Ein bißchen „online“ sein

WLANIn einem Tweet hat­te ich geschrie­ben, dass ich „über das Wochen­en­de ein biß­chen off­line“ war. Prompt wur­de behaup­tet, online/offline gin­ge nur gar und ganz, das sei binär codiert. In jedem gege­be­nen Moment mag das zutrif­fen, aber ist „online sein“ bzw. „off­line sein“ nicht auch ein, hmm, Lebens­ge­fühl? Oder, noch­mal anders aus­ge­drückt, letzt­lich eine Fra­ge der Prä­senz – irgend­wo zwi­schen fest und klar umris­sen oder eine zeit­lang nur in geis­ter­haf­ten Fetzen?

Das Hin­ter­grund­fens­ter zur Welt ist auch offen, wenn ich im Vor­der­grund was ande­res tue und auch der Fokus mei­ner Auf­merk­sam­keit woan­ders liegt. Bin ich dann online?

Viel­leicht irri­tiert es mich des­we­gen auch, wenn in Umfra­gen gefragt wird, wie vie­le Stun­den ich am Tag online bin. Wie lan­ge mein Com­pu­ter ange­schal­tet ist? Wie lan­ge die Inter­net-Ver­bin­dung aktiv ist? Wie­vie­le Sekun­den ins­ge­samt Paket­da­ten dar­über aus­ge­tauscht wur­den? Wie­viel Zeit ich „im Brow­ser­fens­ter“ ver­bracht habe? 

Und anders­her­um: wenn ich das Wochen­en­de über den Rech­ner aus habe, mor­gens ein­mal kurz in die Mail­box schaue – bin ich dann online? Das war es, was ich mit iro­ni­scher Unter­trei­bung als „ein biß­chen off­line sein“ beschrie­ben hatte.

Wenn jemand jeden Tag den Rech­ner (oder das iPho­ne oder …) lau­fen hat, in Sekun­den­bruch­tei­len eine Paket­da­ten­ver­bin­dung auf­bau­en kann – ist sie dann „immer online“? Wenn jemand nur ein­mal am Tag für zwei Stun­den „ins Netz geht“ – was ist mit dem? Ein biß­chen online, ein biß­chen offline? 

Binär codiert? Nein, ein Kon­ti­nu­um, das letzt­lich nicht nur tech­ni­sche Ver­füg­bar­keit aus­drückt, son­dern eben auch die qua­si­räum­li­che Prä­senz im sozia­len Netz­werk. Und die ist nicht da oder nicht da, son­dern kann vari­ie­ren und gemes­sen wer­den. Auch wenn die „Stun­den am Tag im Netz“ kein guter Maß­stab sind.

War­um blog­ge ich das? Laten­tes Unbe­ha­gen über binä­re Kodierungen.

Wahlcomputer-Urteil (Update: CCC, Grüne)

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat soeben das Urteil zu zwei Wahl­prü­fungs­be­schwer­den, die sich gegen den Ein­satz von „Wahl­com­pu­tern“ gewandt haben, ver­öf­fent­licht. Tenor: der Bun­des­tag muss nicht auf­ge­löst wer­den, weil es kei­ne Hin­wei­se auf Mani­pu­la­tio­nen gab, der Ein­satz von Wahl­com­pu­tern bei der Bun­des­tags­wahl 2005 war jedoch verfassungswidrig.

Twit­ter und das CCC-Umfeld jubeln jetzt erst­mal. Auch ich fin­de das Urteil gut. Das hat zum einen etwas damit zu tun, dass ich in der feh­len­den Nach­voll­zieh­bar­keit der Aus­zäh­lung und in der Gefahr „unsicht­ba­rer“ Mani­pu­lier­bar­keit eben auch gro­ße Schwach­stel­len von Wahl­com­pu­tern und Inter­net­wahl sehe.

Zum ande­ren gefällt mir das Urteil – und unter­schei­de ich mich wohl vom netz­po­li­ti­schen Main­stream – weil es die Mög­lich­keit offen lässt, ver­fas­sungs­kon­for­me Vari­an­ten von Wahl­com­pu­tern und Inter­net­wahl zu ent­wi­ckeln. Bei Spie­gel Online wird dazu Andre­as Voss­kuh­le zitiert: 

„Der Tenor der Ent­schei­dung könn­te dazu ver­lei­ten, zu mei­nen, das Gericht sei tech­nik­feind­lich und ver­ken­ne die Her­aus­for­de­run­gen und Mög­lich­kei­ten des digi­ta­len Zeit­al­ters“, sag­te Voss­kuh­le. Dies tref­fe jedoch nicht zu. Der Ein­satz von Wahl­ge­rä­ten sei durch­aus mög­lich. „Auch Inter­net-Wah­len hat das Gericht nicht etwa einen end­gül­ti­gen Rie­gel vorgeschoben.“ 

Ich glau­be nicht, dass es sinn­voll ist, zuviel Eupho­rie an digi­ta­le Stimm­ab­ga­be dran­zu­hän­gen – etwa in der Hoff­nung, dass dann die Wahl­be­tei­li­gung stei­gen und die Poli­tik­ver­dros­sen­heit abneh­men wür­de. Die Leu­te gehen nicht des­we­gen nicht zur Wahl, weil der Weg zum Wahl­lo­kal zu weit. 

Trotz­dem hal­te ich es für sinn­voll, dar­über nach­zu­den­ken, wie eine digi­ta­le Wahl (Inter­net, Wahl­com­pu­ter, digi­ta­les Ein­le­sen von Stimm­zet­teln, …) aus­se­hen kann, die den Ver­fas­sungs­an­sprü­chen der glei­chen, gehei­men und im Ergeb­nis nach­voll­zieh­ba­ren Wahl genügt, aber trotz­dem den Weg öff­net, zum Bei­spiel Volks­ab­stim­mun­gen zu vereinfachen. 

Die der­zei­ti­gen Wah­len sind teu­er und auf­wän­dig. Das wird der­zeit z.B. in NRW von den Grü­nen ange­führt – als Gegen­ar­gu­ment zu einem Extra-Wahl­ter­min für die Kom­mu­nal­wahl (42 Mil­lio­nen). Wenn es hier gelingt, mit Hil­fe von Infor­ma­ti­ons­tech­nik die Trans­ak­ti­ons­kos­ten der Demo­kra­tie zu sen­ken, wäre etwas dafür gewon­nen, demo­kra­ti­sche Betei­li­gung zu erleich­tern. Dafür dür­fen dann natür­lich kei­ne neu­en Hür­den auf­ge­baut wer­den, etwa kom­pli­zier­te Anmel­de­ver­fah­ren – oder eben die feh­len­de Nach­voll­zieh­bar­keit der Wahl. Aber mit dem Urteil jetzt von vor­ne­her­ein jede Form digi­ta­ler Stimm­ab­ga­be zu ver­teu­feln, hal­te ich für falsch. Und freue mich des­we­gen, dass das BVerfG das wohl auch so sieht.

BDK 09 - 19

Bleibt die Fra­ge, ob per Tele­vo­ting zustan­de gekom­me­ne Par­tei­lis­ten ver­fas­sungs­kon­form sind ;-) ((Für die grü­ne Euro­pa­lis­te: Ja, weil über die eigent­li­che Lis­te noch­mal auf Papier abge­stimmt wurde))

War­um blog­ge ich das? Weil ich es wich­tig fin­de, das The­ma Wahl­com­pu­ter dif­fe­ren­ziert zu betrach­ten. Auch und gera­de nach die­sem Urteil.

Update: Bei netzpolitik.org ist ein ganz lesens­wer­tes Inter­view mit Andre­as Bogk vom CCC zu fin­den („Aller­dings bleibt die For­schung ja auch nicht ste­hen, und so ganz aus­schlie­ßen kann man nicht, daß jemand auf die ent­schei­den­de Idee kommt, wie eine elek­tro­ni­sche oder gar Online-Wahl so durch­ge­führt wer­den kann, daß sie demo­kra­ti­schen Prin­zi­pi­en ent­spricht. Wir wer­den das kri­tisch wei­ter ver­fol­gen.“). In der – noch nicht online ste­hen­den – Pres­se­er­klä­rung der Grü­nen heißt es dage­gen pau­schal: „Wahl­com­pu­ter müs­sen end­lich der Ver­gan­gen­heit ange­hö­ren“. Dem CCC mag ich tat­säch­lich kei­ne Tech­nik­feind­lich­keit vor­wer­fen; bei mei­ner Par­tei fra­ge ich mich schon, ob es so undif­fe­ren­ziert sein muss. Und bin gespannt auf die nächs­ten Wah­len auf einem Par­tei­tag mit Wahlcomputern.

Kurzeintrag: Netzpolitik improvisiert, aber gut

Es tobt der Blog­ger­kon­gress re:publica in Ber­lin und mit­ten­mang Netzpolitik.org-Blogger Mar­kus Becke­dahl mit sei­nem – als For­de­rungs­ka­ta­log ver­harm­los­ten – The­sen­pa­pier zu einer zeit­ge­mä­ßen Netz­po­li­tik in Deutsch­land. Die­ses Papier hat es in sich – unge­ho­belt, pole­misch, mit­ten ins Schwar­ze: Inter­net als Grund­ver­sor­gung, För­de­rung von Open-Source-Com­mu­ni­tys, Freie Soft­ware als Wirt­schafts­fak­tor, Poli­ti­ker, die sich das Netz nicht aus­dru­cken, öffent­lich geför­der­te Infor­ma­tio­nen bit­te unter offe­ne Lizen­zen, freie, anony­me Kom­mu­ni­ka­ti­ons­we­ge in der digi­ta­len Gesell­schaft, ein Urhe­ber­recht, das sich der Gesell­schaft anpasst und nicht umgekehrt.

Was die­ses Papier will, soll­te eigent­lich eine Selbst­ver­ständ­lich­keit sein: Eine Gesetz­ge­bung, die eine freie, offe­ne und nach­hal­ti­ge digi­ta­le Gesell­schaft ermöglicht.

Das schreibt Felix Kno­ke bei Spie­gel Online. Und soll hier als Kost­pro­be genü­gen, um sich den kom­plet­ten For­de­rungs­ka­ta­log bei Mar­kus‘ netzpolitik.org anzu­schau­en und zu diskutieren.