Weltherrschaft als Koppelprodukt

Watching the streetview car II

Das gro­ße G ist erneut in den Schlag­zei­len: Chris Stö­cker sieht im Spie­gel Online schon den Griff von Goog­le nach der Welt­herr­schaft (Gideon Böss in der WELT sieht das anders). War­um? Weil Goog­le sei­ne Suche inzwi­schen in Echt­zeit und per­so­na­li­siert anbie­tet, Pro­duk­te per Han­dy-Scan iden­ti­fi­zie­ren kön­nen will, einen eige­nen öffent­li­chen DNS-Ser­ver (sie­he auch fefe) betreibt und über­haupt einen Hau­fen mehr anbie­tet (und natür­lich Chro­me, auch als Stand-alo­ne-Betriebs­sys­tem, und Android, und Cloud Com­pu­ting Appli­ca­ti­ons, und und und.

Das kann jetzt als Griff zur per­sis­ten­ten Welt­herr­schaft ver­stan­den wer­den. Kris­ti­an Köhn­topp dage­gen geht – schon vor eini­gen Wochen – von einem Miss­ver­ständ­nis aus: es ist falsch, Goog­le als Such­ma­schi­ne zu inter­pre­tie­ren. Für Köhn­topp ist das, was Goog­le macht, viel­mehr folgendes:

Alles in allem wirkt der Ansatz von Goog­le auf mich wie eine Fir­ma von Phy­si­kern oder ande­ren Expe­ri­men­tal-For­schern mit aka­de­mi­schem Back­ground, die beschlos­sen haben, ein­mal ’so rich­tig‘ in die Wirt­schaft zu gehen und ihre Metho­den dort hin zu por­tie­ren. Man baut Model­le, iden­ti­fi­ziert Abhän­gig­kei­ten und eli­mi­niert sie kon­se­quent und man hat kei­ne Angst, dabei auch rich­tig groß zu den­ken und Neu­land zu betreten. 

Oder anders gesagt: eine Fir­ma, die Abhän­gig­kei­ten auf der Input-Sei­te maxi­mal redu­ziert (eige­nes Netz, eige­ne Ser­ver-Far­men, eige­ner DNS-Ser­ver, …), die so ent­stan­de­ne Infra­struk­tur halb­öf­fent­lich zugäng­lich macht (Open-Source-Vari­an­ten wich­ti­ger Tech­no­lo­gien, wer­be­fi­nan­zier­te Zur­ver­fü­gung­stel­lung) und so – ob wil­lent­lich und stra­te­gisch oder nolens volens – immense sozio­tech­ni­sche Abhän­gig­kei­ten pro­du­ziert. Goog­le will nicht die Welt­herr­schaft, son­dern will – so mei­ne Syn­the­se aus Stö­cker und Köhn­topp – die tech­nisch bes­te Lösung zur Daten­ver­ar­bei­tung im Netz anbie­ten. Und erzeugt neben­bei ein biß­chen Welt­herr­schaft (oder zumin­dest eine immense, per­so­na­li­sier­te Daten­hal­de und Tools, um die­se zu durch­su­chen und mög­li­cher­wei­se auch pro­fi­ta­bel zu machen). 

Welt­herr­schaft als Kop­pel­pro­dukt funk­tio­niert auch des­halb, weil die Goog­le-Lösung (Such­ma­schi­ne, GMail, …) meis­tens bes­ser funk­tio­niert als die Ver­su­che ande­rer Anbie­ter oder gar staat­li­cher Inno­va­ti­ons­pro­gram­me (hal­lo, IT-Gip­fel mit dei­nen Leucht­turm­pro­jek­ten). Es gibt aber auch Aus­nah­men – wave bei­spiels­wei­se kommt gar nicht so toll an, und chro­me ist bis­her als Brow­ser wie als Betriebs­sys­tem ein abso­lu­tes Nischen­pro­dukt. Bes­ser heißt hier vor allem: Goog­le-Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen funk­tio­nie­ren, sind rela­tiv fehlertolerant/wartungsarm, sind zumeist sehr ein­fach bedien­bar – und sie sind schnell. Das hängt dann (sie­he Köhn­topp) wie­der mit den eige­nen Ser­vern und Lei­tun­gen zusam­men, und so schließt sich der Kreis zwi­schen tech­nisch guten Ange­bo­ten und der Infra­struk­tur für die Weltherrschaft.

Bleibt die Fra­ge nach den poli­ti­schen Kon­se­quen­zen des tech­no-öko­no­mi­schen Inter­es­ses von Goog­le. Ver­staat­li­chen? Regu­lie­ren? Lau­fen las­sen? Daten­schutz neu den­ken? Goog­le gar als Bünd­nis­part­ner gegen Angrif­fe auf Netz­neu­tra­li­tät und ähn­li­ches ein­span­nen? Die UNO an Goog­le verkaufen?

Mein vor­läu­fi­ger Ein­druck ist der, dass das Netz hier eine Fir­ma mög­lich gemacht hat, die bis­her so nicht vor­ge­se­hen war (um mit Cas­tells zu spre­chen: die tat­säch­lich infor­ma­tio­na­len und netz­werk­för­mi­gen Kapi­ta­lis­mus auf glo­ba­ler Ebe­ne betreibt, und dabei Wis­sen auf Wis­sen anwen­det). Was fehlt, ist eine ähn­li­che kon­zeptof­fe­ne und inno­va­ti­ve glo­ba­le Poli­tik­agen­tur. Die­ser poli­ti­sche glo­bal play­er fehlt uns heu­te noch.

War­um blog­ge ich das? Weil ich die Debat­ten um Goog­le span­nend fin­de. Viel­leicht auch des­we­gen, weil hier (in Varia­ti­on der Köhn­topp­schen Argu­men­ta­ti­on) eine nerdige/technische Kul­tur zwar erfolg­reich in Rich­tung Pro­fit evol­viert ist, trotz aller social respon­si­bi­li­ty (google.org usw.) dabei aber auch der für der­ar­ti­ge nerd/technische Kul­tu­ren typi­sche Autis­mus gegen­über der sozia­len Ein­bet­tung und den sozia­len und poli­ti­schen Kon­se­quen­zen tech­ni­scher Lösun­gen hoch­ska­liert wurde.

22 Antworten auf „Weltherrschaft als Koppelprodukt“

  1. Ich den­ke poli­tisch gese­hen soll­te man die pas­sen­den Leit­plan­ken für Goog­le & Co. bereit­stel­len um die­se Ent­wick­lung so abzu­si­chern, dass auch ganz sicher kein Scha­den ent­steht. Von sol­chen Leit­plan­ken soll­te es m.E. eini­ge geben. Die müs­sen dann gleich­zei­tig so gestal­tet sein, dass das Ent­wick­lungs­po­ten­ti­al nicht gestört wird. Die Goog­le Buch­di­gi­ta­li­sie­rung ist ein gutes Bei­spiel: der Nut­zen des Pro­jekts für die Gesell­schaft ist sofort erkenn­bar. Aber auch der Scha­den (Stich­wort: Miss­ach­tung von gel­ten­den Rechts­nor­men). Hier und anders­wo muss also ein Rah­men gefun­den wer­den, in dem sich Goog­le & Co. ent­wi­ckeln kön­nen. Mög­li­cher­wei­se macht dies auch ein Umden­ken, mit Kon­se­quen­zen für unse­re Rechts­nor­men, notwendig.

  2. Leit­plan­ken?

    http://www.youtube.com/watch?v=HqdJkFM3pSM
    Roads? Whe­re we are going we don’t need… roads.

    Ich glau­be, die­ses Zitat aus „Zurück in die Zukunft“ defi­niert Goog­le ganz gut. Goog­le ist eine Fir­ma, die sich in der Tat voll­kom­men auf die kor­rek­te Umset­zung bestimm­ter tech­ni­scher Kon­zep­te konzentriert.

    Dabei wer­den eini­ge exis­tie­ren­de gesell­schaft­li­che Rah­men­be­din­gun­gen gezielt igno­riert, und das ist gut so – daß es gut so ist, wird ‚die Gesell­schaft‘ aber erst hin­ter­her erken­nen kön­nen, näm­lich dann, wenn sie sich ange­sichts der Mög­lich­kei­ten und Not­wen­dig­kei­ten der neu­en Tech­nik klar macht, wie die neue Welt funk­tio­niert und wie wenig zutref­fend die Meta­phern und Rah­men­be­din­gun­gen der alten Welt in der neu­en Umge­bung sind.

    Bei der Digi­ta­li­sie­rung des Stra­ßen­net­zes ist das erst hin­ter­her klar gewor­den – alle Welt hat sich über Goog­le re Daten­schutz auf­ge­regt und sich an Street­view und den Kon­se­quen­zen von ‚ein Foto mei­ner Woh­nungs­tür steht im Inter­net‘ hoch­ge­zo­gen, aber der wah­re Nut­zen der gan­zen Akti­on war eine kom­plet­te Umkrem­pe­lung des Navi­ga­ti­ons­mark­tes – wie man erst 5 Jah­re spä­ter hat erken­nen können.

    Auch bei der Buch­di­gi­ta­li­sie­rung sieht das ganz ähn­lich aus – hier schrei­en weni­ge Urhe­ber, die­se aber dafür um so lau­ter und auf vie­len Kanä­len. Jetzt hat ihnen die Pol­tik den Wunsch erfüllt, und deut­sche Bücher wer­den in Goog­le Books der­zeit nicht erfaßt.

    Die Fol­gen des Gan­zen: die­je­ni­gen Autoren, die mit ihren Büchern Geld ver­die­nen wol­len statt dem hap­ti­schen und olfak­to­ri­schen Buch­erleb­nis nach­zu­trau­ern, sind aus­ge­schlos­sen und auf sich selbst gestellt. Die lang­fris­ti­gen Fol­gen sind noch viel schlim­mer, denn es ist abseh­bar, daß die­se gan­ze Akti­on unse­rer Regie­rung den Bedeu­tungs­ver­lust des Deut­schen am Welt­wis­sen besie­geln wird.

    Auch ein deut­sches oder euro­päi­sches Buch­di­gi­ta­li­sie­rungs­pro­jekt wird da nichts dran ändern, denn wenn es nicht sowie­so an urhe­ber­recht­li­chen und natio­na­len Par­ti­ku­lar­in­ter­es­sen schei­tert (sie­he auch http://www.heise.de/newsticker/meldung/OLG-Frankfurt-schraenkt-Nutzerrechte-in-Bibliotheken-ein-874742.html, noch so ein Urhe­ber­rechts-Kul­tur-Selbst­mord), dann wird es am Ende halt doch nicht in den nor­ma­len Arbeits­fluß inte­griert sein und daher weit­aus weni­ger bis gar kei­ne Bedeu­tung in der Pra­xis haben. http://en.wikipedia.org/wiki/Metcalfes_Law ist da uner­bitt­lich – Goog­le baut da ein Sys­tem von ver­netz­ten Wis­sens­ob­jek­ten und Deutsch­land hat sich da gera­de ausgeschlossen.

    1. @Isotopp/Kris: Die von dir hier noch­mal an Bei­spie­len klar gemacht Sicht­wei­se fin­de ich durch­aus span­nend (… die Ver­lin­kung oben im Blog­ar­ti­kel ist Aus­druck dafür), ganz so sicher, was ich davon letzt­lich hal­ten soll, bin ich aber noch nicht.

      Das wird deut­lich, wenn ich das fol­gen­de Zitat mal aus dem Zusam­men­hang reiße:

      Dabei wer­den eini­ge exis­tie­ren­de gesell­schaft­li­che Rah­men­be­din­gun­gen gezielt igno­riert, und das ist gut so – daß es gut so ist, wird ›die Gesell­schaft‹ aber erst hin­ter­her erken­nen kön­nen, näm­lich dann, wenn sie sich ange­sichts der Mög­lich­kei­ten und Not­wen­dig­kei­ten der neu­en Tech­nik klar macht, wie die neue Welt funk­tio­niert und wie wenig zutref­fend die Meta­phern und Rah­men­be­din­gun­gen der alten Welt in der neu­en Umge­bung sind.

      Solan­ge Tech­nik „dem Guten“ dient, macht das Sinn. Wenn jetzt aber obendrü­ber nicht steht „hier beschrei­be ich Goog­le“, son­dern wenn Mons­an­to oder die RWE (bzw. ent­spre­chen­de Gara­gen­fir­men) mit der sel­ben Hal­tung an gen­tech­nisch mani­pu­lier­te Orga­nis­men oder Atom­ener­gie her­an­ge­hen wür­den, was wäre dann? Also wir pro­bie­ren mal aus, wir machen ange­wand­te und öko­no­mi­sier­te Grund­la­gen­for­schung, wir erfin­den die Welt neu – und die Gesell­schaft darf nach­her sehen, wie sie mit den neu ent­stan­de­nen Risi­ken und Optio­nen umgeht?

      Anders gesagt: wo ist in der Welt­sicht bzw. Sicht auf Goog­le der Platz fürs Poli­ti­sche bzw. für die ord­nungs­po­li­ti­sche Ein­he­gung des tech­nik­ge­trie­be­nen frei­en Marktes?

  3. @Isotopp/Kris: wenn ich Dei­ne Gedan­ken zuen­de spin­ne, dann lan­de ich unwei­ger­lich bei fast der­sel­ben Fra­ge, die mich auch als Wis­sen­schaft­ler beschäf­tigt hat, näm­lich: habe ich als Wis­sen­schaft­ler nicht die Frei­heit, jeden nur denk­ba­ren Weg zu gehen? Nach Robert Oppen­hei­mer und dem Bau der Atom­bom­be ist die Sache doch klar: die Trans­pa­renz und gesell­schaft­li­che Kon­trol­le soll­te in bestimm­ten Berei­chen gewahrt blei­ben. In die­sem Zusam­men­hang ist auch mein Hin­weis auf die „Leit­plan­ken“ zu ver­ste­hen. Dies bedeu­tet aber auch, dass man als Gesell­schaft Bedin­gun­gen schafft, inno­va­ti­ve Ent­wick­lun­gen ‑inner­halb der ein­ge­zo­ge­nen Leit­plan­ken- zu beför­dern. Oder aber die Leit­plan­ken neu setzt. Gera­de bei der inhalt­li­chen Auf­ar­bei­tung der GBD müs­sen wir erken­nen, dass die der­zei­ti­gen Rege­lun­gen für Urhe­ber­schutz nicht mehr aus­ba­lan­ciert sind. Hier ist also die Gesell­schaft bzw. die Poli­tik auf­ge­for­dert die recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen neu zu defi­nie­ren, damit sich pri­va­te Anbie­ter eta­blie­ren kön­nen und die Gesell­schaft einen ange­mes­se­nen Nut­zen hat. Ich bin eben­so wie Du skep­tisch, was die öffent­li­chen Pro­jek­te zur Digi­ta­li­sie­rung angeht, ins­be­son­de­re wenn die­se nötig sind, um eine Bei­be­hal­tung des Urhe­ber­rechts in sei­ner jet­zi­gen Aus­ge­stal­tung zu kompensieren.

  4. „Hier ist also die Gesell­schaft bzw. die Poli­tik auf­ge­for­dert die recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen neu zu defi­nie­ren, damit sich pri­va­te Anbie­ter eta­blie­ren kön­nen und die Gesell­schaft einen ange­mes­se­nen Nut­zen hat.“

    Das wäre über­haupt nur mög­lich, wenn „die Gesell­schaft“ und „die Poli­tik“ mal nicht kom­plett rück­wärts­ge­wandt den­ken wür­den und über­haupt eine Leit­funk­ti­on inne­ha­ben könn­ten oder kön­nen woll­ten. Das haben Gesell­schaft und Poli­tik aber spä­tes­tens mit der Ära Kohl auf­ge­ge­ben (Die Fra­ge für ein Essay wäre eher, ob die Kom­ple­xi­tät der gesell­schaft­li­chen Ent­wick­lung die Poli­tik zum Auf­ge­ben und zur Reduk­ti­on auf rei­ne Macht­pol­tik gezwun­gen hat, oder ob die Poli­tik sich auf rei­ne Macht­po­li­tik redu­ziert hat und dabei ihre gesell­schaft­li­che Leit­funk­ti­on ver­nach­läs­sigt hat).

    Urhe­ber­recht ist dazu noch ein sehr schlech­tes Bei­spiel für ‚Rah­men­be­din­gun­gen‘ und ‚Gesell­schaft ange­mes­se­nen Nut­zen ver­schaf­fen‘. Welt­weit, aber gera­de auch in Deutsch­land ist das Urhe­ber­recht seit zehn Jah­ren eine rei­ne Kli­en­tel­po­li­tik- für Kli­en­tel, die bran­chen­wei­se den digi­ta­len Umbruch ver­pennt haben und jetzt bei ihrer Poli­tik ange­jam­mert kommt und ger­ne das Rad der Zeit zurück­ge­dreht haben wol­len an einen Punkt, an dem ihr Geschäfts­mo­dell noch funk­tio­niert hat. Erst war es die Musik­in­dus­trie, dann die Fil­mer, und jetzt halt die Buch­ver­la­ge und Zeitungen.

    Wo ist denn das ‚Klar könnt Ihr Geld haben, aber nur für neue Ideen‘ der Poli­tik? Oder das ‚Klar könnt Ihr Sub­ven­tio­nen bekom­men, aber nur für den Über­gang zu etwas, von dem ihr zeigt, daß es auch unter den neu­en Bedin­gun­gen Bestand haben kann‘? 

    http://www.amazon.de/dp/0810996367
    Wha­te­ver hap­pen­ed to the world of tomorrow?

    Der Comic kon­tras­tiert die Vor­stel­lung von der Zukunft der 60er und 70er Jah­re mit der Idee der Zukunft der 90er Jah­re, die Idee einer Zukunft, wie sie eine letzt­end­lich indus­trie­ali­sier­te Agrar­ge­sell­schaft ent­wi­ckelt hat, mit einer Idee der Zukunft, wie sie eine for­schungs­ori­en­tier­te Indus­trie­ge­sell­schaft ent­wi­ckelt. Die Idee der Zukunft für eine Gesell­schaft, die im 21. Jahr­hun­dert ange­kom­men ist, sieht noch wie­der anders aus: Klei­ne, agi­le, indi­vi­dua­li­sie­re Lösun­gen auf dem Sub­strat von sehr gro­ßen Infra­struk­tur­anbie­tern und Netz­be­trei­bern, Arbeits­tei­lig­keit und Koope­ra­ti­on, gerin­ge Trans­ak­ti­ons­kos­ten erlau­ben vie­le gesell­schaft­li­che Expe­ri­men­te und rapi­de Ver­än­de­run­gen, und dann schnel­les Wachs­tum von erfolg­rei­chen Ideen.

    Nichts davon ist in der Poli­tik in Deutsch­land ange­kom­men. Dort arbei­tet man wei­ter auf dem Stand Sie­mens-Tele­kom-Micro­soft mit Model­len und Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren aus dem 70er Jahren.

    Wie­so erwar­tet Ihr von dort irgend­et­was Gutes oder irgend­et­was, das irgend­wem weiterhilft?

  5. >Die Idee der Zukunft für eine Gesell­schaft, die im 21. Jahr­hun­dert ange­kom­men ist, sieht noch wie­der anders aus: Klei­ne, agi­le, indi­vi­dua­li­sie­re Lösun­gen auf dem Sub­strat von sehr gro­ßen Infra­struk­tur­anbie­tern und Netz­be­trei­bern, Arbeits­tei­lig­keit und Koope­ra­ti­on, gerin­ge Trans­ak­ti­ons­kos­ten erlau­ben vie­le gesell­schaft­li­che Expe­ri­men­te und rapi­de Ver­än­de­run­gen, und dann schnel­les Wachs­tum von erfolg­rei­chen Ideen.<:
    Da kann ich Dir nur zustim­men. Wir brau­chen eine Matrix, inner­halb der sol­che von Dir beschrie­be­nen Ent­wick­lun­gen ermög­li­chen: aber bit­te mit recht­li­chen Leit­plan­ken! In die­ser Hin­sicht ist das von mir erwähn­te Urhe­ber­recht durch­aus ein gutes Bei­spiel: es zeigt näm­lich gut auf, wo es hapert. Mit sol­chen Leit­plan­ken ist die von Dir (oben) geschil­der­te expe­ri­men­tell gepräg­te Ent­wick­lung in dem genann­ten Bereich nicht mög­lich. Dies bedeu­tet, dass wir die Leit­plan­ken etwas ver­set­zen müs­sen, um kul­tu­rel­le Öff­nung und Ver­net­zung zu ermög­li­chen. Auf recht­li­che Rege­lun­gen möch­te ich aller­dings nicht ver­zich­ten. Ich bin der Ansicht, dass die Gesell­schaft kon­trol­lie­ren soll­te was erwünscht ist bzw. was nicht. Wir kön­nen hier kei­ne selbst­kon­trol­le von Goog­le et al. als ein­zi­gen Kon­troll­me­cha­nis­mus akzep­tie­ren, das reicht ein­fach nicht. Schliess­lich geht es um Din­ge wie Pri­vat­s­sphä­re, da sind mir ver­läss­li­che, all­ge­mein gül­ti­ge Regeln ein­fach sehr wichtig!

  6. „Ich bin der Ansicht, dass die Gesell­schaft kon­trol­lie­ren soll­te was erwünscht ist bzw. was nicht.“

    Das zu beur­tei­len ist „Die Gesell­schaft“ und auch „Die Poli­tik“ im der­zei­ti­gen Zustand gar nicht in der Lage. Das ist ja genau der Knack­punkt. Schau Dir die ver­gan­ge­nen 15 Jah­re an, an denen es pre­emp­ti­ve Gesetz­ge­bung gege­ben hat.

    Bei­spiel Num­mer 1: Das Signa­tur­ge­setz, ins­be­son­de­re die qua­li­fi­zier­te digi­ta­le Signa­tur. Als das gebaut wor­den ist, hat „Die Poli­tik“ ange­nom­men, daß E‑Commerce über­haupt gar nicht statt­fin­den kann ohne so was – heu­te juckt das Signa­tur­ge­setz so im Mit­tel in etwa kei­ne Sau und es wird in einer Fol­ge eine Rei­he von Groß­pro­jek­ten raus­ge­hau­en, damit sich „der Bür­ger“ über­haupt mal eine Signa­tur­kar­te und einen Rea­der dafür zulegt.

    Wei­ter: Die Bedro­hungs­ana­ly­sen von damals und die tat­säch­lich statt­fin­den­den Angrif­fe von heu­te haben auch in etwa eine lee­re Schnitt­men­ge – die Angrif­fe von heu­te zie­len nicht auf das Signa­tur­sys­tem und die Kryp­to dar­in, son­dern auf die Platt­form des win­dows­be­nut­zen­den Bür­gers, die im Mit­tel in ein bis drei Bot­net­zen ver­zombt ist.

    Die Tech­nik­fol­gen­ab­schät­zung bzw. die Bedro­hungs­ana­ly­ze hier war eine linea­re Fort­set­zung des Stan­des der Dis­kus­si­on zwi­schen den Dis­kurs­teil­neh­mern von damals – und das waren irgend­wel­che Kryp­to­han­sel aus einem nicht-welt­li­chen uni­ver­si­tä­ren Umfeld. Ent­spre­chend das Dis­kus­si­ons­er­geb­nis und deren Welt­mo­dell, das mit der rea­len Welt von heu­te kei­ne Über­schnei­dungs­punk­te hat.

    Bei­spiel Num­mer 2: Pay­ment. Was hat man vor und wäh­rend des Dot­com-Booms über Zah­lungs­sys­te­me gefa­selt und wie sie not­wen­dig sind, um den gan­zen Laden über­haupt ans Ren­nen zu bekommen. 

    Das Resul­tat heu­te ist ein Mehr­fach-Fail: Ein­mal ver­wen­den alle die Kre­dit­kar­te, aus­ge­nom­men jene, die die AGB Ihrer Bank durch Inan­spruch­nah­me von Sofort­über­wei­sung ver­let­zen und TANs an Drit­te wei­ter­ge­ben (Man stel­le dies zur Spaß­ma­xi­mie­rung mal den Bedro­hungs-Sze­na­ri­en aus dem Signa­tur­ge­setz gegen­über). Das alles ist jedoch rein tech­nisch genau gar kei­ne Weiterentwicklung.

    Tech­ni­sche Wei­ter­ent­wick­lung hät­te es geben kön­nen im Bereich Micro­pay­ments, und hier hät­te der Staat in sei­ner Regu­lie­rungs­funk­ti­on tat­säch­lich mal Metcalfe’s Law für sich nut­zen kön­nen und sein Geld­sys­tem als Münz­geld nach Chaum oder mit einem pri­mi­ti­ve­ren nicht anony­men Sys­tem ins Netz aus­deh­nen kön­nen. Ein sol­ches rein digi­ta­les staat­li­ches Micro­pay­ment hät­te viel­leicht gehol­fen, Geschäfts­mo­del­le von Musik‑, Film- und Buch­in­dus­trie-Teil­neh­merns schnel­ler ins Inter­net zu heben. Aber genau auf die­sem Gebiet hat sich der Staat, mit­hin „die Gesell­schaft“ und „die Politk“ ent­schie­den, nichts zu tun und den gan­zen Markt rich­tungs­los vor sich hin tru­deln zu lassen.

    Ein wei­te­rer klas­si­scher Fall von linea­rer Tech­nik­fol­gen­ab­schät­zung und feh­len­dem ver­netz­ten Denken.

    Von Bei­spiel 3 geht es dann naht­los wei­ter auf Bei­spiel 3: DRM. Das ist nun, im Jah­re 10 nach Naps­ter, end­lich zuneh­mend kein The­ma mehr. Ledig­lich eini­ge Zurück­ge­blie­be­nen glau­ben noch, sie wür­den mit DRM einen Blu­men­topf oder gar einen Markt gewin­nen – oder, wenn sie beson­ders retar­diert sind – das sei eine Vorraus­set­zung, um im Urhe­ber­rechts­ge­schäft Markt, Wer­ke oder sonst irgend­was zu sichern. Fakt ist – im Jah­re 10 nach Naps­ter – daß die­je­ni­gen, die im gan­zen IP-Gedea­le Gewin­ne machen, dies nicht wegen, son­dern trotz DRM machen – oder weil sie sie mutig waren und den gan­zen Inter­ope­ra­bi­li­täts­ver­hin­de­rungs­scheiß recht­zei­tig auf­ge­ge­ben haben.

    Und das ist genau der Punkt, und war­um ich hier wie­der und wie­der und wie­der Met­cal­fe zitie­re. Wir reden vom Netz. Netz ist nur wert­voll, wenn es inte­griert, ver­bin­det, inter­ope­riert. Die ande­re For­mu­lie­rung von ‚Metcalfe’s law sta­tes that the value of a tele­com­mu­ni­ca­ti­ons net­work is pro­por­tio­nal to the squa­re of the num­ber of con­nec­ted users of the sys­tem‘ ist ‚Infor­ma­ti­on wants to be free‘. Nie­mand hat jemals gefragt ‚Why does Infor­ma­ti­on want to be free‘? Metcalfe’s Law ist die Erklä­rung dafür.

    Der sich erge­be­ne­de Nut­zen ist Ver­net­zungs­nut­zen. Er ist uner­war­tet in dem Sin­ne, daß er durch linea­re Inter­po­la­ti­on nicht anti­zi­pier­bar ist. Das – linea­re Inter­po­la­ti­on – ist das aber das, was die gan­ze Tech­nik­fol­gen­ab­schät­zung einer öffent­li­chen gesell­schaft­li­chen Dis­kus­si­on im güns­tigs­ten Fall zustan­de bringt, wenn sie es denn über­haupt mal schafft sich über all­ge­mei­nes Beden­ken­tra­gen und Neue­rungs­ab­leh­nung zu erheben.

    Das­sel­be gilt auch für die rea­len sich erge­ben­den Pro­ble­me und Kon­flik­te – die fin­den genau nicht rechts und links die­ser Leit­plan­ken statt, weil wir näm­lich plötz­lich alle kei­ne Stra­ßen mehr ver­wen­den. Ent­we­der weil wir flie­gen (das wäre aber die linea­re Tech­nik­fol­gen­ab­schät­zung und eine Welt a la Wha­te­ver hap­pen­ed to the world of tomor­row?) oder weil wir zur Arbeit via VPN und Inter­net tele­com­mu­ten (das ist eher das, was tat­säch­lich pas­siert). Die Leit­plan­ken ste­hen dann da rum und ros­ten vor sich hin.

    Was tat­säch­lich not­wen­dig ist – statt Leit­plan­ken – ist es, mutig zu sein, Ver­än­de­rung zu umar­men, und vor allen Din­gen, dabei zu sein und den gan­zen Kram zu erfah­ren. Dann erge­ben sich die rea­len Nutz­wir­kun­gen und die rea­len Pro­ble­me die­ser Ver­än­de­run­gen und dann, nur dann, kann rea­ler gesell­schaft­li­cher Dis­kurs statt­fin­den – ‚Ich habe gemacht und es ist schei­ße, weil…‘ hat ungleich viel mehr Wert als ‚Was wäre, wenn x machen dürf­te – wäre das wünschenswert?‘.

  7. @Isotopp/Kris: nie­mand hat behaup­tet, dass Pro­zes­se die gesell­schaft­li­che Ein­fluss­nah­me ermög­li­chen eben­so effi­zi­ent sind, wie anar­chi­sche Pro­zes­se. Hier geht Effi­zi­enz auf Kos­ten von Demokratie!

  8. Effi­zi­enz unter­stellt, daß sie über­haupt eine Rich­tung vor­ge­ben kön­nen – wenn auch mit über­mä­ßi­gem Aufwand.

    Wenn man sich die Sache mit den Zah­lungs­sys­te­men anschaut, dann ist das klar nicht der Fall: Wir haben Signa­tur­ge­setz, weil poli­tisch gewollt, und wir haben kein staat­li­ches Micropayment/Netzgeld, weil poli­tisch defi­ni­tiv nicht gewollt, und wir bekom­men die Sofort­über­wei­sung, etwas das in einer gesell­schaft­li­chen Nutzen/Wünschenswertigkeitsskala defi­ni­tiv ein Schritt nach unten ist.

    Wenn man das als Nor­mal­fall ansieht und sich etwa als Unter­neh­mer oder als Betrof­fe­ner eine Stra­te­gie zurecht legen muß, dann kann man nur zu dem Ergeb­nis kom­men, daß Poli­tik, hm, weni­ger wich­tig gewor­den ist und poli­ti­sches Gestal­ten nicht mehr unbe­dingt in den Gre­mi­en statt­fin­det, die für die­sen Zweck mal geschaf­fen wor­den sind (son­dern viel­mehr viel mehr in Nor­mungs­gre­mi­en und Ent­wick­ler­la­bors statt­fin­det). Und kann dann sei­ne Kon­se­quen­zen draus ziehen.

  9. Vor­wort:
    Ich weiß, der Ein­trag ist nicht zu 100% so strin­gent, wie ich ihn mir gewünscht hät­te. Dafür mei­ne Ent­schul­di­gung. Mir ist es jedoch wich­tig am Gespräch teil­zu­neh­men, weil ich die Dis­kus­si­on für sinn­voll und bedeut­sam erachte. 

    Grü­ße an die Disputierenden.

    Inter­es­san­ter Wei­se kann ich bei­de Stand­punk­te gut nach­voll­zie­hen und ver­ste­hen. Die Gefahr einer dere­gu­lier­ten Ent-Demo­kra­ti­sie­rung ist nicht von der Hand zu wei­sen. Die Gefahr des Miss­brauchs inno­va­ti­ver Tech­no­lo­gien soll­te nicht außer Acht gelas­sen werden. 

    Mein Pro­blem an der Mei­nung von Tho­mas ist, dass sie die Gefah­ren auf­lis­tet und einer ver­stärkt an Macht ver­lie­ren­den poli­ti­schen Eli­te nach dem Mund zu reden scheint. Und zwar ohne die Vor­tei­le aufzuzählen. 

    Ich möch­te zwei Bei­spie­le anführen: 

    Pro­tes­te im Iran.
    Vor weni­gen Jah­ren wäre das The­ma – wenn über­haupt – nur einer sehr viel begrenz­te­ren Zahl von Men­schen zugäng­lich gewe­sen. Tele­fon­lei­tun­gen der Jour­na­lis­ten wären im Not­fall ver­gleichs­wei­se ein­fach gekappt wor­den und die weni­gen Infor­ma­tio­nen, die über die Nie­der­schla­gung der Pro­tes­te aus dem Land gekom­men wären, hät­ten die Welt mit einer der­ar­ti­gen Zeit­ver­zö­ge­rung erreicht, dass es kei­nen Sinn mehr gemacht hät­te sich mit dem The­ma zu befassen.
    –> Außer viel­leicht aus einem (politik)wissenschaftlichen oder geheim­dienst­li­chen Inter­es­se heraus. 

    Durch die Ver­net­zung erreich­ten die Bil­der sehr viel mehr Men­schen, wur­den von den Mas­sen­me­di­en auf­ge­nom­men und erzeug­ten einen höhe­ren poli­ti­schen Druck (der sicher­lich noch bes­ser „nutz­bar“ zu machen wäre). 

    Bei­spiel 2: Wikileaks/Blogs
    Diens­te wie Wiki­leaks und die Bericht­erstat­tung in Blogs (und nur zum Teil klas­si­schen Medi­en) erzeugt in vie­len Fäl­len eine Öffent­lich­keit, die es so nicht gege­ben hat­te vor­her. „whist­le­b­lower“ waren frü­her stär­ker dar­auf ange­wie­sen Kon­tak­te bei (Leit)medien zu haben,um mög­li­cher­wei­se Infor­ma­tio­nen loszuwerden. 

    Die Geschwin­dig­keit der Ver­öf­fent­li­chung steigt, die Ver­brei­tungs­ge­schwin­dig­keit steigt, die Chan­ce steigt, dass Kor­rup­ti­on, Macht­miss­brauch etc. auf­ge­deckt wer­den. Eine an sich posi­ti­ve Entwicklung. 

    Das Pro­blem, das die „Gesell­schaft“ hat ist, dass sie noch kei­ne Stra­te­gien ent­wi­ckelt hat, mit den Mög­lich­kei­ten der neu­en Medi­en zu leben und umzu­ge­hen. Es wur­de in der Gene­ra­ti­on der poli­ti­schen Ent­schei­dungs­trä­ger nicht erlernt – um es mal flap­sig zu sagen: Nicht mit der Mut­ter­milch aufgesogen. 

    Die meis­ten Men­schen gehen noch online. Ande­re sind online. 

    Was mei­ne ich? Die Welt zwi­schen digi­ta­lem Netz und ana­lo­ger Welt ist nciht so getrennt, dass ich mich ein­fach ein- oder aus­klin­ken könn­te. Was ich auch immer tue ich habe Spu­ren hin­ter­las­sen und bin auch im Funk­loch noch teil des digi­ta­len Netz­wer­kes. Ich bin ein Teil eines ste­ti­gen Stroms von Daten, die mich umflies­sen, wahr­ge­nom­men und zum Teil modi­fi­ziert wer­den. Ich bin Sen­der, Ver­tei­ler und Emp­fän­ger in einer Instanz. 

    Ein Groß­teil der Poli­ti­ker denkt noch in ana­lo­gen Kate­go­rien. Geht online, nicht ist online. Außer­dem den­ken vie­le Poli­ti­ker nicht ver­netzt, son­dern auf­grund des gewähl­ten „Berufs“ zwangs­läu­fig hier­ar­chisch. Netz­wer­ke ken­nen die meis­ten nur als Bezie­hungs­ge­flech­te zum per­sön­li­chen Vorteil. 

    Ja das ist eine zyni­sche und pes­si­mis­ti­sche Weltsicht. 

    Das Netz ist viel mehr ein Rhi­zom (trotz aller Kri­tik an uto­pi­scher Aus­ge­stal­tung des Gedan­kens durch die euro­päi­sche Avant­gar­de: http://de.wikipedia.org/wiki/Rhizom_%28Philosophie%29), als eine klas­sisch hier­ar­chi­sche Struk­tur. Und genau hier liegt das Pro­blem der Leit­plan­ken. Denn Leit­plan­ken sind einen hier­ar­chi­sche Begren­zung in einer zwei­di­men­sio­na­len Welt, die aber wie im Bei­spiel „Back to the Future“ in einer dreid­men­sio­na­len Welt kei­nen Sinn besitzen. 

    Viel mehr soll­te eine ent­spre­chen­de Trans­pa­renz­de­bat­te geführt wer­den, so dass früh­zei­tig gesell­schaft­li­che Bedro­hun­gen durch Ent­wick­lun­gen erkannt wer­den kön­nen und dann auf­grund des Auf­trags durch eine (Ach­tung: Uto­pie) infor­mier­te Öffent­lich­keit Ent­schei­dun­gen von Poli­ti­kern gefällt werden.

  10. @Kris Köhn­topp:

    Du sug­ge­rierst (*), dass Goog­le es heim­lich zu einer Art supra­na­tio­na­len Enti­tät geschafft hat, der ein­zel­ne Staa­ten kaum etwas ent­ge­gen­zu­set­zen haben. Da muss man beden­ken, dass z.B. Chi­na sehr rigi­de eige­ne Inter­es­sen gegen­über Goog­le durch­ge­setzt hat. Auch bspw. bei Kapi­tal­ver­kehrs­kon­trol­len regu­liert Chi­na sehr rigi­de und hat damit i.W. ver­hin­dern kön­nen, dass (wie in Deutsch­land) Ban­ken sich im gro­ßen Stil mit toxi­schen Wert­pa­pie­ren angel­säch­si­scher Pro­ve­ni­enz voll­sau­gen konnten.

    (* Quel­le z.B.: „Unse­re Poli­tik ist noch nicht gewohnt mit Fir­men-Enti­tä­ten umzu­ge­hen, die ein Bud­get haben, das ihrem eige­nen gleich kommt oder es über­trifft und die zugleich mehr Pla­nungs­kon­ti­nu­tität und genau gar kei­ne ter­ri­to­ria­le Bin­dung haben.“)

    Die Bei­spie­le die Du genannt hat – Signa­tur­ge­setz und Zah­lungs­sys­te­me – zei­gen halt, dass die Kom­pe­tenz der Bun­des­re­gie­rung bei sol­chen Din­gen zum davon­lau­fen ist. Aber das ist ja nix Neu­es. In den 80ern haben die Schwarz-Gel­ben Mil­lio­nen in Btx gepumpt, wäh­rend über­spitzt gesagt ein paar Infor­ma­ti­ker in Karls­ru­he und Dort­mund im Allein­gang dafür gesorgt haben, dass Deutsch­land den Anschluss ans Inter­net nicht verpasst.

    @Thomas Wilk:

    Ich bin immer spek­tisch, wenn es heißt wir brau­chen neue Leit­plan­ken. Wider­spricht mei­nem links-libe­ra­len Grund­emp­fin­den. Wir haben z.B. mit dem RIPE NCC eine Netz­ver­wal­tung in Euro­pa, die null demo­kra­ti­sche Legi­ti­ma­ti­on hat, aber abso­lut geräusch­los, kos­ten­güns­tig und zuver­läs­sig ihre Sache macht. Solan­ge es funk­tio­niert, soll­te die Poli­tik von sol­chen Din­gen ihre Fin­ger lassen.

    Wir haben ja schon ganz brauch­ba­ren Leit­plan­ken, z.B. mit dem BDSG (vgl. Goog­le Analytics).

    Bevor man über eine Ver­staat­li­chung von Goog­le nach­denkt, soll­te man erst­mal Ban­ken und Rating­agen­tu­ren verstaatlichen.

    Was wur­de für ein Bohai gemacht nach dem Platz der Dot­com-Bla­se über die ach so win­di­gen Geschäf­te­ma­cher am Neu­en Markt. Ver­gli­chen mit dem was der­zeit läuft war das Kindergarten-Niveau!

  11. Zum The­ma „Goog­le will nicht die Weltherrschaft“: 

    Es ist doch so: nie­mand von uns will wirk­lich dem Gus­to von Goog­le voll­stän­dig aus­ge­lie­fert sein. Ich zumin­dest möch­te über mich sel­ber und frei ent­schei­den kön­nen und hier­bei nicht auf die aktu­el­le Fir­men­po­li­tik von Goog­le & Co. ange­wie­sen sein. Hier­bei möch­te ich mich eher auf ver­brief­te Rech­te ein­schließ­lich mei­ner Grund­rech­te ver­las­sen kön­nen, die ich not­falls auch vor einem Gericht ein­kla­gen kann. Der Rechts­staat hat ‑von eini­gen Unter­bre­chun­gen viel­leicht abge­se­hen- mehr als 100 Jah­re Evo­lu­ti­on hin­ter sich. Nur weil es das Inter­net gibt, bin ich nicht bereit hier­auf zu verzichten.

    Bei­spiels­wei­se wür­de ich mir eine funk­tio­nie­ren­de Leit­plan­ke wün­schen, die es Goog­le und Face­book ver­sagt, mein im Inter­net ver­füg­ba­res Foto ohne mei­ne Zustim­mung mit mei­nen wei­te­ren per­sön­li­chen Daten (Anschrift, Geburts­da­tum, Hob­bys etc.) zusam­men­zu­brin­gen und öffent­lich zu machen. Wenn Goog­le das will, und so sieht es der­zeit ja wohl aus, dann kann ich da mög­li­cher­wei­se recht wenig machen. Zumin­dest wenn das Urhe­ber­recht und mei­ne Per­sön­lich­keits­rech­te im Inter­net weni­ger zäh­len als in der rea­len Welt. 

    Nein, so gefällt mir das Inter­net nicht und ich kann mir nicht vor­stel­len, dass Euch das so gefällt. Des­halb bin ich nicht damit ein­ver­stan­den, dass das Netz den Goo­gles die­ser Welt über­las­sen wird.

  12. Tho­mas:

    Es leuch­tet nicht unmit­tel­bar ein, war­um Du Dich vo, Deut­schen(?) Staat bes­ser behan­delt fühlst. Das ist der Staat mit dem unsäg­li­chen Mel­de­ge­setz. Das ist auch der Staat mit der Impres­sums­pflicht (statt das in escrow zu packen und nur im tat­säch­li­chen Fall einer Kla­ge auf die­se Info zuzu­grei­fen). Das ist neben­bei auch der Staat mit Netz­z­ensur, und der Staat der erwar­tet dass man GEZ für Leis­tun­gen zahlt die man nicht will, ohne dass man dann das Pro­dukt das man da finan­ziert in die Public Domain hievt. Das ist offen­bar auch der Staat der … naja, ich sage nur „G9“ zum The­ma „Rech­te“ und „Kla­gen.“

    Ent­schul­di­ge, aber in Deutsch­land wür­de ich mich vom Deut­schen Staat *deut­lich* schlech­ter behan­delt füh­len als von Google.

  13. „Bei­spiels­wei­se wür­de ich mir eine funk­tio­nie­ren­de Leit­plan­ke wün­schen, die es Goog­le und Face­book ver­sagt, mein im Inter­net ver­füg­ba­res Foto ohne mei­ne Zustim­mung mit mei­nen wei­te­ren per­sön­li­chen Daten (Anschrift, Geburts­da­tum, Hob­bys etc.) zusam­men­zu­brin­gen und öffent­lich zu machen.“

    Das ist doch ein unsin­ni­ges Ver­lan­gen aus den 90er Jah­ren. Wenn Goog­le das nicht tut, dann schreibt eben jemand anders ein Pro­gramm, das so etwas tut und ver­kauft das Pro­gramm statt wie Goog­le die Rechen­er­geb­nis­se die­ses Pro­gram­mes. Der Punkt ist, daß die Daten da rum­lie­gen und ver­knüpf­bar sind – das Poten­ti­al genügt. Rechen­leis­tung in nor­mier­ter Form, die sol­che Pro­gram­me ablau­fen las­sen kann, exis­tiert da drau­ßen in der Cloud auch. Die Distanz zwi­schen Pro­gramm und Rechen­er­geb­nis ist mit AWS und ande­ren Diens­ten exakt in Euro bepreis­bar und ich wür­de klei­ne ein­stel­li­ge Beträ­ge dafür annehmen.

    Genau genom­men soll­te es Dir sogar lie­ber sein, daß jemand die Pro­gramm­er­geb­nis­se ver­kauft statt der Pro­gram­me, die sie ver­knüp­fen – letz­te­res wäre für die Zwe­cke des Käu­fers fle­xi­bler und wäre für Dei­ne Pri­vat­sphä­re gefährlicher.

    Das Rechen­er­geb­nis eines sol­chen Ver­knüp­fungs­pro­gram­mes ist nur bes­ser anfaß­bar und weni­ger abs­trakt, daher rich­tet sich Dei­ne Besorg­nis gegen das Ergeb­nis, wenn die eigent­li­che Quel­le Dei­ner Sor­gen die Mög­lich­keit der Ver­knüp­fung sein soll­te. Logisch ist es falsch.

  14. @Isotopp: mei­ne Ein­wand rich­tet sich weder auf die Rechen­ope­ra­ti­on, noch das Ergeb­nis. Viel­mehr geht es mir dar­um, dass ich bestim­men möch­te, was mit mei­nen Daten gemacht wird. Mit ande­ren Wor­ten, wenn ich ent­schei­de, dass mei­ne Per­son nicht mit Bild, Geburts­da­tum und Anschrift öffent­lich gemacht wer­den soll, dann heißt das kon­kret: weder möch­te ich an der nächs­ten Stras­sen­kreu­zung ein Pla­kat mit mei­nem Kon­ter­fei und ent­spre­chen­den Details auf­fin­den, noch möch­te ich eine ver­gleich­ba­re Publi­ka­ti­on bei Goog­le oder sonst­wo im Inter­net haben. Glück­li­cher­wei­se gibt es kla­re Geset­ze, die es Drit­ten ver­bie­ten das erwähn­te Stras­sen­pla­kat auf­zu­stel­len. Mir ist nicht ganz klar, wie­so im Inter­net ande­re dies­be­züg­li­che Regeln gel­ten soll­ten, als auf der Stras­se. Nur weil es tech­nisch mach­bar ist, heißt das nicht, dass ich es wün­schens­wert finde.

  15. @Thomas: Ich wür­de ja auch gern bestim­men, was mit mei­nen Daten geschieht, aber in der Pra­xis bin ich da schon seit mei­ner Geburt kom­plett hilf­los. Damals wur­den noch Mel­de­re­gis­ter und Tele­fon­num­mern samt Adres­se in gro­ßem Stil ver­kauft, und im Brief­kas­ten fand sich reich­lich per­so­na­li­sier­tes totes Holz. Ich habe noch Unter­la­gen eines dama­li­gen „Direkt­mar­ket­ers“, der sol­che Daten­sät­ze anbot, und das war damals kaum weni­ger gut auf­ge­schlüs­selt als es heu­te bei Goog­le et.al. ist.

    Irgend­wann wur­den dann Geset­ze gemacht und geän­dert, als im Zuge der Volks­zäh­lung mal deut­li­cher wur­de, was so alles an Daten her­um­fliegt – und vor allem, wer sie nut­zen konn­te und wer nicht. Seit­dem beob­ach­te ich allen­falls Ver­schie­bun­gen, aber kaum Ver­bes­se­run­gen in die­sem Gebiet. Heu­te kann fast jeder Data­mi­ning betrei­ben, auf der Jagd nach ein­zel­nen Per­so­nen genau­so wie nach rie­si­gen Grup­pen. Es bedeu­tet aber immer noch nicht, daß alle Per­so­nen glei­cher­ma­ßen sicht­bar sind im Netz. Aber die­se Balan­ce möch­te ich ger­ne haben: ich möch­te einen Poli­ti­ker, der lücken­lo­se Über­wa­chung for­dert, bit­te genau­so mit Foto und Adres­se fin­den kön­nen wie er (oder sei­ne Hand­lan­ger) mich (ande­re Bei­spie­le spar ich mir mal).

    Mein Foto kur­siert dut­zend­fach im Netz, ich habe es für Film­ka­ta­lo­ge und Teil­neh­mer­lis­ten hoch­ge­la­den, es steht auf eige­nen und frem­den Web­sei­ten, mit­samt Adres­se. Ich kann schlicht­weg nicht ver­hin­dern, daß zB die freund­li­chen Nazis aus der Nach­bar­schaft es in ein Zecken­jagd­pla­kat mon­tie­ren – weder tech­nisch noch per Gesetz. Ich ver­las­se mich dar­auf, daß 1. wenig geschieht, weil kaum jemand dar­an Inte­re­se hat, und 2. ich in einem sol­chen Fal­le glei­cher­ma­ßen zurück­schla­gen könn­te. Wer das naiv nennt, bit­te: aber dann ist es auch naiv, zu glau­ben, das bestehen­de Rechts­sys­tem beschüt­ze unbe­schol­te­ne Bürger.

    Ich sehe das alles als ein Pro­blem der Balan­ce: ein­zel­ne gegen vie­le, Bür­ger gegen Staat, Ver­brau­cher gegen Fir­men, jedes­mal ist da ein Ungleich­ge­wicht der mög­li­chen Infor­ma­ti­on. Noch kann der Staat an die­sem Punkt Schnitt­stel­len schaf­fen: Aus­kunfts­rech­te fest­schrei­ben, Scha­dens­er­satz regeln, Infor­ma­ti­ons­frei­ga­be for­dern (zB bei Nah­rungs­mit­teln – har har.) Eine mög­li­che Argu­men­ta­ti­on könn­te sein: wenn Fir­men schon Per­sön­lich­keits­rech­te bekom­men haben und belei­digt sein dür­fen, dann müs­sen sie aber auch ihre Infor­ma­tio­nen so offen­le­gen wie rea­le Per­so­nen. Klingt für mich sehr klas­sisch: der Staat/das Gesetz sorgt mög­lichst nur dafür, daß sich der Stärkere/Größere nicht sei­nen Pflich­ten entzieht.

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