20 Jahre Internetparteitag

Die „Tages­schau vor 20 Jah­ren“ erin­nert auf Twit­ter dar­an, dass der ers­te Inter­net­par­tei­tag jetzt zwan­zig Jah­re her ist. Wie Andrea Lind­l­ohr schreibt, mög­li­cher­wei­se inspi­riert von , einer damals sehr belieb­ten Netz-Poli­tik­si­mu­la­ti­on. Der dama­li­ge Inter­net­par­tei­tag des grü­nen Lan­des­ver­bands Baden-Würt­tem­berg war text­ba­siert, dau­er­te meh­re­re Tage, und ver­band die Foren­dis­kus­si­on mit jeweils einen Tag umfas­sen­den Abstim­mungs­fens­tern. Beschlos­sen wur­de letzt­lich unter ande­rem eine Reso­lu­ti­on zu Laden­schluss­zei­ten – wich­ti­ger aber war das Sym­bol: Par­tei­tag geht auch im Netz. Kos­ten­punkt: ähn­lich hoch wie ein Lan­des­par­tei­tag in der Hal­le, v.a. die damals noch auf Dis­ket­ten basie­ren­de Sicher­heits­ar­chi­tek­tur war teuer. 

So rich­tig eta­blie­ren konn­te sich das For­mat nicht. Und noch 2018 – nach dem Beginn und Ende des Hypes um die Pira­ten­par­tei mit ihren liqui­den Ent­schei­dun­gen – war mei­ne Ver­mu­tung: das kommt auch nicht wie­der, höchs­tens in Form von Betei­li­gungs­pha­sen vor Par­tei­ta­gen. Coro­na macht’s mög­lich, dass jetzt alle Welt von digi­ta­len Par­tei­ta­gen spricht und eini­ge davon sogar mit Erfolg durch­ge­führt wer­den. Mal sehen, was nach der Pan­de­mie davon übrig bleibt.

Ich neh­me das Jubi­lä­um jeden­falls mal zum Anlass, die diver­sen Tex­te von mir dazu gesam­melt zur Ver­fü­gung zu stel­len. Ein paar der Auf­sät­ze, die dazu pas­sen wür­den, sind der­zeit nicht online erreich­bar, weil Sei­ten relauncht wur­den oder Netz­zeit­schrif­ten ein­ge­stellt wur­den – ich neh­me die hier mal mit auf und lie­fe­re bei Gele­gen­heit nach:

Ein Programm für heute

Berlin

Ges­tern und vor­ges­tern fand in Ber­lin der Grund­satz­kon­vent statt, auf dem der „Zwi­schen­be­richt“ für das neue grü­ne Grund­satz­pro­gramm vor­ge­stellt wur­de, und zugleich ein biss­chen gefei­ert wur­de – schließ­lich trat genau vor 40 Jah­ren die „Sons­ti­ge Poli­ti­sche Ver­ei­ni­gung DIE GRÜNEN“ zur Euro­pa­wahl an, das war sozu­sa­gen die ers­te Grün­dung der Grü­nen als Par­tei, die zwei­te folg­te dann ein Jahr spä­ter nach deut­schem Recht in Karls­ru­he (nähe­re Infos zum Kon­vent mit Link zum Zwi­schen­be­richt).

„Ein Pro­gramm für heu­te“ weiterlesen

Smarte Parteien? Um welches Problem geht es eigentlich?

Convention tools

In den Reve­la­ti­on-Space-Büchern des Sci­ence-Fic­tion-Autors Alas­ta­ir Rey­nolds tau­chen am Ran­de die „Demar­chists“ auf – eine Grup­pe von Men­schen, die das Ide­al direk­ter Demo­kra­tie ver­wirk­licht haben: Ein Implan­tat im Kopf legt jedem und jeder stän­dig Ent­schei­dun­gen zur Abstim­mung vor. Demo­gra­phie und Demo­kra­tie gehen inein­an­der über, der Wil­le des Vol­kes ist die stän­dig aktua­li­sier­te Sum­me des Wil­lens der Ein­zel­nen. Deli­be­ra­ti­on fin­det dage­gen, soweit das die­ser Fik­ti­on zu ent­neh­men ist, eher nicht statt. Aber, einem Sci­ence-Fic­tion-Buch ist das ange­mes­sen, eigent­lich erfah­ren wir auch nur etwas über das „Tool“ und wenig dar­über, wie die Prak­ti­ken, Pro­zes­se und Ver­fah­ren aus­se­hen, die die­se auf die Spit­ze getrie­be­ne Form direk­ter Demo­kra­tie so mit sich bringt.

Viel­leicht ist es die­ser Fokus auf die „Tools“, der mich bei eini­gen aktu­el­len Debat­ten an die­se Bücher den­ken ließ. Auch nach dem weit­ge­hen­den Schei­tern der – soweit das aus Außen­per­spek­ti­ve fest­zu­stel­len ist – sehr stark „tool“-zentrierten Liquid-Demo­cra­cy-Debat­ten der Pira­ten­par­tei bleibt der Ruf nach der „Smart Par­ty“ (Scho­ber et al. 2015) viru­lent. Fast drängt sich der Ein­druck auf, dass ver­zwei­felt am Glau­ben dar­an fest­ge­hal­ten wird, dass die­ser Netz­werk­tech­nik doch ein demo­kra­ti­sches Heils­ver­spre­chen zu ent­lo­cken sein muss. Jeden­falls wird nach wie vor dar­über gespro­chen, dass Par­tei­en bes­ser, schö­ner, effi­zi­en­ter und betei­li­gungs­ori­en­tier­ter wer­den könn­ten, wenn sie denn nur die rich­ti­ge Tech­nik ein­setz­ten. Bis­her haben die­se Ansät­ze den Rea­li­täts­test nicht bestan­den. Das liegt – behaup­te ich – nicht am feh­len­den Wil­len der Par­tei­en, son­dern schlicht dar­an, dass die glit­zern­den „Tools“ und die zu lösen­den Pro­ble­me nicht zuein­an­der passen.
„Smar­te Par­tei­en? Um wel­ches Pro­blem geht es eigent­lich?“ weiterlesen

Gebührengespenster in der LHG-Novelle

Portal

Eigent­lich hal­te ich mich in die­sem Blog ja zurück mit Din­gen, für die ich dienst­lich – als Par­la­men­ta­ri­scher Bera­ter für Wis­sen­schaft und For­schung, Medi­en und Netz­po­li­tik der Frak­ti­on GRÜNE im Land­tag von Baden-Würt­tem­berg – zustän­dig bin. Jetzt muss ich aber doch ein paar Wor­te zum 3. Hoch­schul­rechts­än­de­rungs­ge­setz (land­läu­fig: der Novel­le des Lan­des­hoch­schul­ge­set­zes, oder kurz, der LHG-Novel­le) äußern. Wor­um es bei die­ser umfang­rei­chen Neu­fas­sung geht, steht zum Bei­spiel auf der Sei­te des Minis­te­ri­ums für Wis­sen­schaft, For­schung und Kunst, auch die­se Info­gra­fik (pdf) ist ganz nett.

Es gibt eine gan­ze Rei­he von Ele­men­te der LHG-Novel­le, die ich per­sön­lich sehr gelun­gen fin­de. Dazu gehö­ren die Ver­än­de­run­gen zur Qua­li­täts­si­che­rung bei Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren, dazu gehört das Ten­ure-Track-Ver­fah­ren für Juni­or­pro­fes­so­rIn­nen, dazu gehö­ren die erwei­ter­ten Aus­kunfts­rech­te für den Senat und für ein­zel­ne Sena­to­rIn­nen, und dazu gehört auch die gesetz­li­che Ver­an­ke­rung der Per­spek­ti­ven­viel­falt im Hochschulrat. 

Dann gibt es Punk­te, an denen ich per­sön­lich eine muti­ge­re – oder gar ganz ande­re – Lösung begrüßt hät­te, und bei denen es eher um eine nach­ho­len­de Moder­ni­sie­rung geht. Ist ja manch­mal auch not­wen­dig. Es wäre zwar span­nend, hier in Details zu gehen, dafür ist die­ses Blog aber defi­ni­tiv der fal­sche Ort.

Ins­ge­samt bin ich über­zeugt, dass das Gesetz den Anspruch ein­löst, eine Abkehr vom Geist der unter­neh­me­ri­schen Hoch­schu­le Fran­ken­bergs ein­zu­lei­ten. Dazu tra­gen vie­le klei­ne Mosa­ik­stei­ne bei, die dann – soweit das bei den trä­gen Tan­kern der Hoch­schu­len und Uni­ver­si­tä­ten mög­lich ist – zusam­men eine Kurs­än­de­rung mög­lich machen. 

An die­ser Stel­le möch­te ich jetzt auf einen Punkt näher ein­ge­hen, der in den letz­ten Tagen durch die Pres­se geis­ter­te: die War­nung vor „Stu­di­en­ge­büh­ren durch die Hin­ter­tür“. Es lässt sich sicher­lich dar­über strei­ten, ob die im Ent­wurf vor­ge­se­he­nen Ände­run­gen im Lan­des­hoch­schul­ge­büh­ren­ge­setz sinn­voll und not­wen­dig sind. Aber „Stu­di­en­ge­büh­ren durch die Hin­ter­tür“ sind es nicht. Was wird geändert? 

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Beteiligt euch! Oder: die Angst der deutschen Behörde vor dem Unkalkulierbaren

Tunnel of power I

Ein Auf­re­ger­the­ma der letz­ten Tage war im poli­ti­schen Baden-Würt­tem­berg die Betei­li­gungs­platt­form. Eigent­lich war klar, dass es die­se Ergän­zung des Lan­des­por­tals geben soll­te – weni­ge Tage vor dem Start mel­de­te sich dann die SPD-Frak­ti­on in Per­son ihres Anfüh­rers pres­se­öf­fent­lich mit Beden­ken. Es müs­se doch erst ein­mal einen Pro­be­lauf geben – und zwi­schen den Zei­len habe ich auch Beden­ken gele­sen, dass (orga­ni­sier­te) Bür­ge­rIn­nen eine Betei­li­gungs­platt­form dazu nut­zen könn­ten, sich (orga­ni­siert) zu betei­li­gen. Und auf die­se popu­lä­ren Mei­nungs­äu­ße­run­gen müss­te dann ja reagiert – und mög­li­cher­wei­se gegen den geäu­ßer­ten Volks­wil­len – regiert werden.

Heu­te ist das Betei­li­gungs­por­tal der Staats­rä­tin für Zivi­li­ge­sell­schaft und Bür­ger­be­tei­li­gung Gise­la Erler jetzt doch gestar­tet. Im Pro­be­be­trieb, d.h. mit gerin­ge­rer Ver­pflich­tung für die ein­zel­nen Häu­ser, mit­zu­ma­chen, und mit dem Ziel einer Eva­lua­ti­on. Aber: es läuft! 

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