Ein Versuch über Wikipedia


Die trei­ben­de Kraft hin­ter der Wiki­pe­dia: „someone is wrong on the inter­net“ (xkcd, Lizenz)

Be bold! Mach’s ein­fach, wenn du etwas ändern willst. Was mich von Anbe­ginn an an der Wiki­pe­dia fas­zi­niert hat, war die­ser grund­sätz­li­che Impe­ra­tiv. Den meis­ten ist wahr­schein­lich der „Neu­tral Point of View“ wich­ti­ger, oder das kol­la­bo­ra­ti­ve Prin­zip, oder die enzy­klo­pä­di­sche Qua­li­tät. Aber was mich lan­ge Jah­re dazu gebracht hat, vie­le Aben­de und Stun­den in das Schrei­ben von Ein­trä­gen, in Edit­wars, aber mehr noch in lan­ge Debat­ten um die sprich­wört­li­che Kom­ma­set­zung zu inves­tie­ren, war wohl die­ser Imperativ. 

Der hat natür­lich zunächst etwas sehr ame­ri­ka­ni­sches: Wenn du was ändern willst an der Welt, dann tue es ein­fach, nimm’s selbst in die Hand! Oder auch was von Pip­pi Lang­strumpf: Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt. Fas­zi­na­ti­on strahl­te das „Be bold!“ aber vor allem des­we­gen auf mich aus, weil sich ein rie­si­ges Pro­jekt mit vie­len tau­send Mit­strei­te­rIn­nen schein­bar allein an die­sem – darf ich das Adjek­tiv ver­wen­den – anar­chis­ti­schen Grund­satz kris­tal­li­sie­ren konn­te. Natür­lich ist das ver­kürzt, natür­lich gab es auch von Anfang an ande­re Regeln (den wis­sens­phi­lo­so­phisch frag­wür­di­gen neu­tra­len Stand­punkt, bei­spiels­wei­se), und natür­lich gab es das Gott­kö­nig­tum von Jim­bo Wales als Letzt­in­stanz. Trotz­dem: der Geist, den ich mit der Wiki­pe­dia ver­bin­de – seit 2002 war ich an der eng­lisch­spra­chi­gen Wiki­pe­dia betei­ligt – lässt sich am ehes­ten in die­sem „Be bold!“ zusam­men­fas­sen – immer zusam­men­ge­dacht mit einer von mir als angel­säch­sisch emp­fun­de­nen, stark deli­be­ra­tiv-dis­kur­si­ven Atmo­sphä­re des Pro­blem­lö­sens durch Kom­mu­ni­ka­ti­on auf Augen­hö­he. Im schlimms­ten Fall dann ein „agree to disagree“.
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Kürbis-Karotten-Suppe für graue Herbsttage

Zutaten

Pumpkins1 klei­ne­rer Hokaido-Kürbis
etwa die glei­che Men­ge Karotten
1 Knoblauchzehe
1 klei­ne Zwiebel
Saft einer Zitrone

Gemü­se­brü­he
Pfeffer
Thymian
Rosmarin
Ingwer

~100g Sah­ne oder Kaffeesahne

Zubereitung

Kür­bis und Karot­ten jeweils in mit­tel­gro­ße Stü­cke schnei­den, Zwie­bel kleinschneiden.

Zwie­bel und gepress­ten Knob­lauch im Koch­topf in Öl gla­sig wer­den las­sen. Pfef­fer hinzugeben.

Kür­bis hin­zu­ge­ben, eben­so 1,25 l Was­ser und 1 Löf­fel Gemüsebrühe.

Karot­ten hin­zu­ge­ben. Zitro­nen­saft hinzugeben.

Lan­ge kochen las­sen, erst mit geschlos­se­nem Deckel, dann offen.

Sah­ne und Gewür­ze zuge­ben, abschmecken.

Pürie­ren.

Mit fri­schem Brot servieren.

Jamaika im Politbarometer, und so

Einer der neus­ten Tweets von Rein­hard Büti­ko­fer aka „bue­ti“:

Inter­es­sant! Laut ZDF-Polit­ba­ro­me­ter 64% Gruen­waeh­le­rIn­nen fuer Jamai­ka auf Lan­des­ebe­ne, 15% dagg. Mal sehen, was Par­tei­lin­ke dar­aus macht. 

Johan­nes Wald­schütz vermutet:

@bueti da wer­den dann die Umfra­ge in Zwei­fel gezo­gen, über Aus­trit­te berich­tet und sin­ken­de Wahl­er­geb­nis­se pro­phe­zeit werden. 

Sven Kind­ler, neu­er grü­ner MdB, reagiert prompt mit:

@bueti @lefthandcph @danielmack Wür­de da eher der aus­führ­lichs­ten Grü­nen­wäh­ler­stu­die (intern) vor der #BTW09 ver­trau­en. 80% gg. Jamaika. 

Wor­um geht’s? Und wer hat recht? Aus­gangs­punkt der Debat­te ist die­se Befra­gung des ZDF-Polit­ba­ro­me­ters. Dem­nach gilt für Grünen-AnhängerInnen:

64 Pro­zent fin­den dies als Koali­ti­ons­op­ti­on auch für ande­re Bun­des­län­der gut, hieß es im ZDF-„Politbarometer“ am Frei­tag. 15 Pro­zent der Grü­nen-Anhän­ger hal­ten nichts von einer Jamai­ka-Koali­ti­on, die ihren Namen aus der Anspie­lung auf die Flag­ge des Insel­staa­tes in der Kari­bik (schwarz-gelb-grün) bekom­men hat­te. 20 Pro­zent ste­hen sol­chen Koali­tio­nen gleich­gül­tig gegenüber. 

Wei­ter unten wird das dann inso­fern rela­ti­viert, als die Wer­te für die Bun­des­ebe­ne deut­lich schlech­ter aus­fal­len. In der Ori­gi­nal-Pres­se­mit­tei­lung Okt. II heißt es dazu (Herv. von mir):

Eine Jamai­ka-Koali­ti­on auf Bun­des­ebe­ne wird mehr­heit­lich in der Bevöl­ke­rung abge­lehnt, bei den Anhän­gern der Grü­nen trifft sie aber auf 50 Pro­zent Zustim­mung, 32 Pro­zent fän­den sie schlecht (14 Pro­zent: egal). 

Klingt erst­mal beacht­lich. Dass unge­fähr 40 bis 50 Pro­zent der Wäh­le­rIn­nen von Bünd­nis 90/Die Grü­nen einem Jamai­ka-Bünd­nis auf­ge­schlos­sen gegen­über­ste­hen, habe ich auch anders­wo schon gehört. Aber 64%? Wie es Johan­nes oben vor­ge­schla­gen hat, möch­te ich die­se Umfra­ge­er­geb­nis­se ger­ne ein biß­chen in Fra­ge stel­len. Und zwar in drei Punkten:

  1. Als Grü­nen-Anhän­ge­rIn­nen wer­den hier – wenn ich das rich­tig ver­ste­he – Men­schen defi­niert, die ange­ben, bei der nächs­ten Bun­des­tags­wahl grün wäh­len zu wol­len. Par­al­lel dazu wäre es span­nend, zu sehen, wie es bei den­je­ni­gen ist, die bei der letz­ten Wahl tat­säch­lich grün gewählt haben. Inso­fern die Jamai­ka-Ent­schei­dung schon eine Aus­wir­kung auf die geäu­ßer­te Wahl­ab­sicht für den kom­men­den Bun­des­tag mit sich bringt, kann es daher auch sein, dass eini­ge, die am 27.9. noch grün gewählt haben, jetzt schon nicht mehr dabei sind (und ande­re dazu­ge­kom­men sind).
  2. Gemäß der Metho­dik des ZDF-Polit­ba­ro­me­ters wer­den dafür ca. 1250 zufäl­lig aus­ge­wähl­te Men­schen befragt. Sowohl in der poli­ti­schen Stim­mung als auch bei der Pro­jek­ti­on der For­schungs­grup­pe Wah­len liegt der Anteil für Bünd­nis 90/Die Grü­nen der­zeit bei 11 Pro­zent. D.h., die abso­lu­te Basis der Aus­sa­ge oben liegt bei ca. 140 Per­so­nen. Von die­sen sind ca. 89 „Jamai­ka“ auf Lan­des­ebe­ne nicht prin­zi­pi­ell abge­neigt. Offen bleibt, ob die Reprä­sen­ta­ti­vi­tät der Zusam­men­set­zung der Stich­pro­be ins­ge­samt auch für die Teil­men­ge „Anhän­ge­rIn­nen von Bünd­nis 90/Die Grü­nen“ gilt, ob die­se also reprä­sen­ta­tiv für die 4.643.272 Wäh­le­rIn­nen der Grü­nen sind. 
  3. Neben die­sen bei­den letzt­lich für jede Aus­sa­ge zu Anhän­ge­rIn­nen der Grü­nen gel­ten­den Kri­tik­punk­ten kann auch die ver­wen­de­te Fra­ge selbst kri­tisch betrach­tet wer­den. Soweit sich das ohne wei­te­re Recher­chen rekon­stru­ie­ren lässt, muss sie in etwa so gelau­tet haben: „Im Saar­land wol­len nun CDU, FDP und Grü­ne koalie­ren, die soge­nann­te Jamai­ka-Koali­ti­on. Fin­den Sie Koali­tio­nen zwi­schen CDU, FDP und Grü­nen auf Lan­des­ebe­ne gut, schlecht oder sind sie ihnen egal?“. Es wur­den hier also nicht ver­schie­de­ne Koali­ti­ons­op­tio­nen gegen­ein­an­der gestellt, son­dern spe­zi­ell die Jamai­ka-Koali­ti­on genannt. Unter den 64% (Lan­des­ebe­ne) bzw. 50% (Bund), die unter Grü­nen-Anhän­ge­rIn­nen nach die­ser Umfra­ge eine sol­che Koali­ti­on gut fin­den, kön­nen also durch­aus eni­ge sein, die rot-grün deut­lich bes­ser, schwarz-grün eben­falls um Wel­ten bes­ser fän­den, aber prin­zi­pi­ell z.B. jede grü­ne Regie­rungs­be­tei­li­gung gut finden. 

Abseits der metho­di­schen Krit­te­lei­en und dem gene­rel­len Rat, der­ar­ti­gen Aus­sa­gen gegen­über nicht all­zu gläu­big zu sein, ver­bin­det sich mit die­sen 64 Pro­zent aber auch eine prin­zi­pi­el­le Fra­ge, näm­lich die nach der inner­par­tei­li­chen Demo­kra­tie, bzw. der demo­kra­ti­schen Ein­fluss­nah­me auf die par­tei­li­che Mei­nungs­bil­dung. Auf dem Par­tei­tag in Ros­tock wer­den die unge­fähr 800 Dele­gier­te auch über Anträ­ge abstim­men, bei denen es dar­um geht, ob Grü­ne Jamai­ka auf Bun­des­ebe­ne wei­ter aus­schlie­ßen sol­len oder nicht. Die Dele­gier­ten ver­tre­ten die ca. 45.000 Par­tei­mit­glie­der. Gewählt wur­den sie auf Mit­glie­der­ver­samm­lun­gen der Par­tei, zu denen viel­leicht 10 % der jewei­li­gen Mit­glie­der kom­men. Dar­über, ob Grü­ne Jamai­ka aus­schlie­ßen oder nicht, ent­schei­den letzt­lich – neben öffent­li­chen Dis­kur­sen etc.* – for­mal ca. 800 Leu­te, die von ca. 4.500 Leu­ten bestimmt wur­den. Bleibt die Fra­ge, ob es sinn­voll oder sogar not­wen­dig ist, den 4.643.272 – 4.500 = 4.638.772 wei­te­ren Grün-Wäh­le­rIn­nen (Bun­des­tags­wahl 2009) auch eine Stim­me zu geben, in wel­cher Form auch immer. 

War­um blog­ge ich das? Weil ich mir die 64% mal näher anschau­en wollte.

* Die här­tes­te Kri­tik an Jamai­ka kommt von Ex-Grü­nen, die jetzt bei der Links­par­tei sind, und die stärks­ten Fans sind Mit­glie­der der CDU, der FDP und mehr oder weni­ger kon­ser­va­ti­ve JournalistInnen.

Jamaika im Saarland – jenseits der Erregung

I. Plötzliche Erregung

Ich bin ein klein wenig erstaunt über die hef­ti­gen Debat­ten, die jetzt im grü­nen Feld sozia­ler Netz­wer­ke über die Ent­schei­dung der Saar­grü­nen dafür toben, Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen mit CDU und FDP auf­zu­neh­men. Viel davon läuft auf Twit­ter und Face­book, es gibt aber auch schon ers­te Blog­ein­trä­ge – Julia See­li­ger will das Saar­land ver­kau­fen, Jörg Rupp ver­schlägt es den Appetit. 

Erstaunt bin ich über die hef­ti­gen Debat­ten – und die har­te Kri­tik an der Ent­schei­dung von 78 % der saar­län­di­schen Dele­gier­ten – des­we­gen, weil sich in den letz­ten Wochen ja abge­zeich­net hat, dass rot-rot-grün und Jamai­ka im Saar­land min­des­tens gleich wahr­schein­lich sind. Inso­fern fin­de ich die Ent­schei­dung zwar falsch, ihre Deut­lich­keit hat mich auch über­rascht – fas­sungs­los bin ich dar­über aber nicht.

Bei der Bewer­tung die­ses zwei­ten Expe­ri­ments (nach Ham­burg) sind, mei­ne ich, min­des­tens zwei Ebe­nen zu unter­schei­den. Das eine ist der genaue Blick auf die loka­len Beweg­grün­de und Umstän­de, die Jamai­ka im „etwas grö­ße­ren Kreis­ver­band an der fran­zö­si­schen Gren­ze“ (Vol­ker Beck) mög­lich machen. Das ande­re ist die Ein­ord­nung die­ser Ent­schei­dung in einen grö­ße­ren Kon­text. Denn auch wenn Cem und Clau­dia die bun­des­po­li­ti­sche Rele­vanz der Ent­schei­dung ver­nei­nen, ist – auch abge­se­hen von kla­ren Kon­se­quen­ten etwa bezüg­lich der Bun­des­rats­mehr­hei­ten – doch davon aus­zu­ge­hen, dass Jamai­ka im Saar­land bun­des­weit nicht fol­gen­los bleibt.

II. Saarland

Zur ers­ten Ebe­ne gehö­ren per­sön­li­che Ani­mo­si­tä­ten zwi­schen Grü­nen und LINKE im Saar­land, dazu gehört das Ver­hal­ten von Oskar Lafon­taine, dazu gehö­ren auch die unsou­ve­rä­nen Reak­tio­nen von SPD und Links­par­tei. Dazu gehört der Koh­le­berg­bau und ein „eher“ mode­ra­ter CDU-Minis­ter­prä­si­dent, und dazu gehö­ren – so ist es jeden­falls zu hören – rela­tiv weit­rei­chen­de Zuge­ständ­nis­se in der Umwelt- und Bil­dungs­po­li­tik. Um zu erklä­ren, wie es im Saar­land zu Jamai­ka, zur grü­nen Ent­schei­dung für eine Koali­ti­on mit CDU und FDP, kom­men konn­te, ist es aber wohl auch nötig, auf die rela­tiv auto­kra­ti­sche Auf­stel­lung unse­res saar­län­di­schen Lan­des­ver­bands zu schauen. 

Für das Saar­land kann eine Jamai­ka-Koali­ti­on zwei­er­lei bedeu­ten. Ent­we­der sie wird erfolg­reich, trägt auch in der poli­ti­schen prak­ti­schen Tat eine grü­ne Hand­schrift – dazu muss der Schwanz hier mit dem Hund wackeln, aber viel­leicht gelingt das ja – und sie führt die saar­län­di­schen Grü­nen aus dem zit­tern­den Leben an der 5‑Pro­zent-Hür­de ins Feld der eta­blier­ten Par­tei­en. Es besteht jeden­falls eine gehö­ri­ge Bring­schuld der neu­en Frak­ti­on und der poten­zi­el­len Regie­rungs­be­tei­lig­ten gegen­über den grü­nen Wäh­le­rIn­nen. Ein wich­ti­ger Aspekt sind hier die Per­so­nal­fra­gen, vor allem die Beset­zung der – dem Hören­sa­gen nach – zwei Minis­te­ri­en, die den Grü­nen wohl zuge­stan­den wer­den. Wenn da fähi­ge Leu­te außer­halb des saar­län­di­schen Fil­zes ran­kom­men, kann sich wirk­lich was bewe­gen. Ob es dazu kommt – da bin ich mit Blick auf die kom­mu­nal­po­li­ti­schen Vor­bil­der einer der­ar­ti­gen Koali­ti­on – zwie­ge­spal­ten. Ich glau­be aber, dass den saar­län­di­schen Grü­nen zumin­dest die Chan­ce ein­ge­räumt wer­den muss, auf tat­säch­li­che poli­ti­sche Erfol­ge hin­zu­ar­bei­ten. Mit dem Droh­po­ten­zi­al, immer auch zu Rot-rot-grün schwen­ken zu kön­nen, haben sie zumin­dest eini­ges in der Hand.

Die zwei­te Vari­an­te wäre das inhalt­li­che Schei­tern, eine Regie­rungs­be­tei­li­gung, die blass bleibt, das Feh­len grü­ner Akzen­te im schwarz-gel­ben Strom, oder, schlim­mer noch, das Schlu­cken unver­zeih­ba­rer Krö­ten in Kern­be­rei­chen der grü­nen Pro­gram­ma­tik. Bei der nächs­ten Land­tags­wahl wür­de eine der­ar­ti­ge Per­for­manz – begin­nend mit dem Koali­ti­ons­ver­trag als ers­tem Nadel­öhr – mit ziem­li­cher Sicher­heit die Grü­nen an der Saar unter fünf Pro­zent drü­cken und viel­leicht den Weg für eine rot-rote Koali­ti­on frei machen. Das hal­te ich nicht für wün­schens­wert, aber lei­der auch nicht für unmög­lich. Ich hof­fe, dass den saar­län­di­schen Grü­nen die­ser Erfolgs­druck bewusst ist. 

Ein Neben­ef­fekt eines der­ar­ti­gen Schei­terns könn­te sein, dass es zu grö­ße­ren per­so­nel­len und inhalt­li­chen Ver­än­de­run­gen im saar­län­di­schen Lan­des­ver­band kom­men könn­te. Das wäre, nach allem, was dar­über zu hören ist, nicht unbe­dingt nega­tiv – aber wür­de mit einem hohen Preis bezahlt.

III. Größerer Kontext

Eine eini­ger­ma­ßen sta­bi­le Jamai­ka-Koali­ti­on im Saar­land ist defi­ni­tiv ein Signal dafür, dass wir Grü­nen es ernst mei­nen damit, nicht auf immer und ewig Teil eines lin­ken Drei­er­la­gers sein zu wol­len, son­dern uns als eigen­stän­di­ge – lin­ke – Kraft ver­ste­hen, die, wenn inhalt­li­che Erfol­ge erzielt wer­den kön­nen, auch ein­mal mit der CDU oder der FDP Koali­tio­nen ein­ge­hen kann. Dass ist des­we­gen gar nicht so schlecht, weil die SPD uns lei­der immer noch nicht ernst nimmt. Die Son­die­rungs­ge­sprä­che in Thü­rin­gen und das unrühm­li­che Ver­hal­ten der dor­ti­gen SPD sind das bes­te Bei­spiel dafür. 

Ham­burg konn­te von der SPD noch als „Unfall“ abge­tan wer­den. Wenn es eine zwei­te grün-„bürgerliche“ Koali­ti­on auf Lan­des­ebe­ne gibt, ist zumin­dest das klar: mit der Eigen­stän­dig­keit mei­nen wir es schon ernst – wir sind nicht der gebo­re­ne Juni­or­part­ner der Sozi­al­de­mo­kra­tie. Ent­spre­chend muss mit Grü­nen auf Augen­hö­he ver­han­delt wer­den, wenn es um Regie­rungs­be­tei­li­gun­gen geht. Eben­so kann nicht auto­ma­tisch erwar­tet wer­den, dass Grü­ne ohne Rezi­pro­zi­tät z.B. Erst­stim­men­kam­pa­gnen für die SPD fahren.

Inso­fern ist Jamai­ka – trotz der oben erwähn­ten beson­de­ren loka­len Umstän­de – eben auch für die Grü­nen ins­ge­samt eine Weg­mar­ke (die von der grü­nen Anhän­ger­schaft durch­aus nicht nur nega­tiv auf­ge­nom­men wird).

Rich­tig ist aller­dings auch, dass die Ent­schei­dung im Saar­land – anders als eini­ge in der SPD das ger­ne sehen – eben kei­ne Vor­ent­schei­dung über wei­te­re Koali­tio­nen ist. Es geht nicht um ein neu­es bür­ger­li­ches Lager oder ähn­li­chen Quatsch, son­dern dar­um, in den Län­dern und auf Bun­des­ebe­ne von Fall zu Fall neu zu ent­schei­den – und vor der Wahl trans­pa­rent zu machen, wel­che Optio­nen mög­lich sind. Gera­de die ein­gangs erwähn­ten hef­ti­gen inner­par­tei­li­chen Debat­ten zei­gen, dass die star­ke Zustim­mung der saar­län­di­schen Grü­nen nicht auf die Par­tei ins­ge­samt ver­all­ge­mei­nert wer­den kann. 

Span­nend in die­ser Hin­sicht wird Nord­rhein-West­fa­len. Hier regiert schwarz-gelb mit einer defi­ni­tiv schlech­ten Per­for­manz, Minis­ter­prä­si­dent Rütt­gers fällt mit aus­län­der­feind­li­chen Sprü­chen auf. Wie die Grü­nen hier in den Land­tags­wahl­kampf gehen wer­den (gewählt wird nächs­tes Jahr, die Vor­be­rei­tun­gen der Lis­ten­auf­stel­lun­gen lau­fen der­zeit), ist um eini­ges rele­van­ter als Jamai­ka an der Saar. 

Aber auch in Baden-Würt­tem­berg (Wahl 2011) mit einer der­zeit unter­halb der 20%-Marke lau­fen­den SPD ist die­se Debat­te – und der genaue Blick dar­auf, was in Ham­burg und im Saar­land jen­seits schön­fär­be­ri­scher Spins tat­säch­lich mög­lich ist – sehr wich­tig. Gera­de, weil eini­ge der wich­tigs­ten Pro­pa­gan­dis­ten für Schwarz-grün aus Baden-Würt­tem­berg kom­men, müs­sen hier die inhalt­li­chen Hür­den für eine ent­spre­chen­de Koali­ti­on mei­ner Mei­nung nach beson­ders hoch sein, und muss beson­ders ernst­haft über­legt wer­den, wel­che ande­ren – mög­li­cher­wei­se auch unkon­ven­tio­nel­len – Gestal­tungs­per­spek­ti­ven vor­han­den sind. Das ist ein Gebot poli­ti­scher Glaubwürdigkeit.

War­um blog­ge ich das? Ist ja doch nicht ganz unwich­tig – gera­de, weil die ers­te Reak­ti­on vie­ler undif­fe­ren­zier­te Kri­tik war.