Niemand braucht eine grüne Wildwasserfahrt

Dark sun

Irgend­wie hat­te ich ja die Hoff­nung, dass 2017 bes­ser begin­nen wür­de, als 2016 ende­te. Vor­weih­nachts­stress, Weih­nach­ten, Nach­weih­nachts­ur­laub mit den Kin­dern, dann noch ein paar Tage kin­der­frei, die ich zum Aus­ku­rie­ren einer Erkäl­tung und zum Umde­ko­rie­ren mei­ner Woh­nung genutzt habe. Ab Mon­tag geht dann der Arbeits­all­tag, d.h. für mich auch, die Poli­tik, wie­der los. Ziem­lich viel Zeit, um das Netz (und die Poli­tik) mal weit­ge­hend zu ignorieren.*

Nach die­ser Pau­se kommt mir die poli­ti­sche Lage schrill, laut und absto­ßend vor. Zum Teil liegt das an den objek­ti­ven Fak­ten, etwa an den Umfra­ge­zah­len für die AfD, an diver­sen poli­ti­schen Vor­ha­ben der Bun­des­re­gie­rung, oder auch an der sich rapi­de nähern­den Prä­si­dent­schaft Donald Trumps, die bis­her nicht so aus­sieht, als wür­den sich irgend­wel­che Hoff­nun­gen auf „Nor­ma­li­sie­rung“ erfül­len. (Sie­he auch Charles Stross’ Pro­gno­se für 2017). Zum Teil liegt es aber auch an Ton­art und Laut­stär­ke. Die ist nicht nur auf Twit­ter und Face­book schlim­mer, als ich sie in Erin­ne­rung hat­te, son­dern auch in dem, was die Mas­sen­me­di­en dann dar­aus machen. 

2017 ist ein Bun­des­tags­wahl­jahr. Die inner- wie zwi­schen­par­tei­li­che Meta­pher des Jah­res scheint Auf­rüs­tung zu wer­den. An Laut­stär­ke und Schrill­heit der For­de­run­gen. Mit einem gewis­sen Touch „AfD“. Ist es denn wirk­lich so, dass die inne­re Sicher­heit das Top-The­ma sein wird, dass die Bun­des­tags­wahl 2017 ent­schei­det? Und wenn es so ist (ich bin nicht über­zeugt), wäre das nicht gera­de ein The­ma, in dem es wenig hilft, wenn alle das glei­che for­dern? Haben wir Grü­ne innen­po­li­ti­sche Kon­zep­te, die unse­re poten­zi­el­len links­li­be­ra­len bis mit­ti­gen Wähler*innen über­zeu­gen, uns im Herbst 2017 die Stim­me zu geben?

Oder lie­gen grü­ne Kern­kom­pe­ten­zen (und ja: auch die Zuschrei­bun­gen und Ideen, war­um jemand uns wählt) nicht eigent­lich bei ande­ren The­men? Ist es dann klug, sich auf jeden tosen­den News­zy­klus drauf­zu­wer­fen und beim Wild­was­ser­fah­ren mit­zu­ma­chen, bis das Kanu sinkt? Was ist mit Umwelt- und Kli­ma­schutz, damit, die offe­ne Gesell­schaft zu ver­tei­di­gen, mit einem eman­zi­pa­to­ri­schen Sozi­al­staat (gera­de im Ange­sicht der Digi­ta­li­sie­rung)? Haben wir da nicht klu­ge Ideen, und sind das nicht mög­li­cher­wei­se auch Fra­gen, die Men­schen bewegen? 

Schrill­heit: Auch inner­par­tei­lich nervt mich der Ton­fall, mit dem gera­de mit­ein­an­der umge­gan­gen wird. Wir sind eine Par­tei mit meh­re­ren Macht­zen­tren, und wir sind eine dis­kus­si­ons­freu­di­ge Par­tei. Bei­des rich­tig. Aber gera­de in einem wirk­lich wich­ti­gen Wahl­jahr wie 2017 käme es, glau­be ich, „da drau­ßen“ bes­ser an, wenn Bünd­nis 90/Die Grü­nen etwas geschlos­se­ner, etwas weni­ger viel­stim­mig, und etwas „for­ma­tier­ter“ auf­tre­ten wür­den. (Und ja, das betrifft auch die Regie­rung des Lan­des Baden-Württemberg).

Ich weiß, dass es nicht ein­fach ist, sich zurück­zu­hal­ten, wenn „offen­sicht­lich“ die fal­sche Stra­te­gie gewählt wird, das fal­sche Kon­zept nach vor­ne gesetzt wird, ein­fach alles falsch gemacht wird. Aber trotz­dem wäre es gut, sich dar­auf zu besin­nen, dass Par­tei­en als Orga­ni­sa­tio­nen nur des­we­gen wirk­sam sind, weil sie – ins­ge­samt, im Gro­ßen und Gan­zen – als Ein­heit auf­tre­ten und wahr­ge­nom­men wer­den, und nicht als belie­bi­ge Ansamm­lung von Einzelpersonen. 

Es wäre sicher­lich naiv, jetzt nur dar­auf zu ver­wei­sen, dass es ja eta­blier­te Ver­fah­ren gibt, mit denen wir als Par­tei zu Beschlüs­sen kom­men. (Ande­re Par­tei­en stel­len Ein­heit­lich­keit noch­mal ganz anders her; dass es bei uns im Kern immer noch poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen von Par­tei­ta­gen – oder: Urwahl – allen Mit­glie­dern eine wich­ti­ge Rol­le spie­len, ist gut). Trotz­dem: Wir haben Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­ren­zen und Län­der­rä­te, wir haben einen gewähl­ten Bun­des­vor­stand und eine als sol­che kon­sti­tu­tier­te Bun­des­tags­frak­ti­on. Wenn wir selbst die­sen Ein­rich­tun­gen und den damit ver­bun­de­nen Ver­fah­ren nicht trau­en, wenn wir selbst Par­tei­tags­be­schlüs­se nicht wich­tig und gewähl­te Gre­mi­en irrele­vant fin­den – wie sol­len wir dann bit­te Wähler*innen ver­mit­teln, dass da irgend­ei­ne Rele­vanz mit ver­bun­den ist? Hier wäre etwas mehr Loya­li­tät bei eini­gen sicher­lich angebracht.

Und ja, es gibt eine Ebe­ne der Mei­nungs­bil­dung in der Par­tei, die mit die­sen Ver­fah­ren wenig zu tun hat. Natür­lich haben Lan­des­re­gie­run­gen und gro­ße Land­tags­frak­tio­nen einen eige­nen, ganz rea­len, Macht­an­spruch, und füh­len sich erst ein­mal nicht dar­an gebun­den, was so eine BDK beschließt. Aber auch hier gibt es Koor­di­nie­rungs­ver­fah­ren (Arne Jung­jo­hann hat dazu was auf­ge­schrie­ben) und kei­nen Grund für unab­ge­stimm­te Alleingänge.

Um’s etwas opti­mis­ti­scher zu wen­den: Gera­de heu­te, gera­de in die­ser Welt­la­ge gibt es allen Grund für star­ke Grü­ne. Die­sen Anspruch kön­nen wir nur plau­si­bel machen, wenn wir da, wo wir mit­re­gie­ren, eine Poli­tik machen, in der grü­ne Erfol­ge sicht­bar wer­den – und wenn wir da, wo wir erst mit­re­gie­ren wol­len, gemein­sam ein Pro­gramm ver­tre­ten, statt Tele­fon­kon­fe­ren­zen und Ple­na auf Twit­ter und Face­book abzu­hal­ten. Ich habe ein biss­chen die Hoff­nung, dass mit dem Ergeb­nis der Urwahl (Wahl­brie­fe müs­sen bis zum 13.1. in der Bun­des­ge­schäfts­stel­le sein) der aktu­el­le inner­par­tei­li­che Unsi­cher­heits­zu­stand durch Klar­heit ersetzt wird. Das wird dann aber auch höchs­te Zeit. 

War­um blog­ge ich das? Weil es für erfolg­rei­che Poli­tik auch so was wie Begeis­te­rung und Herz­blut braucht. Und ich ger­ne ein grü­nes Pro­jekt für die Bun­des­tags­wahl 2017 hät­te, das mit Begeis­te­rung und Herz­blut mit­ge­tra­gen wer­den kann.

* Auch mein Blog lag wäh­rend des­sen still. Das war zwar so nicht geplant, ist aber auch nicht wei­ter schlimm. Aus­ge­fal­len ist dadurch – neben eini­gen Fotos der Woche – vor allem der Rück­blick auf das Jahr 2016. Da das aber vor allem eine Wie­der­ho­lung der Trends ist, die schon vor einem Jahr da waren (Rück­gang der Zugriffs­zah­len, Ver­la­ge­rung von Dis­kus­sio­nen nach Face­book, wenn über­haupt), macht das nicht so viel.

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