Kurz zur Kandidatenlage (Update 2)

Nach Vol­ker Ratz­mann (DSDP: nicht gerankt) hat nun auch Cem Özd­emir (DSDP: nicht unter den ers­ten 11) sei­ne Kan­di­da­tur für die Büti­ko­fer-Nach­fol­ge ange­kün­digt. Auch wenn’s bei nur zwei Kan­di­da­ten bleibt, ist es zumin­dest ein biß­chen span­nend, ob der Innen­po­li­tik­ex­per­te Ratz­mann (gemä­ßigt-lin­ke Mit­te, Ber­lin-Con­nec­tion, von Rena­te Kün­ast emp­foh­len) oder der Innen­po­li­tik­ex­per­te Özd­emir (maß­vol­ler Rea­lo Refor­mer, BaWü-Con­nec­tion, vom Boris Pal­mer und Tarek Al-Wazir emp­foh­len) im Novem­ber zum Grü­nen-Vor­sit­zen­den gewählt wird, um dann zusam­men mit der Innen­po­li­tik­ex­per­tin Clau­dia Roth eine z.B. auf Sozia­les, Bil­dung und Umwelt set­zen­de Bun­des­tags­wahl durch­zu­zie­hen. Ers­te Wahl für den Pos­ten fin­de ich sie – lei­der – bei­de nicht.

In other news: bei der sel­ben BDK im Novem­ber 2008 wird Julia See­li­ger nicht wie­der für den Par­tei­rat antre­ten, dafür emp­fiehlt sie Robert Zion.

Update: Ganz lesens­wert der ZEIT-Text dazu.

Update 2: (17.6.2008) Inzwi­schen hat auch Spie­gel Online fest­ge­stellt, dass zwei mehr-oder-weni­ger Rea­lo-Kan­di­da­ten den Grü­nen Lin­ken die Mög­lich­keit geben, sich für das klei­ne­re Übel zu ent­schei­den (wobei „Übel“ dann viel­leicht doch ein etwas zu har­tes Wort ist – es geht ja nicht um Mer­kel vs. Beck oder so).

Lesenswert: Klimawandel und Alltagshandeln

Titel Klimawandel und AlltagshandelnDie hes­si­sche Lan­des­stif­tung der Hein­rich-Böll-Stif­tung, der BUND und das Insti­tut für sozi­al-öko­lo­gi­sche For­schung (ISOE) haben mit dem jetzt erschie­ne­nen Band Kli­ma­wan­del und All­tags­han­deln nicht nur die Doku­men­ta­ti­on einer im Herbst 2006 statt­ge­fun­de­nen Tagung her­aus­ge­ge­ben, son­dern bie­ten – an der Gren­ze zwi­schen Wis­sen­schaft und Poli­tik – einen guten Über­blick über den aktu­el­len Stand zur Fra­ge, was im All­tag kli­ma­po­li­tisch und kli­ma­schüt­ze­risch getan wer­den kann.

Der Band glie­dert sich, grob gesagt, in drei The­men­ge­bie­te. Im ers­ten, „Kli­ma­wan­del, Kli­ma­po­li­tik, Kli­ma­schutz“, gibt Uwe Frit­sche vom Öko-Insti­tut einen kon­zi­sen Über­blick über den Wis­sens­stand zum Kli­ma­wan­del und reißt Hand­lungs­fel­der an. Klaus Wort­mann dis­ku­tiert das The­ma Ener­gie­spa­ren im Haus­halt his­to­risch, d.h. er arbei­tet sozu­sa­gen Geschich­te der „Ener­gie­spar­be­we­gung“ seit den 1970er Jah­ren mit ihren Höhen und Tie­fen, poli­ti­schen Zuwen­dun­gen und all­täg­li­chen Rück­zü­gen auf. Anja Wir­sing schließ­lich stellt eine Foto­ak­ti­on vor, mit der Frau­en zum inter­na­tio­na­len Frau­en­tag Kli­ma­bot­schaf­ten posi­tio­nie­ren (das Buch ist damit illustriert).

Im zwei­ten Abschnitt geht es dann um die Rah­men­be­din­gun­gen. Wer­ner Neu­mann dis­ku­tiert wirt­schaft­li­che und struk­tu­rel­le Pro­ble­me des Poli­tik­fel­des Ener­gie­ef­fi­zi­enz. Aus der Sicht des Ver­brau­cher­schut­zes betrach­tet Hol­ger Kra­win­kel Glüh­bir­nen­ver­bo­te und ähn­li­che Aktio­nen und plä­diert für ein Minis­te­ri­um mit gebün­del­ter Ener­gie­spar­kom­pe­tenz. Hans Acker­mann zeigt, wo tat­säch­lich Ein­spar­po­ten­zia­le lie­gen und Hans-Peter Frank dis­ku­tiert das Strom­spar­för­der­pro­gramm der Stadt­wer­ke Marburg.

Für mich am span­nends­ten der drit­te Teil des Buchs: „Die all­täg­li­che Pra­xis: Im All­tag kli­ma­scho­nend han­deln“. Imma­nu­el Stieß vom ISOE geht aus­führ­lich auf eine all­tags­öko­lo­gi­sche Per­spek­ti­ve in der Kli­ma­dis­kus­si­on ein. Dabei geht es nicht nur um die ener­ge­ti­schen Effek­te ver­schie­de­ner Bedürf­nis­fel­der und die all­täg­li­chen Hand­lungs­mög­lich­kei­ten; die­se all­tags­öko­lo­gi­sche Per­spek­ti­ve wird in den Rah­men des gro­ßen Wand­lungs­pro­zes­ses der Tech­ni­sie­rung und Ver­wis­sen­schaft­li­chung all­täg­li­chen Han­delns gestellt. Ein­dring­lich macht Stieß klar, war­um Kon­su­men­tIn­nen und Haus­hal­te Schlüs­sel­ak­teu­re für den Kli­ma­schutz sind – und wie ein prak­ti­ka­bler Weg zu einem post­fos­si­len All­tag aus­se­hen kann. Er nennt hier ins­be­son­de­re vier Punkte: 

  • Ener­gie­ef­fi­zi­en­te Ange­bo­te und Pro­duk­te müs­sen in die all­täg­li­che Lebens­füh­rung inte­grier­bar sein, sie müs­sen „all­tags­kom­pa­ti­bel, breit ver­füg­bar und leicht zu hand­ha­ben sein“ und sich in All­tags­rou­ti­nen inte­grie­ren lassen. 
  • Infor­ma­ti­on zum Kli­ma­schutz muss eine ein­fa­che Ori­en­tie­rung erlau­ben, als Posi­tiv­bei­spiel nennt Stieß die EU-Ener­gie­ver­brauchsla­ben von A++ bis G. 
  • Die unter­schied­li­che Lebens­wirk­lich­keit unter­schied­li­cher Bevöl­ke­rungs­grup­pen muss berück­sich­tigt werden. 
  • Die unter­schied­li­chen Hand­lungs­mög­lich­kei­ten und ‑res­sour­cen unter­schied­li­cher Grup­pen müs­sen berück­sich­tigt sein, bspw. sind die Anfangs­in­ves­ti­tio­nen in spar­sa­me Gerä­te schwie­rig – es kann sich nicht jeder leis­ten, spar­sam zu sein. 

Als wei­te­re Posi­tiv­fak­to­ren nennt Stieß all­tags­na­he und gut ver­ständ­li­che Öko-Rat­ge­ber, die Eco­T­op­Ten-Initia­ti­ve des Öko-Insti­tuts und neue Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­men wie Stromwechsel-Partys.

Red light

Elke Dünn­hoff vom Hei­del­ber­ger ifeu geht im Detail auf Grün­de ein, die das Ener­gie­spa­ren erschwe­ren. Dazu gehört die zuneh­men­de tech­ni­sche Aus­stat­tung der Haus­hal­te (von Kaf­fee­ma­schi­nen über Mobil­te­le­fo­ne bis zur Wasch­ma­schi­ne und zur Glüh­bir­ne), dabei zuneh­mend „intel­li­gen­te“ Gerä­te mit Stand­by-Modus. Hand­lungs­an­sät­ze in pri­va­ten Haus­hal­ten glie­dert sie nach den drei Maß­nah­men­ar­ten „Nut­zungs­ver­hal­ten“, „Klein­in­ves­ti­tio­nen“ und „Kauf­ent­schei­dun­gen“. Wich­tig an ihrem Bei­trag fin­de ich, dass sie aus­führ­lich auf Hemm­nis­se zum Strom­spa­ren ein­geht, u.a. dass der Strom­ver­brauch der Gerä­te nicht sicht­bar ist.

Zum Teil All­tags­öko­lo­gie gehö­ren wei­ter­hin ein Bericht von Hans Acker­mann aus dem All­tag eines Ener­gie­spar­haus­halts und ein Über­blick von Ramo­na Sief­ke über Erfah­run­gen aus der Ener­gie­be­ra­tung der Verbraucherzentralen. 

Ein wich­ti­ges The­ma spre­chen zwei wei­te­re Bei­trä­ge an – ein­mal wis­sen­schafts­nah (Stieß und Dünn­hoff) und ein­mal prak­tisch (Bet­ti­na Sicken­ber­ger) geht es um das Zusam­men­brin­gen von Energiesparpolitik/Energiekostenanstieg und sozia­len Kon­se­quen­zen, Sozi­al­po­li­tik. Stieß und Dünn­hoff berich­ten über eine mit der Hans-Böck­ler-Stif­tung durch­ge­führ­te Stu­die zu den Aus­wir­kun­gen stei­gen­der Ener­gie­kos­ten auf Haus­hal­te, die ALG II bzw. Sozi­al­hil­fe bezie­hen. Sicken­ber­ger stellt den „Ein­spar­ser­vice“ der Cari­tas Frank­furt am Main vor, bei der „Arbeits­lo­se“ zur Vor-Ort-Ener­gie­be­ra­tung ein­ge­setzt werden.

Doris Hayn (ISOE) schließ­lich macht in ihrem Bei­trag zum Ernäh­rungs­han­deln deut­lich, dass Kli­ma­ef­fek­te all­täg­li­chen Han­delns nicht nur dort statt­fin­den, wo direkt Strom durch irgend­wel­che Gerä­te fließt. Zugleich geht es dar­um, wie schwie­rig es ist, die ver­steck­ten Kli­ma­ef­fek­te zu ver­rin­gern und all­täg­li­che Prak­ti­ken zu ver­än­dern. Die Dar­stel­lung der Kom­ple­xi­tät des All­tags erscheint mir sehr hilf­reich und macht sehr klar, war­um ein­fa­che Rezep­te nicht unbe­dingt funk­tio­nie­ren. Auch Hayn betont, dass kli­ma­po­li­ti­sche Hand­lungs­emp­feh­lun­gen all­tags­kom­pa­ti­bel sein müs­sen, und es nicht zu stän­di­gen Abwä­gungs­pro­zes­sen kom­men kann. Zugleich hält sie fest, dass das Hand­lungs­feld Ernäh­rung deut­lich zeigt, dass Kli­ma­schutz letzt­lich „(ein­schnei­den­de) Ver­än­de­run­gen von Ver­brauchs- und Kon­sum­ge­wohn­hei­ten, von Lebens­wei­sen und Lebens­sti­len“ not­wen­dig machen wird. Da braucht es zwar auch Umwelt­rat­ge­ber, die all­tags­kom­pa­ti­ble Tipps geben, aber noch viel mehr Unter­stüt­zung der pri­va­ten Akteu­re durch poli­ti­sche Rah­men und wirt­schaft­li­che Angebote.

Das Buch wird ergänzt durch eine Kurz­vor­stel­lung der betei­lig­ten Ein­rich­tun­gen und einen Über­blick über Web­sites und Umwelt­rat­ge­ber für Klimaschutz.

Wie auch schon in der Gewich­tung in die­ser Kri­tik deut­lich gewor­den ist, sind eini­ge Tei­le des Buches für mich sehr viel inter­es­san­ter als ande­re. Neben dem Über­blick über den Stand der wis­sen­schaft­lich-poli­ti­schen Kli­ma­de­bat­te sind dies vor allem die expli­zit all­tags­öko­lo­gi­schen Bei­trä­ge. Bei ande­ren schim­mert dann doch zu sehr der Vor­trags­stil einer Tagung durch; statt wei­ter­ge­hen­den Infor­ma­tio­nen fin­det sich dann das tex­tu­el­le Äqui­va­lent einer Power­Point-Prä­sen­ta­ti­on. Das und der rela­tiv hohe Preis sind sicher­lich Punk­te, die gegen Kli­ma­wan­del und All­tags­han­deln spre­chen. Für alle, die poli­tisch oder wis­sen­schaft­lich mit dem The­ma zu tun haben, ist die Anschaf­fung jedoch sinn­voll, inso­fern hier ent­schei­den­de Eck­pfei­ler für eine all­tags­ori­en­tier­te Her­an­ge­hens­wei­se an Kli­ma­po­li­tik gesetzt werden. 

* * *

Hayn, Doris / Zwen­gel, Ralf (Hrsg.) (2008): Kli­ma­wan­del und All­tags­han­deln. Essen: Klar­text. 186 Sei­ten, 14,95 Euro. Ver­lags­in­for­ma­ti­on. Bei Ama­zon bestel­len.

Kurzupdate: Leere Plätze

u-bote-titelAuch das u‑as­ta-info der u‑bote (Aus­ga­be #779, pdf) des Frei­bur­ger u‑asta hat inzwi­schen das The­ma „Platz der Alten Syn­ago­ge“ auf­ge­nom­men und wid­met ihm die Titel­ge­schich­te, zwei Kom­men­ta­re und einen sati­ri­schen Aus­blick. Ein­hel­li­ger Tenor: so ein lee­rer Platz ist uner­wünscht. Sehe ich auch so, und wenn jetzt noch der Gen­der-Kas­ten im Arti­kel selbst berück­sich­tigt wor­den wäre, wäre ich rest­los glücklich.

Uni Freiburg: offen, demokratisch, frei?

Das Humboldt-Labor: LogoNach dem herbst­li­chen „Zukunfts­kon­gress“ (sie­he auch hier) fand vor kur­zem – im Rah­men eines Mar­ke­ting- und Stra­te­gie­pro­zes­ses zum Rebran­ding der Frei­burg Uni­ver­si­ty ein „Zukunfts­work­shop“ zur „stra­te­gi­schen Iden­ti­tät“ der Uni­ver­si­tät Frei­burg statt. Ich hat­te zuviel ande­res um die Ohren, als mich um eine Ein­la­dung dazu zu kümmern. 

Trotz­dem – oder viel­leicht gera­de des­we­gen – habe ich mir mit gro­ßem Inter­es­se die Ergeb­nis­se die­ses grup­pen­über­grei­fen­den Work­shops angeschaut.

Auf dem Work­shop wur­de flei­ßig „getaggt“, bzw. es wur­den grup­pen­spe­zi­fisch Adjek­ti­ve gesucht, die am bes­ten beschrei­ben, wie die Uni­ver­si­tät sich selbst sieht bzw. sehen will. Genau­er gesagt: der Satz „Uni­ver­si­tät ist für mich …“ muss­te ver­voll­stän­digt werden. 

Gesamtwolke Zukunftsworkshop
Die gesam­te Tag­cloud (Quel­le).

Her­aus kam dann eine „Gesamt­wol­ke“ – und die hat es in sich. In abstei­gen­der Rei­hen­fol­ge am häu­figs­ten genann­te Adjek­ti­ve (maxi­mal wären 100 Nen­nun­gen mög­lich gewe­sen, wenn ich das Sys­tem rich­tig ver­stan­den habe) sind näm­lich weder „exzel­lent“ noch „kon­kur­renz­fä­hig“, sondern:

  1. offen (62 Nennungen) 
  2. viel­fäl­tig (48 Nennungen), 
  3. demo­kra­tisch (46 Nennungen),
    visio­när (46 Nennungen),
  4. frei (44 Nennungen),
    kom­mu­ni­ka­tiv (44 Nennungen)
    realistisch(44 Nennungen)
  5. inno­va­tiv (42 Nennungen), 
  6. krea­tiv (38 Nennungen), 
  7. koope­ra­tiv (37 Nennungen), 
  8. mensch­lich (35 Nennungen),
    schöp­fe­risch (35 Nen­nun­gen) und
    sozi­al (35 Nennungen). 

Abge­se­hen mal davon, dass „nach­hal­tig“ auch nur unter fer­ner lie­fen lan­de­te („gleich­be­rech­tigt“ hat immer­hin 35 Nen­nun­gen, dop­pelt so vie­le wie „exzel­lent“ mit 17 Nen­nun­gen), gefällt mir die­ses Bild einer Uni­ver­si­tät sehr gut. Ich bin über­zeugt davon, dass eine Uni­ver­si­tät, auf die all die­se Adjek­ti­ve mit Recht dran­ge­schrie­ben wer­den kön­nen, eine sehr gute Uni­ver­si­tät wäre.

Es bleibt aber natür­lich auch die Fra­ge, ob es ein­fach nur die „übli­chen Ver­däch­ti­gen“ waren, die sich die Zeit genom­men haben, an die­sem Work­shop teil­zu­neh­men, und die dazu auch ein­ge­la­den wur­den – und dass z.B. bei eine Reprä­sen­ta­tiv­erhe­bung über alle Uni­ver­si­täts­mit­glie­der doch ande­re Adjek­ti­ve vor­ne dran­ge­stellt wer­den wür­den. Wie dem auch sei – ich bin jetzt gespannt, was davon jetzt im „Leit­bild­pro­zess“ übrig­bleibt und wie die kom­mis­sa­ri­sche Uni­lei­tung damit wei­ter umgeht.

War­um blog­ge ich das? Weil ich das Ergeb­nis die­ses Work­shops doch uner­war­tet und damit inter­es­sant fand.