Kurz: Umgangsformen

Am Wochen­en­de hat­ten wir Lan­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz in Donau­eschin­gen. Unter ande­rem hielt dort unse­re Bun­des­vor­sit­zen­de Ricar­da Lang eine sehr star­ke Rede zu Putin und der Ukrai­ne, zu stei­gen­den Ener­gie­prei­sen und dem Anspruch, statt eines „Win­ters der Wut“ einen „Win­ter der Soli­da­ri­tät“ erle­ben zu wollen.

Ich habe ein biss­chen dazu get­wit­tert, Ricar­da hat einen der Tweets ret­weetet – und mir damit einen Ein­blick in das Schlamm­loch gege­ben, dass Twit­ter auch sein kann. Mei­ne Time­line zeigt das, was ich sehen will – die Tweets und Ret­weets der Leu­te, denen ich fol­ge, kei­ne Emp­feh­lun­gen, kei­ne algo­rith­misch rein­ge­schleu­der­ten Tweets. Das ist meist niveau­voll und bei allen Dif­fe­ren­zen durch einen freund­li­chen Umgang mit­ein­an­der gekenn­zeich­net. Und mei­ne eige­nen Tweets erlan­gen sel­ten eine Sicht­bar­keit, die Trol­le anlockt.

Hier war das nun anders – gegen Ricar­da gerich­te­te Belei­di­gun­gen im Dut­zend, und natür­lich Vor­wür­fe aller Art gegen grü­ne Poli­tik. Letz­te­res gehört dazu, ers­te­res fin­de ich uner­träg­lich. Und ich kann mir vor­stel­len, wie übel das bei Accounts wie dem von Ricar­da Tag für Tag aussieht. 

Twit­ter ermög­licht es inzwi­schen, ein­zu­schrän­ken, wer ant­wor­ten darf. Das habe ich dann auch gemacht – und groß­zü­gig alle geblockt, denen sicht­bar nicht an Debat­te, son­dern nur an Beschimp­fung und Hass gele­gen ist. Und das ist völ­lig legitim.

Ein paar Notizen zum Delegiertenprinzip

Ein Kri­tik­punkt der Pira­ten­par­tei an ande­ren Par­tei­en ist das Dele­ga­ti­ons­prin­zip. Zum Teil kann ich die­se Kri­tik tei­len (etwa wenn ich mir mehr­stu­fi­ge Dele­ga­tio­nen in der SPD anschaue, wo auf Kreis­ebe­ne bereits Dele­gier­te ent­schei­den, und wo Länder/Bezirke die Dele­gier­ten für den Bun­des­par­tei­tag wäh­len). Letzt­lich aber schei­nen mir Dele­ga­tio­nen – unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen – einen guten Kom­pro­miss zwi­schen Betei­li­gung und Effi­zi­enz darzustellen.

Wie machen wir Grü­ne das? Vor­weg sei gesagt: unter­schied­lich, weil unse­re Lan­des- und Kreis­ver­bän­de einen hohen Grad an Auto­no­mie auf­wei­sen. Bei­spiels­wei­se gibt es Kreis­ver­bän­de, die ihre Dele­gier­ten auf ein oder zwei Jah­re wäh­len, das also als eine Art Par­tei­amt ver­ste­hen. Ande­re ent­schei­den für jeden Par­tei­tag neu. Oder auf Lan­des­ebe­ne: Da gibt es durch­aus grü­ne Lan­des­ver­bän­de, die neben oder statt der Lan­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz eine Lan­des­mit­glie­der­ver­samm­lung kennen.

Ich kann mal kurz dar­stel­len, wie der Kreis­ver­band Breis­gau-Hoch­schwarz­wald, in dem ich Mit­glied bin, die Dele­ga­ti­on hand­habt. Aktu­ell hat der Kreis­ver­band (KV) drei Dele­gier­ten­plät­ze für die Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz (BDK) und fünf Dele­gier­ten­plät­ze für die Lan­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz (LDK).

Die­se Zah­len hän­gen von der rela­ti­ven Grö­ße des KV ab, bezo­gen auf den 31.12. des Vor­jahrs. Jeder KV hat ein Grund­man­dat, der Rest wird – in Baden-Würt­tem­berg – nach Hare-Nie­mey­er ver­teilt. Ins­ge­samt sind das für die baden-würt­tem­ber­gi­sche LDK etwa 200 Delegierte.

Für bestimm­te Par­tei­ta­ge (Lis­ten­auf­stel­lun­gen) müs­sen Dele­gier­te zur Bun­des­tags­wahl wahl­be­rech­tigt sein. Sonst ist nur die Mit­glied­schaft in der Par­tei relevant.

In mei­nem KV wer­den die Dele­gier­ten für jeden Par­tei­tag neu gewählt. Das führt zu lus­ti­gen Zei­tungs­ar­ti­keln, weil die Pres­se das irgend­wie als News ansieht, ist aber prak­tisch, weil damit Dele­gier­te nach The­men und z.T. nach Posi­tio­nie­run­gen aus­ge­wählt wer­den kön­nen. Wenn es ent­spre­chend vie­le Kan­di­da­tu­ren gibt, doch dazu gleich noch.

Für die Wahl der Dele­gier­ten gel­ten neben den all­ge­mei­nen Grund­sät­zen demo­kra­ti­scher Wah­len zwei Prinzipien.

Ers­tens das grü­ne Frau­en­sta­tut, das eine Min­dest­quo­tie­rung vor­sieht. Fak­tisch bedeu­tet dies, dass min­des­tens die Hälf­te der Dele­gier­ten­plät­ze an Frau­en ver­ge­ben wer­den soll. Dazu wird der Wahl­gang in einen Frau­en­wahl­gang (z.B. 3/5 Plät­zen) und einen offe­nen Wahl­gang (2/5 Plät­zen) auf­ge­teilt. Es gibt Mit­glie­der, die die­se Pra­xis kri­ti­sie­ren, aber letzt­lich führt sie tat­säch­lich zu quo­tier­ten Delegationen. 

Das zwei­te Prin­zip ist der Min­der­hei­ten­schutz. Damit ist hier nicht der SSW gemeint, son­dern die Tat­sa­che, dass es, wenn mehr Per­so­nen kan­di­die­ren, als es Plät­ze gibt, eine Begren­zung der Stim­men auf zwei Drit­tel gibt. Bei drei Plät­zen, die zu wäh­len sind, hat jedes Mit­glied auf der Kreis­mit­glie­der­ver­samm­lung nur zwei Stimmen. 

Damit soll ver­hin­dert wer­den, dass ein Block, der auf der Mit­glie­der­ver­samm­lung eine (leich­te) Mehr­heit hat, sei­ne Kan­di­da­tIn­nen durch­zieht. Letzt­lich ein Relikt aus den Zei­ten der Flü­gel­kämp­fe, aber doch auch heu­te noch ein Garant für eine gewis­se Meinungsvielfalt.

Ein ande­res altes Prin­zip, das impe­ra­ti­ve Man­dat, gilt so nicht mehr. Impe­ra­ti­ves Man­dat wür­de bedeu­ten, dass alle Ent­schei­dun­gen der LDK oder BDK in der Kreis­mit­glie­der­ver­samm­lung abge­stimmt wer­den und Dele­gier­te an die­se Ent­schei­dun­gen gebun­den sind. 

Was viel­mehr – bei wich­ti­gen und kon­tro­ver­sen The­men – geschieht, ist eine Dis­kus­si­on die­ser The­men auf der Kreis­mit­glie­der­ver­samm­lung, viel­leicht auch ein Mei­nungs­bild. Kan­di­da­tIn­nen für die Dele­ga­ti­on soll­ten sich ent­spre­chend äußern, so dass vor der Wahl klar ist, wer für wel­che Posi­ti­on steht.

Gewählt wer­den Dele­gier­te und Ersatz­de­le­gier­te. Dabei ist gewählt, wer die meis­ten Stim­men erhält, z.T. mit einem 20%-Quorum verbunden.

Die gewähl­ten Dele­gier­ten wer­den ange­mel­det und bekom­men dann die Par­tei­tags­un­ter­la­gen zuge­schickt. Sie neh­men am Par­tei­tag – meist an einem Wochen­en­de – teil. Fahrt- und z.T. Hotel­kos­ten stre­cken sie vor, der KV erstat­tet die­se bei Bedarf. Zum Teil bucht auch der KV gleich die Hotelzimmer.

Nicht uner­wähnt blei­ben soll die Tat­sa­che, dass es in der Pra­xis häu­fi­ger vor­kommt, dass das Inter­es­se, dele­giert zu wer­den, begrenzt ist. Wenn nur drei Per­so­nen für drei Plät­ze kan­di­die­ren, wer­den die­se dann meist im Block gewählt.

Bei „wich­ti­ge­ren“ Par­tei­ta­gen kommt es dage­gen durch­aus zu „Kampf­kan­di­da­tu­ren“ – denen sich bspw. auch die loka­len Abge­ord­ne­ten stel­len müssen.

Par­tei­ta­ge sind übri­gens gene­rell öffent­lich. Auch Mit­glie­der, die nicht dele­giert sind, haben Rede­recht und kön­nen Anträ­ge mit­ein­brin­gen (nötig sind 20 Mit­glie­der, um einen Antrag auf eine BDK ein­zu­brin­gen, in Baden-Würt­tem­berg 10 Mit­glie­der, um einen Antrag auf eine LDK einzubringen).

So machen wir das, mit dem Delegieren. 

Sicher­lich ein Sys­tem, das sei­ne eige­nen Nach­tei­le mit sich bringt – aber doch funk­ti­ons­fä­hig und aus mei­ner Sicht ein guter Kom­pro­miss zwi­schen dem Wunsch, alle zu betei­li­gen, und Par­tei­ta­ge hand­hab­bar zu gestalten.

War­um blog­ge ich das? Als Bei­trag zur Debat­te über Dele­ga­tio­nen – und weil dich das Wort Dele­gier­te so schreibt.

Grüne BaWü solidarisieren sich mit Bildungsprotesten

Ein­stim­mig bei drei Ent­hal­tun­gen hat die grü­ne LDK sich mit den Bil­dungs­pro­tes­ten soli­da­ri­siert, indem sie dem Antrag „A‑10-neu“ (Update: jetzt online) zuge­stimmt hat. Die Ent­ste­hungs­ge­schich­te die­ses Antrags ist nicht unin­ter­es­sant: zum einen haben Den­nis Neu­en­dorf und Agnieskza Mal­c­zak eine Reso­lu­ti­on ein­ge­bracht. Etwa zeit­gleich gab es einen Antrag von Johan­nes Wald­schütz, Hen­ning Schü­rig, mir und eini­gen wei­te­ren, der wäh­rend eini­ger Stun­den im „Ether­pad“ ent­stan­den ist. Den­nis, Johan­nes und ich haben dann bei­de zum jetzt beschlos­se­nen Antrag zusam­men­ge­bracht – wie­der­um im Etherpad. 

Ein­ge­bracht wur­de der Antrag von mir (mei­ne Rede ist unten zu fin­den) – nach einer lau­ten Pro­test­in­sze­nie­rung („Wes­sen Bil­dung?“ – „Unse­re Bil­dung!“), nach der Den­nis Neu­en­dorf aus dem Streik an der Stutt­gar­ter Uni berich­te­te, und Cam­pus­grün Baden-Würt­tem­berg vor­ge­stellt wur­de. Ich bin froh, dass der Par­tei­tag dann mit der ein­stim­mi­gen Annah­me des Antrags ein deut­li­ches Zei­chen gesetzt hat. Denn hin­ter der Soli­da­ri­täts­er­klä­rung – die gibt es zur Zeit ja zu Hauf – steht eine Bil­dungs­po­li­tik, die genau in die rich­ti­ge Rich­tung geht.

Die Bil­dungs­pro­tes­te waren aber auch vor die­sem Tages­ord­nungs­punkt schon ein gro­ßes The­ma – in der poli­ti­schen Rede von Cem Özd­emir, in einem Rede­bei­tag von The­re­sia Bau­er, bei Oli­ver Hil­den­brand von der Grü­nen Jugend und auch bei Win­fried Kret­sch­mann. Grü­ne als Bil­dungs­par­tei – das war vor ein paar Jah­ren noch eine Visi­on. Inzwi­schen ist das defi­ni­tiv eine grü­ne Kernkompetenz.

Hier jetzt noch mein Rede­ma­nu­skript zur Antrags­ein­brin­gung: „Grü­ne BaWü soli­da­ri­sie­ren sich mit Bil­dungs­pro­tes­ten“ weiterlesen

Über Abwählbarkeit

Demo­kra­tie heißt auch, dass das poli­ti­sche Per­so­nal aus­ge­tauscht wer­den kann. Dies geschieht im Wahl­sys­tem der Bun­des­re­pu­blik in dop­pel­ter Hin­sicht: durch die Auf­stel­lung der Bun­des­tags­lis­ten durch die Par­tei­en, und durch die Direkt­wahl von Abge­ord­ne­ten. Trotz­dem ist die Gestal­tung des Per­so­nal­wech­sels sicher­lich eine der schwie­rigs­ten Stell­schrau­ben poli­ti­scher Sys­te­me. Wer, wie Uschi Eid auf der Lan­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz (LDK) der Grü­nen in Baden-Würt­tem­berg kürz­lich, sei­nen bzw. ihren bis­he­ri­gen siche­ren Lis­ten­platz ver­liert, ver­liert auch sicher das Man­dat und die ent­spre­chen­den Zah­lun­gen, das Büro, die Mitarbeiter/innen, den inner­par­tei­li­chen Ein­fluss. Das kann hart sein, aber es gehört zum Risi­ko, auf das sich die­je­ni­gen, die ein poli­ti­sches Man­dat aus­klei­den, einlassen.

Eine Mög­lich­keit, die­se Här­te abzu­fe­dern, besteht dar­in, den Wech­sel zu insti­tu­tio­na­li­sie­ren. Man­che Lan­des­ver­bän­de der Grü­nen haben das gemacht, etwa mit „Neu­en­quo­ten“ (jeder drit­te Platz muss durch eine neue Per­son besetzt sein) oder Quo­ren für mehr als zwei­ma­li­ge Wie­der­kan­di­da­tu­ren (vgl. auch die US-Prä­si­dent­schaft – mehr als acht Jah­re Geor­ge W. Bush sind ver­fas­sungs­mä­ßig nicht mög­lich – hat was für sich). Und natür­lich gab es bei den Grü­nen mal den Ver­such der insti­tu­tio­na­li­sier­ten Rota­ti­on, der auch etwas mit die­ser Stell­schrau­be zu tun hat. 

Dann gibt es die Vari­an­te, die­ses Pro­blem durch Sozi­al­ver­trau­en zu lösen: wer gut bera­ten ist, weiss vor der Kan­di­da­tur, ob es schwie­rig wer­den wird, ob es Kon­kur­renz aus dem eige­nen Lager gibt – und kann sich dann ent­schei­den, es eben nicht noch ein­mal zu ver­su­chen, als elder sta­tes­man oder elder sta­tes­wo­man den ver­nünf­ti­gen Abgang zu wagen. Viel­leicht auch quer – vom Bun­des­tag ins Euro­pa­par­la­ment, vom Euro­pa­par­la­ment in den Bun­des­vor­sitz. Oder so. Auch das ist eine Möglichkeit.

Dem Hören­sa­gen lösen ande­re Par­tei­en das Pro­blem, in dem dort nicht ein­fach jede/r kan­di­die­ren kann, son­dern eine Aus­wahl­kom­mis­si­on oder der Vor­stand Vor­schlä­ge macht. Nicht mei­ne Vor­stel­lung von Demokratie.

Wie dem auch sei: irgend­wie gibt es immer mal wie­der Men­schen, die nicht gewählt wer­den. Als Anhän­ger des lin­ken Flü­gels der Grü­nen ken­ne ich die­ses Gefühl aus den letz­ten Jah­ren sehr gut. (Und ich selbst bin auch schon für Ämter ange­tre­ten, in die ich dann nicht gewählt wur­de, wenn auch mit ungleich klei­ne­rer Fall­hö­he). Und wenn es wirk­lich um etwas geht, kann die Nicht­wahl auch zur per­sön­li­chen Kata­stro­phe wer­den – was nur begrenzt ver­hin­der­bar ist.

Zurück zur Lan­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz in Baden-Würt­tem­berg. Eine, die es nicht geschafft hat, noch ein­mal auf die Lis­te zu kom­men, ist die lang­jäh­ri­ge Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Uschi Eid. Die ist jetzt erklär­ter­ma­ßen sau­er. Das kann ich nach­voll­zie­hen, ich kann auch nach­voll­zie­hen, dass sie in so einer Situa­ti­on ihre Wahl­kreis­kan­di­da­tur zurück­zieht (die eben vor allem Arbeit bedeu­tet, ohne Gewinn). Bes­ser fän­de ich es, wenn sie sagen wür­de, als klei­ne Rück­zah­lung an die Par­tei gibt es jetzt eben – nach ein paar Tagen Ver­ar­bei­tung der Situa­ti­on – Unter­stüt­zung der gewähl­ten Lis­te durch einen enga­gier­ten Wahl­kampf der ört­li­chen Pro­mi­nen­ten. Und danach dann das Leben nach dem Bun­des­tag. Aber gut, muss nicht sein.

Was ich aller­dings über­haupt nicht ver­ste­hen kann, ist die Tat­sa­che, dass Uschi Eid aus ihrer per­sön­li­chen Nie­der­la­ge bei der Lis­ten-LDK in einem Brief an die Par­tei einen Rück­fall in alte Zei­ten, ein­fa­che Erklä­run­gen und simp­le Welt­bil­der macht. Das klingt für mich sehr irra­tio­nal, es klingt danach, dass da eine der Par­tei schon lan­ge nicht mehr über den Weg traut (und erst recht nicht glaubt, dass irgend­wer in die­ser Par­tei der ehe­ma­li­gen Afri­ka­be­auf­trag­ten des Kanz­lers das Was­ser rei­chen könnte). 

Und es ist schlicht­weg falsch – allein schon des­we­gen, weil es letzt­lich unge­fähr 20 Stim­men (d.h. 10 % der Dele­gier­ten) waren, die den Aus­schlag zwi­schen angeb­li­chem „Links­ruck“ und „Wei­ter wie bis­her“ gege­ben haben. Kurz gesagt: wer jetzt ver­sucht, die Ergeb­nis­se der baden-würt­tem­ber­gi­schen LDK als „Refun­da­men­ta­li­sie­rung“ zu erklä­ren, tut das ent­we­der als Rache­akt oder aus kogni­ti­ver Dis­so­nanz her­aus, als ein­zi­ge Mög­lich­keit, sich selbst die Wahr­neh­mung des Schei­terns zu erklä­ren. Bedau­er­lich ist beides.

War­um blog­ge ich das? Weil sich gera­de zeigt, wie eng der Hori­zont man­cher Par­tei­freun­de ist.

Kurz: taz-Leserbrief zur LDK (Update 6)

Mal wie­der kei­ne Zeit, dass zu tun, was ich jetzt ger­ne tun wür­de, näm­lich aus­führ­lich von der grü­nen Lan­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz in Schwä­bisch Gmünd zu berich­ten. Die hat näm­lich gezeigt, wie wich­tig Arbeit in die Par­tei hin­ein ist, um Ver­trau­en zu erlan­gen, das dann auch bei der Lis­ten­auf­stel­lung zählt (von einem Links­rutsch zu spre­chen, nur weil statt Uschi Eid jetzt Bea­te Mül­ler-Gem­me­ke unter den ers­ten acht ist – ansons­ten ist das Per­so­nal­pa­ket näm­lich unver­än­dert – wäre ganz über­trie­ben). Aber dazu viel­leicht ein ande­res Mal mehr, jetzt nur kurz mein Leser­brief an die taz (der BZ müss­te ich für einen Arti­kel, des­sen kleins­ter Feh­ler es ist, Petra Roth und Clau­dia Roth mit­ein­an­der zu ver­wech­seln, eigent­lich auch einen schreiben …).

Bei der Über­schrift „Das Kind, das zu viel will“ habe ich ja erst gedacht: na end­lich, da blickt mal ein Jour­na­list durch, was auf dem Par­tei­tag pas­siert ist: da will einer nicht nur den Bun­des­vor­sitz, son­dern glaubt auch, mit rei­nen Pres­ti­ge­ar­gu­men­ten Druck machen zu kön­nen, um noch mehr zu bekom­men. Stand aber nicht im Kom­men­tar, son­dern der war wie­der nur die Para­phra­se des­sen, was Cem Özd­emir in sei­ner Rede schon gesagt hat. Mein Ein­druck als Dele­gier­ter war anders: Die anwe­sen­den Par­tei­mit­glie­der wuss­ten genau, was sie gemacht haben, sie wuss­ten auch, dass es kein gutes Pres­se­echo gibt, wenn der desi­gnier­te Par­tei­chef durch­fällt – aber sie haben mit die­sem Wis­sen anders ent­schie­den und einer für Baden-Würt­tem­berg und die Grü­nen guten Bun­des­tags­lis­te und der Tren­nung von Amt und Man­dat den Vor­zug gege­ben. Wer immer dazu gebracht hat, dass Cem dann auf Platz 8 noch ein­mal ange­tre­ten ist, ist ein schlech­ter Bera­ter. Der Par­tei­tag hat sehr deut­lich gemacht, dass er Cem für einen guten Bun­des­vor­sit­zen­den hält – mit viel Applaus bei des­sen Rede und auch am Schluss. Aber eins mögen Grü­ne über­haupt nicht: Erpres­sungs­ver­su­che von oben. Fazit: Es gab vie­le gute grü­ne Vor­sit­zen­de ohne Man­dat – und auch Cem könn­te einer davon werden. 

Update: Der Kom­men­tar der Süd­deut­schen ist da doch schon ein gan­zes Stück weit näher dran an dem, was ich in der Hal­le in Schwä­bisch Gmünd beob­ach­tet habe. Ja: es geht auch um Inhal­te, aber auch um Ver­netzt­sein, das heißt eben auch dar­um, die „Basis“ der Par­tei ernst zu neh­men. Wich­ti­ge Qua­li­tät für grü­ne Vor­sit­zen­de wie Abge­ord­ne­te, neben­bei bemerkt.

Update 2: Die Sach­er­geb­nis­se und die gesam­te Lis­te gibt’s auf der grü­nen Web­site. Dort auch Fotos von der LDK, u.a. die­ses (Gra­tu­la­ti­on für Syl­via Kot­ting-Uhl, oder: Lan­des­vor­sit­zen­der Dani­el Mou­rat­i­dis zwi­schen vier beken­nen­den Linken …).

Update 3: Ach so, der Twit­ter-Live-Bericht in der Retro­spek­ti­ve ist viel­leicht auch noch erwähnenswert.

Update 4: Laut Medi­en­be­rich­ten hat Cem Özd­emir erkärt, trotz der Abstim­mungs­nie­der­la­ge für den Par­tei­vor­sitz zu kan­di­die­ren. Ich den­ke, er hat was drauss gelernt, und fin­de es gut, dass er das machen will.

Update 5: Dirk Wer­hahn, Agnieszka Mal­c­zak und Wolf­gang G. Wettach (1, 2) haben auch schon was gebloggt.

Update 5: (16.10.2008) Inzwi­schen ist mein Leser­brief (mit klei­nen Ver­än­de­run­gen) wie auch ein paar wei­te­re zur LDK in der taz erschie­nen.