Zweitausend Wörter zum Zustand der Partei

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Es wäre falsch, Alter und poli­ti­schen Stil gleich­zu­set­zen. Es gibt grau­en­haft kon­ser­va­ti­ve 16-Jäh­ri­ge (und nicht alle davon wer­den irgend­wann mal Minister*in), und es gibt Rentner*innen, die ganz vor­ne am Puls der Zeit sind. Und die Dele­gier­ten­bän­ke waren bunt gemischt besetzt. Trotz­dem ist mir auf­ge­fal­len, dass inzwi­schen vie­le der zen­tra­len grü­nen Protagonist*innen jün­ger als die Par­tei sind. Die wur­de die­ses Jahr 35 Jah­re alt. Die­se Gene­ra­ti­on setzt seit eini­ger Zeit die The­men und besetzt Pos­ten und Positionen. 

Bei­spiel Zeit­po­li­tik, einer der fünf The­men­schwer­punk­te der BDK in Hal­le. Dass Grü­ne den sper­ri­gen Begriff Zeit­po­li­tik für sich ent­deckt haben, um bis­her eher getrennt von­ein­an­der ste­hen­de Poli­ti­ken der betrieb­li­chen Mit­be­stim­mung und der Rege­lung der Arbeits­be­din­gun­gen im Zeit­al­ter von Fle­xi­bi­li­sie­rung, Digi­ta­li­sie­rung und Ent­gren­zung und der femi­nis­tisch gepräg­ten Ver­ein­bar­keit von Erwerbs­ar­beit, Sor­ge­ar­beit und gesell­schaft­li­cher Teil­ha­be sowie die eher aus Rich­tung der Lebens­stil- und Nach­hal­tig­keits­de­bat­ten her­ein­schwap­pen­de Sor­ge um Beschleu­ni­gung und Ver­lust von Muße unter einen Schirm zu brin­gen, müss­te eigent­lich eine Nach­richt sein. Die Medi­en­lo­gi­ken sind ande­re, gera­de in die­sen Zei­ten. Inter­es­sant ist auch der Duk­tus des Beschlus­ses: die Pro­ble­me und Ursa­chen für poli­ti­schen Gestal­tungs­be­darf wer­den deut­lich benannt, aber auf die eher ver- als ent­hül­len­de Ankla­ge des Gesamt­zu­sam­men­hangs in mög­lichst gro­ben Tönen wird bewusst ver­zich­tet. Statt­des­sen wer­den kon­kre­te Instru­men­te ange­bo­ten, die die beschrie­be­nen Pro­ble­me im Rah­men der bestehen­den Ord­nung lösen könn­ten. Der Prag­ma­tis­mus geht nun nicht soweit, eine bis ins letz­te durch­ge­rech­ne­te Gegen­rech­nung auf­zu­ma­chen. Nach wie vor ist für grü­ne Beschlüs­se der Über­schuss an Visi­on kenn­zeich­nend, der Ver­weis auf ein Es-könn­te-auch-anders-sein. All­zu Visio­nä­res (das „Zeit­Ha­ben“ als kon­kret aus­for­mu­lier­tes Modell) wur­de von der Par­tei­tags­mehr­heit eben­so abge­lehnt wie das Ansin­nen, sich auf den Sta­tus quo zu beschrän­ken. Ein biss­chen bes­se­re Welt muss mög­lich bleiben.

Zeit­po­li­tik als Par­tei­tags­the­ma koin­zi­diert mit einer Gegen­wart, in der Beru­fe kei­ne lebens­lan­ge Sicher­heit mehr bie­ten, in der der Druck per­ma­nen­ter Wei­ter­bil­dung im Raum steht, in der der Geist des Start­ups alle Gren­zen sprengt, in der Erreich­bar­keit den Prä­senz­my­thos ablöst – und in der Frau­en und Män­ner vor der Her­aus­for­de­rung ste­hen, Kind und Kar­rie­re zu ver­tei­len und allen damit ver­bun­de­nen Erwar­tun­gen gerecht zu wer­den. Mir ist auf­ge­fal­len, wie vie­le Dele­gier­te mit Kind dabei waren – auch und gera­de jun­ge Män­ner mit Babys. Wer es böse zuspit­zen wol­len wür­de, fän­de in der Tri­as aus Kindertra­ge­tuch, Smart­phone und vega­nem Soja­milch­kaf­fee schon ganz gute Eck­punk­te, um die­se Gene­ra­ti­on weich­ge­zeich­net zu beschrei­ben. (Natür­lich gehen dabei ganz vie­le Dif­fe­ren­zen ver­lo­ren, das ist mir schon klar …)

Und innen? Wenn mei­ne Beob­ach­tung stimmt, dass die­se Gene­ra­ti­on auch einen spe­zi­fi­schen Stil mit­bringt, dann ist das einer der guten Ver­net­zung, der Ver­bind­lich­keit in der Sache, einer gewis­sen Neu­gier­de selbst für ganz frem­de Lebens­wel­ten und Argu­men­te, aber auch eine Kul­tur des Lobens und des freund­li­chen Umgangs mit­ein­an­der. Das sagt jetzt nichts über das Vor­han­den­sein oder Feh­len von Stra­te­gien und Intri­gen aus. Aber die­ser Stil unter­schei­det sich doch von einer eher auf Angriff, Stur­heit und Recht­ha­be­rei auf­bau­en­den alten Streit­kul­tur. Wer mag, darf das als Zucker­wat­te emp­fin­den. Aber viel­leicht ist es nur Höf­lich­keit aus dem Wis­sen dar­über, wie sehr Par­tei­en dazu nei­gen, Men­schen zu ver­ein­nah­men und zu ver­bren­nen. Ein Lernprozess.

Jeden­falls, um zur Zeit­po­li­tik zurück zu kom­men: Das wür­de ich als ein The­ma iden­ti­fi­zie­ren, das gera­de der Gene­ra­ti­on „Grün“ auf den Nägeln brennt. Und auch in den bei­den ande­ren, von innen gesetz­ten Par­tei­tags­the­men, der Wirt­schafts- und der Kli­ma­po­li­tik, lie­ßen sich Anknüp­fungs­punk­te an die The­se fin­den, dass die­se Gene­ra­ti­on und ihre ganz kon­kre­te Rea­li­tät und Zukunft jetzt The­men setzt. Mit einer ganz eige­nen Ver­bin­dung aus Visi­on und Rea­lis­mus, mit einem Fest­hal­ten an gro­ßen Zie­len, aber immer ins Kon­kre­te her­un­ter­ge­bro­chen und geer­det. Kli­ma­wan­del ist unse­re Zukunft, und eine grü­ne Wirt­schaft ist die, in der wir hier und heu­te arbei­ten. Was fehlt, sind Apo­dik­ti­sches und Apo­ka­lyp­se. An die Stel­le des mah­nen­den Zei­ge­fin­gers ist der Opti­mis­mus des „Wir schaf­fen es!“ getre­ten, selbst wenn die­ses opti­mis­ti­sche Lebens­ge­fühl aus der Not her­aus gebo­ren ist, dass es ande­res eben ein­fach gar nicht mög­lich wäre.

Wenn die The­se stimmt, dass die Gene­ra­ti­on „Grün“ damit begon­nen hat, die­ser Par­tei ihren Stem­pel auf­zu­drü­cken, dann müss­te sich das auch in der Beset­zung der Pos­ten zei­gen. Simo­ne und Cem sind bei­de Jahr­gang 1965, also 10 bis 15 Jah­re älter als die hier beschrie­be­ne Gene­ra­ti­on. Aber dahin­ter gibt es dann doch eini­ge, die durch­aus den Ton ange­ben wer­den: Micha Kell­ner, poli­ti­scher Bun­des­ge­schäfts­füh­rer, Jahr­gang 1977. Gesi­ne Age­na, Bei­sit­ze­rin im Bun­des­vor­stand, Jahr­gang 1987. Im Par­tei­rat nicht nur Erik Mar­quardt (Jg. 1987), son­dern auch Ska Kel­ler (Jg. 1981), Made­lei­ne Henf­ling (Jg. 1983) und Mal­te Spitz (Jg. 1984). Wenn wir das Spek­trum etwas stre­cken, wür­den auch Kat­ja Dör­ner (Jg. 1976) und Chris­ti­an Mey­er (Jg. 1975) noch dazu gehö­ren – eben­so wie der knapp nicht gewähl­te Alex Bonde, der eben­falls in die­se Alters­grup­pe gefal­len wäre. Was ich damit sagen will: der vor zwei Jah­ren begon­ne­ne Gene­ra­tio­nen­wech­sel ver­fes­tigt sich. Und ver­än­dert zunächst noch nicht ein­mal so sehr die Außen­dar­stel­lung, aber doch das Zusam­men­wir­ken im Inne­ren der Par­tei, bis hin zur Tanz­flä­che der Parteiparty. 

Denen, die jün­ger als die Par­tei sind, erschei­nen man­che alten Kon­flikt­li­ni­en über­holt, man­che blin­de Fle­cken selt­sam, aber auch man­che Din­ge, die vor drei­ßig Jah­ren pro­gres­siv waren, heu­te als ange­staubt. Ein Bei­spiel ist das „Binnen‑I“, das die Par­tei bis­her in ihren Beschlüs­sen ver­wen­det hat, um Frau­en und Män­ner sprach­lich sicht­bar zu machen. Heu­te wur­de es durch den Gen­der­star ersetzt, das Stern­chen, das auch Raum für Trans- und Inter­se­xu­el­le, Trans­gen­der und alle die­je­ni­gen las­sen soll, die sich dem binä­ren Geschlech­ter­sche­ma verweigern. 

Ein ande­res Bei­spiel ist der „Auf­bruch 2017“, der eher unschein­bar am Ende des zwei­ten Par­tei­tag-Tages behan­delt wur­de. Vor­der­grün­dig dien­te die­ser Tages­ord­nungs­punkt dazu, den wei­te­ren Pro­zess bis zur Bun­des­tags­wahl 2017 zu beschrei­ben – die Urwahl der Spitzenkandidat*innen, aber auch den Pro­zess, um das Bun­des­tags­wahl­pro­gramm zu erstel­len (neben­bei: ich bin mir ziem­lich sicher, dass der oben beschrie­be­ne neue Sound sich auch dort wie­der­fin­den wird). In die­sem Tages­ord­nungs­punkt fand sich aber auch Micha Kell­ners Pro­jekt der Betei­li­gungs­par­tei wie­der – ein klu­ges Set an Tools und neu­en Ver­fah­ren, um auch hier Bünd­nis 90/Die Grü­nen neu aufzustellen. 

Eben­falls unter dem Tages­ord­nungs­punkt behan­delt wur­de „A03“ – der Antrag, den ich als „zurück zu den 1980ern“ beschrie­ben habe. Auch hier gibt es einen Vor­der­grund: die Rück­kehr zu Ver­fah­rens­re­geln wie der Rota­ti­on, der voll­stän­di­gen Tren­nung von Amt und Man­dat und eine weit­ge­hen­de Abschaf­fung des Dele­gier­ten­prin­zips. Im Hin­ter­grund die mit die­sen Instru­men­ten ver­bun­de­ne Hoff­nung zu einer Rück­kehr zu den „wah­ren“ grü­nen Wer­ten. Dass „die Basis“ nicht unbe­dingt iden­tisch mit den Antragsteller*innen von A03 ist, was zu einem gewis­sen inne­ren Wider­spruch führt, wur­de nicht nur in der Abstim­mung deut­lich (ich habe unge­fähr drei Ja-Stim­men bei rund 600 Dele­gier­ten im Saal gese­hen), son­dern auch in der Gegen­re­de von Brit­ta Haßel­mann, die genüss­lich dar­auf hin­wies, dass die teil­wei­se Auf­he­bung der Tren­nung von Amt und Man­dat das Ergeb­nis einer Urab­stim­mung unter allen Mit­glie­dern war – und des­we­gen gera­de bei „Basis“-Fans doch eine gewis­se Akzep­tanz fin­den sollte.

Wenn auf der einen Sei­te eine Gene­ra­ti­on „Grün“ dabei ist, eine neue Par­tei­kul­tur und neue pro­gram­ma­ti­sche Ele­men­te zu ver­an­kern, steht dem der Club der „grum­py old men“ gegen­über (wobei old hier nicht unbe­dingt nur das bio­lo­gi­sche Alter und men nicht unbe­dingt das Geschlecht meint – grum­py stimmt aber). Die selbst­er­nann­ten Lordsiegelbewahrer*innen der Par­tei wün­schen sich kla­re Front­li­ni­en, also ein kla­res gro­ßes Gan­zes, für das gekämpft wird, kla­re Gegner*innen, gegen die gekämpft wird, und kla­re Klar­hei­ten, also unge­prüf­te und nicht in Fra­ge zu stel­len­de Wahr­hei­ten mit ewi­ger Geltung. 

Der Club der „grum­py old men“ traf sich par­al­lel zu den Sit­zun­gen der Reformer*innen und der Lin­ken und hat­te vor­her mit Flug­blät­tern dazu gewor­ben, dazu zu kom­men. Da nann­ten sie es „Unab­hän­gi­ges grü­nes Basis­tref­fen“. Wie vie­le hin­ge­gan­gen sind, weiß ich nicht. 

Ich war beim Strö­mungs­tref­fen der Lin­ken, da war es voll – rund 200 Leu­te, von der Atmo­sphä­re her aber freund­lich und kon­struk­tiv. Sag­te ich schon, dass mit einer neu­en Gene­ra­ti­on auch ein neu­er Geist ein­ge­zo­gen ist? Eini­ge, die sonst immer auf die­sem Strö­mungs­tref­fen zu hören waren, fehl­ten, obwohl sie beim Par­tei­tag anwe­send waren. Viel­leicht waren sie bei den Grumpies. 

Bei allem Spott: Hier steckt doch ein Pro­blem für Bünd­nis 90/Die Grü­nen. Ich kann nach­voll­zie­hen, dass vie­les von dem, was gera­de an Ord­nungs­pro­zes­sen und Umori­en­tie­run­gen statt­fin­det, aus einer ande­ren Per­spek­ti­ve als Ver­lust – an Macht und Ein­fluss, an Gewiss­hei­ten, an Klar­heit – emp­fun­den wird. Die bei­den weit­ge­hend unbe­kann­ten Gegenkandidat*innen für den Par­tei­vor­sitz, durch­aus mit Nähe zu die­sem Spek­trum, haben doch rela­tiv vie­le Stim­men erhal­ten. Und ins­be­son­de­re in der den ers­ten Tag der BDK bestim­men­den Debat­te um Ein­wan­de­rung und Flucht, Flucht­ur­sa­chen und isla­mis­ti­schen Ter­ror wur­de in Rede­bei­trä­gen immer wie­der deut­lich, dass Regie­ren als Zumu­tung und Kom­pro­mis­se als Ver­rat emp­fun­den wur­den: „Wir sind die Basis“ gegen die Ver­schwö­rung der Machthaber*innen, lie­ber doch Oppo­si­ti­on, statt auch nur eine rote Linie zu über­schrei­ten. Oder, um es noch etwas kom­pli­zier­ter zu machen: ein aus­ta­rier­ter Beschluss zu Flucht und Ein­wan­de­rung, der auch deut­li­che Kri­tik an eini­gen asyl­po­li­ti­schen Ent­wick­lun­gen der letz­ten Mona­te ent­hält, und der durch­aus Zusa­gen macht, was bei einer grü­nen Regie­rungs­be­tei­li­gung im Bund anders wer­den muss, und der mit gro­ßer Mehr­heit beschlos­sen wur­de, ist noch ein­mal etwas ande­res als die Wei­ge­rung, sich auf Kom­ple­xi­tä­ten über­haupt nur ein­zu­las­sen und lie­ber ein­fa­che Lösun­gen zu pro­pa­gie­ren. Die Zeit­dia­gno­se, dass Popu­lis­mus gera­de im Auf­wind ist, scheint auch inner­par­tei­lich zu gelten.

Bis­her ist das eine kla­re Min­der­heit, eine unor­ga­ni­sier­te Grup­pe. Ich weiß nicht, ob wir es schaf­fen, den Dis­kurs dar­über, wie Bünd­nis 90/Die Grü­nen sich wei­ter­ent­wi­ckeln kön­nen, auch mit die­sem Teil der Mit­glied­schaft zu füh­ren. Oder ob dem eine Blo­cka­de­hal­tung ent­ge­gen­steht, die Dia­log eher nicht zulässt. Wenn wir 2017 als Par­tei ins­ge­samt einen moti­vier­ten und star­ken Wahl­kampf füh­ren wol­len, wenn wir geschlos­sen für eine bun­des­po­li­ti­sche Visi­on ste­hen wol­len, dann ist eine dif­fu­se Unzu­frie­den­heit, die zu Ende gedacht eine ganz ande­re Par­tei haben möch­te, ein Problem. 

Wo ich gera­de dabei bin: Das zwei­te Pro­blem, das wir als Par­tei haben, das wir seit 2013 haben, und für das ich bei die­ser BDK nicht wirk­lich eine Lösung gese­hen habe, ist die feh­len­de star­ke Geschich­te, der grü­ne Faden, der nicht nur innen zusam­men­hält, son­dern auch außen immer wie­der sicht­bar wird. Und der fehlt einer Par­tei, die der­zeit in neun Län­dern an der Regie­rung betei­ligt ist. 

Die­se Viel­stim­mig­keit ist nicht neu, aber sie ist beson­ders schmerz­haft. Das mag etwas mit der Klee­blatt-Kon­stel­la­ti­on der Frak­ti­ons- und Par­tei­spit­ze zu tun haben, es mag aber auch etwas damit zu tun haben, dass noch immer viel Ener­gie nach innen fließt, in orga­ni­sa­to­ri­sche Arbeit, in das Aus­ta­rie­ren von Kom­pro­mis­sen zwi­schen den Ebe­nen, in diver­se inhalt­lich arbei­ten­de Kom­mis­sio­nen und Arbeits­krei­se. Die Vita­li­tät, Visi­ons­kraft und argu­men­ta­ti­ve Stär­ke fehlt in der Außen­dar­stel­lung. Das mag alles etwas bes­ser wer­den, wenn in einem Jahr klar ist, wer von den Mit­glie­dern als Spitzenkandidat*in gewählt wur­de; die Bin­sen­weis­heit, dass Per­so­nen auch The­men und Hal­tun­gen ver­kau­fen, ist ja nicht falsch. Jeden­falls ist das die ganz gro­ße Bau­stel­le, die bis zum Bun­des­tags­wahl­kampf geschlos­sen sein sollte.

Und das drit­te Pro­blem? Sym­bol­bild: Kret­sch­mann redet – und zu stan­ding ova­tions steht ein Block, einer anti­ken For­ma­ti­on nicht unähn­lich, auf. Das ist Baden-Würt­tem­berg. Der Rest bleibt sit­zen. Viel­leicht bin ich hier pes­si­mis­tisch, aber ich sehe – auch nach dem Unfall von neun­zehn feh­len­den Stim­men bei der Par­tei­rats­wahl – ein sich beschleu­ni­gen­des Aus­ein­an­der­wach­sen auch der inne­ren Logi­ken zwi­schen Baden-Würt­tem­berg und allen ande­ren Lan­des­ver­bän­den, vor allem aber zwi­schen Baden-Würt­tem­berg und dem Bun­des­ver­band. Das schlimms­te, was uns pas­sie­ren kann, ist ein „mir san mir“, dem dann völ­lig egal ist, was in Ber­lin debat­tiert und ent­schie­den wird, solan­ge zuhau­se die Pro­zen­te stim­men. Der 13. März 2016 ist hier ein Merk­stein. Wenn es ein Kabi­nett Kret­sch­mann II geben wird, und wenn die der­zei­ti­ge Stär­ke in den Umfra­gen sich bestä­tigt, hal­te ich es nicht für unwahr­schein­lich, dass auf die offe­ne Büh­ne gelangt, was bis­her eher in Kamin­run­den und Tele­fon­kon­fe­ren­zen ver­han­delt und gestrit­ten wird. Ein sol­cher Zustand wäre nicht gut für das grü­ne Pro­jekt. Und es gibt ein Leben außer­halb der Landesgrenzen!

(Und ja: Dabei geht es nicht um For­mel­kom­pro­mis­se, son­dern um hand­fes­te inhalt­li­che Interessensdifferenzen.)

Der Par­tei­tag ist zu Ende, drin­nen wur­de gera­de noch das Kli­ma geret­tet, ges­tern war es noch son­nig, jetzt weht drau­ßen eisig der Schnee­sturm um die Mes­se­hal­le irgend­wo im Gewer­be­ge­biet der Stadt Hal­le. Und Grü­ne wer­den wei­ter­hin gebraucht in einem Land, in dem der Win­ter längst Ein­zug gehal­ten hat.

War­um blog­ge ich das? Als etwas ande­ren Bericht von der BDK 2015. Und weil mei­ne Basis mehr­heit­lich kei­ne Best-of-BDK-Lis­te woll­te. (Und die bei­den gro­ßen The­men, die ja auch die Medi­en­be­richt­erstat­tung domi­nier­ten, und vie­le Reden füll­ten, las­se ich mal außen vor – dazu steht anders­wo genug).

8 Antworten auf „Zweitausend Wörter zum Zustand der Partei“

  1. Der Bei­trag bringt sehr schön auf den Punkt, wie sich das Bin­nen­kli­ma in der Par­tei ändert. Und wahr­schein­lich ist die Ent­wick­lung ja auch logisch: Wer in einer Zeit poli­tisch sozia­li­siert wur­de, als grü­ne Posi­tio­nen abso­lu­te Min­der­hei­ten­po­si­tio­nen waren, wer gewohnt war, für sei­ne Mei­nung wahl­wei­se ver­lacht oder bekämpft, auf jeden Fall aber nicht ernst­ge­nom­men zu wer­den, hat natür­lich eine ande­re poli­ti­sche Kul­tur ver­in­ner­licht als die nach­fol­gen­den Gene­ra­tio­nen. Sie sind auf­ge­wach­sen in einem Kli­ma, das die Grü­nen als Teil des Estab­lish­ments (und das mei­ne ich nicht abwer­tend) sieht. Da muss man nicht dau­ernd gegen alles und jeden kämp­fen. Des­halb ist die beschrie­be­ne Ent­wick­lung auch Aus­druck einer (posi­ti­ven) gesell­schaft­li­chen Ver­än­de­rung (und by the way: sie wur­de auch von den Grum­pies mit erkämpft ;-)).
    Die span­nen­de Fra­ge kommt aber noch: Wenn sich der Ton von „das läuft falsch“ zu „wir schaf­fen das und zwar so“ ändert, ist damit eine ande­re Rol­le ver­bun­den. Neh­men wir das ernst, bedeu­tet es einen klar for­mu­lier­ten Macht- und Gestal­tungs­an­spruch. Ob wir bereit sind, den auch unter den real exis­tie­ren­den Bedin­gun­gen des poli­ti­schen Betriebs ein­zu­hal­ten, muss sich erst noch zei­gen. Denn sonst könn­te aus dem „wir schaf­fen das und zwar so“ recht schnell wie­der ein „das läuft falsch“ wer­den. Ich erlau­be mir ein­fach mal opti­mis­tisch zu sein.

  2. du beklagst dich über Grum­py old men, die kla­re Hal­tung ein­for­dern. Drei Sät­ze spä­ter: „Wo ich gera­de dabei bin: Das zwei­te Pro­blem, das wir als Par­tei haben, das wir seit 2013 haben, und für das ich bei die­ser BDK nicht wirk­lich eine Lösung gese­hen habe, ist die feh­len­de star­ke Geschich­te, der grü­ne Faden, der nicht nur innen zusam­men­hält, son­dern auch außen immer wie­der sicht­bar wird. Und der fehlt einer Par­tei, die der­zeit in neun Län­dern an der Regie­rung betei­ligt ist. “ jo.…äh…klar.…

  3. Der jun­gen Gene­ra­ti­on fehlt es nicht an Intri­gen und Hin­ter­zim­mer, da haben sie sehr gut von der Mut­ter­par­tei gelernt – aber das nur am Ran­de. Was der Bun­des­par­tei tat­säch­lich fehlt, ist die Erfah­rung, zwi­schen durch Regie­rungs­be­tei­li­gun­gen erstark­ten Lan­des­ver­bän­den und bun­des­po­li­ti­schen Posi­tio­nen eine gelin­gen­de Balan­ce her­zu­stel­len. Gera­de wer­den vie­le Län­der­in­ter­es­sen zu Lan­des­par­tei­in­ter­es­sen, die dann z.T. bun­des­po­li­ti­schen Par­tei­in­ter­es­sen gegen­über­ste­hen und im Zwei­fels­fall gewin­nen. BaWü ist (in mei­ner Außen­wahr­neh­mung) dafür nur das her­aus­ge­ho­bens­te Bei­spiel. Eine per­so­nell schwach wie schon lan­ge nicht mehr auf­ge­stell­te, wenig ein­heit­lich auf­tre­ten­de Bun­des­tags­frak­ti­on schwächt die Bun­des­par­tei da noch wei­ter. Und das hat das inner­par­tei­li­che Macht­ver­hält­nis (jen­seits von BDKen) stark in Rich­tung G‑Länder ver­scho­ben und führt dazu, dass zumin­dest in mei­nem Ber­li­ner links­grün sym­pa­thi­sie­ren­den Umfeld vie­le Leu­te etwas frus­triert und rat­los sind, ob sie noch Grün wäh­len kön­nen oder doch eher die Lin­ke. Für 2017 hof­fe ich, dass der Wahl­kampf da wie­der kla­re Kon­tu­ren rein bringt und die Lan­des­ver­bän­de die Bun­des­par­tei unter­stüt­zen, nicht demontieren…

  4. Ein nach­träg­li­cher Gedan­ke nach einer län­ge­ren Face­book-Debat­te, die bei Schmä­hun­gen begann und bei der Fest­stel­lung ende­te, dass der star­ke Fokus, den ich oben auf’s Alter lege, viel­leicht etwas ande­res ver­deckt, was nur teil­wei­se etwas mit dem Alter zu tun hat, und das passt gut zu dem, was Alex Bur­ger oben sagt: die Dimen­sio­nen „Grün als Teil des Estab­lis­ments“ und „Grün als har­tes Rin­gen um eine Alter­na­ti­ve zum Estab­lish­ment“. Die dürf­te jede*r von uns in unter­schied­li­chem Maße in sich ver­ei­nen – bei den Grü­nen der ers­ten Gene­ra­ti­on mag das Rin­gen um die Alter­na­ti­ve über­wo­gen haben, das ist mög­li­cher­wei­se auch der Antrieb der „Grum­pies“, bei den Grü­nen der zwei­ten und drit­ten Gene­ra­ti­on kam und kommt dem „Grün als Teil des Estab­lis­ments“ dann ein ganz ande­res Gewicht zu, weil die­se Erfah­rung so vor­her ein­fach nicht gemacht wer­den konn­te. Und dar­aus las­sen sich dann ande­re poli­ti­sche Her­an­ge­hens­wei­se und auch ein jeweils unter­schied­li­ches Ver­ständ­nis davon ablei­ten, was „Grün“ im Kern eigent­lich ausmacht.

  5. Ich möch­te als „nur“ Grün-Sym­pa­thi­sant bzw. Wäh­ler auch noch etwas bei­steu­ern. Die Debat­te auf face­book hat mich mehr als erstaunt. Ich habe den Text ganz anders gele­sen und ver­stan­den. Als Außen­ste­hen­der lei­de ich eben­falls an der Par­tei. Wenn man aus der lin­ken, frie­dens­be­weg­ten Ecke kommt muss­te man an den Grü­nen viel lei­den ;-). Dein Text ver­söhnt mich da ein wenig. Er lässt einen an eini­gen Stel­len einen iro­ni­schen (zumin­dest habe ich es so wahr­ge­nom­men) und kri­ti­schen Blick ins Inne­re der Par­tei zu. Auch wenn mir bewusst ist, dass ein sol­cher Blick immer frag­men­ta­risch sein wird, hal­te ich ihn für sehr wert­voll. Der Text hat mir auch wie­der bewuss­ter gemacht hat, dass es nicht nur das Rin­gen um poli­ti­sche Posi­tio­nen son­dern auch inter­kul­tu­rel­le Kon­flik­te zwi­schen Flü­geln, Gene­ra­tio­nen, Strö­mun­gen und was auch immer gibt. Das macht das gan­ze wie­der menschlicher.

  6. Zu mei­nem Absatz zu BaWü aus doku­men­ta­ri­schen Grün­den noch ein Zitat aus der Schwä­bi­schen Zei­tung von heute:

    Auch Bond­es Chef Win­fried Kret­sch­mann übte sich in der Kraft des posi­ti­ven Den­kens: „Wir haben jetzt ein biss­chen mehr Bein­frei­heit“, sag­te er. An Selbst­be­wusst­sein gegen­über der Bun­des­par­tei man­gelt es dem Minis­ter­prä­si­den­ten jeden­falls nicht. „Wir machen nicht immer alles, was die wol­len“, sag­te Kret­sch­mann. Und erin­ner­te dar­an, dass man in Baden-Würt­tem­berg regie­re: „Wir sind ein eige­ner Staat. Wir haben sogar eine Verfassung.“

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