Kurz: Promovierende mit Kind zwischen den Kategorien
Meine Partnerin und ich sind derzeit beide Promotionsstudierende. Das hat verschiedene Vor- und Nachteile, um die es hier aber gar nicht gehen soll. Ein Problem dieses Status ist mir heute morgen schmerzlich bewusst geworden. Wir sind nämlich (schon länger) auf der Suche nach einem Kita-Platz für Rasmus. Eigentlich hätten wir gerne schon längst einen – Rasmus ist gerade ein Jahr als geworden – aber da wir ihn nicht vorgeburtlich schon auf Wartelisten setzen lassen haben, zieht sich das alles hin.
Aber zum Statusproblem: die Uni Freiburg hat eine eigene Kita (soweit ja mal gut). Die ist voll, wir stehen auf der Warteliste, haben aber wenig Hoffnung, einen Kita-Platz zu ergattern, weil die Plätze dort in der Reihenfolge „wiss. Mitarbeiterinnen“*, „wiss. Mitarbeiter“, „Promovierende“ vergeben werden, wie ich heute morgen erfahren habe.** Das Studentenwerk betreibt auch Kindertagesstätten. Dort ist die Reihenfolge „Studierende im Erststudium“ und erst danach „Promovierende etc.“. Macht beides aus sich heraus Sinn – zusammen führt es dazu, dass die Chance, als promovierende Eltern ohne Beschäftigtenstatus einen Kita-Platz an der Uni zu kriegen, ziemlich klein sind. Was – „akademische Rushhour“ hin und „familienfreundliche Uni“ her – ziemlich blöd ist.
* Nebenbei ein schönes Beispiel für Reifizierungsprobleme: aus der gegenwärtigen geschlechtsspezifischen Arbeitsverteilung heraus erscheint es durchaus sinnvoll, Kita-Plätze bevorzugt an die Kinder von Wissenschaftlerinnen zu geben – gleichzeitig verstärkt diese Reihenfolge aber die gesellschaftliche Annahme, dass Wissenschaftler einen geringeren Bedarf an Kinderbetreuung haben, weil ja im Zweifelsfall die Frau einspringen kann.
** Damit das nicht in den falschen Hals gerät: der Mitarbeiter, der mich darüber informiert hat, war sehr freundlich und hatte durchaus Einsicht in die sich daraus ergebenden Probleme (und nannte auch einige Alternativen außerhalb der Uni) – das strukturelle Problem besteht trotzdem weiter.
OB-Wahl in Freiburg, oder: das Mittelalter lebt
Am 25. April 2010 findet der erste Wahlgang der Oberbürgermeisterwahl in Freiburg statt. Es gibt drei Kandidaten (m) und keine Kandidatin (w). Neben dem Amtsinhaber Dieter Salomon (Grüne) kandidieren der Bürgermeister Ulrich von Kirchbach (SPD) und der Mietrechtsaktivist etc. Günter Rausch (Wählerbündnis „WIR“). Hier und heute geht es mir jetzt nicht um die Inhalte (da ist die oben verlinkte Seite durchaus nicht unattraktiv, auch bei der Badischen Zeitung steht schon einiges), sondern um Symbolpolitik und Selbstinszenierung.
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Fangen wir mit Rausch an. Leider ist die Website „http://www.wechsel-im-rathaus.de/“ gerade nicht erreichbar (Twitter geht noch). Deswegen kann ich zum Webauftritt gerade auch gar nichts sagen. Was aber erreichbar ist, ist dieses Video: seine OB-Bewerbung hat Rausch nämlich als selbst ernannter Robin Hood abgegeben – stilecht in Mittelalterverkleidung vor dem historischen Rathaus. Ob das kurz nach Fasching ganz das Wahre war, weiss ich nicht, aber „WIR“ wird wissen, was sie damit sagen wollten. Es geht jedenfalls gegen das Establishment (in Freiburg bekanntermaßen schwarz-grün).
Auf der einen Seite also Robin Hood und Alternativkultur – und auf der anderen Seite? Ein blauer Kasten. Der irritiert ein bißchen. Weil blau ja nun so gar nicht die Farbe der Alternativen ist. Sondern eher die der Freien Wähler oder der Union. Oder die einer Bank. Jedenfalls nicht die Farbe der hinter „WiR“ stehenden Listen und Gruppen. Abgesehen davon erinnert der schräggestellte Kasten mit dem auffälligen Punkt an „ver.di“ – was vielleicht auch gewollt ist. Schön am Kasten ist das Akronym „WiR“ (soll für „Wechsel im Rathaus“ stehen) – und der Spruch „Wir wählen Rausch“. Erinnert mich an „we are u“ des u‑asta, signalisiert aber schon so ein bißchen Gemeinschaft und breite Partizipation. Andererseits – ich wollte jetzt ja nichts zu Inhalten sagen, aber bloss auf Bürgerbeteiligung zu setzen, egal um welches Thema es geht: das ist mir persönlich ein klein wenig zu wenig. Das wäre also zunächst mal Rausch in blau.
[Nachtrag: inzwischen geht die WiR-Website wieder. Eindruck: sehr hellblau, ein bißchen krawallig-selbstgestrickt – und mit jedem Web2.0‑Schnickschnack versehen, das einem so einfällt. Technisch wohl ein WordPress-CMS/Blog, und wie bei von Kirchbach mit Kommentarfunktion zu jedem Eintrag]
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Bisher war blau die Farbe des grünen Oberbürgermeisters. Wer noch vor einigen Tagen auf die Website von Dieter Salomon geschaut hat, hat dort vor allem Seriosität vorgefunden: blau, schwarz, wenig konkretes. Inzwischen sieht’s anders aus, die Grundfarben sind jetzt schwarz und grün. Es gibt ein bißchen Video, viel Information und unter „Interaktiv“ die Möglichkeit, Fragen per Formular einzureichen. A bisserl mehr Web 2.0 wäre auch nicht schlecht, aber gut. Dieter tritt mit dem Spruch „Der Oberbürgermeister für ganz Freiburg“ an, setzt also ganz klar auf den Amtsinhaberbonus. Die Frage, wie er „ganz Freiburg“ im Wahlkampf ausfüllen wird, finde ich spannend. Aber hier soll’s ja zunächst mal nur um die seichte Oberfläche gehen.
Also das Wahllogo. Das gefällt mir gestalterisch betrachtet gut – es ist professionell gemacht, ziemlich dezent, und außerdem habe ich ein Faible für „kleinschrift“ bei solchen Sachen. Angesichts der Rausch’schen Robin-Hood-Kandidatur muss ich allerdings doch drauf Hinweisen, dass das stilisierte Freiburger Stadtwappen so, wie es da schräg hinter dem Namen hängt, gewisse Assoziationen mit Ritterschilden weckt. Der grüne Klecks muss nicht unbedingt ein Wahlkreuz sein, sondern erinnert mich an die Comic-Darstellung eines „Klong“ – also quasi die Antionomatopoesie der Abwehr eines Lanzenschlags im ritterlichen Zweikampf (oder eines Pfeiles, der da auf das Schild prallt und schon nicht mehr zu sehen ist). War sicherlich nicht so gedacht, und durch eine sonderlich defensive Haltung tritt Dieter bisher auch nicht hervor. Musste aber mal gesagt werden.
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Wenn Dieter der Ritter und Rausch der Robin Hood ist, als was stilisiert sich dann der SPD-Kandidat Ulrich von Kirchbach? Von seiner Bildsprache her wohl doch als Edelmann. Auch wenn das „von“ zur Seite gekippt ist: die Idee, den eigenen Namen zum Adelswappen zu verarbeiten, also aus dem „Kirchbach“ eine Kirche an einem Bach zu machen, stammt genau aus diesen Zeiten. Abgesehen davon ist mir am Von-Kirchbach’schen Logo zuviel Krimskrams dran („Kirch“ rot, „bach“, grau, Kirche rot, Bach grau, … und in die Ecke natürlich auch noch mal ein Stadtwappen geklebt, diesmal in Originalfarben), vor allem, wenn das ganze noch mit ausgebreiteten Armen auf den Plakaten kombiniert wird.
Interessant finde ich es, dass gerade die SPD an die kleinbürgerliche Gemütlichkeit appelliert. Die Kirche – natürlich ist es das Münster – im Dorf lassen, viel Wasser den Fluss – natürlich soll das die Dreisam sein – runter fließen lassen. Nicht unbedingt der Stil, den ich mir von einem Oberbürgermeister wünsche. Und auch beim Werbespruch bleibt von Kirchbach im schwammig-gemütlichen: „mehr Miteinander, mehr Möglichkeiten“ – wer möchte das nicht mögen wollen? Was mir noch so auffällt: seine Website hat durchaus den Charakter eines Blogs. Es darf sogar kommentiert werden, zu jedem Eintrag. Das finde ich gut, ebenso wie den Hinweis auf eine Facebook-Seite und einen Twitter-Account.
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Warum blogge ich das? So als erste Impression aus dem Bürgermeisterwahlkampf. Vielleicht raffe ich mich auch noch dazu auf, mal auf die Inhalte zu schauen. Dass dann aber später, in einem separaten Eintrag.
Photo of the week: Light decay
Kleines Experiment: Was heißt Teilhabe im/am Internet politisch?
Ich weiss nicht, wie viel ich öffentlich schon dazu sagen kann, aber in meinem letzten Wurzelwerk-Beitrag ist es zwischen den Zeilen vielleicht schon deutlich geworden. Bei den baden-württembergischen Grünen gibt es eine Arbeitsgruppe Netzpolitik, die einen Antrag erarbeiten möchte, mit dem sich die baden-württembergischen Grünen netzpolitisch positionieren. Ich habe die ehrenvolle Aufgabe erhalten, mich um einen der vier Teilbereiche für diesen Antrag zu kümmern – wir haben den großen Komplex „Netzpolitik“ letztlich heruntergebrochen auf die Themen „Freiheit“, „Wirtschaft“, „Kultur“ und „Teilhabe“. Mein Thema ist die Teilhabe – und ich frage jetzt euch, was Teilhabe im bzw. am Internet so alles bedeutet.
Der eigentliche Antrag entsteht im Wurzelwerk, bzw. mit Hilfe der Wurzelwerk-Wiki-Funktionalität. Als kleines Experiment möchte ich für meinen Teil aber mal schauen, was passiert, wenn ich hier zum Mitschreiben und Mitdiskutieren aufrufe. Als Plattform dafür habe ich auf ietherpad.com* ein Pad eingerichtet. Jede/r kann da – ganz anonym, gerne auch mit Namensnennung – mitschreiben. Wenn was Gutes bei rauskommt, wandert das ins Wurzelwerk. Also keine Garantie, dass irgendwas letztlich in den Antrag übernommen wird – aber die Möglichkeit, mal mit zu überlegen, wie das Thema Teilhabe in Bezug auf das Internet durch eine Landespartei am besten angegangen werden kann. Und ich zumindest finde, dass sowas auf Etherpad richtig Spaß machen kann. Alles weitere überlasse ich erstmal der Selbstorganisation.
Warum blogge ich das? In der Hoffnung, dass ein paar Leute Lust haben, mitzuschreiben. Und um mal zu schauen, was passiert. Vielleicht noch als Disclaimer: wer am Pad mitschreibt, willigt ein, dass alle Änderungen von Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg ohne Namensnennung weiterverwendet werden dürfen (aber nicht müssen ;-) …). Der Zugang zum Pad ist ohne Registrierung möglich. Mein Ziel für den letztlich entstehenden Antrag wäre, diesen unter eine liberale CC-Lizenz zu stellen, das haben wir aber noch nicht besprochen.
* ietherpad.com ist ein Klon von etherpad.com, die von Google aufgekauft wurden, ihr Produkt aber als open source freigegeben haben.