Was ich mir von der BDK wünsche

Sunflower trio

Am nächs­ten Wochen­en­de fin­det von Frei­tag bis Sonn­tag die 40. ordent­li­che Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz von Bünd­nis 90/Die Grü­nen (kurz: BDK) in Müns­ter statt, also unser Bun­des­par­tei­tag. Ich bin einer von rund 750 Dele­gier­ten, die an die­sem Wochen­en­de über die grü­ne Posi­ti­on zu Ener­gie- und Ver­kehrs­wen­de, zur Welt­an­schau­ungs­po­li­tik, zum sozia­len Zusam­men­halt und zur Euro­pa­po­li­tik bera­ten, die Urwahl-Kandidat*innen anhö­ren, in Work­shops über Schlüs­sel­pro­jek­te zur Bun­des­tags­wahl 2017 dis­ku­tie­ren wer­den, das grü­ne Frau­en­sta­tut fei­ern und vie­les mehr. Zu den Leit­an­trä­gen gibt es unzäh­li­ge Ände­rungs­an­trä­ge, und ein paar Dut­zend V‑Anträge zu allen mög­li­chen The­men wur­den auch eingereicht.

Am Wochen­en­de danach fin­det die Lan­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz der baden-würt­tem­ber­gi­schen Grü­nen statt. Nur Sams­tag und Sonn­tag, und vor allem mit Wah­len voll­ge­stopft – diver­se Nach­wah­len zum Lan­des­vor­stand und ins­be­son­de­re die Wahl der baden-würt­tem­ber­gi­schen Lan­des­lis­te für die Bun­des­tags­wahl 2017. Es zeich­net sich ab, dass es sehr viel mehr Bewerber*innen als aus­sichts­rei­che Plät­ze gibt. Unter ande­rem will die kom­plet­te baden-würt­tem­ber­gi­sche Lan­des­grup­pe wie­der antre­ten, diver­se ehe­ma­li­ge MdB hof­fen auf einen erneu­ten Ein­zug, und aus den Kreis­ver­bän­den und Regio­nen gibt es wei­te­re star­ke Kandidat*innen. Wer nach­le­sen möch­te, wie das abläuft, kann das in mei­nem Bericht zur Lis­ten­auf­stel­lungs-LDK 2012 tun. Und ja: auch dies­mal steht wie­der ein heiß dis­ku­tier­tes hoch­schul­po­li­ti­sches The­ma im Raum, und es ist durch­aus mög­lich, dass es dazu kon­tro­ver­se Anträ­ge geben wird.

Die LDK (die­ses Jahr in Schwä­bisch Gmünd) ist deut­lich klei­ner als die BDK, hier sind es nur rund 200 Dele­gier­te. Viel­leicht trägt das dazu bei, sie per­sön­li­cher zu machen. Viel­leicht ist es auch die gemein­sa­me Erfah­rung eines Lan­des­ver­ban­des mit rund 9000 Mit­glie­dern, der sich auf­ge­macht hat, das baden-würt­tem­ber­gi­sche Par­tei­en­sys­tem umzu­krem­peln, die hier Zusam­men­halt aus­drückt. Jeden­falls: mein Gefühl gegen­über der LDK – da wur­de ich eben­falls dele­giert – ist ein ganz ande­res als das gegen­über der BDK. Die LDK wird nicht ein­fach wer­den, aber ich bin sehr zuver­sicht­lich, dass am Schluss eine gute Lan­des­lis­te dasteht und bei den Dele­gier­ten das Gefühl vor­herrscht, gemein­sam pro­fes­sio­nell und mit gro­ßer Geschlos­sen­heit etwas geschafft zu haben. Bei der BDK bin ich mir da nicht so sicher. Es gibt sowas wie einen Kater nach dem Event – mit Gäs­ten und Journalist*innen über 1000 Men­schen in einer rie­si­gen Hal­le, Schein­wer­fer, grell­bun­te Back­drops, knal­li­ge Reden, Pro­mi­nenz aus dem Fern­se­hen live und in Far­be. Das kann ganz schön hoch­pu­shen. Um am Tag danach steht dann in den Schlag­zei­len der Zei­tun­gen etwas von Zer­würf­nis (oder alter­na­tiv: Ideen­lo­sig­keit), es wird dar­über spe­ku­liert, wer sich durch­ge­setzt hat, und es fin­det die­ses oder jenes Nach­tre­ten statt.

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Nach dem Duell Nr. 1

Zora's wordsGes­tern abend fand das ers­te Duell im Land­tags­wahl­kampf 2016 statt. Halt, natür­lich war es kein Duell, son­dern ein „Streit­ge­spräch“ in der SWR-Sen­dung „Zur Sache“ – denn aus diver­sen Grün­den (SWR woll­te SPD dabei haben, FDP woll­te dann auch, SWR sag­te Duell ab, Wie­land Backes sag­te eige­nes Duell an, SWR woll­te dann doch auch ein, äh, Streit­ge­spräch) durf­te es kein Duell sein. Das hat­te den Vor­teil, dass die Sen­dung nicht den star­ren Insze­nie­rungs­re­geln der Kanz­ler­du­el­le folg­te (genaue Zeit­mes­sung, vor­her abge­spro­che­ne Kame­ra­ein­stel­lun­gen, kei­ne Inter­ak­ti­on, …), son­dern davon abwei­chen konn­te. Was wie­der­um SWR-Mode­ra­tor Cle­mens Bratz­ler den Raum für eine durch­aus vor­zeig­ba­re Mode­ra­ti­on des Gan­zen gab. 

Inhalt­lich ging es vor allem um Flücht­lings­po­li­tik und um inne­re Sicher­heit, am Schluss war noch Zeit für einen klei­nen Schlen­ker zur Bil­dungs­po­li­tik. Also eigent­lich „home turf“ der CDU. Trotz­dem beschränk­te CDU-Spit­zen­kan­di­dat Gui­do Wolf sich dar­auf, in der ihm eige­nen Bis­sig­keit (flap­sig gesagt: eher kläf­fen­der Ter­ri­er als Wolfs­hund) die alt­be­kann­ten Vor­wür­fe und For­de­run­gen vor­zu­tra­gen. Viel Kri­tik, viel Halb- und Gan­z­un­wahr­heit dabei (etwa bei Abschie­be­zah­len), außer „mehr Poli­zei“ und „mehr Abschie­bun­gen“ und „mehr Ver­schär­fung“ kein Kon­zept. In der Bil­dungs­po­li­tik wur­de die Lüge vom Gemein­schafts­schul­gut­ach­ten wie­der­holt. Inter­es­sant fand ich, dass Wolf en pas­sant sei­nen eige­nen Par­tei­freun­den in Gemein­de­rä­ten und Rat­häu­sern fach­li­che Inkom­pe­tenz unter­stell­te, als er sag­te, dass die­se Gemein­schafts­schu­len nicht aus inhalt­li­chen, son­dern nur aus struk­tu­rel­len Grün­den ein­führ­ten. Dass Wolf die Gemein­schafts­schu­le abschaf­fen will, sag­te er nicht so rich­tig deut­lich – wer das CDU-Pro­gramm kennt, weiß aber, dass genau das fak­tisch geplant ist. 

„Home turf“ der CDU – und trotz­dem konn­te aus mei­ner Sicht Minis­ter­prä­si­dent Win­fried Kret­sch­mann deut­lich punk­ten (auch wenn ich nicht alles tei­le, was der­zeit an Maß­nah­men im Bereich der Innen­po­li­tik statt­fin­det). Er strahl­te Beson­nen­heit und Kom­pe­tenz aus – die rich­tig, rich­tig guten Sym­pa­thie­wer­te über das gan­ze Par­tei­en­spek­trum sind ja nicht ohne Grund so, wie sie sind. Vom gan­zen Set­ting Regierung/Opposition her hat­te er die Rol­le des­je­ni­gen inne, der her­aus­ge­for­dert wur­de und Angrif­fe parier­te – das gelang selbst­ver­ständ­lich gut, ließ aber lei­der wenig Raum, um eige­ne The­men zu set­zen. Inso­fern kamen zen­tra­le grü­ne The­men­fel­der – von der Nach­hal­tig­keit und der Kli­ma­kri­se bis zur Digi­ta­li­sie­rung der Wirt­schaft – lei­der nicht vor.

Man­che mein­ten nach dem Duell, dass Kret­sch­mann in der Dar­stel­lung der Sym­pa­thi­sche­re von zwei Kon­ser­va­ti­ven gewe­sen sei, die inhalt­lich wenig trenn­te. Das stimmt so nicht. Kret­sch­mann war defi­ni­tiv sym­pa­thi­scher (bis hin zu sei­nem boden­stän­di­gen Auf­tre­ten im humo­ri­gen Abschluss­spiel­chen), aber er hat auch inhalt­lich deut­lich gemacht, wo die Unter­schie­de lie­gen: Bei­spiels­wei­se dabei, ob davon aus­ge­gan­gen wer­den soll, dass hier­her geflo­he­ne Men­schen sich inte­grie­ren wol­len (Kret­sch­mann), oder ob Ängs­ten und Über­for­de­rung das Wort gere­det wird (Wolf). Dar­in, ob Gesund­heits­ver­sor­gung für alle hier leben­de Men­schen ein Zei­chen der Huma­ni­tät ist (Kret­sch­mann), oder ob Ängs­te geschürt wur­den (Wolf). Dar­in, ob Bil­dung sich an Qua­li­tät mes­sen las­sen muss (Kret­sch­mann), oder ob es nur um Struk­tu­ren und Kenn­zah­len geht (Wolf). Und auch dar­in, ob die AfD als Hort frem­den­feind­li­cher Brand­stif­ter zu ver­ste­hen ist (Kret­sch­mann) oder nicht (Wolf).

Inter­es­sant fand ich die Reak­tio­nen auf Face­book und Twit­ter. Soweit ich das ver­folgt habe, hat Roland Muschel (Süd­west­pres­se) recht, wenn er davon spricht, dass hier jeweils die „Mit­strei­ter“ des einen bzw. des ande­ren Kan­di­da­ten zu Wort kamen. Tat­säch­li­che Ein­drü­cke davon, wie das Duell bei der Wäh­ler­schaft ankam, lie­ßen sich da kaum gewin­nen (glei­ches gilt für Online-Polls …). Dabei wäre das durch­aus inter­es­sant. Durch die Bril­le der CDU-Anhänger*innen hat – ver­mut­lich von nied­ri­gen Erwar­tun­gen aus­ge­hend – deren Favo­rit Wolf sich gut geschla­gen; bis hin zu Behaup­tun­gen der Art, dass Kret­sch­mann regel­recht „zer­fleischt“ wor­den sei. Die­ses Duell habe ich nicht gese­hen, aber das mag an unter­schied­li­chen Erwar­tungs­ho­ri­zon­ten lie­gen. Lus­tig war zu beob­ach­ten, wie aus CDU-Krei­sen ver­sucht wur­de, die immer wie­der glei­chen Bot­schaf­ten zu set­zen, egal, ob die­se eine Ver­an­ke­rung in der Rea­li­tät haben oder nicht. Das mag wahl­kampf­stra­te­gisch ja sinn­voll sein, wirk­te auf mich in die­ser Uni­for­mi­tät aber absurd, weil’s halt so gar nicht pass­te. Die Kom­men­tie­rung der grü­nen Sei­te wirk­te auf mich natur­wüch­si­ger, orga­ni­scher und nicht so gesteu­ert. Aber ver­mut­lich gibt es da ein­fach unter­schied­li­che Wirklichkeiten. 

Ich befürch­te, dass wir die immer glei­chen Lügen­ge­schich­ten der CDU bis zur Wahl in knapp zwei Mona­ten noch eini­ge Dut­zend Male hören wer­den. Dabei geht die CDU nicht ganz so platt vor wie der rech­te Rand im Netz, der ja ger­ne Din­ge behaup­tet, die ein­fach frei erfun­den und in einer Minu­te Recher­che wider­leg­bar sind, son­dern setzt dar­auf, kom­ple­xe­re Vor­gän­ge falsch zu ver­ein­fa­chen und Zah­len zu ver­wen­den, die eher in die Rich­tung gehen, Äpfel und Bir­nen mit Wasch­ma­schi­nen zu ver­glei­chen. Selbst Rote-Socken-Kam­pa­gnen wer­den noch­mal aus der Mot­ten­kis­te von 2001 oder 1996 geholt. Das ist ziem­lich per­fi­de. Trotz­dem bleibt die Hoff­nung, dass die­se letzt­lich doch sehr auf­ge­setz­te und künst­li­che Erregt­heit nicht ver­fängt, son­dern die Wahl zu Guns­ten von Ehr­lich­keit, Boden­stän­dig­keit und einem kla­ren Kurs ausfällt.

Es wird span­nend wer­den, und es wird in den sozia­len Medi­en eher unge­müt­li­cher wer­den, je stär­ker sich Front­stel­lun­gen aus­bil­den. Der Wahl­kampf in Baden-Würt­tem­berg ist jetzt end­gül­tig eröffnet. 

War­um blog­ge ich das? Trotz aller Befan­gen­heit woll­te ich mei­nen semi­di­stan­zier­ten Blick auf das Duell mal aufschreiben.