Photo of the week: Inside out II

Inside out II

 
In den letz­ten Wochen war ich recht häu­fig in Stutt­gart, in Ber­lin dage­gen zuletzt vor zwei Mona­ten beim Hoch­schul­tag der grü­nen Bun­des­tags­frak­ti­on. Da ist auch die­ses Foto ent­stan­den. Ein paar mehr aus dem Regie­rungs­vier­tel samt Sicher­heits­kor­don gibt es in die­sem Flickr-Set.

Wovon PolitikerInnen träumen

In der Süd­deut­schen Zei­tung wer­den jun­ge Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te nach ihren Erfah­run­gen ein Jahr nach der Bun­des­tags­wahl befragt. Ist ganz inter­es­sant – vor allem im Ver­gleich der Ant­wor­ten. Die auf die letz­te Fra­ge – „Wovon träu­men Sie?“ – habe ich hier mal zusam­men­ge­stellt (alles Zita­te aus den SZ-Interviews).

  • Ver­rat ich nicht. (CDU, w) 
  • Von einem lan­gen Urlaub. (CSU, m) 
  • Ich träu­me nur nachts und dann meis­tens sehr gut. (CSU, m) 
  • Ich träu­me von einer Welt ohne Hun­ger und ohne Krieg. (GRÜNE, m) 
  • Irgend­wann will ich noch mal in New York leben. Und mal zusam­men mit Meh­met Scholl Plat­ten auf­le­gen. (SPD, m) 
  • Dass die Welt sozia­ler, gerech­ter und fried­li­cher wird und ich viel­leicht einen klei­nen Bei­trag dazu leis­ten kann. (LINKE, m) 
  • Dass sich mehr Men­schen poli­tisch ein­brin­gen und zwar nicht nur, um ihre per­sön­li­chen Inter­es­sen zu ver­tre­ten, son­dern um die Gesell­schaft als Gan­zes posi­tiv zu ver­än­dern und gerech­ter zu machen. (SPD, w) 
  • Tugen­den wie Offen­heit, Tole­ranz, Ver­läss­lich­keit, Respekt und Ver­ant­wor­tung soll­ten unse­re Gesell­schaft stär­ker prä­gen. Der Sinn für die All­ge­mein­heit muss wie­der an die Stel­le von Ego­is­mus und Anspruchs­den­ken gesetzt wer­den, die Poli­tik­ver­dros­sen­heit in akti­ve Teil­nah­me ver­wan­delt wer­den. (CDU, m) 
  • Ich kämp­fe nicht poli­tisch für Bür­ger­rech­te und Pri­vat­sphä­re, um dann öffent­lich dar­über zu plau­dern, wovon ich nachts träu­me. Im über­tra­gen­den poli­ti­schen Sin­ne „träu­me“ ich von einer Gesell­schaft, die sich traut, dem Ein­zel­nen wie­der mehr Frei­heit und Eigen­ver­ant­wor­tung zu über­tra­gen und in der sich die­ses Mehr an Eigen­ver­ant­wor­tung und ein Mehr an Soli­da­ri­tät nicht aus­schlie­ßen. (FDP, m) 
  • Von einem abbe­zahl­ten, denk­mal­ge­schütz­ten Häus­chen mit einer schö­nen Aus­sicht, einem klei­nen Grill­fest im gro­ßem Gar­ten mit Eltern und Freun­den und Blick auf den Fern­se­her mit der Tages­schau: Ohne Kata­stro­phen, Krie­ge, Atten­ta­te, einem posi­ti­ven Wet­ter­be­richt für die dar­auf fol­gen­de Urlaubs­wo­che und dann Sport­nach­rich­ten mit dem Satz „unser Club ist jetzt auch Sie­ger in der Cham­pi­ons League – Fran­ken fei­ert immer noch!“. (FDP, m) 
  • Auch wenn das in den Augen eini­ger Pes­si­mis­ten und Zyni­ker naiv klingt: Von einer fried­li­chen, soli­da­ri­schen und gerech­ten Welt. Aus die­ser Visi­on, mag sie noch so weit von der Wirk­lich­keit ent­fernt sein, hat sich schon immer mein lei­den­schaft­li­ches Enga­ge­ment in der Poli­tik gespeist. Und wenn der Weg dahin lang ist, gilt es nicht zu ver­zwei­feln, son­dern gera­de des­halb heu­te mit viel­leicht müh­sa­men und klei­nen, aber doch wich­ti­gen Schrit­ten zu begin­nen. (GRÜNE, w) 
  • Schon sehr früh, als ich in der Kom­mu­nal­po­li­tik Mit­ver­ant­wor­tung tra­gen durf­te, bin ich von der Rea­li­tät über­holt wor­den. Vol­ker Kau­der sagt: „Poli­tik beginnt mit dem Betrach­ten der Wirk­lich­kei­ten.“ Er hat recht! Es geht heu­te dar­um, für gute Lebens­ver­hält­nis­se der Men­schen zu sor­gen, aber nicht auf Kos­ten kom­men­der Gene­ra­tio­nen. Das ist die gro­ße Her­aus­for­de­rung unse­rer Zeit, der wir uns bereits stel­len. Wich­tig scheint mir dabei, die Rück­be­sin­nung auf ein gemein­sa­mes Fun­da­ment, dass unse­re Gesell­schaft trägt! (CSU, m) 

Skeptisches zur Grundeinkommenspetition

Über diver­se Kanä­le bin ich in den letz­ten Tagen auf die Grund­ein­kom­mens­pe­ti­ti­on auf­merk­sam gemacht wor­den. Bis­her gehö­re ich nicht zu den über 10.00020.000 Mit­zeich­ne­rIn­nen der Peti­ti­on (mit­zeich­nen noch bis 10.2.17.2. mög­lich), obwohl ich, wie lang­jäh­ri­ge Lese­rIn­nen die­ses Blogs wis­sen, der Idee eines bedin­gungs­lo­sen Grund­ein­kom­mens durch­aus posi­tiv gegen­über­ste­he. Neben­bei bemerkt: ich fin­de es klas­se, dass es – bei allen Män­geln – das ePe­ti­ti­ons-Sys­tem des Bun­des­tags gibt. Und die Grund­ein­kom­mens­pe­ti­ti­on zeigt, dass das gut mit vira­len Ver­brei­tungs­we­gen und sozia­len Net­zen (auch außer­halb der digi­ta­len Welt) zusammenpasst.

War­um ste­he ich trotz­dem bis­her nicht unter der Peti­ti­on? Dafür habe ich vor allem zwei Gründe.

1. Der voll­stän­di­ge Text der Peti­ti­on lautet 

„Der Deut­sche Bun­des­tag möge beschlie­ßen … das bedin­gungs­lo­ses Grund­ein­kom­men einzuführen.“ 

Das ist für sich allei­ne genom­men auf jeden Fall knapp, aber auch ziem­lich schwam­mig. Jetzt lie­ße sich argu­men­tie­ren, dass es sinn­voll ist, dass das schwam­mig ist, weil sonst zu vie­le aus­ge­grenzt wer­den. Sehe ich anders – mir wäre eine Peti­ti­on, die einen real­po­li­tisch durch­dach­ten Vor­schlag macht, lie­ber. So lässt sich das trotz der vie­len, vie­len Mit­un­ter­zeich­ne­rIn­nen näm­lich viel zu schnell vom Tisch wischen. Auch die Mit­glie­der des Peti­ti­ons­aus­schus­ses des Deut­schen Bun­des­tags wer­den in ers­ter Linie das in die­se Peti­ti­on hin­ein­le­sen, was sie da ger­ne lesen wol­len. Mei­ner Erfah­rung ist, wenn die Grund­ein­kom­mens­idee nicht näher begrün­det und geer­det wird, das in die offen­mög­lichs­te For­mu­lie­rung hin­ein­ge­le­se dann schnell genau das Fal­sche. Und Ableh­nungs­grund im Bundestag. 

Noch schwie­ri­ger wird es, wenn der knap­pe Text mit der Begrün­dung zusam­men gele­sen wird. In die­ser wird näm­lich die – zuge­ge­be­ner­ma­ßen ziem­lich popu­lä­re – Götz-Wer­ner-Vari­an­te eines über die Mehr­wert­steu­er finan­zier­ten 1500-Euro-Grund­ein­kom­mens zur Grund­la­ge gemacht. Ich bin zwar für ein bedin­gungs­lo­ses Grund­ein­kom­men, glau­be aber, dass ein biß­chen mehr Kom­pro­miss­fä­hig­keit sein muss, um in einem real­po­li­tisch agie­ren­den Kon­text Reso­nanz und Anschluss­fä­hig­keit zu pro­du­zie­ren. Und der Bun­des­tag ist so unge­fähr das Maxi­mum an Tagespolitik.

2. Weil ich dem Peti­ti­ons­aus­schuss nicht zutraue, über den Tel­ler­rand fast aller dort ver­tre­ten Par­tei­en hin­weg­zu­schau­en, glau­be ich nicht, dass er – egal wie die Peti­ti­on genau for­mu­liert wäre – ein Grund­ein­kom­men irgend­wie posi­tiv in den im Bun­des­tag ablau­fen­den poli­ti­schen Pro­zess hin­ein­ge­ben wür­de. Inso­fern stellt sich mir die Fra­ge, ob eine Peti­ti­on das rich­ti­ge Instru­ment ist. Wenn es einen Volks­ent­scheid auf Bun­des­ebe­ne geben wür­de, wäre das alles noch ein­mal ein biß­chen anders. So kann das Ziel der Peti­ti­on eigent­lich nur sein, über den Umweg Bun­des­tag eine gesell­schaft­li­che und poli­ti­sche Debat­te in Gang zu brin­gen bzw. wie­der anzu­hei­zen. Ob das so klappt? Ich habe mei­ne Zwei­fel, und glau­be, dass ande­re Akti­ons­for­men effek­ti­ver wären – ent­we­der im Sin­ne von viel, viel Über­zeu­gungs­ar­beit in einer der grö­ße­ren Frak­tio­nen, also ganz real­po­li­tisch (das hat lei­der z.B. bei Grüns auf Bun­des­ebe­ne nur bedingt geklappt) oder eben anders­her­um im Sin­ne außer­par­la­men­ta­ri­scher Sym­bol- und Mei­nungs­bil­dungs­po­li­tik und eines poli­ti­schen Wech­sels von unten.

Zusam­men­ge­fasst: um so eine Sache wie das Grund­ein­kom­men wirk­lich vor­an­zu­brin­gen, braucht es auf allen Ebe­nen mehr poli­ti­sche Pro­fes­sio­na­li­tät. Damit mei­ne ich nicht PR und Mar­ke­ting (das klappt auch, wenn vor­ne ein Cha­ris­mat steht), son­dern die Mühen der poli­ti­schen Ebe­nen zu durch­wan­dern und die Müh­len von BIs und Ver­bän­den, Par­tei­en und Kam­pa­gnen zum Klap­pern zu brin­gen. Noch die bes­te Idee kann dar­an schei­tern, dass ihr allei­ne zuviel zuge­traut wird und dar­über ver­ges­sen wird, Netz­wer­ke und Bünd­nis­se zu schmie­den, die Öffent­lich­keit zu errei­chen und immer wie­der und wie­der Über­zeu­gungs­ar­beit zu leis­ten. Poli­ti­sche Erfol­ge ent­ste­hen nicht von allei­ne, son­dern brau­chen auch unter der Ober­flä­che der Anträ­ge und Par­tei­tags­re­den viel Vor­ar­beit. (Das sei im übri­gen auch den Grund­ein­kom­mens­ak­ti­vis­tIn­nen in der eige­nen Par­tei noch ein­mal gesagt!).

Viel­leicht ist die E‑Petition ein Fokus­punkt, um eine poli­ti­sche Pro­fes­sio­na­li­sie­rung zu errei­chen. Ich bin skep­tisch. Im Unter­grund sich allei­ne über­las­sen habe ich Angst, dass aus der viel­un­ter­zeich­ne­ten Peti­ti­on eher ein sehr kur­zes Feu­er­werk mit einer sehr lan­gen Lun­te wer­den wird. Und dar­auf habe ich kei­ne Lust. Aber viel­leicht über­zeugt mich ja in den nächs­ten fünf Tagen noch jemand vom Gegen­teil (oder davon, dass ich durch die ehren­amt­li­che Teil­nah­me am poli­ti­schen Betrieb schon so ver­dor­ben bin, dass ich die Kraft der Ideen nicht mehr wahrnehme).

War­um blog­ge ich das? Weil ich es begrün­dungs­be­dürf­tig fin­de, die Peti­ti­on nicht zu unter­zeich­nen. Und weil ich ger­ne auf allen Ebe­nen (Peti­ti­on als par­ti­zi­pa­ti­ves Instru­ment, Grund­ein­kom­men als Real­po­li­tik, pro­fes­sio­na­li­sier­te Kam­pa­gnen­ar­beit) Debat­ten anre­gen möchte.