Platzhalterbild für antigrüne Propaganda

Der vierte Advent – und eine unschöne Überraschung von der AfD Berlin

Im Fol­gen­den geht es dar­um, wie es dazu kam, dass ich mich am Advents­sonn­tag als „Vor­stand ‚Bünd­nis 90/Die Grü­nen‘ “ unver­hofft – und wider Wil­len – auf einem grü­nen­feind­li­chen Share­pic der AfD Ber­lin wiederfand. 

Das Bild, auf dem ich zu sehen bin, und um das es dabei geht, ist die­se hier. Dass die­ses Bild von der AfD ver­wen­det wur­de, dar­auf mach­te mich – am vier­ten Advents­sonn­tag, ich schau­te erst am spä­te­ren Vor­mit­tag mal in die sozia­len Medi­en – ein Tweet des Deutsch­land­funk-Jour­na­lis­ten Falk Stei­ner auf­merk­sam. Mit­ten in einer Debat­te dar­über, ob das Zitat, dass die AfD Ber­lin dem „Vor­stand ‚Bünd­nis 90/Die Grü­nen‘ “ in den Mund leg­te, irgend­wie glaub­haft sein könn­te. Falk fiel jeden­falls auf, dass die auf dem win­zi­gen Foto abge­bil­de­te Per­son ziem­lich nach mir aus­sah – und dass ich bis­her nicht durch Zita­te zum The­ma „deut­sche Bevöl­ke­rung zurück­drän­gen“ auf­ge­fal­len bin. (Wer sich anschau­en will, wie das von der AfD ver­brei­te­te Share­pic aus­sah, kann das in die­sem Screen­shot tun, abdru­cken will ich den Tweet nicht, weil so ein Unsinn nicht wei­ter ver­brei­tet wer­den muss). 

Klar war auch, dass es sich hier um ein älte­res Foto han­deln muss­te: das Logo wird seit eini­gen Jah­ren nicht mehr ver­wen­det, mei­ne Haa­re sind inzwi­schen deut­lich grau­er gewor­den. Inzwi­schen habe ich – auch mit Hil­fe von TinEye – das Ursprungs­bild gefun­den. Im Jahr 2007 fand ein Lan­des­aus­schuss der baden-würt­tem­ber­gi­schen Grü­nen statt, bei dem unter ande­rem – nach län­ge­rem Vor­lauf – über das Grund­ein­kom­men dis­ku­tiert wur­de. Mein Blog­text dazu ist noch online, das dort ver­link­te ehe­ma­li­ge Grund­ein­kom­mens­blog der baden-würt­tem­ber­gi­schen Grü­nen nicht mehr. Ich hat­te das Bild damals als Vor­schau­bild im Blog ver­wen­det, ich ver­mu­te, dass das Ori­gi­nal im Bericht der Lan­des­par­tei auf dem Grund­ein­kom­mens­blog zu fin­den war. 

„Platz­hal­ter­bild für anti­grü­ne Pro­pa­gan­da“ weiterlesen

Selbstbild als Merkel-Fangirl

Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Ralf Fücks
CC-BY-ND, Hein­rich-Böll-Stif­tung

Zu mei­nem gro­ßen Erstau­nen fand ich die Bun­des­kanz­le­rin heu­te gerad­li­nig, klug, sym­pa­thisch und prä­zi­se. Aber der Rei­he nach: nach eini­gen Schüs­sen aus der Regie­rungs­ko­ali­ti­on gegen die Flücht­lings­po­li­tik von Ange­la Mer­kel gab es heu­te die Gegen­of­fen­si­ve – eine Rede vor dem Euro­päi­schen Par­la­ment (habe ich nicht gese­hen) und ein gro­ßes Inter­view bei Anne Will, das Mer­kel nutz­te, um ihre Posi­ti­on dar­zu­le­gen und zu erläu­tern. (Ja, der Hash­tag „#mer­kel­will“ pass­te durchaus …)

Beein­druckt haben mich Sät­ze wie der, dass sie nicht bei einem Über­bie­tungs­wett­be­werb der Abschre­ckung mit­ma­chen möch­te, und wie sie die Idee, dass ein Sel­fie mit der Kanz­le­rin Fluch­t­an­reiz sein könn­te, als Popu­lis­mus ent­larv­te. Beein­druckt hat mich auch, wie offen Mer­kel dazu stand, dass die Situa­ti­on sich von Tag zur Tag ändern kann, dass auch sie nur opti­mis­tisch dar­auf set­zen kann, dass wir es schaf­fen. Und schließ­lich hat mich beein­druckt, dass sie klar fest­ge­stellt hat, dass eine Abschot­tung Deutsch­lands schlicht nicht funk­tio­nie­ren wür­de, selbst wenn sie denn gewollt wäre, und dass eine Dis­kus­si­on um Ober­gren­zen nicht sinn­voll ist. 

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Kulturkampf um das imaginäre Land

Adopt a pop culture I

Um die Zukunft und die Ver­gan­gen­heit – so weit sie als Sci­ence Fic­tion bzw. als Fan­ta­sy ima­gi­niert wer­den – fin­det der­zeit, von der grö­ße­ren Öffent­lich­keit weit­ge­hend unbe­merkt, ein Kul­tur­kampf statt. Unbe­merkt, aber nicht unwich­tig, denn wo anders als in die­sem Gen­re ent­steht das kol­lek­ti­ve Ima­gi­nä­re? Ein heiß dis­ku­tier­tes Sym­ptom für die­sen Kul­tur­kampf sind die vor weni­gen Tagen bekannt­ge­ge­be­nen Hugo-Nomi­nie­run­gen. Um das zu ver­ste­hen, ist aller­dings etwas Hin­ter­grund notwendig.

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Kurz: … und Verantwortung

Zum Dran­rum­knab­bern die Fra­ge, was der rich­ti­ge Ort der Gren­zen der grund­ge­setz­lich garan­tier­ten Frei­hei­ten wäre. Mora­lisch oder so betrach­tet wäre das die Frei­heit der Ande­ren – aber wie viel davon lässt sich staat­lich (und damit poli­tisch) fest­le­gen, und wie viel kann sinn­vol­ler­wei­se nur auf so eine Art vagen zivil­ge­sell­schaft­li­chen Kon­sens bezo­gen wer­den, der sich letzt­lich auf indi­vi­du­ell zuzu­rech­nen­de Eigen­schaf­ten – Tugen­den? – wie Ach­tung, Auf­merk­sam­keit, Respekt, Höf­lich­keit oder eben Ver­ant­wor­tung redu­zie­ren lässt, aber kaum gesetz­lich regu­lier­bar ist? Die­se Fra­ge taucht bei Ein­grif­fen in die Frei­heit der Wis­sen­schaft (da gibt es dann noch so etwas wie die ima­gi­nä­re Gemein­schaft der Wis­sen­schaft­le­rIn­nen, die in Kol­lek­tiv­sub­jek­ten wie den Mit­glie­dern einer Uni­ver­si­tät eine kon­kre­te Form annimmt) eben­so auf wie bei der Debat­te um Mei­nungs- und Pres­se­frei­heit. Anders gesagt: Mit Frei­hei­ten kommt Ver­ant­wor­tung im Hin­blick auf Kon­se­quen­zen, die aber – und das ist der kniff­li­ge Punkt – indi­vi­du­ell gefüllt und nicht vom Staat über­nom­men und ent­schie­den wer­den kann. Damit mei­ne ich nicht, dass der Staat indi­vi­du­el­le Frei­hei­ten nicht schüt­zen muss. Das ist defi­ni­tiv eine staat­li­che Auf­ga­be. Viel­mehr mei­ne ich, dass es falsch wäre, von Staat und Poli­tik ein­zu­for­dern, den ver­ant­wort­li­chen, respekt­vol­len, … Umgang mit indi­vi­du­el­len Frei­hei­ten ein­zu­for­dern. Das hie­ße, zu Ende gedacht, Zen­sur bestimm­ter Hand­lun­gen und Äuße­run­gen bzw. Kata­lo­ge erlaub­ter bzw. ver­bo­te­ner Fül­lun­gen für indi­vi­du­el­le Frei­hei­ten. Oder, schlim­mer noch, Will­kür und damit eine völ­li­ge Ent­lee­rung der Freiheiten. 

So weit, so gut – was aber tun mit denen, die unhöf­lich, respekt­los, unver­ant­wort­lich ihre Frei­hei­ten nut­zen? Braucht es da doch staat­lich durch­setz­ba­rer Schran­ken (Belei­di­gung, üble Nach­re­de, Gefähr­dung der öffent­li­chen Ord­nung, Ver­wen­dung natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Sym­bo­le, …) – oder ist hier eine star­ke Zivil­ge­sell­schaft gefragt, die gege­be­nen­falls wider­spricht, erklärt, iso­liert und sub­til Stan­dards des Umgangs durch­setzt, mög­li­cher­wei­se auch in Form gewis­ser Insti­tu­tio­na­li­sie­run­gen (Pres­se­rat, Ethik­kom­mis­sio­nen, …)?  Und wenn ja – wel­che Rol­le spie­len Bil­dung sowie die Gewähr media­ler wie öffent­li­cher Räu­me dafür, dass die­ses Vor­ha­ben klappt? (Und was pas­siert, wenn neue Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­men eta­blier­te Stan­dards in Fra­ge stellen?)

Fak­tisch leben wir in einer hete­ro­ge­nen Welt, in der gesetz­li­che und gesell­schaft­lich-dis­kur­si­ve Schran­ken der indi­vi­du­el­len Frei­hei­ten wild durch­ein­an­der­ge­hen und sich noch dazu stän­dig neu ord­nen. Den lee­ren Tisch, auf dem die Fra­ge nach Frei­heit und Ver­ant­wor­tung ordent­lich sor­tiert wer­den kann, gibt es nicht. Und trotz­dem bleibt ein Unbe­ha­gen sowohl mit Ver­su­chen der staat­li­chen Ein­schrän­kung als auch mit der Wahr­neh­mung (neu­er?) zivil­ge­sell­schaft­li­cher Leer­stel­len, wo es um einen ver­ant­wort­li­chen Umgang mit­ein­an­der geht.