Hinweis: Wissenschaftsreformkritik

Das hier ist nur ein ganz kur­zer Hin­weis auf eine (inkl. der Kom­men­ta­re) über­aus lesens­wer­ten, aber auch erst­mal zu ver­dau­en­de aus­führ­li­che Kri­tik der Wis­sen­schafts­re­form – samt der Fra­ge, ob, wenn ja wie, und war­um social soft­ware jen­seits des Hypes ein Mit­tel zur Abhil­fe der neu geschaf­fe­nen Lei­den sein kann – im soz­log [via] von Tina Günther:

Exzel­lenz­in­itia­ti­ve, Bolo­gna-Pro­zess, Juni­or-Pro­fes­sur, Lehr­kraft für beson­de­re Auf­ga­ben, 6‑Jah­res-plus-6-Jah­res­re­gel sind Schlag­wor­te für einen Groß­um­bau wis­sen­schaft­li­cher For­schung und Leh­re in Deutsch­land, den man pro­blem­los als geschei­tert bezeich­nen kann.

Und dann fol­gen elf Abschnit­te, die ich hier mal auf Schlag­wor­te oder The­sen kom­pri­mie­ren möch­te. In den ers­ten sie­ben Punk­ten geht es – v.a. mit Bezug auf Richard Münch – um die Effek­te der Hoch­schul­re­form und deren Ver­an­ke­rung in herr­schen­den Ungleich­hei­ten in der aka­de­mi­schen Welt.

  1. Dritt­mit­tel und Kenn­zif­fern als Fol­ge der wis­sen­schafts­po­li­ti­schen Steue­rung, Struk­tur des aka­de­mi­schen Feldes 
  2. Spiel­re­geln im wis­sen­schaft­li­chen Feld: her­aus­ra­gen­de Vita, kei­ner­lei Rück­sicht auf die Biografie 
  3. Selek­ti­ve Wir­kung der Wis­sen­schafts­re­form, Elitekritik 
  4. Durch wis­sen­schafts­po­li­ti­sche Steue­rung for­cier­te Öko­no­mi­sie­rung der Wissenschaft 
  5. Bei­spiel: indi­vi­du­el­le Leis­tungs­mes­sung nach von den domi­nie­ren­den Akteu­ren defi­nier­ten Spielregeln 
  6. For­ma­li­siert-anony­me Spe­zi­al­spra­che, die ver­hal­tens- und leis­tungs­be­zo­ge­ne Erwar­tun­gen zum Aus­druck bringt 
  7. 83 % der Stel­len an Hoch­schu­len sind Nach­wuchs­wis­sen­schaft­le­rIn­nen, die um 17 % Pro­fes­su­ren kon­kur­rie­ren (Münch)

In den fol­gen­den The­sen dis­ku­tiert Tina Gün­ther dann „Gegen den Web 2.0‑Medienhype, aber für die Poten­zia­le des Social Web“:

  1. Das „Social Web“ bie­tet mit Web­logs, Wikis, Foren usw. Mög­lich­kei­ten für Nach­wuch­wis­sen­schaft­le­rIn­nen, sich aus orga­ni­sa­tio­na­len und insti­tu­tio­nel­len Begren­zun­gen zu lösen, wenn man sie krea­tiv und selbst­be­wusst nutzt 
  2. „Social Web“ erlaubt (und erfor­dert!) das eigen­stän­di­ge Reputations‑, Bezie­hungs- und Iden­ti­täts­ma­nage­ment durch die ForscherInnen 
  3. For­de­run­gen an For­schungs­in­sti­tu­te, Hoch­schu­len und pro­fes­sio­nel­le Ver­ei­ni­gun­gen, inter­net­be­zo­ge­nen Leis­tun­gen und Qua­li­fi­ka­tio­nen gene­rell einen höhe­ren Wert beizumessen 
  4. For­de­run­gen an das „social web“: ein­fa­che­re Hand­hab­bar­keit, Kri­tik der Selbst­re­fe­renz, Wis­sen­schafts­blog­ging als Her­aus­for­de­rung, Bedarf an wis­sen­schaft­li­chen Studien 

Ein wich­ti­ger Aspekt, der in den Kom­men­ta­ren dazu kommt, ist die Open-Access-Idee. Soll­te die von Tina Gün­ther hier skiz­zier­te Sub­ver­si­on des Wis­sen­schafts­fel­des durch das Netz funk­tio­nie­ren, muss die­se Idee, so mei­ne ich, unbe­dingt beach­tet wer­den. Ins­ge­samt fin­de ich hier jeden­falls vie­le span­nen­de Über­le­gun­gen (habe das auch gleich an die BAG wei­ter­ge­ge­ben) und eine schar­fe Ana­ly­se. Lesen!

Greendex: wer lebt wie grün?

Die ame­ri­ka­ni­sche Natio­nal Geo­gra­phic Socie­ty hat vor kur­zem das Ergeb­nis eines 14-Län­der-Ver­gleichs vor­ge­stellt, den Greend­ex. Dabei geht es um den Bei­trag von a. Kon­sum­entschei­dun­gen und b. Kon­text­be­din­gun­gen für den Kon­sum in unter­schied­li­chen Län­dern zu einem nach­hal­ti­gen Lebens­stil, wohl vor allem an den CO2-Emis­sio­nen festgemacht. 

Colors of green (mosaic)
Wie grün bist Du?

Befragt wur­den 14.000 Haus­hal­te in den 14 Län­dern mit einem 65 Varia­blen umfas­sen­den Sur­vey, die dann zum „Greend­ex“ – einem Punk­te­wert – zusam­men­ge­fasst wur­den. Etwa 60 % der Fra­gen bezie­hen sich dabei auf Kon­sum­entschei­dun­gen, also Berei­che, in denen unter­schied­li­ches Ver­hal­ten mög­lich ist. Prin­zi­pi­ell sind sol­che Unter­su­chun­gen nichts neu­es, auch die Umwelt­be­wusst­seins­be­fra­gun­gen des Umwelt­bun­des­am­tes gehen in die­se Rich­tung, inter­es­sant ist hier vor allem der Ländervergleich. 

Dabei kommt – bezo­gen auf das Ver­brau­cher­ver­hal­ten in den ein­zel­nen Län­dern – fol­gen­de Rei­hen­fol­ge heraus:

1. Bra­si­li­en, Indi­en (je 60 Punkte)
2. Chi­na (56,1 Punkte)
3. Mexi­ko (54,3 Punkte)
4. Ungarn (53,2 Punkte)
5. Russ­land (52,4 Punkte)
6. Groß­bri­tan­ni­en, Deutsch­land, Aus­tra­li­en (je 50,2 Punkte)
7. Spa­ni­en (50,0 Punkte)
8. Japan (49,1 Punkte)
9. Frank­reich (48,7 Punkte)
10. Kana­da (48,5 Punkte)
11. USA (44,9 Punkte)

Die nied­ri­gen Punkt­zah­len der Schwel­len­län­der sind mit einem gerin­ge­ren mate­ri­el­len Wohl­stand ver­bun­den (Zahl der Autos, Woh­nungs­grö­ße), zum Teil wohl auch vom Kli­ma abhän­gig (Hei­zungs­be­darf etc.). Dass die USA ganz hin­ten lie­gen, ist nicht beson­ders erstaun­lich – erstaun­lich ist aber der gro­ße Abstand zu den übri­gen Ländern.

Deutsch­land liegt ins­ge­samt im Mit­tel­feld, bezo­gen auf die Indus­trie­län­der rela­tiv weit vor­ne. Das mag etwas damit zu tun haben, dass „umwelt­freund­li­ches Ver­hal­ten“ hier­zu­lan­de schon ziem­lich lan­ge the­ma­ti­siert wird (vgl. Tele­po­lis-Arti­kel).

Auf der Web­site Greend­ex lässt sich – wie inzwi­schen auf vie­len ande­ren Sei­ten ähn­li­che Fuß­ab­drü­cke etc. zu fin­den sind – auch der per­sön­li­che „Greend­ex“ berech­nen.

Bis auf die Fra­ge 9, die so nur Sinn macht, wenn die ent­spre­chen­den Gerä­te vor­han­den sind, sieht der Fra­ge­bo­gen für die Berech­nung erst ein­mal ganz ver­nünf­tig aus. Bei mir kommt ein Score von 61 her­aus, was mich freut, aber nicht beson­ders über­rascht (kein Auto, rela­tiv viel Regio­na­les und Recy­cling, Niedrigenergiemietswohnung).

Eine Infor­ma­ti­on habe ich auf der Sei­te bis­her nicht gefun­den: wel­cher Score wäre tat­säch­lich nach­hal­tig? Bei ähn­li­chen Rech­nern zum „Fuß­ab­druck“ kommt dann ja meist her­aus, dass beim per­sön­li­chen Lebens­stil welt­weit zwei bis drei Pla­ne­ten not­wen­dig wären (bei mir: 1,6) – die­se Infor­ma­ti­on scheint mir hier zu fehlen.

War­um blog­ge ich das? Weil’s mich wis­sen­schaft­lich und poli­tisch inter­es­siert und hier glo­ba­le Daten mit einem per­sön­li­chen Kal­ku­la­tor ver­bun­den wer­den, was ich inter­es­sant finde.

Kurzeintrag: Wer 25% bezahlt, darf entscheiden

Wer 25 % bezahlt, darf ent­schei­den. So ist das jeden­falls wohl bei der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät Eich­stätt. Ein Vier­tel des Haus­halts kommt von den bay­ri­schen Bischö­fen, drei Vier­tel vom Land Bay­ern. Trotz­dem hat der Vati­kan ein Veto­recht für die Beset­zung z.B. des Uni-Prä­si­den­ten – der von den Gre­mi­en der Uni aus­ge­wähl­te Kan­di­dat wur­de jetzt ohne Begrün­dung abge­lehnt. Ein Grund mehr für die strik­te Tren­nung von Kir­che und Staat – und den Ver­zicht auf staat­li­che Zuschüs­se für Privathochschulen.

Kurzeintrag: Grün-links-libertär (oder: links-alternatives Manifest)

Wir waren schon bei den Ärz­ten und sind immer noch für Visio­nen. Aber das ewig unein­ge­lös­te Ver­spre­chen der Voll­be­schäf­ti­gung haben wir nicht mehr anzubieten.

Logo Links-LibertärAuf Initia­ti­ve von Robert Zion, dem „Grü­nen-Poli­ti­ker aus NRW“ und „Par­tei­tags­re­bell von Göt­tin­gen“ gibt es inzwi­schen ein ziem­lich lesens­wer­tes Posi­ti­ons­pa­pier (pdf), in dem klar­ge­stellt wird, was die Eck­punk­te einer zeit­ge­mä­ßen lin­ken Poli­tik sind, für die Eman­zi­pa­ti­on und Ende des Arbeits­zwangs kei­ne Fremd­wör­ter dar­stel­len, kurz: in dem zu links-liber­tä­rer Poli­tik als Zen­trum grü­ner Pro­gram­ma­tik auf­ge­ru­fen wird.

Inzwi­schen wird die­se Initia­ti­ve von über 100 Grü­nen unter­stützt (ich bin auch dabei) – wer eben­falls mit­tun will, kann dies per eMail an Robert kund­tun. Ziel sind vor­erst mal 500 UnterstützerInnen.

Nach dem Gemeinderatsbeschluss: wie weiter mit dem Platz der alten Synagoge? (Update 3)

Laut der Badi­schen Zei­tung stimm­te ges­tern eine deut­li­che Mehr­heit des Gemein­de­rats für den ers­ten Preis im Wett­be­werb um die Neu­ge­stal­tung des Plat­zes zwi­schen Uni und Thea­ter. Nur etwa die Hälf­te der grü­nen Frak­ti­on votier­te für den – aus mei­ner Sicht deut­lich erträg­li­che­ren – drit­ten Preis, und die FDP war aus Kos­ten­grün­den ganz gegen eine Umge­stal­tung. Aller­dings soll wohl deut­lich mehr Baum­be­stand erhal­ten wer­den, als bis­her vor­ge­se­hen ist.

Ich habe ja bereits mehr­fach deut­lich gemacht, dass ich es bei so einer Sache eigent­lich rich­tig fän­de, wenn die Bür­ge­rIn­nen der Stadt Frei­burg ent­schei­den. Da scheint die Stim­mung ja doch etwas anders aus­zu­se­hen als im mög­li­cher­wei­se vom groß­städ­ti­schen Glanz geblen­de­ten Rat. 

Auf der Web­site der Initia­ti­ve Mehr Demo­kra­tie e.V. fin­den sich Infor­ma­tio­nen über Bür­ger­be­geh­ren und Bür­ger­ent­schei­de in Baden-Würt­tem­berg (Merk­blatt, pdf; §21 GemO Baden-Würt­tem­berg). Wenn ich die­ses Merk­blatt rich­tig ver­ste­he, wäre es durch­aus mög­lich, jetzt zu ver­su­chen, ein Bür­ger­be­geh­ren mit dem Ziel zu star­ten, den Gemein­de­rats­be­schluss zu kip­pen. Dazu müss­ten aller­dings in den nächs­ten sechs Wochen Unter­schrif­ten von 10 % der Frei­bur­ger Bür­ge­rIn­nen* gesam­melt wer­den. Bei der letz­ten Kom­mu­nal­wahl hat­te Frei­burg 146.976 Wahl­be­rech­tig­te, d.h. das Quo­rum müss­te bei etwa 15.000 Unter­schrif­ten lie­gen – das ist eine gan­ze Men­ge, vor allem, wenn die­se Zahl tat­säch­lich inner­halb von sechs Wochen zusam­men­kom­men muss. 

Ohne insti­tu­tio­nel­le Unter­stüt­zung – etwa durch eine Par­tei oder einen Bür­ger­ver­ein – scheint mir eine sol­che Zahl an Unter­schrif­ten kaum erreich­bar. Lei­der habe ich von den „übli­chen Ver­däch­ti­gen“ bis­her wenig gehört. Wenn doch, wäre jetzt der Zeit­punkt, ganz schnell eine Unter­schrif­ten­samm­lung in die Wege zu leiten.

* Bür­ger der Gemein­de ist, wer Deut­scher im Sin­ne von Arti­kel 116 des Grund­ge­set­zes ist oder die Staats­an­ge­hö­rig­keit eines ande­ren Mit­glied­staa­tes der Euro­päi­schen Uni­on besitzt (Uni­ons­bür­ger), das 18. Lebens­jahr voll­endet hat und seit min­des­tens drei Mona­ten in der Gemein­de wohnt. (§12 GemO Baden-Würt­tem­berg).

War­um blog­ge ich das? Weil ich mich nicht ein­fach mit der Umge­stal­tung des Uni­vor­plat­zes abfin­den möchte … 

Update: (8.5.2008) fud­der berich­tet inzwi­schen auch – schön aus einem Kom­men­tar der „Wohl­fühl­fak­tor eines ukrai­ni­schen Exzer­zier­fel­des“. Da sind eini­ge dabei, die jetzt ger­ne einen Bür­ger­ent­scheid hät­ten. Eine insti­tu­tio­na­li­sier­teinsti­tu­tio­nell unter­stütz­te Bewe­gung sehe ich aller­dings lei­der immer noch nicht. 

Und noch ein inter­es­san­tes Fak­to­id: Die Kos­ten wer­den auf 12 Mil­lio­nen Euro allein für den Platz­um­bau geschätzt.

Update 2: (9.5.2008) Ich habe mal die Frak­ti­on JF/Grüne gefragt, ob es irgend­wo eine offi­zi­el­le Posi­ti­on zum wei­te­ren Vor­ge­hen gibt. Bis­her wohl nicht – in der Ant­wort wur­de noch­mal drauf hin­ge­wie­sen, dass etwa die Hälf­te der grü­nen Frak­ti­on für (den deut­lich bes­se­ren) Ent­wurf Nr. 3 gestimmt hat. Auf der Web­site der Frak­ti­on ist ledig­lich ein offe­ner Brief zu fin­den, im dem eine Bür­ger-Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung gefor­dert wird, die es ja zwi­schen­zeit­lich gab. Mal schau­en, ob hier noch mehr kommt.

Update 3: (15.5.2008) Stadt­rat Sebas­ti­an Mül­ler ver­steht – wei­ter­hin im Kom­men­tar-Thread des Fud­der-Arti­kels – die Auf­re­gung nicht und „mag kei­ne zuge­stell­ten Plätze“.