Kurz: Tendenz zum Kulturkampf in Gundelfingen

Ich bin froh, wenn die­se Woche vor­bei ist. Dann wur­de näm­lich – am Sonn­tag – in Gun­del­fin­gen über die Fra­ge abge­stimmt, ob die Gemein­de sich unver­züg­lich für eine Wie­der­auf­nah­me der Stra­ßen­bahn­pla­nun­gen ein­set­zen soll oder nicht. Eine simp­le Sach­fra­ge, eigentlich. 

Der Wahl­kampf aller­dings ist zer­mür­bend. Nach­dem sich abzeich­ne­te, dass drei der vier Gemein­de­rats­frak­tio­nen den Bür­ger­ent­scheid, die Stra­ßen­bahn und über­haupt alles ver­hin­dern wol­len – SPD, CDU und anfüh­rend die Frei­en Wäh­ler mit ihrem Chef, Herrn Horn­bruch – grün­de­te ein Ange­stell­ter von Horn­bruchs Pfle­ge­dienst flugs eine Gegen-BI. Der Pfle­ge­dienst liegt an der Alten Bun­des­stra­ße, also direkt an der mög­li­chen Tras­se einer Stra­ßen­bahn­ver­län­ge­rung durch Gun­del­fin­gen. Und dann ging’s los mit Emo­ti­ons­wahl­kampf. Die 12.000-Einwohner-Gemeinde Gun­del­fin­gen wird in der Pro­pa­gan­da der Nein-Sager zum Dorf, schon im August, lan­ge vor Beginn der offi­zi­ell erlaub­ten Wahl­kampf­zeit, wird das „Dorf“ mit gro­ßen Ban­nern zuge­pflas­tert, die die Stra­ßen­bahn düs­ter aus­ma­len. An Geld scheint es der Nein-Sei­te dabei nicht zu feh­len. Anzei­gen der Frei­en Wäh­ler und der Pseu­do-BI, vie­le gro­ße Pla­ka­te, Brie­fe an Senior*innen (mit Grü­ßen des Pfle­ge­diensts) und Erstwähler*innen („mega, du“). Weni­ger wich­tig: Fak­ten und Argumente. 

Die Stra­ßen­bahn wür­de durch Land und Kreis bezahlt. Die Nein-Sei­te ver­spricht statt des­sen „E‑Busse“, pro­pa­giert die­se als bil­li­ger und fle­xi­bler. Dass der Bus­fahr­plan für Gun­del­fin­gen bes­ser wer­den kann, stimmt, dass es klug wäre, die Die­sel­bus­se – wie im Rest des VAG-Net­zes – durch E‑Busse zu erset­zen, auch. Ob die Nein-Sager und vor allem die popu­lis­tisch auf­tre­ten­den Frei­en Wäh­ler nach Sonn­tag noch etwas von E‑Bussen hören wol­len, wer­den wir dann sehen. Weil: die müss­te die Gemein­de selbst zah­len. Und sind ziem­lich teu­er. Eigent­lich wun­dert es mich nur, dass Nein-Sager-BI nicht gleich Flug­ta­xis ver­spro­chen hat.

Jeden­falls: ein eher uner­freu­li­cher Wahl­kampf, mit Popu­lis­mus, mit abge­ris­se­nen und zer­stör­ten Pla­ka­ten, mit Fehl­in­for­ma­tio­nen und einer ziem­lich zuge­spitz­ten Stim­mung. Am Sonn­tag haben wir dann min­des­tens mal Klar­heit, ob die Mehr­heit der Gundelfinger*innen möch­te, dass der nächs­te Schritt für den Anschluss ans Stra­ßen­bahn­netz gegan­gen wird. 

P.S. (17.11.): Hat lei­der nicht geklappt – wobei 42% Ja zu 58% Nein zumin­dest nicht dra­ma­tisch schlecht ist. Grü­ne Stel­lung­nah­me zum Ergebnis.

Kurz: Heiße Phase im Straßenbahnwahlkampf eingeläutet

Straßenbahn-Wahlkampf, Gundelfingen

Seit einer Woche darf pla­ka­tiert wer­den – die hei­ße Pha­se im Wahl­kampf um den Bür­ger­ent­scheid für die Wie­der­auf­nah­me der Stra­ßen­bahn-Pla­nun­gen hat begon­nen. Der Bür­ger­ent­scheid selbst fin­det am 12. Novem­ber 2023. Neben Pla­ka­ten wird es bis dahin auch noch eini­ges an offi­zi­el­len und inof­fi­zi­el­len Info-Ver­an­stal­tun­gen, Fly­ern, Info­stän­den und so wei­ter geben. Dann haben die Gundelfinger*innen das Wort, und kön­nen ent­schei­den, ob die Pla­nung für die Stra­ßen­bahn­ver­län­ge­rung der Linie 4 aus den 1990er Jah­ren aktua­li­siert wird – womit eine Grund­la­ge für eine fun­dier­te Ent­schei­dung pro/contra Stra­ßen­bahn vor­lie­gen wür­de – oder ob wie in ande­ren Orten aus Angst vor der Bau­pha­se und Fehl­vor­stel­lun­gen dar­über, wie eine Stra­ßen­bahn funk­tio­niert, die­ses Vor­ha­ben abge­sagt wird. Frei­burgs Stadt­teil St. Geor­gen stand vor eini­gen Jah­ren vor einer ähn­li­chen Ent­schei­dung, hat die Stra­ßen­bahn­an­bin­dung abge­lehnt und bedau­ert das jetzt.

Neben den Pla­ka­ten der Bür­ger­initia­ti­ve – die zei­gen, wie lebens­wert ein Ort mit Stra­ßen­bahn sein kann – und denen der Geg­ner (aggres­si­ves Ver­bots­schild, und der künst­li­che Gegen­satz von „Stadt­bahn“ und „Dorf“) haben auch wir Grü­nen ein paar Pla­ka­te unter dem Mot­to „Ja zur Stra­ßen­bahn-Pla­nung“ auf­ge­hängt. Im Ver­gleich zu der sehr gro­ßen Pla­katan­zahl der aus dem Gun­del­fin­ger Arbeits­kreis Mobi­li­tät her­vor­ge­gan­ge­nen Stra­ßen­bahn-BI und denen der Gegner*innen (die bereits im August, weit vor Beginn der offi­zi­el­len Fris­ten, die Gemein­de mit Ban­nern geflu­tet hat­ten) gehen unse­re weni­gen Pla­ka­te aller­dings fast unter. Dass ein Vier­tel davon kurz nach dem Auf­hän­gen zer­stört oder abge­ris­sen wur­de, trägt auch nicht zur Sicht­bar­keit bei. Über zer­stör­te Pla­ka­te klagt auch die BI für die Stra­ßen­bahn. Es ist ein biss­chen beängs­ti­gend zu sehen, was ein sach­li­ches The­ma wie die Fra­ge zukunfts­fä­hi­ger Mobi­li­tät für Pola­ri­sie­rung und Aggres­si­on her­vor­ruft. Neben Ängs­ten um das „Dorf“ mit sei­nen inzwi­schen fast 12.000 Einwohner*innen – ande­re Gemein­den die­ser Grö­ße den­ken dar­über nach, das Stadt­recht zu bean­tra­gen – dürf­te da auch mit­spie­len, dass die Stra­ßen­bahn eine Alter­na­ti­ve zum Auto­ver­kehr dar­stellt. Und Autos sind viel zu vie­len Men­schen lei­der immer noch ein Heiligtum.

Die Geg­ner der Stra­ßen­bahn stel­len ein E‑Bus-Sys­tem ins Schau­fens­ter. Das gibt es noch nicht, es gibt auch kei­ne kon­kre­ten Aus­sa­gen dazu, was das kos­ten wür­de, und die Anti-Stra­ßen­bahn-Frak­tio­nen FW, SPD und CDU haben bis­her auch nichts unter­nom­men, um so ein Sys­tem zu eta­blie­ren. Mit ande­ren Wor­ten: das ist eine Chi­mä­re. Bei der Stra­ßen­bahn lässt sich dage­gen selbst ohne kon­kre­te Pla­nung jetzt schon sagen, dass die Kos­ten zu einem gro­ßen Teil vom ZRF über­nom­men wer­den wür­den. Und wie gut eine dich­te Bahn­an­bin­dung funk­tio­niert, lässt sich in Frei­burg stu­die­ren. (Bei eini­gen Gegner*innen habe ich das Gefühl, dass die­se die Orts­gren­zen Gun­del­fin­gens in den letz­ten zwan­zig Jah­ren nie über­schrit­ten haben …). Dass FW und CDU sich (mehr­heit­lich) mit der Stra­ßen­bahn nicht anfreun­den kön­nen, war zu erwar­ten. Die Hal­tung der SPD irri­tiert – nicht nur mich, son­dern auch die Jusos Breis­gau-Hoch­schwarz­wald. Mal sehen, was die nächs­ten Wochen bringen.

Ja-Sagen, Nein-Sagen, oder: am 24. Februar über Visionen für Freiburgs Zukunft abstimmen

Dietenbach-Niederungen III

In knapp zwei Wochen wird abge­stimmt. Und die Selt­sam­keit die­ses Bür­ger­ent­scheids fängt ja schon damit an, dass die Fra­ge­stel­lung ver­korkst ist – wer für den Bau des neu­en Stadt­teils Die­ten­bach ist, muss mit „Nein“ stim­men, wer die Äcker nörd­lich des Rie­sel­felds unbe­baut las­sen will, muss mit „Ja“ stimmen. 

Vor ein paar Tagen hat die Badi­sche Zei­tung eine reprä­sen­ta­ti­ve Umfra­ge ver­öf­fent­licht – dem­nach sind 58 Pro­zent der Freiburger*innen für den neu­en Stadt­teil, sagen also Nein. Wobei das ja fast schon wie­der an das „Nai häm­mer gsait“ der 1970er anschließt.

Ob die­ser reprä­sen­ta­ti­ven Umfra­ge glau­ben geschenkt wer­den kann, ist umstrit­ten. Wie fast alles, was mit Die­ten­bach zu tun hat. Quer durch Freun­des­krei­se wie­der hef­tig dar­um gerun­gen, sozia­le Medi­en und Leser­brief­spal­ten sind voll, eben­so die Veranstaltungshallen.

Dass es die­ses Rin­gen gibt, zeigt aber auch, dass es rich­tig war, Bür­ger­ent­schei­de für die Bau­leit­pla­nung zuzu­las­sen. Reprä­sen­ta­ti­ve Demo­kra­tie, klar – aber es ist defi­ni­tiv etwas, das alle in Frei­burg angeht: soll nach Vau­ban und Rie­sel­feld in den 1990ern und nach vie­len Nach­ver­dich­tun­gen und inner­städ­ti­schen Ent­wick­lungs­maß­nah­men ein wei­te­rer gro­ßer Stadt­teil – noch grö­ßer als das Rie­sel­feld – dazu kom­men? Soll Frei­burg im Süd­wes­ten wei­ter wachsen.

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Kurz: Die Abstimmung

Als Bür­ger Frei­burgs bin ich ja dazu auf­ge­ru­fen, nächs­ten Sonn­tag über die Unter­stüt­zung der Stadt für ein neu­es SC-Sta­di­on im Wolfs­win­kel – zwi­schen Flug­platz, ehe­ma­li­ger Müll­de­po­nie und zukünf­ti­ger Uni-Fakul­täts-Erwei­te­rung – abzustimmen.

Fuß­ball inter­es­siert mich nicht. Auch des­we­gen tue ich mich mit der Abstim­mung schwer. Ich ver­ste­he, dass der Wolfs­win­kel der ein­zi­ge in Fra­ge kom­men­de Stand­ort für einen Neu­bau ist, und dass es wohl eine gewis­se Not­wen­dig­keit dafür gibt. Ob das Finan­zie­rungs­mo­dell trag­fä­hig ist, kann ich nicht beurteilen.

Letzt­lich schwan­ke ich zwi­schen Nicht-Zur-Wahl-Gehen und Zustim­mung. Letz­te­res fast schon aus Trotz her­aus – der Over­kill an immer neu­en Pla­ka­ten und Anzei­gen der Sta­di­on­geg­ne­rIn­nen um „Frei­burg lebens­wert“ und die Flug­sport­freun­de gefällt mir über­haupt nicht, und je popu­lis­ti­scher deren Argu­men­te wer­den, des­to näher liegt für mich das „Ja“.

Nach dem Gemeinderatsbeschluss: wie weiter mit dem Platz der alten Synagoge? (Update 3)

Laut der Badi­schen Zei­tung stimm­te ges­tern eine deut­li­che Mehr­heit des Gemein­de­rats für den ers­ten Preis im Wett­be­werb um die Neu­ge­stal­tung des Plat­zes zwi­schen Uni und Thea­ter. Nur etwa die Hälf­te der grü­nen Frak­ti­on votier­te für den – aus mei­ner Sicht deut­lich erträg­li­che­ren – drit­ten Preis, und die FDP war aus Kos­ten­grün­den ganz gegen eine Umge­stal­tung. Aller­dings soll wohl deut­lich mehr Baum­be­stand erhal­ten wer­den, als bis­her vor­ge­se­hen ist.

Ich habe ja bereits mehr­fach deut­lich gemacht, dass ich es bei so einer Sache eigent­lich rich­tig fän­de, wenn die Bür­ge­rIn­nen der Stadt Frei­burg ent­schei­den. Da scheint die Stim­mung ja doch etwas anders aus­zu­se­hen als im mög­li­cher­wei­se vom groß­städ­ti­schen Glanz geblen­de­ten Rat. 

Auf der Web­site der Initia­ti­ve Mehr Demo­kra­tie e.V. fin­den sich Infor­ma­tio­nen über Bür­ger­be­geh­ren und Bür­ger­ent­schei­de in Baden-Würt­tem­berg (Merk­blatt, pdf; §21 GemO Baden-Würt­tem­berg). Wenn ich die­ses Merk­blatt rich­tig ver­ste­he, wäre es durch­aus mög­lich, jetzt zu ver­su­chen, ein Bür­ger­be­geh­ren mit dem Ziel zu star­ten, den Gemein­de­rats­be­schluss zu kip­pen. Dazu müss­ten aller­dings in den nächs­ten sechs Wochen Unter­schrif­ten von 10 % der Frei­bur­ger Bür­ge­rIn­nen* gesam­melt wer­den. Bei der letz­ten Kom­mu­nal­wahl hat­te Frei­burg 146.976 Wahl­be­rech­tig­te, d.h. das Quo­rum müss­te bei etwa 15.000 Unter­schrif­ten lie­gen – das ist eine gan­ze Men­ge, vor allem, wenn die­se Zahl tat­säch­lich inner­halb von sechs Wochen zusam­men­kom­men muss. 

Ohne insti­tu­tio­nel­le Unter­stüt­zung – etwa durch eine Par­tei oder einen Bür­ger­ver­ein – scheint mir eine sol­che Zahl an Unter­schrif­ten kaum erreich­bar. Lei­der habe ich von den „übli­chen Ver­däch­ti­gen“ bis­her wenig gehört. Wenn doch, wäre jetzt der Zeit­punkt, ganz schnell eine Unter­schrif­ten­samm­lung in die Wege zu leiten.

* Bür­ger der Gemein­de ist, wer Deut­scher im Sin­ne von Arti­kel 116 des Grund­ge­set­zes ist oder die Staats­an­ge­hö­rig­keit eines ande­ren Mit­glied­staa­tes der Euro­päi­schen Uni­on besitzt (Uni­ons­bür­ger), das 18. Lebens­jahr voll­endet hat und seit min­des­tens drei Mona­ten in der Gemein­de wohnt. (§12 GemO Baden-Würt­tem­berg).

War­um blog­ge ich das? Weil ich mich nicht ein­fach mit der Umge­stal­tung des Uni­vor­plat­zes abfin­den möchte … 

Update: (8.5.2008) fud­der berich­tet inzwi­schen auch – schön aus einem Kom­men­tar der „Wohl­fühl­fak­tor eines ukrai­ni­schen Exzer­zier­fel­des“. Da sind eini­ge dabei, die jetzt ger­ne einen Bür­ger­ent­scheid hät­ten. Eine insti­tu­tio­na­li­sier­teinsti­tu­tio­nell unter­stütz­te Bewe­gung sehe ich aller­dings lei­der immer noch nicht. 

Und noch ein inter­es­san­tes Fak­to­id: Die Kos­ten wer­den auf 12 Mil­lio­nen Euro allein für den Platz­um­bau geschätzt.

Update 2: (9.5.2008) Ich habe mal die Frak­ti­on JF/Grüne gefragt, ob es irgend­wo eine offi­zi­el­le Posi­ti­on zum wei­te­ren Vor­ge­hen gibt. Bis­her wohl nicht – in der Ant­wort wur­de noch­mal drauf hin­ge­wie­sen, dass etwa die Hälf­te der grü­nen Frak­ti­on für (den deut­lich bes­se­ren) Ent­wurf Nr. 3 gestimmt hat. Auf der Web­site der Frak­ti­on ist ledig­lich ein offe­ner Brief zu fin­den, im dem eine Bür­ger-Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung gefor­dert wird, die es ja zwi­schen­zeit­lich gab. Mal schau­en, ob hier noch mehr kommt.

Update 3: (15.5.2008) Stadt­rat Sebas­ti­an Mül­ler ver­steht – wei­ter­hin im Kom­men­tar-Thread des Fud­der-Arti­kels – die Auf­re­gung nicht und „mag kei­ne zuge­stell­ten Plätze“.