Kurz: Halbzeitumfrage in Baden-Württemberg

Zur Halb­zeit haben SWR und Stutt­gar­ter Zei­tung etwa 1000 Men­schen in Baden-Würt­tem­berg befragt, wo die Lan­des­re­gie­rung steht. Minis­ter­prä­si­dent Kret­sch­mann ist und bleibt beliebt, und die Detail­da­ten zei­gen, dass ein gro­ßer Teil der Bevöl­ke­rung (u.a. 88 Pro­zent der Grü­nen-Anhän­ge­rIn­nen) der Mei­nung sind, dass es in die rich­ti­ge Rich­tung geht. 

Die Sonn­tags­fra­ge-Zah­len sind nicht berau­schend, ange­sichts der all­ge­mei­nen Groß­wet­ter­la­ge aber auch nicht so schlecht: 43 Pro­zent CDU, 22 Pro­zent GRÜNE, 19 Pro­zent SPD, 5 Pro­zent AFD und 4 Pro­zent FDP. Bis zur nächs­ten Land­tags­wahl kann sich da noch was tun. Wir lie­gen ein Tor zurück, das kön­nen wir aufholen.

Oder anders aus­ge­drückt, und ganz grob (mit der Wahl­be­tei­li­gung der letz­ten Land­tags­wahl) gerech­net, sind das ca. 1,1 Mio Wäh­le­rIn­nen. Davon wäh­len ca. 500.000 Men­schen uns im Land, aber nicht im Bund. Viel­leicht wegen Kret­sch­mann, viel­leicht aus ganz ande­ren Grün­den. Bis zur nächs­ten Land­tags­wahl ist es damit unse­re Her­aus­for­de­rung, die ca. 600.000 Stamm­wäh­le­rIn­nen der Bun­des­tags­wahl und die 500.000 Kret­sch­mann-Wäh­le­rIn­nen zu hal­ten – und wei­te­re, min­des­tens 250.000 Wäh­le­rIn­nen davon zu über­zeu­gen, dass es dem Land gut tut, wenn Grün in der Regie­rung vor­ne steht. Dann kann es 2016 mit der zwei­ten Legis­la­tur klappen.

Wahrheit oder Pflicht: Nachbetrachtung zum grünen Mitgliederentscheid

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Eine Beson­der­heit des grü­nen Bun­des­tags­wahl­kampfs 2013 war der Mit­glie­der­ent­scheid (kurz ). Nach dem Beschluss des Wahl­pro­gramms durch die Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz waren alle Mit­glie­der der Par­tei auf­ge­ru­fen, in einer Mischung aus Online-Debat­te und Off­line-Abstim­mung zu ent­schei­den, wel­che der 58 Schlüs­sel­pro­jek­te aus dem Wahl­pro­gramm zen­tral für den Wahl­kampf sein sol­len (sie­he dazu auch Blen­ded Par­ti­ci­pa­ti­on: Grü­ner Mit­glie­der­ent­scheid gestar­tet, Eini­ge Kenn­zah­len zum grü­nen Mit­glie­der­ent­scheid und Nach dem Mit­glie­der­ent­scheid).

Ich schrieb im Mai 2013, dass es drei Kri­te­ri­en sind, an denen sich der Erfolg des Mit­glie­der­ent­scheids bewer­ten lässt: 1. die Mobi­li­sie­rungs­wir­kung, also die Fra­ge, wie vie­le Mit­glie­der an den Debat­ten teil­neh­men, wie hoch die Betei­li­gung am Ent­scheid ist, und wel­ches Echo die gewähl­ten Pro­jek­te ent­fal­ten; 2. die Sicht­bar­keit, ob es also gelingt, den Mit­glie­der­ent­scheid öffent­lich sicht­bar zu machen, und 3. die par­ti­zi­pa­ti­ve Wir­kung, wie weit die Ergeb­nis­se also tat­säch­lich im Wahl­kampf und danach eine Rol­le spielen.

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Kurz: Koalitionsspiele, taktische

Eigent­lich ist die Koali­ti­ons­si­tua­ti­on nach die­ser Wahl so offen wie noch lan­ge nicht. Aber die Welt spielt ver­rückt: Kon­ser­va­ti­ve Sozi­al­de­mo­kra­ten for­dern zu Schwarz-Grün auf. Füh­ren­de Rea­los und Rea­las sagen, dafür sei die Zeit noch nicht reif. Die domi­nie­ren­den Figu­ren des lin­ken Lagers bei uns hal­ten dage­gen die LINKE nicht für regie­rungs­fä­hig – es sei des­we­gen nicht sinn­voll, die rech­ne­ri­sche Opti­on Rot-Rot-Grün zu son­die­ren. Die LINKE wie­der­um scheint nicht ernst­haft an Koali­ti­ons­ge­sprä­chen Inter­es­se zu haben. Neu­wah­len wären auch eine Opti­on – wenn jemand aus der Stim­men­mehr­heit von CDU/CSU, AFD und FDP auch eine Sitz­mehr­heit machen will. Aber alle zusam­men gehen sie davon aus, dass es am Schluss selbst­ver­ständ­lich eine 80%-Koalition aus CDU/CSU und SPD geben wird, SPD-Basis­vo­tum hin oder her. Wenn über­haupt, ist 2017 im Blick. Was ins­ge­samt scha­de ist – weil fast alles ande­re, inklu­si­ve eine Min­der­heits­re­gie­rung Mer­kel, mehr bewe­gen wür­de als eine Gro­ße Koalition.

Kurz: Ein Moment der Befreiung

Sky on the lane

Als klei­ner Nach­trag zu mei­ner län­ge­ren Ana­ly­se direkt nach der Wahl: Viel­leicht geht es nur mir so, aber ich emp­fin­de, nach­dem der ers­te Schock der acht Pro­zent über­wun­den ist, die poli­ti­sche Situa­ti­on nach der Bun­des­tags­wahl als einen dop­pel­ten Moment der Befrei­ung. Die­se Öff­nung mag schnell wie­der vor­bei­geht, aber jetzt ist sie da.

Befrei­ung, weil mit dem jetzt doch ziem­lich rasan­ten Rück­zug der 1998er-Gene­ra­ti­on – Jür­gen Trit­tin, Clau­dia Roth, Rena­te Kün­ast – erst spür­bar wird, wie eng die Ban­de waren, die sich mei­ne Par­tei in letz­ter Zeit auf­er­legt hat. Natür­lich ver­schwin­den lan­ge eta­blier­te inter­ne Macht­struk­tu­ren nicht, nur weil ein paar Köp­fe aus­ge­tauscht wer­den, weil sich ein paar Men­schen mehr oder weni­ger zurück­zie­hen. Bei all ihren über­haupt nicht in Fra­ge zu stel­len­den Ver­diens­ten war es doch die­se Gene­ra­ti­on, die die Peri­ode 1998 bis 2005 zum Maß­stab der Din­ge mach­te. Ja, wir haben eini­ge Feh­ler in die­ser Zeit auf­ge­ar­bei­tet – aber irgend­wie schwamm doch immer das rot-grü­ne Pro­jekt samt aller Regie­rungs­zeit­fest­le­gun­gen im kon­zep­tu­el­len Hin­ter­grund, war der Maß­stab der Din­ge. Jetzt wird es für mich spür­bar, dass wir tat­säch­li­che die Chan­ce haben, uns zu erneu­ern. Allent­hal­ben wird nach Gemein­sam­kei­ten und nach dem zen­tra­len Ele­ment grü­ner Iden­ti­tät gesucht. Wir erfin­den uns neu. Das pas­siert regel­mä­ßig, und das ist auch gut so. Und dies­mal haben wir die Chan­ce, eine Par­tei zu erfin­den, die mehr Luft zulässt, die weni­ger eng ist, und die – nicht grund­le­gend anders, aber doch reno­viert – neu kei­men wird.

Befrei­ung aber auch, weil das nur im Kon­text der Unsi­cher­heit mög­lich ist, die seit dem 22.9. bun­des­po­li­tisch herrscht. Weder Mer­kel noch Rot-Grün hat gewon­nen. Plötz­lich wird über Min­der­hei­ten­re­gie­run­gen und All­par­tei­en­ko­ali­tio­nen dis­ku­tiert. Die Kate­go­rie des staats­tra­gen­den „aber ihr müsst“ scheint nicht mehr zu gel­ten – weder SPD noch Grü­ne wol­len sich auf eine Koali­ti­on mit Mer­kel ein­las­sen. Das so fest gefugt erschei­nen­de deut­sche Regie­rungs­sys­tem zeigt ers­te klei­ne Ris­se. Ob die zuge­kit­tet wer­den, und wir in eini­gen Wochen von der 80%-Koalition erschla­gen wer­den, oder ob die­se Ris­se aus­ge­wei­tet wer­den, und auf Bun­des­ebe­ne bis­her nicht da gewe­se­ne Model­le aus­pro­biert wer­den, wer­den wir dann sehen. Bis dahin weht der Wind der Geschich­te unge­hin­dert über die deut­sche Prärie.

Beschwert euch nicht, wählt!

Lulea Gammelstad: The Church IV (detail)

Ich fin­de Stein­brück nicht son­der­lich sym­pa­thisch. Aber dar­um geht es nicht. Die Umfra­ge­wer­te sehen nicht so toll aus. Aber auch dar­um geht es nicht. Unser Par­tei­en- und Koali­ti­ons­sys­tem führt dazu, dass die Wahl am 22.9. rea­lis­ti­scher­wei­se drei Ergeb­nis­se haben kann:

1. Mer­kel und ihre schwarz-gel­be Koali­ti­on wer­den bestä­tigt und neh­men das als Signal dafür, den bis­he­ri­gen Kurs ver­schärft fort­zu­set­zen. Klar, der Blick in die Zukunft bleibt ein biss­chen nebu­lös, weil Mer­kels Kurs nicht so klar ist. Die letz­ten vier Jah­re zei­gen jeden­falls, dass dazu Bonus­po­li­tik für Lob­by­grup­pen und Bes­ser­ver­die­nen­de gehört, dass es gesell­schafts­po­li­tisch immer wie­der Rück­schlä­ge gibt und die weni­gen Ver­bes­se­run­gen oft vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt erstrit­ten wer­den muss­ten, und dass Umwelt oder Kli­ma für Mer­kel kei­ne The­men sind, und ent­spre­chend Murks betrie­ben wird.

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