Kurz: SPD will zurück in die fordistische Vergangenheit

Zu die­sem Bericht über den Auf­tritt von SPD-Chef Gabri­el bei einem Tref­fen von Betriebs­rä­ten in Bochum habe ich der taz einen Leser­brief geschickt. Mal schau­en, ob er abge­druckt wird.

SPD: zurück in die Vergangenheit?

Wenn es stimmt, dass Gabri­el die SPD dazu brin­gen will, jede Form der Nicht­nor­mal­ar­beit „zu bekämp­fen“ und den „unbe­fris­te­ten, sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Voll­zeit­job“ wie­der zur Regel zu machen, dann hat die SPD zwar aus der Hartz-Kri­se gelernt, sich aber nicht wei­ter­ent­wi­ckelt, son­dern ist sehn­suchts­voll wie­der in den schein­bar gol­de­nen 60er Jah­ren angekommen. 

Ist ja deren Sache – aber wäre es nicht an der Zeit, dass auch die SPD zur Kennt­nis nimmt, wie die (selbst­ver­ständ­lich männ­li­che) Voll­zeit­be­schäf­ti­gung zur Geschlech­ter­dis­kri­mi­nie­rung bei­trägt? Dass es dar­um gin­ge, die in pre­kä­ren Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­sen Arbei­ten­den (eine Spann­wei­te vom Mini­job aus Not bis zur frei­wil­li­gen befris­te­ten und hoch­be­zahl­ten Pro­jekt­ar­beit) sozi­al abzu­si­chern, statt sie zu bekämp­fen? Oder, dass bei den rich­ti­gen Rah­men­be­din­gun­gen (ich den­ke da z.B. an ein Grund­ein­kom­men) Fle­xi­bi­li­sie­rung, Teil­zeit­ar­beit und der Wech­sel zwi­schen Pha­sen der Erwerbs­ar­beit und ande­ren Zei­ten zu einem erfüll­ten Leben bei­tra­gen kön­nen, das nicht nur in Erwerbs­ar­beit besteht? 

Ein Zurück in die for­dis­ti­sche Ver­gan­gen­heit, die sich Gabri­el wohl wünscht, taugt jeden­falls nicht als Land­kar­te für eine soli­da­ri­sche Moderne. 

Nach­trag: Wie ich gera­de beim Früh­stück gese­hen habe, wur­de der Leser­brief prompt abge­druckt (Aus­ga­be vom 24.03.2009).

31 Antworten auf „Kurz: SPD will zurück in die fordistische Vergangenheit“

  1. @Christian: Wür­de mich jetzt auch wun­dern, aber dar­um geht es mir nicht. Ers­tens sind das ja auch nicht unbe­dingt grü­ne Posi­tio­nen (der Vor­schlag Grund­ein­kom­men hat auch bei uns nur etwa 40% Zustim­mung gekriegt, eine sank­ti­ons­freie und stär­ker an För­dern aus­ge­rich­te­te Wei­ter­ent­wick­lung von Hartz-IV mit höhe­ren Sät­zen 60%), und zwei­tens geht’s mir tat­säch­lich auch ein biß­chen um sowas wie eine lin­ke Zukunfts­per­spek­ti­ve (-> ISM). Wenn die SPD jetzt ihre Posi­tio­nen aus den 70er und 80er Jah­ren wie­der aus­ge­gräbt – und dabei sowohl deren Neben­wir­kun­gen (Geschlech­ter­ver­hält­nis­se) wie auch deren Unzeit­ge­mäß­heit (wirt­schaft­li­che Situa­ti­on) igno­riert, ist dass das Pro­blem der SPD. Aber es ist auch ein Pro­blem für rot-grün-rote Reform­mehr­hei­ten. Was ich mir von der SPD wün­sche, ist nicht eine Über­nah­me mei­ner Posi­tio­nen – aber eine Aus­ein­an­der­set­zung mit den Rea­li­tä­ten, die in etwas ande­rem endet als in der Ein­bil­dung, pre­kä­re Beschäf­ti­gun­gen ver­bie­ten zu kön­nen und dann im Voll­be­schäf­ti­gungs­wun­der­land zu lan­den. Ich sehe da viel­mehr ein Feld, an dem SPD (und Gewerk­schaf­ten) wirk­lich sinn­vol­le Posi­tio­nen ent­wi­ckeln könn­ten: wie kann eine sinn­vol­le sozia­le Absi­che­rung für Beschäf­ti­gun­gen aus­se­hen, die nicht mehr dem Bild des unbe­fris­te­ten lebens­lan­gen (männ­li­chen) Voll­zeit­jobs entsprechen?

    (Dass das mit dem Ver­bie­ten eher scha­det, lässt sich schön an der Begren­zung befris­te­ter Beschäf­ti­gung im Wis­sen­schafts­be­reich durch Bul­mahn sehen – einer der weni­gen Punk­te, wo ich ganz per­sön­lich froh war, dass Scha­van dass dann wie­der auf­ge­ho­ben hat. Da ging es um ein Ver­bot, län­ger als sechs Jah­re befris­tet beschäf­tigt zu sein – was aber kei­ne Dau­er­stel­len geschaf­fen hat, son­dern Leu­te auf die Stra­ße gesetzt hätte)

  2. Viel­leicht soll­test Du Dich bei der Ana­ly­se auf offi­zi­el­le Par­tei­do­ku­men­te stüt­zen und nicht auf taz-Artikel.

    Das Nor­mal­ar­beits­ver­hält­nis als Regel­fall zu ver­tei­di­gen ist indes­sen gut und richtig. 

    Die SPD bleibt die Par­tei der Arbeit. Das klingt wie eine hoh­le Phra­se, das ist mir klar. Den­noch trifft es zu.

  3. @Christian: Es freut mich ja, wenn du es gut fin­dest, dass dei­ne Par­tei so ist, wie sie ist. Trotz­dem musst du mir noch­mal erklä­ren, war­um es gut ist, das „Nor­mal­ar­beits­ver­hält­nis“ zum Maß aller Din­ge zu machen.

    Zum ande­ren: War­um soll­te ich mich für einen Leser­brief an die taz zu einem Bericht über den zukünf­ti­gen Kurs der SPD auf offi­zi­el­le Par­tei­do­ku­men­te stüt­zen? Wenn ich das rich­tig ver­stan­den habe, gibt es die­sen Vor­schlag noch gar nicht als offi­zi­el­les Par­tei­do­ku­ment. So, wie ich die SPD ein­schät­ze (anders als die LINKE, bei der ich nicht glau­be, dass deren neu­er offi­zi­el­ler Grund­satz­pro­gramm­ent­wurf so durch­kommt), gehe ich aller­dings schon davon aus, dass die Flö­cke, die Gabri­el hier ein­schlägt, nicht wie­der raus­ge­ris­sen wer­den, wenn ein Par­tei­tag dar­über beschließt. 

    Also noch­mal die Fra­ge: Wie wird das denn (Zukunft der Arbeit, ist ja nicht gera­de ein neu­es The­ma …) in der SPD dis­ku­tiert? Alle so treu zur „Par­tei der Arbeit“ wie du? Oder gibt’s da auch Strö­mun­gen, die ver­ste­hen, dass Arbeit mehr und anders sein kann und muss?

  4. Gute Ana­ly­se, @Till. Wenn ich von der SPD sowas wie „Wir sind die Par­tei der Arbeit“, oder „Wir dür­fen die Arbeits­ge­sell­schaft nicht aus den Augen ver­lie­ren“ (Stein­mei­er im SPIEGEL) höre oder lese, dann fra­ge ich mich schon, wie sie die soli­da­ri­sche Moder­ne inter­pre­tiert. Inter­es­sant wäre auch mal eine Posi­ti­on dazu, dass Arbeit zuneh­mend durch Kapi­tal ersetzt wird. Was bei­spiels­wei­se in den Nie­der­lan­den, Däne­mark und Schwe­den immer mehr zunimmt, sind com­pu­ter­ge­stütz­te Kas­sen, an denen die Men­schen ihre Waren selbst scan­nen. Das ersetzt sicher „Arbeit“ im SPD-Sinn. Grund­sätz­lich wäre es ja gut, wenn Maschi­nen Tätig­kei­ten über­neh­men, und die Men­schen dann, sagen wir, einen hal­ben Tag lang, was sinn­vol­le­res machen. Nur müs­sen sie dann auch abge­si­chert sein.

    @Christian: Wie bringst du das Nor­mal­ar­beits­ver­hält­nis eigent­lich mit der frei­en Ent­fal­tung des Indi­vi­du­ums überein?

  5. Arbeits­er­leich­te­run­gen sind natür­lich zu begrü­ßen. Das ist doch klar.

    Ein „Ende der Arbeit“, wie es hier anklingt, ist jedoch nicht abzu­se­hen. Die­ses „Ende der Arbeit“ wird schon seit Jahr­zehn­ten ver­kün­det, ein­ge­tre­ten ist es bis­her nicht.

    Es gibt genug Arbeit in Deutsch­land. Das fängt mit den schlech­ten Stra­ßen an und hört mit der Über­las­tung der Kran­ken- und Alten­pfle­ger auf. Das Pro­blem ist, dass die­se Arbeit nicht ordent­lich oder gar nicht bezahlt wird.

  6. Ah, ich muss doch noch­mal den Blog-Arti­kel „Ende der Erwerbs­ar­beit – wie sieht’s wirk­lich aus“ schrei­ben. „Ende der Arbeit“ ist so gedacht Blöd­sinn. Ein Ende der männ­li­chen Voll­erwerbs­ge­sell­schaft als „Regel­fall“ ist dage­gen längst da – auch in den Sta­tis­ti­ken. Da geht’s nicht nur um Arbeits­lo­sig­keit, son­dern auch um den Anteil von „pre­kä­ren Beschäf­ti­gungs­for­men“ (wie gesagt, ein Sam­mel­be­griff, der mehr ver­deckt als er erklärt).

  7. (Und dann muss ich doch noch­mal, weil ich den einen Satz gera­de über­se­hen habe:

    „Arbeits­er­leich­te­run­gen sind natür­lich zu begrü­ßen. Das ist doch klar.“ schreibt Christian.

    Anders for­mu­liert: gegen Pro­duk­ti­vi­täts­wachs­tum durch Auto­ma­ti­sie­rung und ver­bes­ser­te Arbeits­ver­fah­ren ist nichts ein­zu­wen­den. D.h. aber auch: für das glei­che Pro­dukt, den glei­chen Out­put ist weni­ger Arbeit­sin­put notwendig.

    Gleich­zei­tig soll Erwerbs­ar­beit Voll­zeit sein und gut bezahlt werden. 

    Selbst mal abge­se­hen von Glo­ba­li­sie­rungs­ef­fek­ten (iPad-Pro­duk­ti­on in Chi­na usw.) heißt das, dass fol­gen­de Rand­be­din­gun­gen gelten:

    1. Eine wach­sen­de Men­ge an Per­so­nen, die Arbei­ten sol­len (u.a. weib­li­che Erwerbs­be­tei­li­gung, und der Wunsch nach „Voll­be­schäf­ti­gung“)

    2. Eine sin­ken­de Men­ge Arbeit pro Dienstleistung/Produkt (wegen Rationalisierung).

    3. Der Wunsch nach einer gleich­blei­ben­den oder sogar stei­gen­den Men­ge Arbeit pro Erwerbstätiger/m (Voll­zeit)

    4. Eher gleich­blei­ben­de Prei­se pro Dienstleistung/Produkt ((das ist jetzt eine extre­me Vereinfachung, …)) 

    5. Der Wunsch nach guten Löh­nen (der ja im Prin­zip auch rich­tig ist), also ten­den­zi­ell soll Lohn pro Arbeits­ein­heit steigen.

    Mir sieht das wie ein Glei­chungs­sys­tem aus, das als Lösung Wachs­tum, Wachs­tum, Wachs­tum hat. Und allein schon des­we­gen habe ich Pro­ble­me damit, 1 bis 5 gleich­zei­tig zu fordern.

  8. Ich hab nicht das Ende der Arbeit anklin­gen las­sen, nur eben gesagt, dass es weni­ger Arbeit gibt. Dem wird jemand zustim­men, der für das Ende der Voll­zeit­ar­beits­stel­len argu­men­tiert, und auch jemand, der auf hohe Arbeits­lo­sen­zah­len verweist. 

    Natür­lich gäbe es genug Arbeit. Statt Stra­ßen­bau zum Bei­spiel Erhal­tung und Erfor­schung von Bio­di­ver­si­tät. Nur will das kaum jemand bezah­len. „Gibt“ es die­se Arbeit dann über­haupt, oder ist sie nur eine theo­re­ti­sche Idee?

    Naja, bin gespannt auf den Sta­tis­tik-Arti­kel dazu.

  9. @Christian: Jein ;-)

    Dass mei­ne eher wachs­tums­kri­ti­sche Hal­tung (na, ja doch irgend­wie typisch für Grü­ne, oder?) mich zu ande­ren Schlüs­sen über die Mach­bar­keit von Voll­be­schäf­ti­gung kom­men lässt, ist richtig.

    Aber das sagt ja noch nichts dar­über aus, ob Voll­be­schäf­ti­gung (bzw. Zen­tra­li­tät von Erwerbs­ar­beit) wün­schens­wert ist oder nicht. Und da kommt dann eher mein femi­nis­ti­scher Hin­ter­grund rein: die his­to­ri­sche Voll­be­schäf­ti­gung (im For­dis­mus …) war kei­ne, son­dern war eine Beschäf­ti­gung der Män­ner unter­stützt durch Repro­duk­ti­ons­ar­beit / Sor­ge­ar­beit der Frau­en (und nur dadurch mög­lich). Will ich eine Gesell­schaft, in der alle von 15, 16, 17, 18 … an bis 65, 66, 67 immer nur am arbei­ten sind? Nein – auch unab­hän­gig von der Wachs­tums­fra­ge scheint mir so ein Gesell­schafts­mo­dell nicht zukunfts­träch­tig zu sein. Und wer mit Voll­be­schäf­ti­gung meint, dass 37 Mio statt 34 Mio der 80 Mio Ein­woh­ne­rIn­nen erwerbs­tä­tig sein sol­len, muss noch­mal drü­ber nach­den­ken, was er da eigent­lich fordert.

  10. Unter Voll­be­schäf­ti­gung ver­steht man mei­nes Wis­sens, dass der, der Arbeit sucht, auch frü­her oder spä­ter Arbeit findet.

    Es müs­sen des­halb nicht alle Män­ner und auch nicht alle Frau­en arbei­ten. Sie soll­ten mei­ner Mei­nung nach aber die Mög­lich­keit dazu haben. Des­halb möch­te ich Kitas und Ganz­tags­schu­len haben, im Opti­mal­fall kostenlos.

  11. Sag ich ja: Voll­be­schäf­ti­gung meint übli­cher­wei­se, dass statt 34 Mio eben 37 Mio (also Erwerbs­tä­ti­ge plus Arbeits­su­chen­de) eine Arbeit haben. Aber der Teu­fel steckt im Detail, bzw. in der bei euch dis­ku­tier­ten Fra­ge, ob nur Essen soll, wer auch arbeitet. 

    Wie genau ist denn „Es müs­sen des­halb nicht alle Män­ner und auch nicht alle Frau­en arbei­ten.“ zu ver­ste­hen? Da geht’s ja nicht nur um kos­ten­lo­se Kitas (wäre eine Min­dest­be­din­gung), son­dern auch um den Lebens­un­ter­halt der­je­ni­gen Frau­en und Män­ner, die „nicht arbei­ten“ (also kei­ner Erwerbs­tä­tig­keit nach­ge­hen). Sol­len die – wenn ja, von wem – irgend­wo­her Geld bekom­men? Wie­viel? Und darf jede/r frei ent­schei­den, nicht arbei­ten zu wollen?

  12. Wer nicht erwerbs­fä­hig ist oder kei­nen Job fin­det, bekommt eine Grund­si­che­rung. Also Hartz IV.

    Ein bedin­gungs­lo­ses Ein­kom­men, ein „Recht auf Faul­heit“, leh­ne ich ab. Habe ich ja drü­ben schon geschrie­ben. Das wür­de unse­re Gesell­schaft zerreißen.

  13. zu bedau­ern, „wie die (selbst­ver­ständ­lich männ­li­che) Voll­zeit­be­schäf­ti­gung zur Geschlech­ter­dis­kri­mi­nie­rung bei­trägt“, fin­de ich in die­sem zusam­men­hang zynisch: es sind doch gera­de die unter rot-grün mas­siv geför­der­ten mini‑, teil­zeit- und spe­zi­ell lei­h­jobs und befris­te­ten arbeits­ver­hält­nis­se, die deut­lich mehr frau­en als män­ner aus bes­ser bezahl­ten und abge­si­cher­ten arbeits­ver­hält­nis­sen ver­drän­gen. zusam­men mit den rege­lun­gen zur bedarfs­ge­mein­schaft bei hart­zIV ein pro­gramm, das gera­de die lebens­be­din­gun­gen von frau­en mas­siv ver­schlech­tert hat.

  14. @filtor: Stim­me dir in der Kri­tik an Hartz-IV und der impli­zi­ten Geschlech­ter­ma­trix dahin­ter zu – nur sehe ich nicht, wie­so ich des­we­gen die dem For­dis­mus zugrun­de­lie­gen­den Geschlech­ter­ver­hält­nis­se nicht kri­ti­sie­ren darf. Ich hal­te Hartz-IV *nicht* für eine sinn­vol­le Lösung des Pro­blems, eine sozia­le Absi­che­rung in Zei­ten nach der Voll­be­schäf­ti­gungs­ge­sell­schaft zu garantieren.

    @Christian S.: Also nichts mit der oben pos­tu­lier­ten Wahl­frei­heit („es müs­sen nicht alle“), son­dern ganz klar: „wer kann, muss auch“. [Nach­trag: Und zwar unab­hän­gig davon, ob es Arbeits­plät­ze gibt oder nicht …]

  15. @till: um hart­zIV ging’s ja nur neben­bei, the­ma war die erleich­te­rung von befris­tun­gen, leih­ar­beit, mini- und teil­zeit­jobs zu las­ten von ver­nünf­tig bezahl­ten und sozi­al­ver­si­cher­ten jobs, wor­un­ter über­pro­por­tio­nal vie­le frau­en zu lei­den haben.

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  17. Man kann an der bis­he­ri­gen Dis­kus­si­on hier­zu sehr gut sehen, dass der sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Ansatz das Pri­mat der Erwerbs­ar­beit ger­ne soweit fasst, dass öko­lo­gisch bedenk­li­che Neben­wir­kun­gen im Zwei­fel in Kauf genom­men wer­den. Spä­tes­tens wenn immer mehr Stra­ßen gebaut wer­den müs­sen, nur um rech­ne­risch Wachs­tum zu gene­rie­ren, ist die „grü­ne Gren­ze“ erreicht.
    Aus der Sicht einer leid­lich struk­tur­schwa­chen Regi­on möch­te ich ger­ne noch ergän­zen, dass der Wunsch, kurz­fris­tig mög­lichst vie­le Men­schen in Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­sen zu sehen, nicht nur zu öko­lo­gi­schen Neben­wir­kun­gen führt. Die durch wöchent­li­ches Fern­pen­deln Ost/West ver­ur­sach­ten Emis­sio­nen sind die eine Sei­te, die durch Abwan­de­rung und Zurück­blei­ben der Älte­ren erzeug­te demo­gra­phi­sche Kata­stro­phe, die sich gera­de auf die kom­mu­na­len Haus­hal­te nie­der­schlägt, die andere.
    Es gibt an ein­zel­nen Orten Ansät­ze alter­na­ti­ven Wirt­schaf­tens, doch denen geben wir nicht genü­gend Zeit, sich zu entwickeln.

  18. @filtor: Ich fin­de nicht, dass sich das so pau­schal sagen lässt. Um nur mal das Bei­spiel Teil­zeit raus­zu­grei­fen: solan­ge Teil­zeit eine Nische für dazu­ver­die­nen­de Frau­en mit Kin­dern ist, sind Teil­zeit­jobs Mist. Als Ein­stieg in eine ande­re Zeit­kul­tur steckt jedoch eini­ges dahin­ter. Und selbst für Befris­tungs­re­ge­lun­gen und Mini­jobs scheint mir die Debat­te kom­ple­xer zu sein als der von dir pos­tu­lier­te Mecha­nis­mus. Des­we­gen bezog sich mei­ne Zustim­mung zur Ableh­nung eben expli­zit auf die Hartz-Geset­ze, und nicht auf jede Form der „Nicht­nor­mal­ar­beit“.

    @Christian: Natür­lich ist es nicht frei­wil­lig. Die Frei­heit, sich für oder gegen Arbeit zu ent­schei­den, hängt hier – banal­er­wei­se – davon ab, ob Mög­lich­kei­ten bestehen, sich irgend­wie anders als durch ALG-II oder ver­gleich­ba­res (also Sozi­al­hil­fe mit Arbeits­zwang) zu finan­zie­ren oder nicht. Wer kei­ne ande­re Mög­lich­keit hat, sich zu finan­zie­ren, und kei­ne Arbeit fin­det (oder kei­ne fin­den will, dass ist für mein Argu­ment an die­ser Stel­le egal), ist damit gezwun­gen, sich auf die Bedin­gun­gen, die mit staat­li­chen Hil­fe­gel­dern ver­bun­den sind, einzulassen.

  19. Ja. Und ich bin der Mei­nung, dass der Staat Hil­fe­su­chen­den Hil­fe gewäh­ren soll – gar kei­ne Fra­ge. Aber sie soll nicht vor­be­halt­los erfol­gen. Das wäre ers­tens nicht fair der All­ge­mein­heit gegen­über, und zwei­tens wäre das ein rei­nes Ali­men­tie­ren von Men­schen. Der För­de­rungs-Aspekt fie­le dann völ­lig flach. Das wäre mir zu einfach.

  20. In dem Sin­ne sind aber auch unnö­ti­ge Bau-Groß­pro­jek­te wie Stutt­gart 21 „unfair“. Oder die Bun­des­wehr. Oder Kin­der­frei­be­trä­ge. Oder Leis­tun­gen der Kran­ken­kas­se. Oder …

    Also bit­te noch­mal zurück vom Stamm­tisch: War­um genau wür­de es dir unfair erschei­nen, wenn jeder Mensch Anspruch auf eine (von mir aus mit dem erwirt­schaf­te­ten Ein­kom­men zu ver­rech­nen­de) durch die All­ge­mein­heit auf­ge­brach­te (-> Umver­tei­lung) Grund­fi­nan­zie­rung hätte?

  21. Von die­sen Projekten/Einrichtungen erhofft man sich einen Mehr­wert: Infra­struk­tur, Schutz, mehr Kin­der, Gesund­heits­vor­sor­ge für alle, etc. pp. Und natür­lich kann man dar­über herz­haft strei­ten, ob die­ses oder jenes Pro­jekt sinn­voll ist oder nicht. So läuft das in der Demokratie. ;)

    Eine bedin­gungs­lo­se Grund­fi­nan­zie­rung jeden­falls fän­de ich nicht rich­tig, aus meh­re­ren Gründen:
    a.) Die Kos­ten sind nicht abzu­se­hen. Was, wenn mas­sen­haft Men­schen ihren Job an den Nagel hingen?
    b.) Was ist mit Ein­wan­de­rung? Sol­len die Gren­zen dicht­ge­macht werden?
    c.) Eine Gesell­schaft, die sich spal­tet in einen Teil, der sich damit abge­fun­den hat, von dem ande­ren Teil ali­men­tiert zu wer­den, wird dar­an zer­bre­chen. Und der ali­men­tie­ren­de Teil wür­de es mit Sicher­heit nicht dau­er­haft mitmachen.

  22. Weiss ja nicht, ob es sinn­voll ist, die­se Debat­te hier fort­zu­set­zen, aber ich rede eher von 400–500 Euro als von den man­cher­orts pro­pa­gier­ten 1000 Euro für ein Grund­ein­kom­men. Und dann sieht es schon ganz anders aus … Wer für 400 Euro + Wohn­geld bereit ist, sei­nen Job an den Nagel zu hän­gen, wur­de ent­we­der für einen sehr schlech­ten Job sehr schlecht bezahlt oder ent­las­tet den Arbeits­markt. Viel eher wird das in vie­len Berei­chen als Lohn­auf­sto­ckung wir­ken, die aber Beschäf­tig­ten mehr Rech­te gibt als vor­her. Zu b.: wich­ti­ger Kri­tik­punkt, ja; c. sehe ich natür­lich anders, weil ich das nicht als dau­er­haf­te fixe Spal­tung betrach­te, son­dern als Dyna­mik und als Mög­lich­keit, anders mit Lebens- und Arbeits­zeit umzu­ge­hen als heute.

    Was noch fehlt, und was für mich ein wich­ti­ger Kri­tik­punkt wäre (bzw. eine Unsi­cher­heit, auf die mir bis­her nie­mand eine Ant­wort geben konn­te), ist die Fra­ge nach den makro­öko­no­mi­schen Fol­gen eines Grund­ein­kom­mens. Nicht weil dann jeder die Arbeit hin­wirft (das hal­te ich bei den dis­ku­tier­ten Sum­men für unwahr­schein­lich, und wenn’s zur Arbeits­zeit­re­du­zie­rung kommt, ist das ja nichts schlim­mes) – son­dern weil damit die ver­füg­ba­re Kauf­kraft ver­mut­lich steigt, und ich mir (aus dem Bauch raus) vor­stel­len könn­te, dass Lebens­mit­tel­prei­se etc. dar­auf reagie­ren, also letzt­lich der „Grund­ein­kom­mens­so­ckel“ durch eine stei­gen­de Infla­ti­on auf­ge­fres­sen wird.

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