Photo of the week: First bee I

First bee I

 
Schön, wenn die Kin­der das mit der Öko­lo­gie auch gut fin­den. (Und erst recht groß­ar­tig, wenn heu­te 300.000 bei Fri­days for Future in Deutsch­land auf die Stra­ße gegan­gen sind – in Frei­burg 5000 trotz Regen und Sturm -, welt­weit in über 100 Län­dern wohl ein paar Mil­lio­nen: „Respect exis­tance, or expect resistance“ …)

Kurz: Da bewegt sich was

Pau­schal­ur­tei­le über die Jugend sind immer blöd. Trotz­dem muss ich kurz die Beob­ach­tung fest­hal­ten, dass sich da aktu­ell was tut, mit Jugend­li­chen und Poli­tik. Viel­leicht fällt es mir auch nur mehr auf, weil mei­ne Toch­ter inzwi­schen 13 ist und da Poli­tik irgend­wie so rich­tig anfängt. Ich sehe jeden­falls an zwei Punk­ten, dass ein per Whats­App (und Insta­gram und – ihh – You­tube) kom­mu­ni­zie­ren­de Jugend sich poli­tisch äußert. 

Das eine sind die Kli­ma­pro­tes­te mit Gre­ta Thun­berg als selbst gewähl­ter Gali­ons­fi­gur. Fri­days for Future bringt inzwi­schen welt­weit Schul­kin­der zum Streik. Dezen­tral und wenig orga­ni­siert, auf Netz­werk­ef­fek­te und Klas­sen­grup­pen set­zend, und mit mäch­tig viel media­ler Auf­merk­sam­keit. Ein paar Mona­te (Okto­ber 2018) älter und ein biss­chen radi­ka­ler (und nicht so jugend­lich): Extinc­tion Rebel­li­on – auch das eine glo­ba­le Bewe­gung, die Kli­ma­schutz auf die Stra­ßen bringt und auf die poli­ti­sche Agen­da setzt. 

Das ande­re sind die Pro­tes­te rund um Arti­kel 13 („Hil­fe, sie wol­len You­tube schlie­ßen!“), oder anders gesagt: die spe­zi­fi­sche Frei­heit des Net­zes erhal­ten. Auch hier: eine grenz­über­schrei­ten­de Mobi­li­sie­rung, ins­be­son­de­re auch Teen­ager und jun­ge Erwach­se­ne füh­len sich ange­spro­chen – und reagie­ren extrem wütend auf die Ver­mu­tung, das sei­en doch alles nur Bots. Einer der Hash­tags der Kam­pa­gne: #nie­wie­dercdu

Hier bewegt sich also was. Sehr pro­jekt­för­mig, bei den Pro­tes­ten rund um die EU-Urhe­ber­rechts­re­form kann ich mir auch vor­stel­len, dass das schnell wie­der ein­schläft, wenn der kon­kre­te Anlass – die Abstim­mung im EU-Par­la­ment, die jetzt wohl doch Ende März sein wird, rum ist. Das Kli­ma wird Tag für Tag dra­ma­ti­scher. Und bei­des zusam­men könn­te den Effekt haben, dass nach eini­gen Jah­ren, in denen Jugend eher ein Syn­onym für kon­ser­va­tiv und den Rück­zug ins Pri­va­te war, da so etwas wie eine neue poli­ti­sche und pro­gres­si­ve Jugend­be­we­gung ent­steht. Wär doch was!

Piraten als Bewegung: die 1970er im Remake?

Seventh sky horse III

Die ehe­ma­li­ge Geschäfts­füh­re­rin der Pira­ten, Mari­na Weis­band, gab vor kur­zem dem ZEIT-Maga­zin ein Inter­view, in dem sie sich über ihre Außen­sei­ter-Schul­erfah­run­gen aus­ge­las­sen hat. Mei­ne ers­te Reak­ti­on auf die­ses Inter­view war sowas wie „Mutig, da sagt mal eine, wie das für vie­le in der Schu­le ist“ (und mei­ne heim­li­che Ver­mu­tung wäre die, dass eine Mei­nungs­um­fra­ge unter Nerds, ja viel­leicht auch eine unter eher links-alter­na­tiv poli­ti­schen Akti­ven, eine über­durch­schnitt­li­che Men­ge ähn­li­cher Erfah­run­gen zu Tage för­dern wür­de. Aber das mag ein Effekt mei­ner pri­va­ten Fil­ter-Bubble sein).

Julia See­li­ger hat dar­auf anders reagiert, und inzwi­schen hat sie ihre Kri­tik am Inter­view (und einer dahin­ter ver­mu­te­ten Hal­tung) auch aus­for­mu­liert. Sie pickt einen digi­ta­len Kri­tik­ka­nal der Pira­ten („Solid­Feed­back“) her­aus und schreibt: „Pira­ten als Bewe­gung: die 1970er im Remake?“ weiterlesen

Die Kinder der digitalen Revolution

Ganz ehr­lich: Ich kann mich nicht mehr dar­an erin­nern, wel­ches die ers­te Demo war, an der ich teil­ge­nom­men habe. Asyl­recht, Golf­krieg, hier in Frei­burg die Pro­tes­te gegen die Abhol­zung des Kon­rad-Gün­ther-Parks oder eine Akti­on zum Cas­tor oder zu Fes­sen­heim – irgend­et­was davon wird es gewe­sen sein, Anfang der 1990er Jah­re. Bei der heu­ti­gen Demo gegen das ACTA-Abkom­men kam ich mir dage­gen rich­tig alt vor. Ganz vie­le Schü­le­rIn­nen, ver­mut­lich war es für einen gro­ßen Teil davon die ers­te Demo. 

Ins­ge­samt, so wür­de ich schät­zen, gut 1000 Men­schen, die in Frei­burg den Minus­gra­den zum Trotz „Stop ACTA“ gebrüllt haben, und diver­sen Red­nern – der jüngs­te davon 14 Jah­re alt – zuge­hört haben. Für uns Grü­ne hat Stadt­rat Timo­thy Simms gere­det, mir hat’s gut gefal­len, was er gesagt hat. 

„Die Kin­der der digi­ta­len Revo­lu­ti­on“ weiterlesen

Lesenswert: AufTakt 1993 wiedergefunden

auftakt-klappentextWenn mei­ne Ver­mu­tun­gen über die sozio­de­mo­gra­phi­sche Zusam­men­set­zung mei­ner Blog­le­ser­schaft stim­men, müss­te es eini­ge geben, denen „Auf­Takt“ etwas sagt: das war das Jugend­um­welt­fes­ti­val, das 1993 in Mag­de­burg statt­fand. Und ich war dabei. Zwar nicht auf einer der Stern­rad­tou­ren, aber beim Fes­ti­val selbst, und auch beim media­len Auf­takt – der „Hair“-Vorführung auf der Frei­bur­ger Mensawiese.

Kars­ten Schulz schreibt dazu:

„Die Frei­bur­ger Auf­füh­rung fand auf der Wie­se vor der Men­sa statt. Trotz begin­nen­den Regens wur­de wei­ter gespielt und gesun­gen, was für das tan­zen­de Publi­kum auf der Wie­se ziem­lich schlam­mig ende­te.“ (Schulz 2009, S. 90).

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Ich erin­ne­re mich jeden­falls noch gut an Zel­ten auf rela­tiv nas­sen Elb­wie­sen, an Kon­zer­te von Ygd­ras­sil [Update, 6.8.23: weil mir die Stim­me so im Ohr war, mal geschaut – und tat­säch­lich auf Spo­ti­fy fin­det sich die Sän­ge­rin Lin­de Nij­land und mit etwas Suchen auch die damals gehör­te Band „Ygd­ras­sil“, auf Nij­lands Web­site als „Harm­o­ny Sin­ging Duo“ beschrie­ben … das hört sich dann so an] und dem Wah­ren Hel­mut, an Mit­hel­fen im Küchen­zelt und bunt­be­mal­te, fröh­li­che Demos im Regen. Und an vie­le tau­send jun­ge Leu­te, die ein paar Tage lang zeig­ten, dass eine ande­re Repu­blik mög­lich ist. So vie­le, dass es zum Bei­spiel (in der Ära vor dem Mobil­te­le­fon) gar nicht so ein­fach war, Kon­takt zu ande­ren Grü­ne-Jugend-Akti­vis­tIn­nen zu fin­den, die es zwei­fels­oh­ne dort auch gab.

Und war­um kom­me ich aus­ge­rech­net jetzt auf einen Som­mer vor knapp 17 Jah­ren zurück? Weil heu­te Kars­ten Schulz’ oben bereits ein­mal zitier­te Dis­ser­ta­ti­on in der Post war. Er hat dort Auf­Takt 1993 mit dem Ers­ten Frei­deut­schen Jugend­tag 1913 auf dem Hohen Meiß­ner ver­gli­chen. Beim Rein­blät­tern bin ich dann vor allem auf Erin­ne­run­gen gesto­ßen, und dach­te mir, mal schau­en, ob der Beginn – oder der Höhe­punkt? – der Jugend­um­welt­be­we­gung bei dem einen oder der ande­ren hier auch wel­che auslöst.

Wer ein biß­chen in der nähe­ren Ver­gan­gen­heit schmöckern möch­te, kann das im Buch tun – oder auf der von Kars­ten auf­ge­bau­ten Web­site auftakt93.de mit Archiv­ma­te­ri­al, Berich­ten und einem Über­blick über die ver­schie­de­nen Ver­öf­fent­li­chun­gen zu AufTakt.

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Nicht beant­wor­tet ist für mich die Fra­ge, ob Auf­Takt heu­te noch mög­lich wäre. Zum einen fehlt (soweit ich das über­bli­cken kann) heu­te ein Äqui­va­lent zur doch recht akti­ven und hoch poli­ti­sier­ten Jugend­um­welt­be­we­gung – da wäre es übri­gens mal span­nend, sys­te­ma­tisch zu schau­en, was aus den damals Akti­ven so gewor­den ist. Der ein­zi­ge „Pro­mi“ aus dem Jugend­um­welt­be­we­gungs­um­feld, der mir so ein­fällt, ist Sven Gie­gold. Und der Rest? Zum ande­ren sind die Rand­be­din­gun­gen heu­te anders. Mobil­te­le­fon und Face­book-Ver­net­zung (Kars­ten Schulz berich­tet noch, wie damals vor allem gefaxt wur­de) sor­gen bei­spiels­wei­se für ein ganz ande­res Ver­hält­nis zwi­schen Dezen­tra­li­tät und zen­tra­ler Steue­rung. Und auch poli­tisch sieht es heu­te anders aus. Oder ist das nur der übli­che Ver­druss der älter Gewor­de­nen über die neu­en Jungen?

Kars­ten Schulz: Beschrei­bung und Ver­or­tung zwei­er über­ver­band­li­cher Jugend­tref­fen jun­ger Jugend­be­we­gun­gen. Kas­sel: Weber & Zucht 2009. Hier erhält­lich.

War­um blog­ge ich das? Weil hier Tei­le mei­ner eige­nen Bio­gra­phie zu Geschich­te wer­den, und der (tech­nisch unter­stütz­te) Gene­ra­tio­nen­wech­sel erst so rich­tig sicht­bar wird. Und weil mich inter­es­siert, wer die­se Bio­gra­phie teilt.

P.S.: Die Bil­der sind Nega­ti­ve der (natür­lich ana­lo­gen) Fotos, die ich bei Auf­Takt gemacht habe – und weil ich gra­de nur die Nega­ti­ve gefun­den habe, habe ich aus­pro­biert, ob ein LCD-Bild­schirm, eine Spie­gel­re­flex­ka­me­ra und ein Bild­be­ar­bei­tungs­pro­gramm sich dazu eig­nen, Nega­tiv­strei­fen zu scan­nen und in rich­ti­ge Far­ben umzu­wan­deln. Ergeb­nis: bedingt ;-) – aber Erin­ne­run­gen sehen halt mal so aus.