Kurz: Technomagie

Viel­leicht müs­sen wir in Zukunft ein­fach zwi­schen „Tech­no­lo­gie“ (und Ablei­tun­gen wie „tech­no­lo­gie­of­fen“) einer­seits und „Tech­no­ma­gie“ (ent­spre­chend dann: „tech­no­ma­gie­of­fen“) ande­rer­seits unter­schei­den. In letz­te­re Kate­go­rie fal­len alle Wun­der­tech­no­lo­gien, die ganz kurz vor Voll­endung ste­hen, aber bis­her kei­ne Wir­kung ent­fal­ten kön­nen – Kern­fu­si­on, E‑Fuels, flie­gen­de Autos, die was­ser­stoff­be­trie­be­ne Hei­zung oder auch die wirk­lich den­ken­de KI. Also, kei­ne Wir­kung bis auf die, das Lösen von Pro­ble­men auf über­mor­gen zu ver­schie­ben und im Hier und Jetzt nichts tun zu müssen. 

Bei­spiel­sät­ze:

„Auf ihrem Par­tei­tag beschloss die FDP, sich wei­ter­hin für Tech­no­ma­gie­of­fen­heit einzusetzen.“

„Wind­rä­der, Solar­zel­len und Wär­me­pum­pen sind Zukunfts­tech­no­lo­gien, wäh­rend E‑Fuels noch im Bereich der Tech­no­ma­gie liegen.“

Und mög­li­cher­wei­se – das schmerzt mich als SF-Fan – ist eine Erklä­rung dafür, war­um eine Par­tei so unver­hoh­len auf magi­sches Den­ken setzt, dar­in zu fin­den, dass zwi­schen Sci­ence Fic­tion und Sci­en­ti­fic Liter­acy zu wenig unter­schie­den wird. Nicht alles, was in Roma­nen und Fil­men plau­si­bel und hübsch erscheint, wird irgend­wann Wirk­lich­keit wer­den. Auch, wenn „SF“ auf der Gen­re-Schub­la­de steht. Und nur, weil Clar­ke irgend­wann mal schrieb, „any suf­fi­ci­ent­ly advan­ced tech­no­lo­gy is indis­tin­gu­is­ha­ble from magic“, gilt der Umkehr­schluss halt trotz­dem nicht. Nur, weil etwas magisch funk­tio­nie­ren soll, gibt es noch längst nicht die pas­sen­de fort­ge­schrit­te­ne Tech­no­lo­gie dafür. 

Atomausstieg, Pfadabhängigkeiten und politisches Theater

Fessenheim-Demo XIII

In Kür­ze – am 15. April – endet der Betrieb der letz­ten drei kom­mer­zi­el­len Atom­kraft­wer­ke in Deutsch­land, und damit auch die Ver­län­ge­rung der Lauf­zeit auf­grund der Befürch­tung der FDP, dass der in den drei AKW pro­du­zier­te Strom für den Win­ter gebraucht würde. 

In den letz­ten Tagen wer­den anläss­lich die­ses Datums nicht nur Atom­aus­stiegs­par­tys ange­kün­digt, son­dern ins­be­son­de­re sei­tens der Uni­on – und der FDP – Plä­ne in den Raum gewor­fen, die Lauf­zeit der AKW doch noch ein­mal zu ver­län­gern. Unab­hän­gig davon, dass eine sol­che Sala­mi­tak­tik (sei­tens der FDP) poli­tisch eher unan­stän­dig ist, und dass es auch die CDU mit einer 180°-Wende 2011 war, die den Pfad zum Aus­stieg ein­ge­lei­tet hat, fin­de ich die­se For­de­run­gen auch des­we­gen bemer­kens­wert, weil das halt gar nicht so ein­fach mög­lich ist. Das wur­de ja schon im Herbst inten­siv dis­ku­tiert – es müss­ten neue Brenn­ele­men­te (aus Russ­land) beschafft wer­den, Sicher­heits­über­prü­fun­gen müss­ten durch­ge­führt wer­den, die Betrei­ber müss­ten wirt­schaft­li­che Ent­schei­dun­gen fäl­len (Leu­te wie­der ein­stel­len, Plä­ne umwer­fen usw. …). 

Kurz: mit dem Kanz­ler­macht­wort und dem Datum 15. April wur­de eine Maschi­ne­rie in Gang gesetzt, die nicht ein­fach gestoppt wer­den kann. Das wis­sen auch die Politiker*innen aus FDP und Uni­on, die jetzt laut­stark für den erneu­ten Aus­stieg aus dem Aus­stieg plä­die­ren. Und das ist ins­ge­samt bedau­er­lich, weil letzt­lich Sym­ptom für eine wenig an Rea­li­tä­ten und stark an Sym­bo­len und – sagen wir – poli­ti­schem Thea­ter inter­es­sier­te Hal­tung. Und die brau­chen wir nicht, jetzt noch weni­ger als sonst.

Swiss nuclear idyll

Und das Kli­ma? Neben der Tat­sa­che, dass die FDP das Argu­ment Kli­ma bei ande­ren Fra­gen gar nicht ger­ne hört, also zum Bei­spiel beim sofort und ohne Pro­ble­me auch umkehr­bar ein­führ­ba­ren Tem­po­li­mit, haben AKW durch die Blo­cka­de knap­per Netz­ka­pa­zi­tä­ten – da nicht fle­xi­bel schalt­bar – eher dazu bei­getra­gen, den Aus­bau erneu­er­ba­rer Ener­gien klein zu hal­ten. Von den Fra­gen der sys­te­mi­schen Betrach­tung (Uran­ab­bau, Bau gro­ßer Kraft­wer­ke, …) mal ganz abge­se­hen. Und zudem haben wir erst letz­tes Jahr gelernt, dass AKWs mit kli­ma­be­ding­ten Nied­rig­was­ser­stän­den nicht gut klar­kom­men, sie­he Frank­reich. Inso­fern bin ich mir sehr sicher, dass die aller­meis­ten, die jetzt auf das Kli­ma ver­wei­sen, das eher als vor­ge­scho­be­nes Argu­ment nut­zen. (Mal ganz abge­se­hen davon, dass jen­seits der Kli­ma­fra­ge AKW halt wei­ter­hin nicht unbe­dingt die risi­ko­ärms­te Tech­no­lo­gie sind; das betrifft sowohl die Abhän­gig­keit von Russ­land als auch das bis heu­te feh­len­de End­la­ger in Deutsch­land, von GAUs gar nicht erst zu sprechen …).

Der poli­ti­sche Pfad, aus der Atom­kraft aus­zu­stei­gen, wur­de vor Jahr­zehn­ten ein­ge­schla­gen und hat zu Anpas­sungs­leis­tun­gen geführt, an deren Ende jetzt die Abschal­tung der letz­ten AKW und der lang­wie­ri­ge Rück­bau­pro­zess steht. Gleich­zei­tig aus Koh­le und Gas aus­zu­stei­gen, ist ambi­tio­niert, aber mach­bar. Und das hin­zu­krie­gen, ist jetzt unse­re Auf­ga­be. Debat­ten über AKW immer wie­der neu auf­zu­ma­chen, hilft dabei nie­man­dem. Die­se Zeit geht in Deutsch­land jetzt zu Ende. Und jetzt auf neue AKW (oder die irgend­wann per­spek­ti­visch am Hori­zont auf­schei­nen­de 50-Jah­re-Tech­no­lo­gie Kern­fu­si­on) zu set­zen, kommt zu spät.

Ich kann mir ande­re Rea­li­tä­ten vor­stel­len, in denen der Tech­no­lo­gie­pfad hin zu einer kli­ma­neu­tra­len Ener­gie­ver­sor­gung ein ganz ande­rer gewe­sen wäre, mit ande­ren Risi­ko­ab­wä­gun­gen, ande­ren tech­no­lo­gi­schen Ent­wick­lun­gen und ande­ren poli­ti­schen Mehr­hei­ten. Aber das ist rei­ne Spe­ku­la­ti­on. Die tech­no­lo­gi­sche, wirt­schaft­li­che und poli­ti­sche Rea­li­tät, in der wir die Kli­ma­kri­se lösen müs­sen, ist eine ande­re. Und da gehört die Zukunft Son­ne, Wind, Was­ser, Geo­ther­mie und Speichertechnologien. 

Kurz: Technologieoffenheit vs. Wunderglaube

Gera­de, weil ich ziem­lich viel Ver­trau­en in Wis­sen­schaft und Tech­nik habe, nervt mich der Spin, den die FDP schon seit lan­gem und aktu­ell auch die CDU in der Kli­ma­ka­ta­stro­phe set­zen möch­te – um damit alle wirk­sa­men regu­la­to­ri­schen und tech­no­lo­gi­schen Maß­nah­men zu ver­mei­den bzw. in die fer­ne Zukunft zu ver­schie­ben. Das pas­sen­de Schlag­wort ist „Tech­no­lo­gie­of­fen­heit“ – damit ist bei Lei­be nicht gemeint, offen für die best­mög­li­che tech­ni­sche Lösung für das Kli­ma­kri­sen­pro­blem zu sein. Das wäre sowas wie der sehr schnel­le Aus­bau von Wind, Son­ne und Batteriespeichern. 

Nein: wenn die FDP von Tech­no­lo­gie­of­fen­heit spricht, meint sie damit, alle poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen zu ver­ta­gen, die dazu füh­ren könn­ten, dass bat­te­rie­elek­tri­sche Antrie­be sich durch­set­zen. Es könn­te ja sein, dass in Kür­ze Was­ser­stoff oder syn­the­ti­sche Kraft­stof­fe da sind, und dann alle in die fal­sche Rich­tung gerannt sind. Nur, dass der Blick auf die Effi­zi­enz der Pro­zes­se, um (grü­nen) Was­ser­stoff her­zu­stel­len oder um CO2-neu­tra­le syn­the­ti­sche Kraft­stof­fe zu pro­du­zie­ren, hier schnell ernüch­tern soll­te – und der Blick auf den Zeit­ho­ri­zont, bis eine ent­spre­chen­de Infra­struk­tur auf­ge­baut ist, erst recht. Inso­fern ist „Tech­no­lo­gie­of­fen­heit“ und damit die Ableh­nung von allen Maß­nah­men, die regu­la­to­risch bat­te­rie­elek­tri­sche Antrie­be för­dern, und erst recht die Ableh­nung aller Maß­nah­men, um den ÖPNV aus­zu­bau­en, nichts ande­res als ein Ablen­kungs­ma­nö­ver. Da will sich jemand nicht mit Lösun­gen für die heu­ti­ge Pro­ble­me beschäftigen. 

Und die CDU? Die for­dert allen erns­tes, mit ähn­li­chem Spin, dass für die Lösung des Kli­ma­kri­sen­pro­blems jetzt schnell ganz viel an CCS (Car­bon Cap­tu­re and Sto­rage), Kern­fu­si­on und Trans­mu­ta­ti­on (um radio­ak­ti­ve Abfäl­le sicher zu machen) geforscht wer­den soll. In der aku­ten Lage sind auch das Ablen­kungs­ma­nö­ver, um poli­ti­sches Han­deln in die Zukunft zu ver­schie­ben und jetzt nichts zu tun, was mit Kom­fort­ein­bu­ßen oder der kon­flikt­haf­ten Durch­set­zung von Netz­aus­bau und Flä­chen für Pho­to­vol­ta­ik und Wind zu tun hat. CCS mag not­wen­dig wer­den, weil der Aus­bau der Erneu­er­ba­ren mit allem, was dazu­ge­hört, nicht schnell genug geht. Aber CCS ist kei­ne Lösung für jetzt. Und Kern­fu­si­on – wis­sen­schaft­lich hoch­span­nend, aber noch immer weit vom Durch­bruch ent­fernt – und die Trans­mu­ta­ti­on von Ato­men, um so radio­ak­ti­ven Abfall zu behan­deln, sind heu­te lei­der noch weit­ge­hend Sci­ence Fic­tion. Inso­fern ist jede Kli­ma­po­li­tik, die auf die­se Lösun­gen setzt, eine, die nicht weit weg von tech­no­lo­gi­schem Wun­der­glau­be ent­fernt ist. For­schung in die­sen Berei­chen: klar, auf jeden Fall. Aber um jetzt auf einen Pfad unter 2 Grad Erd­er­hit­zung zu kom­men, hilft nichts davon.

Span­nend ist da nur noch die Fra­ge, ob FDP und CDU wis­sen, was sie da sagen – oder ob sie tat­säch­lich an die­se tech­no­lo­gi­schen Wun­der glau­ben. Und dabei ganz über­se­hen, wel­che groß­ar­ti­gen wis­sen­schaft­li­chen und inge­nieur­tech­ni­schen Leis­tun­gen in heu­ti­gen Bat­te­rien, Pho­to­vol­ta­ik­zel­len und Wind­kraft­an­la­gen stecken. 

Photo of the week: Wendelstein 7x – V … und eine längere Erörterung zur Kernfusionsforschung

Wendelstein 7x - V

 
Letz­ten Frei­tag war ich für die grü­ne Bun­des­ar­beits­ge­mein­schaft Wis­sen­schaft, Hoch­schu­le und Tech­no­lo­gie­po­li­tik (zusam­men mit u.a. Robert Habeck, Kai Geh­ring und Syl­via Kot­ting-Uhl) in Greifs­wald, um das dor­ti­ge Max-Planck-Insti­tuts für Plas­ma­phy­sik (IPP) zu besu­chen. Das IPP betreibt For­schungs­ein­rich­tun­gen in Gar­ching bei Mün­chen und eben in Greifs­wald; es ist zu 90 % bun­des­fi­nan­ziert und hat das Bud­get einer klei­ne­ren Uni­ver­si­tät. Erforscht wird hier – und da wird es poli­tisch – Kern­fu­si­on. Zunächst ein­mal ganz grund­sätz­lich: was pas­siert, wenn ein Plas­ma (also ein Gas, in dem die ein­zel­nen Elek­tro­nen und Ionen aus den Ato­men sich frei ver­tei­len – All­tags­bei­spiel: Ker­zen­flam­me), sehr hoch erhitzt wird, so dass – bei 100 Mio. Grad – Was­ser­stoff­ato­me zu Heli­um fusio­nie­ren? Und kon­kre­ter die Roh­re oben, die zusam­men eine Art nähe­rungs­wei­se donut­för­mi­ges U‑Boot erge­ben, einen von Magnet­spu­len umge­be­nen „Käfig“, um hoch­er­hitz­tes Plas­ma „ein­zu­sper­ren“ und erst auf die genann­ten Tem­pe­ra­tu­ren erhit­zen zu kön­nen: das Fusi­ons­expe­ri­ment Wen­del­stein 7x, einen soge­nann­ten Stel­ler­a­tor. Wie muss die­ser Käfig kon­stru­iert wer­den, um Plas­ma über län­ge­re Zeit sta­bil in Bewe­gung zu hal­ten, ohne dass des­sen Wän­de zu heiß wer­den oder die Fusi­on zusam­men­bricht? Was ist mit Ver­wir­be­lun­gen und Tur­bu­len­zen? Was bedeu­tet das alles für die ver­wen­de­ten Mate­ria­li­en? Wie sehen die Algo­rith­men aus, um den Auf­bau eines sol­chen Plas­ma­kä­figs zu opti­mie­ren? Wo lie­gen die Unter­schie­de zu den Pro­zes­sen, die in Ster­nen ablaufen?

Das sind alles zunächst ein­mal span­nen­de wis­sen­schaft­li­che Fragen.

Poli­tisch wird es, weil mit der For­schung an Kern­fu­si­on auch die Idee ver­bun­den ist, eines Tages – frü­hes­tens in den 2050er Jah­ren – Kern­fu­si­on zur Ener­gie­ge­win­nung zu nutzen. 

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In eigener Sache: Plädoyer für ein enges und kritisches Verhältnis zur Wissenschaft

Auf den ers­ten Blick denkt man: Grü­ne und Wis­sen­schaft­lich­keit – wo ist das Pro­blem? Grü­ne lau­fen mit beim March for Sci­ence, wir geben Pres­se­mit­tei­lun­gen zur Ver­tei­di­gung der Wis­sen­schafts­frei­heit her­aus und laden Wissenschaftler_innen zu unse­ren Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­ren­zen ein. Im Gespräch mit Wissenschaftler_innen merkt man aber sehr schnell, dass unser Ver­hält­nis zu For­schung und Forscher_innen kein ganz unkom­pli­zier­tes ist: Zwar haben vie­le Wissenschaftler_innen eine grund­le­gen­de Sym­pa­thie für eini­ge Ansät­ze unse­rer Poli­tik. Öko­lo­gi­sche Fra­gen sind vie­len wich­tig, eben­so unser libe­ra­les und eman­zi­pa­to­ri­sches Gesell­schafts­bild, unse­re Vor­stel­lung einer betei­li­gungs­ori­en­tier­ten Poli­tik. Bald taucht dann jedoch ein gro­ßes Aber auf – denn noch immer erschei­nen wir als tech­nik­feind­lich: Grü­ne sei­en die, die in Talk­shows die „Schul­me­di­zin“ ver­teu­feln und öffent­lich gegen Imp­fun­gen agieren. 

So fängt ein Dis­kus­si­ons­bei­trag für den lau­fen­den grü­nen Grund­satz­pro­gramm­pro­zess an, den ich gemein­sam mit Pau­la Loui­se Pia­chot­ta ver­fasst habe. Wer wei­ter­le­sen will, wie es um das Ver­hält­nis von Grün und Wis­sen­schaft bestellt ist, und wie eine zugleich enge und kri­ti­sche Anbin­dung an Wis­sen­schaft­lich­keit für unse­re Par­tei aus­se­hen könn­te, fin­det den kom­plet­ten Text auf gruene.de.