Winterschlaf

I.

Von Tag zu Tag ist es dunk­ler gewor­den. Der nachts gefal­le­ne Schnee schmilzt jetzt tags­über nicht mehr. Bald wird ganz Jolan­do ein­ge­schneit sein. Es sind die letz­ten Wochen vor der Winterruhe. 

Jeden Abend gibt es jetzt ein Fest­mahl. Jeden Abend erklingt jetzt das Win­ter­lied, es wird auf den Tisch gehau­en und geg­röhlt: Esst auf, was da ist – jetzt ist die Zeit! Lasst kei­ne Res­te über, esst, esst, esst, der Schnee fällt. 

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Notlandung

Alien planet MühlackreDen letz­ten Signa­len war zu ent­neh­men, dass die Expe­di­ti­on den Pla­ne­ten erreicht hat­te. Im Anflug noch konn­te bestä­tigt wer­den, dass der Pla­net mit sei­nem einen Tra­ban­ten – wie ver­mu­tet – Flo­ra und Fau­na auf­wies. Aller­dings ver­hin­der­te die dich­te Wol­ken­de­cke zunächst genaue­re Beschrei­bun­gen. Spä­ter mehr. 

Als die Signa­le das Kon­troll­zen­trum im Mut­ter­schiff mit meh­re­ren Minu­ten Ver­spä­tung erreich­ten, brach dort Jubel aus. Was nie­mand ahn­te: Zu die­sem Zeit­punkt war der Kon­takt schon abge­bro­chen. Weni­ge Minu­ten spä­ter wich aus den Gesich­tern des Teams im Kon­troll­zen­trum die Far­be. „Bit­te mel­den, bit­te mel­den“ – ban­ges War­ten, das sich zur Gewiss­heit eines ernst­haf­ten Pro­blems ver­dich­te­te, als auch nach Stun­den kein Signal mehr kam. Der Lan­der war auf sich selbst gestellt – bis sei­ne Schwes­ter, die noch in der Bucht des inter­stel­la­ren Mut­ter­schiffs träum­te, den Pla­ne­ten errei­chen konn­te, wür­den Wochen ver­ge­hen. Vor­aus­ge­setzt, dass der Rat sich dazu ent­schei­den soll­te, über­haupt einen zwei­ten Lan­der los­zu­schi­cken. Ohne zu zögern, der Tages­zy­klus war noch nicht been­det, begann im Kon­troll­zen­trum die Risikoanalyse.

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Im Rosengarten

Pastel Cabbages
Foto: Sister72, Lizenz: CC-BY

Dr. Wro­lem summ­te die Par­tei­hym­ne. Er ließ sei­nen Blick über die Bee­te der Anla­ge schwei­fen. Er ver­such­te, tief ein­zu­at­men, und den Duft der Rosen wahr­zu­neh­men. Es war tro­cken und heiß. Bei Wet­ter wie die­sem spür­te er sei­nen Kör­per, und das war ihm nicht ange­nehm. Noch vor eini­gen Jah­ren waren es Stan­gen­boh­nen gewe­sen, und Kohl, immer wie­der Kohl, auf den Bee­ten, auf denen jetzt die Rosen­stö­cke stan­den. Erst all­mäh­lich sind die letz­ten Spu­ren der welt­wei­ten Depres­si­on ver­schwun­den. In den Jah­ren direkt nach der Jahr­tau­send­wen­de, in der Zeit der Gro­ßen Koali­ti­on, da hat­te man Angst gehabt. Die Risi­ko­ge­sell­schaft hat­ten sie es genannt. Er war damals noch jung und fit gewe­sen, aber auch an die­se Angst konn­te er sich noch genau erinnern.

Schon vor einem Jahr habe ich eine Kurz­ge­schich­te zur Aktua­li­tät von Zen­sur- und Über­wa­chungs­dys­to­pien geschrie­ben. Lei­der hat sie an Aktua­li­tät nichts ein­ge­büsst. Des­we­gen gibt es sie jetzt online:

Im Rosen­gar­ten (pdf)

Viel Ver­gnü­gen! Die Geschich­te steht unter der Lizenz CC-BY-SA-NC, d.h. sie darf für unter ähn­li­chen Lizen­zen ste­hen­de nicht­kom­mer­zi­el­le Wer­ke bei Namens­nen­nung frei kopiert und wei­ter­ge­ge­ben wer­den (den „Quell­text“ gebe ich bei Bedarf ger­ne wei­ter – bit­te ein­fach bei mir melden).

Eine kurze und frei erfundene Geschichte des InterNet

Antique Software in Action

Wie wahr­schein­lich eini­ge wis­sen, ist es so, dass ich, wenn ich mich nicht gera­de um mei­ne Diss., um mein Kind, um mei­ne Par­tei oder um mei­nen Job küm­me­re, mich ab und zu auch ger­ne an Kurz­ge­schich­ten und ande­ren lite­ra­ri­schen Tex­ten ver­su­che, Sci­ence Fic­tion und so. In der letz­ten Zeit ist das etwas kurz gekom­men. Beim Auf­räu­men ist mir jetzt aber ein Text aus dem Jahr 2006 wie­der in die Hän­de gefal­len, den ich damals geschrie­ben hat­te, um ihn beim Wett­be­werb „what if“ der Tele­po­lis ein­zu­rei­chen („what if – visio­nen der informationsgesellschaft“). 

Da war der Text nicht son­der­lich erfolg­reich, was auch damit zu tun haben mag, dass er weni­ger eine Geschich­te als viel­mehr einen (mehr oder weni­ger plau­si­blen) alter­na­ti­ven Geschichts­strang prä­sen­tiert. Auch wenn’s am Plot man­gelt, mag’s für die eine oder den ande­ren trotz­dem amü­sant zu lesen sein, des­we­gen habe ich den Text „Eine kur­ze und frei erfun­den­de Geschich­te des Inter­Net“ inzwi­schen auf mei­ne Web­site gestellt. Wor­um geht es? Kurz gesagt um eine His­to­rie, in der fol­gen­des plau­si­bel ist:

1997: Die ers­ten ech­ten Mobil­te­le­fo­ne erschei­nen im Früh­jahr auf dem Markt, ein euro­päi­sches Koope­ra­ti­ons­pro­jekt, an dem unter ande­rem Tele­fun­ken-Sie­mens, die Bun­des­post i.A. und die Bri­tish Tele­com betei­ligt sind. Die Mobil­te­le­fon-Spit­zen­mo­del­le sind sogar in der Lage, dBrie­fe zu emp­fan­gen. Die Gesprä­che zwi­schen den Staa­ten des War­schau­er Pak­tes und der EC/CE machen Fort­schrit­te. Innen­mi­nis­ter Otto Schi­ly (SPD) bringt nach einem inten­si­ven Gedan­ken­aus­tausch mit dem Staats­rats­vor­sit­zen­den der DDR, Egon Krenz, eine Ver­ei­ni­gung der bei­den deut­schen Staa­ten noch inner­halb des Jahr­tau­sends ins Gespräch. Im Herbst kommt es zu zwei wich­ti­gen tech­ni­schen Ent­wick­lun­gen: die ers­te inter­kon­ti­nen­ta­le Ver­sand- und Ver­rech­nungs­stel­le für dBrie­fe nimmt ihren Betrieb auf. […]

Wie es dazu kom­men konn­te und wie es wei­ter­geht, steht hier.

War­um blog­ge ich das? Noch ist ver­ständ­lich, was der Text eigent­lich aus­sa­gen woll­te … und weil ich es inter­es­sant fin­de, dar­über nach­zu­den­ken, wie­weit das Inter­net, so wie wir es ken­nen, tech­nisch bedingt ist, und wie weit es an sozia­len und poli­ti­schen Zufäl­len hängt.