Auf dem Weg zur Kommunalwahl

Buschwindröschen II

Am 9. Juni 2024 fin­det in Baden-Würt­tem­berg nicht nur die Euro­pa­wahl statt, son­dern auch die Kom­mu­nal­wahl in den Gemein­den, Stadt- und Land­krei­sen. Und wie jede Wahl, so hat auch die­se einen Vor­lauf. Bereits im Som­mer letz­ten Jah­res haben wir in Gun­del­fin­gen begon­nen, uns zwi­schen Orts­vor­stand und aktu­el­ler Frak­ti­on Gedan­ken dar­über zu machen, wer für die Lis­te ange­fragt wer­den kann. 

Als Gemein­de mit 12.000 Einwohner*innen besteht der Gun­del­fin­ger Gemein­de­rat aus 22 Plät­zen, eine Teil­orts­wahl gibt es glück­li­cher­wei­se nicht mehr. Das heißt auch: 22 Leu­te zu fin­den, die bereit sind, mit ihrer Per­son für die grü­ne Sache in die Öffent­lich­keit zu gehen. Die Lis­te haben wir dann am 30. Novem­ber 2023 gewählt, zudem zwei Ersatzkandidat*innen. Wie bei jeder grü­nen Lis­te gilt das Frau­en­sta­tut, d.h. jeder zwei­te Platz (1, 3, 5, …) ist für eine Frau reser­viert. Her­aus­ge­kom­men ist eine bun­te Mischung aus Men­schen, die lan­ge für die grü­ne Sache aktiv sind und einer gan­zen Rei­he neu­er Gesich­ter, aus Par­tei­mit­glie­dern und Sympathisant*innen, die – zum Teil in ande­ren Grup­pen wie etwa Foodsha­ring oder Flücht­lings­hel­fer­kreis aktiv – bereit waren, auf unse­re Lis­te zu gehen. Die Lis­te umfasst ein Alters­spek­trum von 18 bis 80 Jah­re (und ganz schön vie­le Akademiker*innen …).

Ein paar Tage spä­ter, am 7. Dezem­ber 2023 haben wir dann noch unse­re sechs Kandidat*innen für den Wahl­kreis Gun­del­fin­gen (mit Glot­ter­tal, St. Peter und Heu­wei­ler) für die Kreis­tags­wahl nomi­niert. Der Kreis­tag hat ins­ge­samt 60 Kreisrät*innen, die in zwölf Wahl­krei­sen gewählt wer­den – Gun­del­fin­gen ist mit vier Man­da­ten einer der kleins­ten Wahlkreise. 

Par­al­lel zur Suche nach Kandidat*innen haben wir uns über­legt, was The­men für unser Wahl­pro­gramm sein könn­ten. Dazu fand im Okto­ber 2023 ein ers­ter Work­shop statt, auf dem Ideen gesam­melt wur­den. In meh­re­ren Ite­ra­tio­nen ent­stand dar­aus ein Wahl­pro­gramm, das in sei­ner fina­len Form am 14. März 2024 beschlos­sen wur­de. Natür­lich gibt es ein paar Dau­er­bren­ner­the­men, die in jedem grü­nen Wahl­pro­gramm für Gun­del­fin­gen auf­tau­chen – etwa die Ver­kehrs­si­tua­ti­on. Ver­stärkt in den Blick rücken mit dem dies­jäh­ri­gen Pro­gramm sozia­le Fra­gen und – auch moti­viert durch die Demons­tra­tio­nen in den ers­ten Mona­ten des Jah­res – das The­ma Demo­kra­tie und Betei­li­gung. Gleich­zei­tig wur­de in der Debat­te um das Pro­gramm deut­lich, dass es vie­le The­men gibt, die nur bedingt oder gar nicht in kom­mu­na­ler Zustän­dig­keit lie­gen. Gemein­den haben in Baden-Würt­tem­berg eine star­ke Stel­lung, aber vie­les wird doch auf ande­ren Ebe­nen entschieden.

Mit Lis­te und Pro­gramm steht jetzt der Wahl­kampf bevor. Ab Mit­te April darf in Gun­del­fin­gen pla­ka­tiert wer­den und sind Info­stän­de mög­lich. Bei­des wer­den wir natür­lich nut­zen. Hin­zu kommt die Öffent­lich­keit in sozia­len Medi­en als wei­te­res Feld. Für den Wahl­kampf lau­fen aktu­ell die letz­ten Vor­be­rei­tun­gen – der Kreis­ver­band hat beim Lan­des­ver­band Pla­ka­te und Mate­ria­li­en für Info­stän­de bestellt, es gibt Fotos der Kandidat*innen, und ich bin gera­de dabei, unser Pro­gramm und unse­re Lis­te in eine Form zu brin­gen, die dann ver­teilt und bewor­ben wer­den kann. Hilf­reich dafür sind Lay­out­vor­ga­ben und ‑ele­men­te, die der Lan­des­ver­band im Rah­men der Kam­pa­gne „Dafür sind wir hier.“ bereit stellt, und die dann an loka­le Gege­ben­hei­ten ange­passt wer­den kön­nen. Nicht zuletzt heißt Wahl­kampf auch, zu orga­ni­sie­ren, wer was in die Hand nimmt, wer wann am Stand steht und wel­che wei­te­ren Aktio­nen sinn­voll sind, um für unser Pro­gramm und unse­re Lis­te zu werben.

Span­nend bleibt jetzt, wie eigent­lich das Umfeld aus­sieht, in dem wir um Stim­men wer­ben. Mit sechs Plät­zen stel­len wir der­zeit die zweit­größ­te Frak­ti­on nach den Frei­en Wäh­lern; außer­dem sind SPD und CDU im Gemein­de­rat ver­tre­ten. All die­se Grup­pie­run­gen tre­ten wie­der an – über wei­te­re Lis­ten etwa aus dem ver­schwö­rungs­theo­re­ti­schen Milieu gibt es bis­her nur Gerüch­te. Ges­tern war die Dead­line für die Ein­rei­chung von Lis­ten­vor­schlä­gen, es dürf­te also in Kür­ze klar sein, auf wen die Bürger*innen Gun­del­fin­gens am 9. Juni ihre Stim­men ver­tei­len kön­nen. Bis dahin haben wir als Orts­ver­band noch eini­ges zu tun – auch das gehört zu geleb­ter Demo­kra­tie dazu. 

Kurz: Legalisierung ante portas

Bun­des­rats­sit­zun­gen sind nor­ma­ler­wei­se eher drö­ge. Heu­te anders. Die Web­site bundesrat.de war immer wie­der down, auf You­tube sahen rund 30.000 Leu­te dem Stream zu, und im Chat neben dem Stream saus­ten Brok­ko­li-Emo­jis, Unver­ständ­nis für Unionsredner*innen und Zuspruch für Karl „King“ Lau­ter­bach nur so durch. Rich­tig: es ging um das Cannabisgesetz.

Im End­ef­fekt hat es im Bun­des­rat kei­ne Mehr­heit für die Anru­fung des Ver­mitt­lungs­aus­schus­ses gege­ben. In den Reden wur­de deut­lich, dass die Uni­on auf Total­blo­cka­de setzt und – Bun­des­ge­setz hin oder her – an einem maxi­mal repres­si­ven Kurs bei­spiels­wei­se in Bay­ern fest­hal­ten will. Ande­re Länderminister*innen beton­ten dage­gen eher Zustim­mung zum Ziel der Lega­li­sie­rung und Ent­kri­mi­na­li­sie­rung, sahen aber Pro­ble­me im Vor­ge­hen des Bun­des und in ein­zel­ne Rege­lun­gen. Eigent­lich wäre ein Ver­mitt­lungs­aus­schuss (VA) der rich­ti­ge Ort, um die­se Unklar­hei­ten zu klä­ren. Dass es trotz­dem kei­ne Mehr­heit dafür gab, lag an vie­len Ent­hal­tun­gen, lag sicher­lich auch an dem offen­si­ven Blo­cka­de­kurs der Uni­ons­spit­ze – jede Anru­fung des VA wäre risi­ko­reich gewor­den – und lag im End­ef­fekt auch dar­an, dass das Land Sach­sen ungül­tig abge­stimmt hat. (Stimm­ab­ga­ben sind im Bun­des­rat nur ein­heit­lich mög­lich – Minis­ter­prä­si­dent Kret­schmer stimm­te für den VA, sein Minis­ter Dulig aus der SPD dage­gen, damit zähl­te die Stimm­ab­ga­be im Ergeb­nis nicht).

Per­sön­lich kann mir die­ses Gesetz fast egal sein – ich habe weder an Can­na­bis noch an Alko­hol ein Inter­es­se (auch im Unter­schied zu z.B. dem CDU-Chef Merz) – poli­tisch ist die­ses Ergeb­nis auch aus mei­ner Sicht ein Erfolg. Gesund­heits­mi­nis­ter Lau­ter­bach (SPD) hat das in sei­ner Rede deut­lich gemacht: es geht um Kon­trol­le und Jugend­schutz, um ein Ende des Schwarz­markts und die Ent­kopp­lung von ande­ren Dro­gen. Und dafür ist eine klug gemach­te Lega­li­sie­rung der deut­lich bes­se­re Weg als Dro­hung und Poli­zei. Nicht zuletzt: die Ampel zeigt, dass es manch­mal doch einen Fort­schritt geben kann. 

Drei Gedanken zu „Was ihr wollt. Wie Protest wirklich wirkt.“

Buchcover Friedemann Karig "Was ihr wollt"Frie­de­mann Karig, der mir bis­her vor allem über den einen oder ande­ren pro­non­cier­ten Tweet auf Mast­o­don auf­ge­fal­len war – ich bin nicht der gro­ße Pod­cast-Hörer, sonst wäre das sicher anders – hat vor ein paar Tagen das rund 180 Sei­ten umfas­sen­de Buch Was ihr wollt. Wie Pro­test wirk­lich wirkt ver­öf­fent­licht. Das Buch geht auf die Geschich­te von Pro­tes­ten ein, und legt einen beson­de­ren Fokus auf die Aktio­nen der Letz­ten Gene­ra­ti­on. Es lässt sich geschmei­dig weg­le­sen – im Nach­gang bin ich dann aber doch an drei Punk­ten hängengeblieben.

Ers­tens die Titel­fra­ge, wie Pro­tes­te wir­ken. Wenn ich das rich­tig zusam­men­fas­se, dann ist Karig eher skep­tisch bezüg­lich quan­ti­ta­ti­ven Ansät­zen. Nicht jeder Pro­test, an dem 3,5 Pro­zent der Bevöl­ke­rung teil­neh­men, war erfolg­reich. Über­haupt stellt sich natür­lich die Fra­ge, was die Wir­kung eines Pro­tes­tes ist. In auto­ri­tä­ren Regi­men ist der Sturz der Regie­rung noch ein rela­tiv klar umris­se­nes Erfolgs­kri­te­ri­um. In Demo­kra­tien geht es dar­um, die poli­ti­sche Agen­da zu ver­än­dern. Und das kann etwas sein, das sehr lan­gen Atem braucht. Karig führt hier in Anleh­nung an die „Öko­no­mie der Auf­merk­sam­keit“ die Idee einer „Öko­lo­gie der Auf­merk­sam­keit“ ein. Es geht nicht ein­fach um „mehr Auf­merk­sam­keit“, son­dern dar­um, dass sich das rich­ti­ge Nar­ra­tiv durchsetzt. 

Mit Nar­ra­tiv meint Karig eine erzäh­le­ri­sche Ein­heit, die poli­ti­sche Debat­ten struk­tu­rie­ren hilft, und die drei Ele­men­te auf­weist: „Wer ist Han­deln­der (Prot­ago­nist)? Wer ist Gegen­spie­ler (Ant­ago­nist)? Wel­che Wer­te ste­hen auf dem Spiel?“ (S. 99). Dar­aus lässt sich dann ablei­ten, dass die bei­den ent­schei­den­den Fra­gen einer Öko­lo­gie der Auf­merk­sam­keit von Pro­tes­ten fol­gen­de sind: „Wel­che Geschich­te erzählt Pro­test über sich und sei­nen Gegen­stand? Und: Wer sind in die­ser Geschich­te die Bösen?“ (S. 101). „Drei Gedan­ken zu „Was ihr wollt. Wie Pro­test wirk­lich wirkt.““ weiterlesen

Kurz: Frühling zu früh

Crocus and bee February flowers Early tree
 
 

Eine typi­sche Hand­be­we­gung für die 2020er Jah­re dürf­te das Schul­ter­zu­cken bei der Fest­stel­lung sein, dass es bereits Mitte/Ende Febru­ar die ers­ten früh­lings­haft war­men Tage gibt, dass die Schnee­glöck­chen und Nar­zis­sen, Kro­kus­se und auch die ers­ten Obst­bäu­me unge­wöhn­lich früh blü­hen. Schul­ter­zu­cken des­we­gen, weil nicht so recht klar ist, wie damit umzu­ge­hen ist. Einer­seits: groß­ar­tig, eine wun­der­ba­re Jah­res­zeit beginnt Jahr für Jahr frü­her, und die Son­ne scheint aufs Gesicht. Ande­rer­seits: Kli­ma­kri­se, und mit der Ver­schie­bung von Obst­blü­te und Vor­früh­ling nach vor­ne eben auch ein ganz kla­res und spür­ba­res Zei­chen, dass das mit die­sen jetzt schon rund 1,5 Grad wär­me­ren Tem­pe­ra­tu­ren eben Aus­wir­kun­gen hat.

Auf den Demo­kra­tie-Demos kur­sier­te das Lied der Mann­hei­mer Musi­ke­rin Sof­fie, die von einem Land träumt, „in dem für immer Früh­ling ist“. Ein­gän­gi­ge Melo­die, schö­ner Text – und ein Land, in dem immer Früh­ling ist, hät­te ja durch­aus was. Nur: es ist recht wahr­schein­lich, dass dem frü­hen Früh­ling ein frü­her und lan­ger Som­mer folgt. Und da hört der Spaß dann auf. 

Photo of the week: Demokratiecamp SC, Freiburg

Demokratiecamp SC, Freiburg

 
Ich hän­ge gera­de gefühlt mit allem hin­ter­her, des­we­gen erst jetzt ein Foto, das die impo­san­ten Säu­len (bzw. Metall­ver­stre­bun­gen) am neu­en SC-Sta­di­on zeigt. Ich bin zwar aus eini­ger Ent­fer­nung schon oft an die­sem neu­en Sta­di­on vor­bei­ge­fah­ren, war da – kein Fuß­ball­fan – aber noch nie. 

Am 24.2. hat­te ich die Gele­gen­heit, das Sta­di­on mal näher zu sehen – da fand näm­lich das „Demo­kra­tie­camp“ in der dor­ti­gen Busi­ness Lounge statt. Demo­kra­tie, gespon­sert von einem Fuß­ball­ver­ein? War­um nicht – vor allem, wenn der Trai­ner des Ver­eins immer mal wie­der deut­li­che und rich­ti­ge Wor­te fin­det. Das von freiburg_gestalten orga­ni­sier­te Demo­kra­tie­camp mit rund 250 Teil­neh­men­den ist qua­si der zwei­te Teil einer der gro­ßen Demo­kra­tie-ver­tei­di­gen-Demos in Frei­burg: ein Bar­camp, um dar­über nach­zu­den­ken, was Demo­kra­tie aus­macht, wie sie sich wei­ter­ent­wi­ckeln lässt und wie sie ver­tei­digt wer­den kann. Teil­neh­men­de bunt gemischt, eben­so das Ange­bot an Work­shops und Vor­trä­gen, das sich ent­wi­ckel­te. Die drei, an denen ich teil­ge­nom­men habe, waren ganz unter­schied­lich: in der ers­ten Run­de ging es eher aka­de­misch um Mas­sen­me­di­en und Pop­kul­tur als Gesprächs­an­lass über Demo­kra­tie, in der zwei­ten um die Wei­ter­ent­wick­lung von Bürger*innenräten in Rich­tung Mit­ge­stal­tung, und in der drit­ten Run­de hat­te ich dann selbst etwas ange­bo­ten, ein Gespräch über den Bür­ger­ent­scheid Stra­ßen­bahn in Gun­del­fin­gen, die Fra­ge, wofür sich Bür­ger­ent­schei­de eig­nen, und was anders gemacht hät­te wer­den können.

Das mal auf die Schnel­le – den kom­plet­ten Über­blick über alles hat Dejan. Und Micha­el schreibt pas­sen­der­wei­se was über den Aus­tausch zum The­ma „Akti­vis­mus mit wenig Zeit“.