Gelesen: The Goblin Emperor

"The Goblin Emperor"Lan­ge war Fan­ta­sy für mich ent­we­der J.R.R. Tol­ki­en (den ich ger­ne gele­sen habe), Ursu­la K. Le Guin (hier: Earth­see, die ich ger­ne gele­sen habe), Ter­ry Prat­chett (den ich ger­ne gele­sen habe, weil er ein Fan­ta­sy-Set­ting nur als Set­ting für ange­wand­te Phi­lo­so­phie brauch­te) oder aber Tol­ki­en-Kopien von Hol­bei­netc. (die ich nicht gele­sen habe). Und die „Unend­li­che Geschich­te“ von Micha­el Ende, die aber eher Phan­ta­sie als Fan­ta­sy war. (Na gut, gute Kin­der- und Jugend­bü­cher mit Fan­ta­sy-Hin­ter­grund wür­den mir noch eini­ge ein­fal­len). Jeden­falls war ich lan­ge über­zeugt davon, dass Fan­ta­sy nicht so mei­nes ist. Und dann gibt es noch – auch sehr les­bar – eine gan­ze Rei­he von Autoren und Autorin­nen, die Magie in zeit­ge­nös­si­sche Sze­na­ri­en (z.B. in Kri­mi­nal­ro­ma­ne) ein­bau­en. Aber das ist dann nicht mehr „High Fantasy“.

Erst in jün­ge­rer Zeit habe ich dann ent­deckt, dass High Fan­ta­sy mehr und anders sein kann. G.R.R. Mar­tins Bücher mit ihren grau­schat­tier­ten Intri­gen haben dazu eini­ges bei­getra­gen. Und auch Bran­don San­der­sons „Mistborn“-Bücher habe ich aus ähn­li­chen Grün­den regel­recht ver­schlun­gen. Mit dem Zyklus rund um die „dunk­le Son­ne“ von Gene Wol­fe bin ich dage­gen nicht so rich­tig warm geworden.

Das alles aber nur als Vor­re­de, um auf Kathe­ri­ne Addi­sons The Goblin Emper­or hin­zu­wei­sen. Addi­son ist ein Pseud­onym der Autorin Sarah Monet­te; dass The Goblin Emper­or unter Pseud­onym erschie­nen ist, hat wohl vor allem ver­trags­tech­ni­sche Gründe. 

Das Buch hat zunächst mal alles, was zu High Fan­ta­sy dazu­ge­hört – Elfen und Kobol­de, eine feu­da­le Herr­schafts­struk­tur mit Köni­gen und Prin­zes­si­nen, ver­wun­sche­ne Land­schaf­ten und alte Feh­den. Bei genaue­rem Hin­se­hen befin­det sich das Elfen­kö­nig­reich aber in einer his­to­ri­schen Umbruch­pha­se, die mit „Auf­klä­rung“ sicher­lich nicht falsch beschrie­ben ist. Geschlech­ter­ver­hält­nis­se (dür­fen Frau­en auf Uni­ver­si­tä­ten gehen?) und das Gil­densys­tem – etwa die Uhr­ma­cher – wer­den in Fra­ge gestellt, es gibt eine Art Par­la­ment, und die Tech­nik macht gro­ße Fort­schrit­te. So wer­den Luft­schif­fe ver­wen­det – und der Absturz eines sol­ches ist dann auch der Aus­lö­ser der im Buch erzähl­ten Geschich­te. Der Kai­ser des Elfen­lan­des und sei­ne Thron­fol­ger waren an Bord, was dazu führt, dass der in die länd­li­che Peri­phe­rie ver­sto­ße­ne, gera­de erwach­se­ne und eigent­lich ver­ges­se­ne Maia die Thron­fol­ge antritt und Kai­ser wird. 

Maia ist kein rein­ras­si­ger Elf, sei­ne früh gestor­be­ne Mut­ter war eine Kobol­din. Er ist nicht am Hof auf­ge­wach­sen und hat weder die damit ver­bun­de­ne umfas­sen­de Bil­dung genos­sen noch Ein­blick in die viel­fäl­ti­gen Intri­gen und poli­ti­schen Hin­ter­hal­te, die es an einem Hof so gibt. Maia ist gut­mü­tig, ein biss­chen naiv – und jetzt der mäch­tigs­te Mann im Elfenland. 

Das 2014 erschie­ne­ne Buch ist ein biss­chen Coming-of-Age, und ein biss­chen eine Para­bel dar­über, wie wenig Macht mit schein­bar mäch­ti­gen Posi­tio­nen ver­bun­den ist, und wel­che Kom­pro­mis­se getrof­fen wer­den müs­sen, um in einem hoch­po­li­ti­schen Umfeld poli­tisch am Leben zu blei­ben – und trotz­dem die eine oder ande­re Ver­än­de­rung anzu­sto­ßen. Das fand ich wie­der­um sehr rea­lis­tisch. Die eine oder ande­re Stel­le erin­ner­te mich regel­recht an die Erfah­run­gen, die Grün-Rot in Baden-Würt­tem­berg so machen musste. 

Ins­ge­samt jeden­falls sehr emp­feh­lens­wert, egal, ob um der Intri­gen und der Poli­tik wil­len gele­sen, oder weil die Welt, die Kathe­ri­ne Addi­son hier auf­baut, eine sehr lie­be­voll und detail­reich gestal­te­te Alter­na­ti­ve zu den übli­chen High-Fan­ta­sy-Kli­schees dar­stellt. Und das geht auch mit sehr viel weni­ger Blut­ver­gie­ßen als bei Tol­ki­en, Mar­tin oder Sanderson.

Der Anfang des Buches steht online zur Ver­fü­gung – aber Vor­sicht; wer sich in Mai­as Weg zum Thron hin­ein liest, möch­te auch wis­sen, wie es wei­ter­geht. Eine Fort­set­zung ist übri­gens – auch das anders als bei vie­len ande­ren Wer­ken in die­sem Umfeld – nicht geplant.