Schokolade kann im Sommer im Kühlschrank aufbewahrt werden. Die Lagerung direkt neben einer halbierten Zwiebel allerdings mindert das Geschmackserlebnis erheblich und ist deswegen nicht zu empfehlen.
Kurz: G8-Protest weiterhin kein Terror
Anlässlich des G8-Gipfels in Tokio hat sich die tagesschau nochmal angeschaut, was aus den Vorwürfen „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ bezüglich der Proteste zum G8-Treffen in Heiligendamm geworden ist – und stellt (hier zu einigen Brandstiftungsvorwürfen) fest:
Der Beschluss des Landgerichts Flensburg vom Juni 2008 ist deutlich. Dort heißt es zu einem Ermittlungsverfahren gegen mehrere linke Aktivisten: „Ein Anfangsverdacht nach §129a StGB war von vornherein nicht gegeben.“
[…]
Die Voraussetzung „der besonderen Bedeutung des Falles“ lag nicht vor, „weder wurden Menschen gefährdet, noch ist es zu einer merklichen Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung durch diese Taten gekommen“.
Bereits im Januar hatte der Bundesgerichtshof entsprechende Überwachungsmaßnahmen kassiert.
Gut so. Ich hoffe, die Generalbundesanwältin hat was daraus gelernt.
Mann kriegt Kind, taz ekelt sich
Thomas Beatie, als Frau geboren, als Mann lebend, hat vor ein paar Tagen eine kleine Tochter zur Welt gebracht. Für mich klingt das ein bißchen nach Science Fiction (genauer gesagt, nach einigen Geschichten aus Iain M. Banks Culture-Universum, in denen willentlich das Geschlecht wechselnde Schwangere vorkommen), für Arno Frank von der taz nach einem Anlass, verschwimmelt die „natürliche Geschlechterordnung“ zu loben, jegliche Anerkennungsbemühungen für queere Lebensentwürfe, Transgender und Transsexualität, die ja nicht zuletzt in der taz ein Forum gefunden haben, zurückzuweisen, und seinen Meinungsbeitrag zum Thema mit folgenden Worten zu beenden:
Thomas Beatie ist kein Mann, sondern eine schrecklich verstümmelte Frau – und gottlob nicht verstümmelt genug, um keine Kinder gebären zu können. Wünschen wir also allen Beteiligten das Beste.
Das hat nicht nur mich ziemlich geärgert, sondern z.B. auch Katja Husen und eine ganze Reihe Leserbrief-SchreiberInnen. Meinen Leserbrief hat die taz heute auch abgedruckt:
Vielleicht ist’s in der formatbedingten Zuspitzung begründet; trotzdem ist das, was Arno Frank schreibt, eine Zumutung. Anscheinend ist er nicht bereit, anzuerkennen, dass es so etwas wie „Transgender“ tatsächlich gibt. Stattdessen flüchtet Frank sich in die Reihen des biologistischen Backlashs und haut mal mit auf die Genderstudies drauf; dann lässt sich alles, was über die „normale“ Geschlechtermatrix hinausgeht, bequem als modische Abweichung, als – in seinen Worten – „Quatsch“ beschreiben. Derartige Feindseligkeit in der taz zu finden, irritiert. Ein bisschen Erwartungsenttäuschung ist ja schön und gut, aber hinter dem Schild biologischer Körperlichkeit queere Lebensentwürfe prinzipiell in Frage zu stellen, statt gegen Diskriminierung zu arbeiten: das ist der taz nicht würdig.
Warum blogge ich das? Weil mich die Feindseligkeit und der Ekel, der aus dem Kommentar von Arno Frank gesprochen hat, ernsthaft irritiert hat – auch innerhalb der aufgeklärten Linken scheint der Glaube an die Vollkommenheit der natürlichen Geschlechterordnung seine AnhängerInnen zu finden.
Photo of the week: Planetary lights I
Prima Material für eine Fallstudie zu Blogs (Update 2)
Boing Boing owns their blog, but not their reputation – that’s got to be earned. (Quelle)
Also, perhaps „permalink“ should be renamed. (Quelle)
Ich mache mir jetzt nicht die Mühe, alle Fundstellen herauszusuchen: seit ein paar Tagen gibt es Gerüchte darum, dass das Blog „BoingBoing“ (so ungefähr das drittgrößte überhaupt) alle auf die Bloggerin „Violet Blue“ verweisenden Einträge gelöscht hat. Das ist erstens deswegen ein Thema, weil Blogs von „Permalinks“ leben (also für Verweise auf Blogeinträge einen dauerhaften Link zur Verfügung stellen); die Permalinks zu allen Einträgen, in denen Violet Blue erwähnt wird, funktionieren nicht mehr, wenn die Einträge gelöscht bzw. „unpublished“ (aus der Veröffentlichung gezogen) werden. Zweitens ist es gute Praxis in Blogs, frühere Fehler durch Ergänzungen etc. zu verdeutlichen, statt stillschweigend zu editieren, und drittens hat gerade BoingBoing den Ruf, für freie Rede, Transparenz, netzkulturelle Werte und gegen Zensur zu kämpfen. Eine explosive Gemengelage also (und Herzschmerz ist auch dabei).
Inzwischen gibt es ein Statement von BoingBoing, in dem kurz gesagt steht: ja, wir haben alle Einträge gelöscht, in denen auf Violet Blue Bezug genommen wird, und nein, wir sagen nicht warum. Erinnert mich ein bißchen an die Kommunikationspolitik im Fall Flickr.
Interessant daran ist nun letztlich gar nicht so sehr der konkrete Fall, sondern vielmehr das, was dazu an Diskussion stattfindet. Allein schon die – in kürzester Zeit mehrere hundert – Kommentare zum oben genannten Statement bei BoingBoing selbst sind sehr lesenswert, in weiteren Blogs gibt’s weitere Debatten. Bei BoingBoing findet die eine Hälfte es völlig unmöglich, weil BoingBoing damit seine Reputation verspielt und das fragile Netzwerk der Verlinkungen im Internet gefährdet, die andere Hälfte findet es völlig okay, weil es halt ein privates Blog ist, und die BetreiberInnen tun und machen können, was sie wollen. Ein bißchen Fanboytum ist sicher auch dabei.
Warum ist das ganze nun Material für eine Fallstudie zu Blogs? Weil z.B. hier sehr schön deutlich wird, wie aus einem subkulturellen Blog mit (emotional gebundener und auf Sozialvertrauen aufbauender) Gemeinschaft eine massenmediale Körperschaft mit formatierter Öffentlichkeit und regelgeleitetem Systemvertrauen wird. In diesem Institutionalisierungsprozess kommt es zu Wahrnehmungsverschiebungen und veränderten Rahmungen bisher akzeptierter oder nicht akzeptierter Praktiken. Was Reputation ausmacht, wandelt sich ebenfalls. Kurz gesagt: hier lässt sich die gesellschaftliche Genese reproduzierbarer Erwartungen an das Verhalten von „Blogs“ und die Konflikthaftigkeit der damit verbundenen unterschiedlichen impliziten Standards beobachten – und die Frage stellen, ob Effekte wie dieser automatisch mit Wachstum und Kapitalisierung von Web 2.0‑Angeboten zustande kommen, oder ob es Möglichkeiten gibt, die „nette Internetcommunity von nebenan“ auch auf ein paar Millionen Seitenabrufe pro Tag zu skalieren.
Warum blogge ich das? Weil’s ein spannendes Realexperiment ist.
Update: (7.7.2008) Nachdem der Kommentarthread bei BoingBoing inzwischen auf über 1500 Kommentare angewachsen ist (und von gegenseitigen Beschimpfungen zurück zu einem zivilisierten Diskurs gefunden hat), erscheint es mir als passend, folgende simple Erklärung für die starke Dynamik internetbasierter Diskussionen in diesen Artikel einzufügen:
Duty Calls, xkcd (CC-BY-NC)
Update 2: (23.7.2008) Inzwischen gibt es die Lessons Learned – mit weiteren 500 Kommentaren. Und ein interessantes Essay zu den Konsequenzen für’s Blogging gibt’s (anderswo) auch.