Kurz: Wer wärmt das grüne Herz?

In vier Wochen ist grü­ner Bun­des­par­tei­tag in Ham­burg. Ich bin zwar Ersatz­de­le­gier­ter mei­nes Kreis­ver­ban­des und als BAG-Spre­cher könn­te ich auch ein­fach so hin­fah­ren, wer­de es aber (man­gels frei­er Novem­ber­wo­chen­en­den) höchst­wahr­schein­lich nicht tun. Und bin gar nicht so trau­rig dar­über. Einer­seits schon, weil’s halt auch immer eine Mög­lich­keit ist, einen nicht uner­heb­li­chen Teil der grü­nen Fami­lie zu sehen. Ande­rer­seits las­sen mich die Schwer­punk­te die­ser BDK selt­sam kalt. Dabei sind es eigent­lich wich­ti­ge The­men – die Frei­heits­de­bat­te, Ernäh­rung als Teil guten Lebens, Flücht­lings­po­li­tik, die „euro­päi­sche Frie­dens­ord­nung“ (was auch immer das sein mag). Aber ich habe zuneh­mend den Ein­druck (und nicht erst seit Wazi­ristan-Ver­glei­chen), dass das, was der Bun­des­par­tei­tag hier jeweils ent­schei­det, nicht wirk­lich eine Rol­le spie­len wird. Glü­hen­de Kon­tro­ver­sen sehen jeden­falls anders aus. Wirk­lich. Und Wah­len ste­hen auch kei­ne an, obwohl diver­se Pres­se­or­ga­ne so klin­gen, als sei das anders. Und ob die vor­lie­gen­de Tages­ord­nung dazu geeig­net ist, Feu­er zu ent­fa­chen und zumin­dest das grü­ne Herz zu wär­men und zu moti­vie­ren – ich weiß nicht. Inso­fern befürch­te ich, dass ich „Ham­burg“ gar nicht so sehr ver­mis­sen wer­de. Was scha­de ist.

Was auf der BDK mit dem Wahlprogrammentwurf passierte

Vor dem grü­nen Pro­gramm­par­tei­tag (BDK, kurz für Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz) hat­te ich ein paar Visua­li­sie­run­gen zu den Ände­rungs­an­trä­gen zum Bun­des­tags­wahl­pro­gramm gepos­tet. Nach­dem inzwi­schen die von der BDK ver­än­der­ten Tex­te vor­lie­gen, ist es Zeit für eine klei­ne Bilanz der Par­tei­tags­ar­beit (bzw. der Antrags­kom­mis­si­ons­ar­beit) in drei Diagrammen:

Zunächst ein­mal fällt auf, dass der ver­ab­schie­de­te Beschluss fast ein­ein­halb mal so lang ist wie der Ent­wurf des Wahlprogramms. 

„Was auf der BDK mit dem Wahl­pro­gramm­ent­wurf pas­sier­te“ weiterlesen

Regieren nach Zahlen: Was auf der BDK 2013 ansteht (Update)

„Zeit für den grü­nen Wan­del“ – unter die­sem Mot­to steht der Antrag des Bun­des­vor­stands für das grü­ne Wahl­pro­gramm 2013. Der Antrag und alle etwa 2500 Ände­rungs­an­trä­ge sind hier abruf­bar. Wir sind also noch flei­ßi­ger gewe­sen als sonst und haben damit ver­mut­lich die Bun­des­ge­schäfts­stel­le an ihre abso­lu­ten Belas­tungs­gren­zen gebracht. Ab Frei­tag wird dann ent­schie­den, wie das end­gül­ti­ge Pro­gramm aus­sieht – und ob wir Him­bee­ren oder Erd­bee­ren als Bei­spiel für außer der Sai­son ange­bo­te­ne Früch­te bevorzugen.

Nach­dem jetzt alles auf dem Tisch liegt (bis auf die Antrags­über­sich­ten der Antrags­kom­mis­si­on, aus denen ersicht­lich ist, für wel­che Anträ­ge Über­nah­men emp­foh­len wer­den – aber die sol­len ab mor­gen kom­men), habe ich mir mal den Spaß gemacht, und Pro­gramm und Ände­rungs­an­trä­ge in Excel gekippt. Genau­er gesagt habe ich zwei Din­ge gezählt: die Zahl der Zei­len pro Kapi­tel, und die Zahl der Ände­rungs­an­trä­ge pro Kapi­tel (hier die Daten dazu). Ers­te­re sind durch­num­me­riert, inso­fern war das rela­tiv ein­fach – bei letz­te­ren habe ich mich mög­li­cher­wei­se an der einen oder ande­ren Stel­le ver­zählt. Trotz­dem las­sen sich damit ein paar inter­es­san­te Aus­sa­gen dazu tref­fen, wo wir im Wahl­kampf Schwer­punk­te set­zen – und wo die Par­tei beson­ders dis­kus­si­ons­freu­dig ist.

Zunächst ein­mal zum Auf­bau des Pro­gramms. Der sieht, in Zah­len gefasst, so aus:

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Kurz: Wahlprogramm, Phase II

Am Frei­tag lief die Dead­line für Ände­rungs­an­trä­ge zum grü­nen Wahl­pro­gramm­ent­wurf für die Bun­des­tags­wahl aus. Etwa 2600 Anträ­ge wur­den ein­ge­reicht (soweit ich das sehe, ste­hen trotz Nacht­schicht der Bun­des­ge­schäfts­stel­le noch nicht alle online). Über die­se Anträ­ge wird in knapp drei Wochen auf der Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz (BDK) in Ber­lin dis­ku­tiert und abge­stimmt – von Frei­tag­nach­mit­tag bis Sonn­tag­mit­tag. Danach haben wir dann das beschlos­se­ne Wahl­pro­gramm 2013.

Zwi­schen Antrags­schluss und BDK liegt Pha­se II der inner­par­tei­li­chen Debat­ten­schlacht ums Wahl­pro­gramm. Pha­se II fin­det an zwei Orten statt. In der Öffent­lich­keit wird mit zuneh­men­der Hef­tig­keit für (oder gegen) bestimm­te Posi­tio­nen gestrit­ten. Schließ­lich ent­schei­den die Par­tei­tags­de­le­gier­ten auch danach, was ihnen pres­se­öf­fent­lich als ver­nünf­tig dar­ge­legt wird.

Gleich­zei­tig tagt hin­ter den Kulis­sen die Antrags­kom­mis­si­on. Die­se hat die Auf­ga­be, mit Hil­fe von Ver­fah­rens­vor­schlä­gen die 2600 Ände­rungs­an­trä­ge behan­del­bar für den Par­tei­tag zu machen. Dies geschieht ins­be­son­de­re dadurch, dass redak­tio­nel­le und inhalt­lich unstrit­ti­ge Ände­run­gen in den Ver­fah­rens­vor­schlä­gen als (modi­fi­zier­te) Über­nah­men gekenn­zeich­net wer­den. Z.T. wird auch Nicht­be­fas­sung emp­foh­len. Übrig blei­ben mehr oder weni­ger kon­tro­ver­se Fra­gen, die die Dele­gier­ten dann zu ent­schei­den haben – sofern es nicht Don­ners­tag und Frei­tag vor der BDK noch zu Kom­pro­mis­sen zwi­schen Antrag­stel­le­rIn­nen und Antrags­kom­mis­si­on kommt.

Kieler Parteitagswochenende

Enterprise GND-09

Schon wie­der ein Par­tei­tags­wo­chen­en­de – dies­mal am ande­ren Ende der Repu­blik, in Kiel. Mein Kreis­ver­band hat mich dele­giert; ange­sichts der Ent­fer­nung und der Tat­sa­che, dass die­sen Sonn­tag eine nicht ganz unwich­ti­ge Volks­ab­stim­mung ansteht (ich habe selbst­ver­ständ­lich mein „Ja“ per Brief­wahl ange­kreuzt) , war das Inter­es­se aller­dings begrenzt. 

Medi­al sicht­bar gewor­den ist die dies­jäh­ri­ge ordent­li­che BDK, so jeden­falls mein Gefühl, bis­her vor allem durch den Sonn­tag­mor­gen­an­trag D‑02. Das ist der netz­po­li­ti­sche Leit­an­trag, der mir zwar vom Stil her stel­len­wei­se ein zu pathe­tisch aus­ge­fal­len ist, aber rüber­bringt, wie grün Netz­po­li­tik eigent­lich ist. (Dazu ganz lesens­wert übri­gens der rela­tiv gut recher­chier­te Text der FAZ zur Ur- und Vor­ge­schich­te grü­ner Netzpolitik). 

Hef­tig dis­ku­tiert wird aber nicht unse­re Hal­tung zu digi­ta­ler Demo­kra­tie, die Ableh­nung von Netz­sper­ren etc. oder die Open-Access-Idee im Wis­sen­schafts­be­reich, son­dern vor allem die Urhe­ber­rechts­fra­ge. Die gro­ßen Lob­by­ver­bän­de und Ver­wer­tungs­or­ga­ni­sa­tio­nen sehen – in Welt­un­ter­gangs­spra­che, aber das mag mit der Nähe zu Hol­ly­wood zu tun zu haben, die Grü­nen hier auf der schie­fen Bahn, die Netz­po­li­ti­ke­rIn­nen schau­en auf die inner­par­tei­li­che Debat­te zwi­schen Kul­tur und Netz­po­li­tik und wun­dern sich.

Ein biss­chen was dazu habe ich hier ja bereits geschrie­ben. Lars Brü­cher spitzt noch etwas mehr zu und sieht in der Fra­ge, in wel­cher Form D‑02 am Schluss ver­ab­schie­det wird, eine Jahr­hun­dert­fra­ge. Ganz so hoch wür­de ich es nicht hän­gen, vor allem auch des­halb, weil ich über­zeugt davon bin, dass die Ent­schei­dung – wie auch schon vie­le Ent­schei­dun­gen vor­her im Zusam­men­hang mit Wahl­pro­gram­men etc. – eine Zwi­schen­sta­ti­on dar­stellt im enga­gier­ten inner­par­tei­li­chen Ver­such, in der Debat­te eine Lösung zu fin­den, die das Urhe­ber­recht wei­ter­ent­wi­ckelt, Künst­le­rIn­nen bes­ser stellt und Nut­ze­rIn­nen vor Kri­mi­na­li­sie­rung schützt. Span­nend wird es Sonn­tag jeden­falls allemal.

„Der Par­tei­tag wird span­nend“ – das sieht wohl auch Stef­fi Lem­ke so. Aber gar nicht so sehr wegen D‑02, son­dern, weil die­ser Par­tei­tag aktu­el­le The­men auf­greift (Finanz­kri­se! Inklu­si­on! Ara­bi­scher Früh­ling! – und ganz aktu­ell: Rechts­extre­mis­mus!), und vor allem des­we­gen, weil es eini­ge for­ma­le Expe­ri­men­te gibt. Auf die bin ich in der Tat auch gespannt. 

So ist dem eigent­li­chen Par­tei­tag eine Work­shop­p­ha­se mit einem Dut­zend par­al­le­len Work­shops vor­ge­schal­tet, in denen das Leit­the­ma Demo­kra­tie dis­ku­tiert wer­den soll. Ich habe mich hier für die inner­par­tei­li­che Demo­kra­tie ange­mel­det, und hof­fe, recht­zei­tig in Kiel zu sein, um mit­re­den zu kön­nen. (Inner­par­tei­li­che Demo­kra­tie: es gibt auch eine Rei­he von Sat­zungs­än­de­run­gen, und nach­dem ich mich kürz­lich erst mit einem Plä­doy­er für Ver­än­de­run­gen in der inner­par­tei­li­chen Struk­tur unse­rer Par­tei wie­der in den Län­der­rat habe wäh­len las­sen, mei­ne ich, dass ich da hin muss …). Also ein biss­chen Zukunfts­kon­gress auf der BDK.

Die zwei­te, auf eini­gen Mai­ling­lis­ten durch­aus auch kri­tisch dis­ku­tier­te for­ma­le Neue­rung ist ein ande­rer Umgang mit V‑Anträgen. V‑Anträge haben nichts mit dem Ver­fas­sungs­schutz zu tun, son­dern sind die vie­len aus der Basis ein­ge­brach­ten Anträ­ge jen­seits der gro­ßen Leit­an­trä­ge und gesetz­te The­men. Davon gibt es meist mehr als es Zeit gibt, so dass vie­le – auf Vor­schlag der Antrags­kom­mis­si­on – sum­ma­risch über­wie­sen oder nicht befasst wer­den. Dies­mal soll es wohl eine Art Ran­king der V‑Anträge durch die Dele­gier­ten geben, so dass die Anträ­ge behan­delt wer­den, die den meis­ten Dele­gier­ten wich­tig erschei­nen. Klingt für mich sinn­voll, soll von der Grü­nen Jugend über­nom­men wor­den sein – ob’s funk­tio­niert, wer­den wir sehen.

Also, mal wie­der ein Wochen­en­de voll mit grü­ner Par­tei­ar­beit. Ob da für Kiel noch Zeit bleibt – ich befürch­te fast, es wird eine die­ser Städ­te wer­den, in der ich „dank“ Par­tei schon war, von der ich aber so gut wie nichts gese­hen habe. 

War­um blog­ge ich das? Als Teil mei­ner per­sön­li­chen Par­tei­tags­vor­be­rei­tung. Die Anträ­ge neh­me ich übri­gens digi­tal mit – und spa­re mir damit einen prall gefüll­ten Aktenordner.