Kurz: Wahlumfragen
Wenn die bei wahlrecht.de liegenden Umfrageergebnisse und Projektionen der verschiedenen Institute für die letzten paar Wochen in Excel geworfen werden, kommt das bei raus:
Sieht für „schwarz-gelb verhindern“ nicht so gut aus, sollte nicht noch ein Ereignis passieren, das die dargestellten Trends verändert. Aber dafür machen wir ja Wahlkampf!
wahlumfragen.xls – falls jemand selbst mit den Zahlen spielen will
Die wichtigsten Wahlkampfthemen (Update: das Visuelle)
Die wichtigsten Wahlkampfthemen der MLPD sind hier zu finden. Wie sieht’s bei den größeren Parteien aus? Wortwolken der Programme sagen: es geht um Deutschland, Menschen, müssen und mehr. Und die Parteinamen. Auch nicht das, was ich eigentlich suchte (einen guten Überblick über die Parteiprogramme gibt’s bei der ZEIT, nebenbei).
Was ich eigentlich suche, wäre jedoch – und ich meinte, sowas gesehen zu haben – eine Umfrage, welche Themen als wahlentscheidend angesehen werden. Da ist es ja – Forsa-Umfrage zu den wahlentscheidenden Themen für Eltern. Bildungspolitik. Ach so, für Eltern. Und allgemein? Google findet Debatten darum, dass Netzpolitik wahlentscheidend sein könnte. Oder der Atomausstieg. Oder – so die Pharmalobby – die Gesundheitspolitik. Oder ganz anderes.
Nee, das ist auch nicht das, was ich eigentlich suche. Ah, doch noch gefunden, jetzt wirklich: Folie 13 im ARD-Wahlmonitor: „Wichtigste politische Aufgaben nach der Bundestagswahl“. Das ist zugegebenermaßen nicht ganz das gleiche wie die wahlentscheidenden Themen, war aber die Liste, die ich haben wollte:
Arbeitplätze – Wirtschaftswachstum – gerechtes Steuersystem – Familien mit Kindern unterstützen
Und dann gibt es noch die offene Frage nach den wichtigsten Themen (wir erinnern uns: Umweltschutz war (ein paar) Jahre lang ganz vorne). Im Juli sah das so aus:
Arbeitslosigkeit – Finanzkrise und Wirtschaftslage – Politikverdrossenheit – Bildung – Familien
Wozu das ganze? Tatsächlich geht’s mir um die Plakatkampagnen der großen (bzw. größeren) Parteien*. Ich habe nämlich das Gefühl, dass die sich stark an diesen Themen orientieren. Aber vergleichen wir doch einfach mal:
Thema | CDU/CSU** | SPD | FDP | Grüne | DIE LINKE |
Claim | Wir haben die Kraft für … CDU | Deshalb SPD / „Und deshalb wähle ich SPD“ | FDP … Deutschland kanns besser | Aus der Krise hilft nur grün | www.fuer-gerechtigkeit.de DIE LINKE |
Arbeitsplätze | ARBEIT SICHERN (Textplakat) | „Die SPD kämpft für Arbeitsplätze. Für meinen und auch für Ihren“ (+ Foto: Mann im Blaumann) | Arbeit muss sich wieder lohnen (Textplakat) | JOBS JOBS JOBS (mit Symbolen Sonne, Bauarbeiterhelm, Windrad) | Hartz IV abwählen! (Textplakat) |
Wirtschaft, Finanzkrise | WIRTSCHAFT MIT VERNUNFT (Textplakat bzw. Foto Guttenberg) | Weil Wirtschaft Maß und klare Regeln braucht (Textplakat) | n/a | ES GEHT UMS GANZE (Bild Erdkugel) | Reichtum besteuern! (Textplakat) |
Steuern | n/a | n/a | Mehr Netto vom Brutto. (Textplakat) | n/a | Reichtum besteuern! (Textplakat) |
Bildung | GUTE BILDUNG (Foto Schavan) | „Bildung darf nicht vom Konto der Eltern abhängen“ (Foto Studentin im Hörsaal) | Bildung ist ein Bürgerrecht. (Textplakat) | WACHSTUM DURCH BILDUNG! (Symbol „Kind schaut gerade über unteren Plakatrand“) | Mehr Geld für Bildung, nicht für Banken! (Textplakat) |
Familien | STARKE FAMILIEN (Foto van der Leyen) | n/a | n/a | n/a | n/a |
Gesundheit | n/a | „Gesundheit darf kein Luxusprodukt werden“ (Foto alt und jung) | n/a | n/a | n/a |
Energiepolitik, Umwelt | n/a | „Atomkraft war gestern. Saubere Energie ist die Zukunft“ (Foto: junge Frau im Park)*** | n/a | SCHWARZ-GELB NEIN DANKE (Symbol Atommüllfässer) und diverse andere | n/a |
Netzpolitik bzw. Bürgerrechte | SICHERHEIT UND FREIHEIT (Foto Schäuble) | n/a | Freiheit stärken, Bürgerrechte schützen | DU BIST VERDÄCHTIG (Symbol Schäuble) | n/a |
Was sagt uns diese Auswahl jetzt? Erstens, dass es gar nicht unbedingt stimmt, dass alle Parteien die selben Top-5-Themen zur Wahl einsetzen. Zweitens, dass gerade Grüne und „DIE LINKE“ Schwerpunkte jenseits der allgemein für wahlentscheidend erachteten Themen setzen (Grüne: Plakate zu Bio-Lebensmitteln und Elektro-Fahrzeugen, LINKE: Plakate zu Afghanistan und zum Thema Reichtum/Umverteilung). Drittens, dass die Plakatgestaltung und die Auswahl der Slogans sehr unterschiedlich einfallsreich ist. Viertens, dass nur wenige Plakate so richtig, richtig überzeugend rüberkommen. Fünftens, dass SPD und CDU die große Koalition sehr unterschiedlich einsetzen. Sechstens (hier nicht zu sehen), dass die Parteien mit Politikerbildern ganz unterschiedlich umgehen (CDU setzt bewusst auf Bilder der wichtigsten CDU/CSU-MinisterInnen; SPD hat nur Steinmeier im Angebot; bei der FDP gibt’s jedes Plakat nochmal mit „prominentem ‚Liberalen‘ “ nebendran (von Westerwelle bis Rösler und Gerhardt; die Grünen Kopfplakate von Renate und Jürgen laufen parallel zu den Themenplakaten; die LINKE hat große Personenplakate mit entweder Lafontaine oder Gysi). Und siebtens, dass ich weniger den je glaube, dass Plakate wahlentscheidend sind – noch nicht mal die Skandalplakate aus dem Bezirk Kreuzberg etc. Und achtens: die Plakate der Parteien im Netz zu finden, ist je nach Partei ganz unterschiedlich schwer (FDP) oder einfach (CDU).
Warum blogge ich das? Aus Interesse daran, wie politische Werbung wirkt und was in den Köpfen von WahlkampfkampagnenleiterInnen so vorgeht.
* Nein, die PIRATEN sind keine größere Partei.
** Links auf die Plakate der Parteien, unten dann z.T. von mir getroffene Auswahl, falls mehrere Plakate zum Thema angeboten werden
*** Ich habe es mir ja verkniffen, inhaltlich was zu dieser Aufstellung zu sagen – aber ich find’s doch ein bißchen frech, wie die SPD das Umweltthema aufgreift – „Ausstieg aus der Atomkraft“, dabei noch ’ne junge Frau, also grüne Hauptzielgruppe – (ebenso im Deutschlandplan) und mit keinem Wort dazu sagt, dass sie weiterhin die Kohlepartei Nr. 1 bleibt.
P.S.: Ziemlich daneben finde ich übrigens die Reaktion der CDU Thüringen auf die NPD-Drohungen gegenüber Zeca Schall. Das nur nebenbei. (P.P.S.: Scheint wohl eher ein unglücklicher Zufall – schon länger geplante „Welle“ in der Plakatierung – als ein intentionales Überplakatieren zu sein. Auch wenn die NPD das so darstellt, erscheint mir die Darstellung der CDU hier doch deutlich glaubwürdiger. Insofern relativiert sich auch das P.S.).
Update: (14.08.2009) Passend zur eher inhaltlichen Auseinandersetzung hier findet sich bei „Homo Politicus“ eine visuelle Analyse der Wahlplakate (da sind auch alle im Bild zu sehen) – durch den Autor von designtagebuch.de, Achim Schaffrina (anders gesagt: die Creme de la Creme der Weboptik-Rezension). Unbedingt anklicken!
Glaskugel: die grüne Fraktion nach der Wahl (Update: tatsächliches Ergebnis)
Bei Facebook fand ich heute eine Einladung für die Gruppe „Die neue grüne Fraktion“ vor (Link leider verlegt) – Tenor: nach der Wahl wird alles anders und besser. Das weckte meine Neugierde, mal in die Glaskugel zu schauen, was sich bei der grünen Bundestagsfraktion ändern wird.
Derzeit gehören dem Deutschen Bundestag 51 grüne Abgeordnete an; davon sind 50 über die Landeslisten eingezogen (insbesondere bei denen aus Hessen mit einer ganzen Reihe von NachrückerInnen) und einer (Ströbele in Berlin) wurde direkt gewählt. Das Wahlergebnis 2005 lag bei 8,1 Prozent.
Wie wird es nach der Wahl am 27. September 2009 aussehen? Das Wahlergebnis steht heute – glücklicherweise – noch nicht fest. In den Sonntagsfragen stehen Grüne zwischen 12 und 13 Prozent. Wenn wir eine aktuelle Prognose der Forschungsgruppe Wahlen als Grundlage nehmen (CDU/CSU 36%, SPD 23%, FDP 14%, GRÜNE 12%, LINKE 9%), dann spuckt ein auf diversen grünen Mailinglisten kursierender Mandatsrechner der von Christian Brugger programmierte Mandatsrechner (V. 0.91) aus, dass mit etwa 76 grünen Mandaten zu rechnen wäre – das wären genau eineinhalb mal so viele wie jetzt. Etwas konservativer gerechnet, wären bei zehn Prozent für die Grünen etwa 64 Sitze drinne.
Sollte sich bis zur Bundestagswahl nicht noch gravierend etwas verschieben, kann also mit 65–75 Sitzen gerechnet werden. Der Mandatsrechner verteilt das – anhand der Ergebnisse 2005 anhand der Verteilung der Ergebnisse zwischen den Ländern bei der Europawahl – auch gleich auf die Bundesländer. Das sieht dann – ohne jede Gewähr – so aus:
„Glaskugel: die grüne Fraktion nach der Wahl (Update: tatsächliches Ergebnis)“ weiterlesen
Kurz: Plakate in Kreuzberg (Update 4)
Nicht alles, was sich wiederholt, muss schlecht sein. Mir jedenfalls gefällt das neue, wieder von Seyfried gezeichnete Plakat des grünen Direktkandidaten, Hans-Christian Ströbele, für den Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin. „Augenzwinkernd pathetisch“ schreibt der Tagesspiegel – das trifft es gut, und das gefällt mir. Ich jedenfalls drücke Christian die Daumen für einen erneuten Direkteinzug in den Bundestag.
Ach ja, Björn Böhning. Das ist der SPDler („Sprecher der SPD-Linken“, Mitarbeiter von Wowereit, der nicht auf die Landesliste gewählt wurde und im Wahlkampf auf billige PraktikantInnen setzt), der meint, dieses Plakat mit „Überraschungslos – Spannungslos – Ideenlos“ kommentieren zu müssen. Dass ein gutes grünes Plakat dem SPD-Gegenkandidaten nicht gefällt, wird wohl niemand wundern. Dass ein derartiger Null-Kommentar auch in der wortreichen Erläuterung nicht besser wird, auch nicht.
Und warum macht er das? Wohl, weil Hans-Christian Ströbele mit der witzigen Seyfried-Adaption der französischen Revolutionsikonografie dem SPD-Plakat (die Berliner Zeitung beschreibt es als „Mini-Obama in Kreuzberg“) die Show gestohlen hat. Bilder davon finde ich im Netz noch keine, aber wenn’s tatsächlich ein unironischer Versuch sein sollte, Obamas „Hope“ zu kopieren, dann wäre neben „einfallslos“ auch „völlige Selbstüberschätzung“ eine gute Beschreibung.
Update: (10.8.2009) Ein Exemplar des Böhning-Plakats habe ich noch immer nicht gesehen, dafür das definitiv niveaulose Plakat der CDU-Kandidatin, Vera Lengsfeld (siehe auch Süddeutsche).
Update 2: Böhning sieht so aus – auf seinem eigenen Webauftritt fehlt das Plakat allerdings immer noch. Nettes Plakat, die Obama-Anleihe ist weit weniger schlimm als befürchtet – besonders gewagt finde ich’s allerdings auch nicht.
Update 3: Auch das Plakat der Kandidatin der LINKEN, Halina Wawzyniak, überrascht eher durch Körpereinsatz als durch inhaltliche Spannung.
Update 4: (11.08.2009) Alle vier Plakate im Vergleich nochmal im Tagesspiegel.