Werbung: Parasit oder Symbiont? (Update)

Eini­ge der Haus­ar­bei­ten, die in mei­nem Stu­di­um ent­stan­den sind, lie­gen nicht nur auf mei­nem Ser­ver, son­dern auch bei grin.de. Den Abrech­nun­gen nach zu urtei­len wer­den sie dort aller­dings wesent­lich sel­te­ner gele­sen als die Datei­en direkt bei mir. Ges­tern kam nun das Ange­bot von grin.de, eine dort lie­gen­de Haus­ar­beit als Buch zu ver­öf­fent­li­chen. Wobei Buch etwas über­trie­ben ist – es geht um etwa 40 Sei­ten in einer Print-on-Demand-Schrif­ten­rei­he beim GRIN-Ver­lag. Ich habe dann nach den Aus­wahl­kri­te­ri­en gefragt, und her­aus­ge­fun­den, dass es wohl kei­ne gab (außer der Sei­ten­zahl). Fazit: nö, dann las­se ich die Arbeit lie­ber frei zugäng­lich – wer sie lesen und zitie­ren möch­te, ist mit einer URL bei mir auch nicht schlech­ter dran als mit einer bis­her nicht eta­blier­ten Buch­rei­he eines Hausarbeitenvermarkters.

Das gan­ze möch­te ich aber zum Anlass neh­men, auf die 1999 ent­stan­de­ne Arbeit „Wer­bung & Medi­en: Ein para­si­tä­res Ver­hält­nis?“ ein­mal an die­ser Stel­le hin­zu­wei­sen. Wor­um ging es da? Ich habe mir ver­schie­de­ne Ver­su­che ange­schaut, Wer­bung sys­tem­theo­re­tisch zu fas­sen. Mein dama­li­ges Ergeb­nis: Sieg­fried J. Schmidt betrach­tet Wer­bung als Teil­sys­tem der Wirt­schaft, mit Niklas Luh­mann kann sie dage­gen als Pro­gramm­be­reich des Sys­tems der Mas­sen­me­di­en betrach­tet wer­den. Für bei­des gibt es gute Grün­de, Luh­mann passt sys­te­ma­tisch eher. Wich­ti­ger als die Teil­sys­tem­fra­ge erscheint die Fra­ge struk­tu­rel­ler Kopp­lun­gen. Und für das Ver­hält­nis von Wer­bung und (ande­ren?) Mas­sen­me­di­en gilt: 

„Wer­bung imi­tiert die Sti­le ande­rer Pro­gramm­be­rei­che der Mas­sen­me­di­en und nutzt die von ande­ren Medi­en gesam­mel­te Auf­merk­sam­keit, als Gegen­leis­tung wer­den Zah­lun­gen an ande­re Berei­che her­an­ge­lei­tet. Es wur­de als ohne wei­te­re Unter­su­chun­gen nicht ent­scheid­bar offen­ge­las­sen, ob die­ses Ver­hält­nis eher als para­si­tär oder eher als sym­bio­tisch beschrie­ben wer­den kann. Um dies zu ent­schei­den, wäre eine detail­lier­te­re Betrach­tung der Co-Evo­lu­ti­on von Wer­bung und Wirt­schaft genau­so not­wen­dig wie ein Blick auf die heu­ti­ge stru­ku­rel­le Kopp­lung bei­der Berei­che.“ (Wes­ter­may­er 1999).

Das ist übri­gens nicht die ein­zi­ge Haus­ar­beit, die ich zum The­ma Wer­bung ver­fasst habe – ein Jahr spä­ter, also 2000, ging es dann um „Wer­bung in Theo­rien glo­ba­ler Kom­mu­ni­ka­ti­on – Von den 70er Jah­ren bis heu­te“. Hier wird west­lich gestal­te­te Wer­bung in nicht-west­li­chen Gesell­schaf­ten als Aus­gangs­punkt für eini­ge Gedan­ken zur kul­tu­rel­len Glo­ba­li­sie­rung, zur Rol­le von Mas­sen­me­di­en und zur Geburt von Hybri­den gemacht.

Bei­de Arbei­ten gibt es also wei­ter­hin frei und umsonst – wer sich davon anre­gen las­sen möch­te, kann dies ger­ne tun. Was gar nicht geht, ist Copy and Pas­te – aber ich glau­be, dass bei­de Arbei­ten dafür auch etwas zu spe­zi­ell sind.

War­um blog­ge ich das? Als Gegen­pro­gramm zur tota­len Ver­mark­tung und zum Wis­sen­schafts­mi­mi­kry – ich fin­de es gut, auch im Stu­di­um ent­stan­de­ne Arbei­ten der Welt zur Ver­fü­gung zu stel­len – aber die Form „Schrif­ten­rei­he“ über­zeugt mich dafür noch nicht.

Update: Inzwi­schen sind auch die Hin­weis­mails zu mei­nen ande­ren drei bei GRIN ein­ge­stell­ten Arbei­ten ein­ge­trof­fen. Auch da ist mir die Vari­an­te, sie frei im Netz zur Ver­fü­gung zu stel­len, aber lie­ber, als ein angeb­li­ches Buch, dass eh nie­mand liest und kauft, zu produzieren. 

Soziologie in Münster erhalten!

War­um auch immer: Ein belieb­tes Ziel von Struk­tur­ver­än­de­run­gen an Hoch­schu­len sind Sozio­lo­gie-Insti­tu­te. Aktu­ell fürch­tet das Insti­tut für Sozio­lo­gie der Uni­ver­si­tät Müns­ter um sei­nen wei­te­ren Bestand – von der­zeit fünf Pro­fes­su­ren soll es auf zwei redu­ziert wer­den. Und das wäre dann doch arg wenig.

Inso­fern unter­stüt­ze ich den Auf­ruf, sich mit dem Insti­tut zu soli­da­ri­sie­ren, ger­ne, und bit­te alle Lese­rIn­nen mei­nes Blogs, eben­falls zu unter­schrei­ben.

War­um blog­ge ich das? Weil Struk­tur­re­for­men all­zu oft Syn­ony­me für Abbau sind.

Tote Klassiker und Papierpersonen

Wäh­rend des Stu­di­ums waren sie eher durch ihre Wer­ke prä­sent und stan­den in einer Rei­he mit den Emi­nen­zen des letz­ten Jahr­hun­derts. Und erst nach und nach wur­de einem bewusst, dass vie­le der „Klas­si­ker“ durch­aus noch am Leben waren – schmerz­haft dann, wenn erst die media­le Todes­nach­richt dar­über auf­klär­te, dass es noch eine Chan­ce gege­ben hät­te, sie „live“ zu erle­ben, die es jetzt nicht mehr gab: Luh­mann und Bour­dieu etwa, oder in neus­ter Zeit Bau­dril­lard oder, gera­de gele­sen, Watz­la­wick. Und bei ande­ren – etwa bei Popitz, bei dem ich noch ein Semi­nar zum The­ma Uto­pien besuch­te, als er längst eme­ri­tiert war – wur­de mir erst nach eini­ger Zeit klar, dass es sich eben durch­aus eben­falls um einen Klas­si­ker gehan­delt hat­te, des­sen Tex­te heu­te noch ihre Bedeu­tung haben. Irgend­wie schon eine selt­sa­me Wis­sen­schaft, bei der die tat­säch­li­chen Per­so­nen so hin­ter den papie­re­nern The­sen und Argu­men­ten verschwinden. 

War­um blog­ge ich das? Weil das die Gedan­ken waren, die mir beim Lesen der Mel­dung zum Tode Watz­la­wicks kamen.

Netzkompetenz statt Verteuflung

Ich lese ja ger­ne Tele­po­lis. Aber man­cher Arti­kel dort ärgert mich auch. Zum Bei­spiel wirbt Ste­fan Weber für sein im Hei­se-Ver­lag erschie­ne­nes Buch über die Copy-Pas­te-Kul­tur im Wis­sen­schafts­be­trieb mit einer drei­tei­li­gen Arti­kel­se­rie. Teil 1 und 2 sind ganz nett, aber Teil 3 fand ich so über­trie­ben, dass ich einen läng­li­chen Kom­men­tar dazu im Forum zum Arti­kel geschrie­ben habe. Der hat fol­gen­den Inhalt:

Kulturpessimismus pur?

Die ers­ten bei­den Tei­le fand ich ja noch ganz nett, und auch in ihrer Pole­mik über­zeu­gend. Bei Teil 3 sieht’s anders aus – da scheint mir der Kul­tur­pes­si­mis­mus der Guten­berg-Gala­xie-Bewoh­ner durch­ge­schla­gen zu haben. Klar gehört eine gewis­se Kom­pe­tenz dazu, sinn­vol­le – zitier­ba­re – wis­sen­schaft­li­che Inter­net­quel­len von Man­ga­fo­ren zu tren­nen. Aber wenn die gege­ben ist, spricht m.E. nichts dage­gen, im Inter­net vor­han­de­ne Tex­te wie ande­re Tex­te auch zu zitie­ren. Und die Auf­find­bar­keit in ech­ter Mate­rie vor­lie­gen­der Tex­te ist so klar auch nicht immer – unver­öf­fent­lich­te Manu­skrip­te, Vor­trä­ge oder ande­re recht obsku­re Quel­len tau­chen auch da mal auf. Darf www.telepolis.de zitiert wer­den? Oder nur, wenn es um Netz­kul­tur geht?

Anders gesagt: statt Wiki­pe­dia und Kopier­funk­tio­nen zu ver­teu­feln, wäre es m.E. sinn­vol­ler, sich zu über­le­gen, was ange­mes­se­ne Ele­men­te einer ent­spre­chen­den Netz­kom­pe­tenz sein könn­ten. Die im Arti­kel auf­ge­führ­ten Regeln sind Blödsinn.

  • Direk­te Zita­te aus dem Inter­net nie zur Fak­ten­ver­mitt­lung, son­dern nur noch als illus­tra­ti­ve Bei­spie­le, wenn also das Zitat selbst the­ma­ti­siert wird (kri­ti­sche Distanz!)

„Das Inter­net“ gibt es nicht. War­um nicht Weber (2006) zitie­ren, wenn Wis­sen­schafts­prak­ti­ken im Infor­ma­ti­ons­zeit­al­ter behan­delt werden?

  • Ver­pflich­ten­der Ausdruck/Screenshot jeder zitier­ten Web­site im Anhang

Gemach, gemach … bei Foren­bei­trä­gen mag das der Fall sein. Bei ArchiX (heißt das so) oder ande­ren insti­tu­tio­nell auf­find­ba­ren Doku­men­ten sieht’s wie­der ganz anders aus (z.B. bie­tet die Uni­ver­si­tät Frei­burg einen Doku­men­ten­ser­ver frei­dok an – war­um nicht von den dort ver­öf­fent­lich­ten Dis­ser­ta­tio­nen etc. zitie­ren, wenn ich’s aus dem ent­spre­chen­den Buch auch tun wür­de?) Oder muss dann das Gesamt-PDF ange­hängt werden?

  • Kei­ne Zita­te von der Wiki­pe­dia, außer zur kri­ti­schen Kommentierung

Die Wiki­pe­dia wird in ihrer Quel­len­la­ge immer bes­ser. Des­we­gen wür­de ich auch das nicht so unkom­men­tiert stel­len las­sen wollen.

  • Idea­ler­wei­se soll­te in wis­sen­schaft­li­chen Arbei­ten von Web­sei­ten nur dann zitiert wer­den, wenn es tat­säch­lich wis­sen­schaft­li­che Quel­len sind (etwa Online-Auf­trit­te von Jour­nals etc.)

Ja – aber dann brau­che ich auch kei­nen Screen­shot. Und man­ches ist halt gar nicht so ein­fach ein­zu­ord­nen (-> Netz­kom­pe­tenz); natür­lich trägt das Inter­net dazu bei, eini­ge Grenz­zie­hun­gen zu ver­un­kla­ren (kommunikation@gesellschaft ist ein klar wis­sen­schaft­li­ches Jour­nal, Tele­po­lis ist es eigent­lich nicht, hat aber manch­mal ganz net­te Ideen zu bie­ten, z.B. wenn Maresch schreibt, und man­che Fak­ten (oder so) zu etwas obsku­re­ren Gebie­ten fin­den sich viel­leicht tat­säch­lich am ehes­ten in einem abge­le­ge­nen Blog). Modus 2?

Der lange Weg vom Vortrag zur Veröffentlichung

Im letz­ten Som­mer – nein, im vor­letz­ten Som­mer, also im August 2005, war ich in Kesz­t­he­ly in Ungarn auf der 21. Kon­fe­renz der euro­päi­schen Agrar­so­zio­lo­gIn­nen und habe dort etwas über das zu die­sem Zeit­punkt eigent­lich schon abge­schlos­se­ne For­schungs­pro­jekt WALD vor­ge­tra­gen. Ursprüng­lich war wohl geplant, die dort gehal­te­nen Vor­trä­ge auch irgend­wie zu ver­öf­fent­li­chen. Vor etwa einem Jahr hieß es dann, dass doch jede und jeder selbst schau­en soll, was er oder sie aus dem jewei­li­gen Vor­trag macht. Gut, dach­te ich mir, im Ver­gleich zu dem, was ich schon anders­wo unter­ge­bracht habe, ent­hielt mein Vor­trag nichts welt­be­we­gend neu­es über forst­li­che Dienst­leis­ter in Deutsch­land und deren Situa­ti­on. Aller­dings gab es zu mei­nen Ergeb­nis­sen bis­her noch nichts schrift­li­ches auf Eng­lisch. Ergeb­nis mei­ner Über­le­gun­gen war die Idee, den Vor­trag in der neu­en Rei­he „Arbeits­wis­sen­schaft­li­che For­schungs­be­rich­te“ des Insti­tuts zu ver­öf­fent­li­chen – genau für sol­che Din­ge passt die­se Rei­he wun­der­bar. Gesagt, getan – vor der tat­säch­li­chen Ver­öf­fent­li­chung als PDF lagen aller­dings noch diver­se eige­ne und frem­de Über­ar­bei­tun­gen. Heu­te (mit Datum „Okto­ber 2006“, weil so schon län­ger ange­kün­digt) steht die Text­fas­sung des Vor­trags end­lich als Arbeit­wis­sen­schaft­li­cher For­schungs­be­richt im Netz. Zumin­dest in einer klei­nen Auf­la­ge wol­len wir die Arbeits­wis­sen­schaft­li­chen For­schungs­be­rich­te auch dru­cken las­sen – bis ich mei­nen Text gedruckt auf Papier in der Hand hal­te, wird es ver­mut­lich Ende Janu­ar oder Anfang Febru­ar 2007 sein.

Aber ein klei­ner Trost bleibt: obwohl das jetzt doch ganz schön lan­ge gedau­ert hat, bis der Vor­trag end­lich im Netz zugäng­lich ist, wäre der Weg über eine „ech­te“ Ver­öf­fent­li­chung in einer wis­sen­schaft­li­chen Fach­zeit­schrift ver­mut­lich noch um eini­ges lang­wie­ri­ger und arbeits­in­ten­si­ver gewe­sen. Und dar­auf hat­te ich – deut­lich nach Pro­jek­ten­de – schlicht und ein­fach kei­ne Lust.