Ein bißchen „online“ sein

WLANIn einem Tweet hat­te ich geschrie­ben, dass ich „über das Wochen­en­de ein biß­chen off­line“ war. Prompt wur­de behaup­tet, online/offline gin­ge nur gar und ganz, das sei binär codiert. In jedem gege­be­nen Moment mag das zutrif­fen, aber ist „online sein“ bzw. „off­line sein“ nicht auch ein, hmm, Lebens­ge­fühl? Oder, noch­mal anders aus­ge­drückt, letzt­lich eine Fra­ge der Prä­senz – irgend­wo zwi­schen fest und klar umris­sen oder eine zeit­lang nur in geis­ter­haf­ten Fetzen?

Das Hin­ter­grund­fens­ter zur Welt ist auch offen, wenn ich im Vor­der­grund was ande­res tue und auch der Fokus mei­ner Auf­merk­sam­keit woan­ders liegt. Bin ich dann online?

Viel­leicht irri­tiert es mich des­we­gen auch, wenn in Umfra­gen gefragt wird, wie vie­le Stun­den ich am Tag online bin. Wie lan­ge mein Com­pu­ter ange­schal­tet ist? Wie lan­ge die Inter­net-Ver­bin­dung aktiv ist? Wie­vie­le Sekun­den ins­ge­samt Paket­da­ten dar­über aus­ge­tauscht wur­den? Wie­viel Zeit ich „im Brow­ser­fens­ter“ ver­bracht habe? 

Und anders­her­um: wenn ich das Wochen­en­de über den Rech­ner aus habe, mor­gens ein­mal kurz in die Mail­box schaue – bin ich dann online? Das war es, was ich mit iro­ni­scher Unter­trei­bung als „ein biß­chen off­line sein“ beschrie­ben hatte.

Wenn jemand jeden Tag den Rech­ner (oder das iPho­ne oder …) lau­fen hat, in Sekun­den­bruch­tei­len eine Paket­da­ten­ver­bin­dung auf­bau­en kann – ist sie dann „immer online“? Wenn jemand nur ein­mal am Tag für zwei Stun­den „ins Netz geht“ – was ist mit dem? Ein biß­chen online, ein biß­chen offline? 

Binär codiert? Nein, ein Kon­ti­nu­um, das letzt­lich nicht nur tech­ni­sche Ver­füg­bar­keit aus­drückt, son­dern eben auch die qua­si­räum­li­che Prä­senz im sozia­len Netz­werk. Und die ist nicht da oder nicht da, son­dern kann vari­ie­ren und gemes­sen wer­den. Auch wenn die „Stun­den am Tag im Netz“ kein guter Maß­stab sind.

War­um blog­ge ich das? Laten­tes Unbe­ha­gen über binä­re Kodierungen.

Selbstverständlichkeiten …

… oder: Unter welchen Bedingungen sollten AnhängerInnen der PIRATEN die PIRATEN wählen?

 
Cat portrait I ("the pirate")

Es scheint ja nun so, dass die PIRATEN zur Bun­des­tags­wahl im Herbst antre­ten wer­den. Ich will mich hier jetzt gar nicht mit feh­len­der Pro­gram­ma­tik, frau­en­lo­sen Lis­ten oder dem den Klip­pen der mas­sen­me­dia­len Demo­kra­tie noch nicht gewach­se­nen Per­so­nal aus­ein­an­der­set­zen, son­dern einen eher wahl­tak­ti­schen Blick auf die Fra­ge wer­fen, unter wel­chen Bedin­gun­gen Anhän­ge­rIn­nen der PIRATEN die­se wäh­len sollten.

Dabei sind – auf­grund der Fünf-Pro­zent-Hür­de – zwei Fäl­le zu betrachten.

  1. Es herrscht bei den Anhän­ge­rIn­nen bzw. in der all­ge­mei­nen Öffent­lich­keit die Ver­mu­tung vor, dass die PIRATEN irgend­wo zwi­schen ein und drei Pro­zent abschnei­den wer­den, also deut­lich unter der Fünf-Pro­zent-Hür­de blei­ben werden.

    Eine Zweit­stim­me für die PIRATEN bleibt in die­ser Kon­stel­la­ti­on erst ein­mal ohne steu­ern­den Ein­fluss auf die Zusam­men­set­zung des Bun­des­ta­ges. Ein gutes Ergeb­nis für die PIRATEN (also z.B. drei Pro­zent) wür­de aber in ande­ren Par­tei­en wahr­ge­nom­men und könn­te so indi­rekt deren Poli­tik beein­flus­sen; ein hoher Wert an Stim­men für Sons­ti­ge inkl. PIRATEN wür­de zudem als gene­rel­le Kri­tik am Wahl­sys­tem bzw. an den antre­ten­den grö­ße­ren Par­tei­en auf­ge­fasst wer­den. Zudem wür­den – je nach Ergeb­nis – eini­ge Gel­der aus der Wahl­kampf­kos­ten­er­stat­tung an die PIRATEN flie­ßen, so dass die­se Gele­gen­heit bekä­men, ihren Par­tei­auf­bau zu for­cie­ren (auch das Euro­pa­wahl­er­geb­nis führt schon jetzt zu sol­chen Effekten).

    Zu beach­ten sind aller­dings auch die nega­ti­ven Effek­te: so geht jede Stim­me für die PIRATEN – so sie nicht aus dem Lager der Nicht­wäh­le­rIn­nen kommt – einer ande­ren Par­tei ab, deren Gewicht damit geschwächt wird. Gera­de bei einem knap­pen Wahl­aus­gang könn­ten die so feh­len­den Stim­men über Mehr­hei­ten für Regie­rungs­bil­dun­gen ent­schei­den (wenn also z.B. schwarz-gelb knapp eine Mehr­heit erhält).

    Zudem bedeu­tet eine Stim­me für eine Par­tei ohne Chan­ce auf Ein­zug in den Bun­des­tag, dass die Hür­de, um eine Mehr­heit der Sit­ze zu erhal­ten, sinkt. Wenn zehn Pro­zent der Stim­men auf Sons­ti­ge ent­fal­len, rei­chen (je nach Sitz­ver­tei­lungs­ver­fah­ren) schon z.B. 46 Pro­zent der abge­ge­be­nen gül­ti­gen Stim­men aus, um eine abso­lu­te Mehr­heit an Sit­zen zu errei­chen. Das ist unter demo­kra­tie­theo­re­ti­schen Gesichts­punk­ten – Reprä­sen­ta­ti­on des Wäh­ler­wil­lens – schwie­rig (und natür­lich prin­zi­pi­ell kein Effekt des Antre­tens von Kleinst­par­tei­en, son­dern ein Effekt der Sperrklausel).

    Bis­her ging es nur um Zweit­stim­men. Die­se sind für die Zusam­men­set­zung des Bun­des­tags rele­van­ter; zwei­tens wird es, wenn ich das bis­her rich­tig sehe, nur weni­ge Wahl­krei­se geben, in denen PIRATEN mit Direkt­kan­di­da­ten (und Kan­di­da­tin­nen?) antre­ten wer­den. Je nach Stär­ke der ande­ren Par­tei­en in die­sen Wahl­krei­sen sind die Effek­te von Erst­stim­men unterschiedlich.

    Fazit zu die­sem Fall: wenn zu erwar­ten ist, dass die PIRATEN die Fünf-Pro­zent-Hür­de nicht über­schrei­ten wer­den, bedeu­tet eine Zweit­stim­me für die PIRATEN, ein media­les Signal zu set­zen, zugleich aber zu einem Bun­des­tag bei­zu­tra­gen, in dem bestimm­te Inter­es­sen nicht ver­tre­ten sind und mög­li­cher­wei­se gera­de wegen der Pro­test­stim­men ande­re Mehr­hei­ten zustan­de kom­men, als „in Zweit­prä­fe­renz“ von Anhän­ge­rIn­nen der PIRATEN gewünscht – ins­be­son­de­re erhöht jede Stim­me für die PIRATEN, wenn die Annah­me stimmt, dass ein gro­ßer Teil der PIRA­TEN-Wäh­le­rIn­nen „ansons­ten“ SPD, LINKE oder Grü­ne gewählt hät­te, die Chan­cen auf eine schwarz-gel­be Mehrheit. 

  2. Anders sieht die Situa­ti­on aus, wenn zu erwar­ten ist, dass die PIRATEN sich nahe an der Fünf-Pro­zent-Hür­de bewe­gen. Jetzt könn­te es sein, dass eine Stim­me für die PIRATEN tat­säch­lich einen inten­dier­ten Ein­fluss auf die Zusam­men­set­zung des Deut­schen Bun­des­tags hat. Ich hal­te die­se Situa­ti­on für unwahr­schein­lich (bis­her ist der öffent­li­che Auf­schrei wegen „#Zen­sur­su­la“ außer­halb des Net­zes wenig ver­nehm­bar; auch Tauss wird’s nicht ret­ten – und zum Über­sprin­gen der Fünf-Pro­zent-Hür­de wären etwa 1,5 Mio. Stim­men not­wen­dig – mehr als fünf Mal so vie­le wie die PIRATEN bei der Euro­pa­wahl erreicht haben). Wie dem auch sei: eine PIRA­TEN-Frak­ti­on im Bun­des­tag könn­te das Züng­lein an der Waa­ge bei Koali­ti­ons­bil­dun­gen sein – zugleich sind die oben beschrie­be­nen Ein­flüs­se auf die Reprä­sen­ta­ti­on des Wäh­ler­wil­lens – aber auch das media­le Signal – bei einem knap­pen Schei­tern umso größer.

Rea­lis­tisch betrach­tet soll­ten Anhän­ge­rIn­nen der PIRATEN also nur dann für die PIRATEN stim­men, wenn ihnen 1. ein media­les Signal an ande­re Par­tei­en sehr wich­tig ist, ihnen 2. die Zusam­men­set­zung des Bun­des­tags egal ist (bzw. viel­leicht sogar Prä­fe­ren­zen für schwarz-gelb da sind), oder wenn 3. bis zur Bun­des­tags­wahl die gesamt­ge­sell­schaft­li­chen dis­kur­si­ven Erwar­tun­gen, dass ein Über­sprin­gen der Fünf-Pro­zent-Hür­de durch die PIRATEN mög­lich ist – und damit die Chan­ce, dass es dazu kommt – deut­lich zuneh­men. Die Fünf-Pro­zent-Hür­de erweist sich hier also als chao­ti­scher Attraktor.

Anders gesagt heißt das: ver­nünf­ti­ge Anhän­ge­rIn­nen der PIRATEN machen jetzt einen star­ken PIRA­TEN-Wahl­kampf, set­zen damit ande­re Par­tei­en (ins­be­son­de­re FDP und GRÜNE) unter Druck, sich netz­po­li­tisch rich­tig zu posi­tio­nie­ren – und wäh­len dann am 27.9. nicht die PIRATEN, son­dern die­je­ni­ge der grö­ße­ren Par­tei­en, die bis dahin am ehes­ten und glaub­wür­digs­ten für zen­tra­le For­de­run­gen aus dem PIRA­TEN-Pro­gramm steht. 

Sie­he gene­rell auch Tipps und Tricks zur Bun­des­tags­wahl 2009.

War­um blog­ge ich das? Vor allem als Ver­schrift­li­chung mei­ner eige­nen Über­le­gun­gen dazu, ob es sich lohnt, im grü­nen Wahl­kampf offen­siv auf die PIRATEN einzugehen.

Über Pseudonyme und PolitikerInnen

Im Kom­men­tar­be­reich mei­nes letz­ten Bei­trags zur Kom­mu­nal­wahl gab es ein paar Kom­men­ta­re, die mir einen grund­sätz­li­che­ren Kom­men­tar wert sind. 

Die Sach­la­ge: Word­Press fragt ja – aus Spam­schutz­grün­den – bei der Ein­ga­be eines Kom­men­tars ver­pflich­tend nach der eMail-Adres­se. Die­se wird nicht ange­zeigt, ist mir aber – z.B. beim Frei­schal­ten des Kom­men­tars – sicht­bar. Als Blog­be­trei­ber weiss ich des­we­gen manch­mal ein biß­chen mehr als die Lese­rIn­nen des Blogs. Auch Kom­men­ta­re unter Pseud­onym sind also nur begrenzt anonym. Wer wirk­lich anonym blei­ben will, muss eine nicht exis­tie­ren­de eMail-Adres­se ein­ge­ben. (Es gäbe natür­lich auch noch den Fall, dass bewusst eine eMail-Adres­se ver­wen­det wird, die nicht zu der kom­men­tie­ren­den Per­son gehört, wor­auf ich im Moment erst­mal nicht ein­ge­hen will). 

In die­sem Fall war klar, dass ein Kom­men­tar im Sti­le eines „ich habe in der Zei­tung gele­sen, dass die GAF dies und das tut, und des­we­gen ist sie nicht wähl­bar“ tat­säch­lich von einem grü­nen Stadt­rat kam. Das hat mich ziem­lich geär­gert, weil ich das als unlau­ter anse­he. Nicht ganz so krass wie die­ser Fall, aber doch ärger­lich. Des­we­gen habe ich ges­tern abend – halb im Affekt ;-) – die­se Tat­sa­che öffent­lich gemacht. Nicht den Namen des Stadt­rats, aber die Tat­sa­che, dass die­ser Kom­men­tar der eMail-Adres­se nach von einem grü­nen Stadt­rat kam.

Wenn ich etwas län­ger drü­ber nach­ge­dacht hät­te, hät­te ich den Kom­men­tar viel­leicht etwas anders for­mu­liert. Mir ging es nicht dar­um, eine kon­kre­te Per­son bloß­zu­stel­len. Mit der Zuord­nung „grü­ner Stadt­rat“ und Frei­bur­ger The­men könn­ten sich hin­ter dem Pseud­onym ja immer noch unge­fähr 11 Per­so­nen ver­ber­gen. Nach Schlaf drü­ber hät­te ich aber viel­leicht eher eine For­mu­lie­rung „ein Poli­ti­ker“ o.ä. gewählt – weil’s mir eben nicht um die Per­son geht, und auch nicht um ein Outing von irgend­wem, son­dern um den schlech­ten Stil, sich als Poli­ti­ke­rIn und damit als Per­son des öffent­li­chen Lebens hin­ter einem Pseud­onym zu verstecken.

Ich könn­te jetzt lang zur Real­na­me-Debat­te im Netz aus­ho­len. Das will ich hier nicht tun, son­dern ganz kurz fünf Über­le­gun­gen beschreiben.

1. Pseud­ony­mi­tät / Anony­mi­tät hat im Netz eine lan­ge Tra­di­ti­on. „No one knows you are a dog“. Gera­de im Kon­text von Geschlechts­iden­ti­tä­ten gibt es dazu auch viel Lite­ra­tur. Ein Vor­teil pseud­ony­mer Kom­mu­ni­ka­ti­on kann es sein, dass vor­ur­teils­frei­er kom­mu­ni­ziert wird. Im Ide­al­fall zählt nur die Kraft der Argu­men­te – ohne Blick auf die Per­son. Das stimmt aller­dings inso­fern nicht, als auch bei län­ge­rern Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ket­ten mit einem Pseud­onym bei den ande­ren Betei­lig­ten die­ser netz­ba­sier­ten Inter­ak­ti­on sich ein bestimm­tes Bild einer Per­son auf­baut. Die­ses kann nun – und das war ein belieb­ter Topos in den Anfangs­ta­gen des Net­zes – durch­aus auch ein Bild einer Per­son sein, die mit der „Off­line-Per­son“ wenig zu tun hat. Das Netz als Spiel, mit flui­der Iden­ti­täts­kon­struk­ti­on. Heu­te ist – neben Rol­len­spie­len und „Spaß-Foren“ – viel­leicht Second Life noch am ehes­ten ein Ort, auf den der­ar­ti­ge Über­le­gun­gen zutreffen.

2. The­se: der Erfolg von Face­book, Twit­ter & Co. beruht auch dar­auf, dass hier über­wie­gend „ech­te Per­so­nen“ auf­tau­chen, und kei­ne gespiel­ten Identitäten.

3. In poli­ti­schen Kon­tex­ten hat Anony­mi­tät dann eine sinn­vol­le Funk­ti­on, wenn es um „whist­le­b­lo­wing“ geht. Wenn nicht-öffent­li­che Doku­men­te öffent­lich gemacht wer­den, wenn Inter­na berich­tet wer­den – ohne dass die berich­ten­de Per­son auf­ge­deckt wird. In der Zei­tung heißt das Pseud­onym dann „aus Krei­sen“. Schon allein des­we­gen, weil es nach mei­nem Kennt­nis­stand durch­aus mög­lich wäre, die Her­aus­ga­be der eMail-Adres­se z.B. des Kom­men­ta­tors eines straf­recht­lich rele­van­ten Kom­men­tars gericht­lich zu erzwin­gen, wür­de ich hier aller­dings nicht dar­auf ver­trau­en, dass die eMail-Adres­se vom Blog­be­trei­ber schon nicht wei­ter­ge­ge­ben wird, son­dern dazu raten, dann rich­tig anonym auf­zu­tre­ten. (Eben­so, wenn es um Kom­mu­ni­ka­ti­on in Dik­ta­tu­ren geht).

4. In poli­ti­schen Kon­tex­ten hat Anony­mi­tät bzw. die Annah­me fal­scher Iden­ti­tä­ten natür­lich auch dann eine Tra­di­ti­on, wenn es dar­um geht, bewusst Gerüch­te in die Welt zu set­zen oder „dem Geg­ner“ zu scha­den. Die­se Tra­di­ti­ons­li­nie hal­te ich aller­dings für verwerflich.

5. Weil (4) bekannt ist, hal­te ich – trotz der Netz­tra­di­ti­on (1) – wenig davon, in poli­ti­schen Debat­ten pseud­onym auf­zu­tre­ten. Oder posi­ti­ver for­mu­liert: das Gewicht von Argu­men­ten gewinnt an Bedeu­tung, wenn ich es einer tat­säch­li­chen poli­tisch han­deln­den Per­son zurech­nen kann, und mir nicht nur mit einer kon­stru­ier­ten Spiel­iden­ti­tät einen rhe­to­ri­schen Kampf lie­fe­re. Poli­ti­sche Online-Kom­mu­ni­ka­ti­on, die an real­welt­li­che Kon­tex­te ange­bun­den ist – bei­spiels­wei­se eine Wahl­ent­schei­dung oder Berich­te über poli­ti­sche The­men in einer Stadt – fin­det unter „Wirk­lich­keits­ver­dacht“ (so hat­te ich das in mei­ner Magis­ter­ar­beit genannt) statt. Des­we­gen erwar­te ich von Per­so­nen des öffent­li­chen Lebens – zumin­dest sol­chen, denen ich poli­ti­sche Ehr­lich­keit unter­stel­le – sich in poli­ti­schen Debat­ten nicht hin­ter einer Mas­ke zu ver­ste­cken. Son­dern Inter­es­sen auf den Tisch zu legen. 

Und des­we­gen das „Tei­lou­ting“.

War­um blog­ge ich das? Weil mir die­se Über­le­gun­gen für einen Kom­men­tar im Kom­men­tar­feld dann doch etwas zu wich­tig sind – und jetzt bit­te wäh­len gehen!

Kurz: Erst ab 14 lesen … (Update 5: der Roboter war’s)

… soll­test Du, soll­ten Sie die­ses Blog. Sagt jeden­falls „Jugend­schutz­pro­gramm“, ein wohl recht weit ver­brei­ter­ter, von Bau­er und Free­net ent­wi­ckel­ter Jugend­schutz­fil­ter (a pro­pos Jugend­schutz: es feh­len noch unge­fähr 5000 Mit­zeich­ne­rIn­nen für die Peti­ti­on gegen die Von-der-Ley­en-Sper­ren, um 100.000 Mit­zeich­ne­rIn­nen zu errei­chen). Die­ser Bau­er-Free­net-Fil­ter – Ero­tik-Bezahl-Inhal­te – ist ein schö­nes Bei­spiel für die Miss­brauchs­ge­fahr von Sperr­lis­ten. Denn in der Nega­tiv­lis­te ste­cken nicht nur die eigent­lich dort hin­ge­hö­ren­den Ero­tik- und Gewalt­sei­ten, son­dern auch das kri­ti­sche und links­li­be­ra­le Spek­trum. Mit der Frei­ga­be ab 14 bin ich noch ganz gut weg­ge­kom­men, diver­se grü­ne und links­li­be­ra­le Blogs sind ganz gesperrt, auch gruene.de ist gesperrt (Nach­trag: inzwi­schen auf auf „ab 14“ run­ter­ge­setzt), eben­so die taz.de (wei­ter­hin ganz gesperrt). 

Was das soll? Bis­her gibt es nur Ver­mu­tun­gen, die sind beim Spie­gel­fech­ter gut zusam­men­ge­fasst. Ich habe Frei­tag eine höf­li­che Mail an jusprog.de geschickt, die aber bis­her nicht beant­wor­tet wur­de. Bleibt also der Ver­dacht, der gera­de die Rune im Netz zieht, dass da jemand unter dem Deck­man­tel „Jugend­schutz“ alles all­zu unlieb­sa­me, kri­ti­sche für Kin­der und Jugend­li­che, deren Eltern (oder Insti­tu­tio­nen) wohl­mei­nend die­sen Fil­ter instal­lie­ren, aus dem Netz räumt. Mal schau­en, ob ein medi­al wirk­sa­mer Skan­dal drauß wird. Ein „schö­nes“ Bei­spiel für die Risi­ken und Neben­wir­kun­gen von Fil­ter­pro­gram­men ist es allemal. 

Update (26.5.2009): Ich ste­he mit feh­len­den Ant­wor­ten auf eine höf­li­che Anfra­ge nicht allei­ne da – selbst der Tele­po­lis gegen­über woll­te sich jusprog.de wohl nicht äußern. Dubios!

Update 2 (27.5.2009): Inzwi­schen hat jusprog.de mir eine Ant­wort­mail auf mei­ne Anfra­ge geschickt. Klingt ganz freund­lich – jetzt bin ich auf die ange­kün­dig­ten Inter­views gespannt. Und was sonst dahin­ter ste­cken könn­te, wenn’s kei­ne poli­ti­sche Vor­auswahl ist:

Hal­lo Herr Westermayer,

Vie­len Dank für Ihre Anfra­ge, wir über­prü­fen bereits gewis­sen­haft alle Mel­dun­gen. Es wer­den in den nächs­ten Tagen Inter­views bei heise.de und Taz.de erschei­nen, in denen der Ver­ein Stel­lung bezieht. Sei­en Sie ver­si­chert, dass kein poli­ti­sches Motiv unser Han­deln antreibt.

Mit freund­li­chen Grüßen

Ihr Help­desk-Team

Update 3: Gleich danach gab’s noch eine Mail, und zwar als Reak­ti­on auf mei­ne kon­kre­te Kri­tik, dass taz.de fälsch­lich gesperrt sei. Klingt nach Stan­dard­text – und zwi­schen den Zei­len weni­ger sinn­voll. Unmo­de­rier­te Foren gibt’s bei der taz näm­lich nicht.

Guten Tag,

Die Sei­te „taz.de“ ist als Rubrik „Default ab 14“ in den Fil­ter ein­ge­tra­gen und kann von Ihnen selbst natür­lich sofort wie­der mit­tels Admin Pass­wort als ein­zel­ne URL oder Rubrik frei­ge­ge­ben werden.

Bei unse­rer Soft­ware geht es nicht nur um Ero­tik son­dern auch den Schutz von Kin­dern im Netz vor unmo­de­rier­ten Foren etc.

Es muss also enwe­der die Sei­te selbst, oder die ent­spre­chen­de Kate­go­rie frei­ge­ge­ben wer­den, um Zugriff auf die Sei­te zu haben. Die Frei­schal­tung kann nur durch den Admi­nis­tra­tor erfolgen.

Mit freund­li­chen Grüßen

Ihr Help­desk-Team

Update 4 (28.5.2009): Soll­te das hier der oben ange­kün­dig­te taz-Bericht sein, klingt das aller­dings mehr nach der alten Lei­er – kein Kom­men­tar, wir sagen nichts zu Details und kön­nen es auch nicht erklä­ren, Sperr­emp­feh­lun­gen geben wir trotz­dem. Aber viel­leicht kommt ja noch mehr. 

Übri­gens: war­um ist die Debat­te um ein Fil­ter­pro­gramm rele­vant? Ers­tens, weil genau die­ses Fil­ter­pro­gramm mög­li­cher­wei­se bald eine offi­zi­el­le Ein­satz­emp­feh­lung bekom­men; zwei­tens, weil dar­an die Pro­ble­ma­tik von „gehei­men“ Sperr­lis­ten schön deut­lich wird – und drit­tens, weil sich zeigt, dass Eltern, die ihre Kin­dern ein „siche­res“ Netz prä­sen­tie­ren wol­len (was ja durch­aus ein legi­ti­mes Anlie­gen ist), gut dar­an tun, ent­spre­chen­de Fil­ter vor Ein­satz selbst zu tes­ten – und nöti­gen­falls so lan­ge an den Ein­stel­lun­gen her­um­zu­dre­hen, bis zumin­dest ein paar lesens­wer­te Sei­ten auch für Teens auf­tau­chen. Gleich­zei­tig wird deut­lich: blin­des Ver­trau­en in Soft­ware ist – wie immer – Murks.

Update 5 (29.5.2009): Schrieb ich da gera­de was vom blin­den Ver­trau­en in Soft­ware? Wie sich jetzt her­aus­stellt, wer­den die in den Fil­ter ein­ge­pfleg­ten Sei­ten nicht von „gut­ge­schul­ten Mit­ar­bei­tern“, son­dern in ers­ter Linie von „Craw­lern“ – also Soft­ware­agen­ten – erfasst, die neue Sei­ten sich­ten und ver­su­chen, die­se anhand von Wort­ver­knüp­fun­gen „raten“ (oder ver­su­chen, zu er-raten, um was es geht). 

Im Rosengarten

Pastel Cabbages
Foto: Sister72, Lizenz: CC-BY

Dr. Wro­lem summ­te die Par­tei­hym­ne. Er ließ sei­nen Blick über die Bee­te der Anla­ge schwei­fen. Er ver­such­te, tief ein­zu­at­men, und den Duft der Rosen wahr­zu­neh­men. Es war tro­cken und heiß. Bei Wet­ter wie die­sem spür­te er sei­nen Kör­per, und das war ihm nicht ange­nehm. Noch vor eini­gen Jah­ren waren es Stan­gen­boh­nen gewe­sen, und Kohl, immer wie­der Kohl, auf den Bee­ten, auf denen jetzt die Rosen­stö­cke stan­den. Erst all­mäh­lich sind die letz­ten Spu­ren der welt­wei­ten Depres­si­on ver­schwun­den. In den Jah­ren direkt nach der Jahr­tau­send­wen­de, in der Zeit der Gro­ßen Koali­ti­on, da hat­te man Angst gehabt. Die Risi­ko­ge­sell­schaft hat­ten sie es genannt. Er war damals noch jung und fit gewe­sen, aber auch an die­se Angst konn­te er sich noch genau erinnern.

Schon vor einem Jahr habe ich eine Kurz­ge­schich­te zur Aktua­li­tät von Zen­sur- und Über­wa­chungs­dys­to­pien geschrie­ben. Lei­der hat sie an Aktua­li­tät nichts ein­ge­büsst. Des­we­gen gibt es sie jetzt online:

Im Rosen­gar­ten (pdf)

Viel Ver­gnü­gen! Die Geschich­te steht unter der Lizenz CC-BY-SA-NC, d.h. sie darf für unter ähn­li­chen Lizen­zen ste­hen­de nicht­kom­mer­zi­el­le Wer­ke bei Namens­nen­nung frei kopiert und wei­ter­ge­ge­ben wer­den (den „Quell­text“ gebe ich bei Bedarf ger­ne wei­ter – bit­te ein­fach bei mir melden).