kann und sich das sozio-öko­lo­gisch gut anfühlt.

Ich weiss, dass es vie­le gibt, die den Bio-Kon­sum weni­ger poli­tisch begrün­den, son­dern – LOHAS ist hier das Schlag­wort – mit Life­style und „Health“ (vgl. auch NVS II). Aber auch kon­trol­liert bio­lo­gisch ange­bau­ter fai­rer Roh­rohr­zu­cker ist Zucker, um nur ein Bei­spiel zu nen­nen, war­um „bio“ nicht auto­ma­tisch „gesund“ bedeu­tet. Inso­fern wun­dern mich die jetzt viel dis­ku­tier­ten Ergeb­nis­se des Stif­tung-Waren­test-Ver­gleichs zwi­schen bio­lo­gisch ange­bau­ten und kon­ven­tio­nel­len Pro­duk­ten wenig. Und ja: dass, wenn beim Anbau weni­ger Gift ein­ge­setzt wird (auch z.B. Kup­fer­lö­sun­gen im Wein­bau sind letzt­lich Gift), dann auch weni­ger Pes­ti­zi­de im Essen sind: auch das wun­dert mich nicht wirklich. 

Gleich­zei­tig muss schon gefragt wer­den, mit was für einem Ver­ständ­nis die Stif­tung Waren­test an den Ver­gleich ran­ge­gan­gen ist. Zumin­dest zwi­schen den Zei­len scheint da die alte Ton­nen-Ideo­lo­gie durch­zu­schei­nen. Gut ist, wo viel drin­steckt – Hoch­leis­tungs­kü­he, über­düng­te Fel­der, auf­ge­put­sche Kunst­le­bens­mit­tel, und was mög­lichst bil­lig ist. Mit der SZ kann also die Fra­ge gestellt wer­den, was die poli­ti­sche Agen­da dahin­ter ist, Bio­le­bens­mit­tel schlecht­zu­re­den („sind ja gar nicht bes­ser“) – vor allem dann, wenn die Ergeb­nis­se des Ver­gleichs die­se Aus­sa­ge gar nicht decken. 

Und auch dem Fazit der SZ kann ich mich nur anschließen: 

Aber gemes­sen an den Ansprü­chen, mit denen die öko­lo­gi­sche Land­wirt­schaft eigent­lich ange­tre­ten ist, bleibt es dabei: Bio war und ist bes­ser. Bes­ser für die Umwelt, die Tie­re und letzt­lich auch für den Menschen. 

Es geht also nicht um Gesund­heits­för­de­rung und „medi­cinal food“, son­dern um einen viel wei­ter gefass­ten Begriff von Gesund­heit – ver­gleich­bar der Defi­ni­ti­on der WHO. Die Ansprü­che öko­lo­gi­scher Land­wirt­schaft bestehen eben nicht dar­in, hoch­prei­si­ge Nischen­le­bens­mit­tel mit Well­ness­fak­tor zu pro­du­zie­ren, son­dern ein Ernäh­rungs­sys­tem zu eta­blie­ren, dass Lebens­mit­tel her­stellt, die nicht auf Mas­sen­tier­hal­tung ange­wie­sen sind, die Böden und Grund­was­ser in der Bewirt­schaf­tung scho­nen und die idea­ler­wei­se in regio­na­ler Nähe pro­du­ziert werden. 

Anders gesagt: letzt­lich ver­ber­gen die so objek­tiv erschei­nen­den Test­ergeb­nis und Noten, dass dahin­ter immer ein – durch­aus auch offen­ge­leg­ter, aber nichts­des­to­trotz gesetz­ter – Maß­stab der Bewer­tung steht. Inso­fern ver­gleicht die Stif­tung Waren­test hier Äpfel und Birnen.

War­um blog­ge ich das? Ers­tens, weil mich die Fra­ge nach der Agen­da hin­ter dem Schlecht­re­den von Bio­le­bens­mit­teln durch­aus auch umtreibt – und zwei­tens, weil ich es inter­es­sant fin­de, was für ein Echo die­se – ja immer wie­der mal auf­tau­chen­den – Mel­dun­gen haben. Kurz gesagt: die Poli­tik des Bio­le­bens­mit­tel­kon­sums. Und drit­tens, weil ich glau­be, dass wir „Ökos“ auch eine Spur Selbst­kri­tik brau­chen – eine qua­li­ta­ti­ve Inhalts­ana­ly­se der Pro­dukt­wer­bung und der ein­schlä­gi­gen Maga­zi­ne dürf­te zu Tage för­dern, dass gera­de in den letz­ten Jah­ren die für den Boom so för­der­li­che Bot­schaft „Gesund­heit“ immer wie­der ger­ne nach vor­ne gestellt wurde. 

Lautes Nachdenken über den Wandel vom technikscheuen zum technikaffinen Ökolebensstil

Mobile Sunsail

Wis­sen­schaft­lich beschäf­ti­ge ich mich ja u.a. mit dem Tech­nik­ge­brauch in Nach­hal­tig­keits­mi­lieus. Eine Fra­ge, die mich dabei immer noch vor Rät­sel stellt (bzw. mich moti­viert …), ist der (schein­ba­re?) Wan­del der prin­zi­pi­el­len Hal­tung zu Tech­nik bei „Ökos“.

Eike Wen­zel schreibt dazu:

Neo-Ökos sind technikaffin

Ich habe in den Jah­ren 2002 und 2003 am Zukunfts­in­sti­tut damit begon­nen, über die­se „neu­en Ökos“ zu for­schen. Was uns damals beschäf­tig­te, war ein Wer­te­wan­del, der sich auf vie­len Märk­ten und auf vie­len gesell­schaft­li­chen Ebe­nen fest­ma­chen ließ: Men­schen beweg­ten sich aus ideo­lo­gi­schen Nischen und Milieus her­aus. Spä­tes­tens Ende der 1990er Jah­re konn­te die Fra­ge, was ist poli­tisch links und was ist rechts nicht mehr beant­wor­tet wer­den. Die Men­schen lie­ßen sich nicht mehr in Milieus fest­schrei­ben, sie brach­ten dafür aber eine star­ke Sehn­sucht nach ver­läss­li­chen Wer­ten zum Aus­druck. Auf­fäl­lig war auch, dass die neu­en Ökos Tech­nik anzie­hend fin­den und es nicht – wie die Alt­ökos aus den Bür­ger­be­we­gun­gen der 1980er Jah­re – zu Teu­fels­zeug und Anti-Natur erklärten. 

Wen­zel stellt das hier als Tat­sa­che dar; auch die mir zugäng­li­chen Markt­for­schungs­stu­di­en (z.B. „Typo­lo­gie der Wün­sche“) bestä­ti­gen, dass bei­spiels­wei­se Oft-Käu­fe­rIn­nen von Pro­duk­ten mit Öko-Labels eine posi­ti­ve­re Hal­tung zu Tech­nik haben als Nicht-Käu­fe­rIn­nen. Trotz­dem fin­de ich die­sen Wan­del sehr über­ra­schend. Und habe eine Rei­he von Thesen/Fragen dazu:

  1. Stimmt der berich­te­te Wan­del in der Hal­tung zu Tech­nik? Damit ver­bun­den z.B.:
    • Las­sen sich „Ökos“ 1975 und „Ökos“ heu­te über­haupt sinn­voll vergleichen?
    • Sind dass die (im Kern) glei­chen Men­schen, die ihre Ein­stel­lung geän­dert haben?
    • Oder sind es zwei ganz dis­pa­ra­te Gruppen?
    • Was ist machen die 1975er-Ökos dann heute?
  2. Wie war die Hal­tung in den 1970er / 1980er Jah­ren zu Technik? 
    • Stimmt das über­kom­men­de Kli­schee der „Tech­nik­fein­de“? (vgl. Huber 1989/Technikbilder)
    • Lässt sich das auf Tech­nik all­ge­mein über­tra­gen, geht’s nur um „tech­ni­sche Ratio­na­li­tät“, oder um ganz bestimm­te Technologien?
    • Wie passt die „appro­ria­te technology“-Bewegung in die­ses Bild? (Z.B. die Aneignung/Erfindung von Wind­rad und Sonnenkollektor …)
    • Wie sieht es heu­te aus? 
      • Gibt es milieu-ein­heit­li­che Technikhaltungen?
      • Oder sind Tech­nik­sti­le tat­säch­lich domä­nen­spe­zi­fisch und nicht auf Lebens­sti­le zurechenbar?
      • Sind die „Ökos“ tat­säch­lich so tech­nik­freund­lich, wie das in der Markt­for­schung aus­sieht – oder geht’s wie­der nur um bestimm­te Technologien?
      • Oder muss zwi­schen „Ökos“ und „Ökos“ (aka LOHAS) unter­schie­den werden?
    • Und wenn es tat­säch­lich einen Wan­del in der Hal­tung zu Tech­nik gab (Bsp.: Fritz Kuhn 1984 vehe­ment gegen die Über­wa­chungs­tech­no­lo­gie und Arbeits­ver­nich­tungs­tech­no­lo­gie ISDN – heu­te posi­tio­niert sich die grü­ne Frak­ti­on ganz anders) – wor­an lag’s?
      • Tat­säch­lich ein Pro­zess des Wer­te­wan­dels – und wenn ja, war­um (z.B. Abbau kogni­ti­ver Dis­so­nan­zen zwi­schen Tech­nik­nut­zungs­prak­ti­ken und Ein­stel­lung – also Tech­nik­af­fi­ni­tät wie­der bes­se­ren Wis­sens; oder unter­schied­li­che Aneignungspraktiken)?
      • Aus­dif­fe­ren­zie­rung ver­schie­de­ner Sich­ten auf ver­schie­de­ne Technologien?
      • Demo­kra­ti­sche­re und „bes­se­re“ Tech­nik (z.B. PC als ver­teil­te Macht­res­sour­ce; vgl. auch die von Wen­zel zitier­ten Über­le­gun­gen zum Zusam­men­hang zwi­schen Coun­ter­cul­tu­re und Cyberculture)?
      • „Ver­bür­ger­li­chung“ und „Entidealisierung“/„Entideologisierung“ des Milieus?
      • Beob­ach­ten wir einen lau­fen­den Kampf um dis­kur­si­ve Positionierungen?

    Sol­che und ähn­li­che Fra­gen schwir­ren mir gera­de im Kopf rum. Wenn jemand was dazu sagen möch­te, egal ob All­tags­be­ob­ach­tung, Mei­nung oder Hin­weis auf wis­sen­schaft­li­che Lite­ra­tur – ich neh­me das ger­ne auf und freue mich auf eine Dis­kus­si­on dazu.

    War­um blog­ge ich das? In der Hoff­nung auf crowd­sour­cing und um die Chan­ce zum lau­ten Nach­den­ken zu nutzen.

    Nachtrag: Oder etwas zugespitzer (und vielleicht diskussionsanregender): Waren bzw. sind „Ökos“ skeptisch bezüglich (neuer) Technologie? Und warum?

    Nach­trag 2: Falls jemand Ideen zu Zeit­rei­hen­da­ten hat, die sowohl Umwelthandeln/Umwelteinstellungen oder Indi­ka­to­ren für Milieu­zu­ge­hö­rig­keit als auch Ein­stel­lun­gen zu Tech­nik in über die letz­ten 30 Jah­re ver­gleich­ba­rer Form hät­ten, neh­me ich Hin­wei­se ger­ne entgegen!

    Von Luxusgrün zu Notwendigkeitsgrün?

    Die taz berich­tet heu­te über den schrump­fen­den Umsatz der Bio­lä­den; dabei geht es vor allem um die schon etwas älte­re Kon­ven­tio­na­li­sie­rungs­de­bat­te, also Bio­pro­duk­te im Super­markt. Inter­es­san­ter fin­de ich einen zwei­ten Aspek­ten: näm­lich den Zusam­men­hang der letz­ten „Öko-Wel­len“ mit dem wirt­schaft­li­chen Auf­schwung. Ich habe das ja die letz­ten Jah­re etwas genau­er ver­folgt, und „cool green“ eben­so wie Din­ge wie das plötz­li­che Inter­es­se Pro­mi­nen­ter für den „Life­style of Health and Sus­taina­bi­li­ty“ (LOHAS) koin­zi­die­ren durch­aus mit „kei­ne ande­re Sor­gen“. Umge­kehrt wur­de das Umwelt­the­ma Anfang der 1990er Jah­re von Platz 1 der bun­des­deut­schen Sor­gen­hit­lis­te ver­drängt. Plötz­lich ging es um sozia­le Sicher­heit, Arbeits­lo­sig­keit und der­glei­chen mehr.

    Visiting "Demeterhof Hiss" – XIX
    Hof­la­den – Luxusgrün?

    Mit dem von eini­gen jetzt wahr­ge­nom­me­nen Rüber­schwap­pen der Rezes­si­on von den USA hier­her scheint es eine ähn­li­che Ent­wick­lung zu geben. Jeden­falls kom­men­tiert die Times „Sud­den­ly being green is not cool any­mo­re“. Kurz gesagt: das nöti­ge Geld, um sich einen grü­nen Lebens­stil leis­ten zu kön­nen und die­sen als hip zu pro­pa­gie­ren, ist (in Groß­bri­tan­ni­en) nicht mehr da, die Hype­wel­le um Luxus­grün scheint sich dem Ende zuzu­nei­gen. Die Times-Kom­men­ta­to­rin Ali­ce Thom­son sieht dar­in aber auch etwas gutes:

    But para­do­xi­cal­ly, just as Bri­tain is tur­ning its back on the envi­ron­ment, the coun­try is final­ly beco­ming gree­ner. Fewer peo­p­le are moving house so they are buy­ing fewer new white goods such as washing machi­nes and fri­d­ges. They may not be queu­e­ing up for £9 orga­nic Poilâ­ne bread, but for the first time in a deca­de they are dis­car­ding less food. They buy less impul­si­ve­ly and think more careful­ly befo­re their weekly shop. Child­ren are wea­ring hand-me-down uni­forms rather than new ones made in sweatshops. 

    Mich erin­nert das an die Beob­ach­tung u.a. von Sil­ke Klein­hü­ckel­kot­ten (wenn ich mich jetzt an den rich­ti­gen Text erin­ne­re), dass die in der tat­säch­li­chen Wir­kung „grüns­ten“ Milieus nicht die Post­ma­te­ria­lis­ten sind, son­dern eher rela­tiv arme, mit Spar­sam­keits­wer­ten auf­ge­wach­se­ne tra­di­tio­nel­le Milieus. Das könn­te als Gegen­pol zum Luxus­grün auch als „Not­wen­dig­keits­grün“ bezeich­net wer­den (oder auch als „unfrei­wil­li­ge Umweltschützer“).

    Aller­dings hat Armut (über deren Uner­wünscht­heit geht es hier gar nicht) nicht nur öko­lo­gisch posi­ti­ve Effek­te. Neben den von Thom­son beschrie­be­nen ste­hen die feh­len­den Mög­lich­kei­ten, mit­tel­fris­tig in öko-spar­sa­me Pro­duk­te zu inves­tie­ren. Thom­son spricht von wei­ter­ge­nutz­ten Wasch­ma­schi­nen und Kühl­schrän­ken – genau die sind aber eben­so wie schlecht­ge­dämm­te Woh­nun­gen mög­li­cher­wei­se ein gro­ßes öko­lo­gi­sches Pro­blem. Und wer gezwun­gen ist, die bil­ligs­ten Nah­rungs­mit­tel zu wäh­len, schmeißt die­se zwar viel­leicht nicht weg, trägt aber trotz­dem unge­wollt zur Ver­stär­kung indus­tri­el­ler Agrar­wirt­schaf­ten und zu lan­gen Trans­port­kreis­läu­fen bei. Not­wen­dig­keits­grün muss also nicht unbe­dingt funk­tio­nie­ren. Das kann an feh­len­den idel­len Wer­ten lie­gen (Spar­sam­keit und auch das von Thom­son eben­falls ange­führ­te Bei­spiel, selbst Gemü­se anzu­bau­en, funk­tio­nie­ren nur mit ent­spre­chen­dem Wis­sen), die feh­len­den mate­ri­el­len Wer­te kön­nen zu öko­lo­gi­schen Fehl­al­lo­ka­tio­nen füh­ren, und feh­len­de Rah­men­be­din­gun­gen (Dis­coun­ter nimmt Bio wie­der aus dem Ange­bot, um nur ein Bei­spiel zu wäh­len) zei­gen die Abhän­gig­keits­struk­tu­ren deut­lich auf, unter denen Not­wen­dig­keits­grün steht. 

    Damit wird auch poli­ti­scher Hand­lungs­be­darf in allen drei Berei­chen sicht­bar: in der Popu­la­ri­sie­rung der Wis­sens- und Wert­grund­la­gen eines trag­fä­hi­gen „Suf­fi­zi­enz­le­bens­stil“ (der ja – eben­so wie Sub­sis­tenz – durch­aus mit Spar­sam­keit und nicht Aske­se ver­markt­bar ist), in der Unter­stüt­zung öko­lo­gi­scher Inves­ti­to­nen bei feh­len­den Ein­kom­men (der Öko-Bonus geht in die­se Rich­tung, aber auch mobi­le Ener­gie­spar-Bera­tun­gen sozia­ler Ein­rich­tun­gen, die es neu­er­dings gibt), aber auch in der ord­nungs­po­li­ti­schen Steue­rung der Rah­men­be­din­gun­gen (d.h. letzt­lich auch: Inter­na­li­sie­rung exter­ner Kon­se­quen­zen in Preis­struk­tu­ren, auch wenn das erst mal unso­zi­al aussieht).

    Soweit ein paar ers­te rohe Über­le­gun­gen zur Fra­ge, ob das Ende der LOHAS-Wel­le erreicht ist, und was danach kom­men könnte.

    War­um blog­ge ich das? Mich inter­es­siert der schein­bar kon­junk­tur­ab­hän­gi­ge Zusam­men­hang von Umwelt und Milieu, aber auch die poli­ti­sche Fra­ge, wie unter wirt­schaft­lich schwie­ri­ger wer­den­den Bedin­gun­gen Nach­hal­tig­keit gestal­tet wer­den kann.