Nachtkommentar zum Duell

Nach­dem alle Welt es vor­her hoch­ge­re­det hat, habe ich mir das Duell dann doch ange­se­hen (aber auch nur, weil Phoe­nix sich über einen Live­stream für Gehör­lo­se über das wohl den Pri­vat­sen­dern zu ver­dan­ken­de Strea­ming­ver­bot hin­weg­ge­setzt hat). Ich habe es also gese­hen, und bin jetzt nicht wirk­lich glücklich.

Das hat was damit zu tun, dass ich das For­mat schlicht und ein­fach lang­wei­lig fand. Was auch nicht über­rascht, wenn vor­her alles bis ins kleins­te aus­ta­riert ist, wenn nur Regie­rungs­mit­glie­der sich duel­lie­ren, wenn zuvie­le Bera­te­rIn­nen im Hin­ter­grund rum­wu­sel­ten, und wenn gleich vier Mode­ra­to­rIn­nen auf Mer­kel und Stein­mei­er los­ge­las­sen wer­den. Ich hät­te es extrem span­nend gefun­den, zu sehen, was pas­siert, wenn Stein­mei­er und Mer­kel an einem Tisch ohne Mode­ra­to­rIn 90 Minu­ten mit­ein­an­der reden, und dabei gefilmt wer­den. Zufall. Kon­tin­gen­zen. Risi­ken. Inter­es­san­ter wäre das gan­ze sicher auch gewor­den, wenn ein bis zwei Jour­na­lis­tIn­nen die Ele­fan­ten­run­de befra­gen hät­ten kön­nen. Beson­ders pein­lich: die fein­jus­tier­ten und aus­we­nig gelern­ten Schluss­state­ments bei­der. Video­ein­spie­lun­gen in Person.

Aber die­se Unzu­frie­den­heit mit dem For­mat – mit allen Schwä­chen des broad­cas­tings – ist nur das eine. Mer­kel und Stein­mei­er haben ja schon über Inhal­te und poli­ti­sche Hand­lungs­op­tio­nen gere­det. Nicht unbe­dingt offen und deut­lich, und wohl auch nicht immer ehr­lich, aber ganz inhalts­leer war das ja nicht. Bei­de sind sich einig: mehr Wachs­tum, Arbeits­plät­ze sind wich­tig, Opel ist die Kri­sen­ret­tung – Zukunfts­the­men wie Umwelt, Bil­dung, Bür­ger­rech­te kamen dage­gen nicht vor. Weder bei den Fra­gen­den noch bei Ange­la „Kli­ma­kanz­le­rin“ Mer­kel oder Frank-Wal­ter „Deutsch­land­plan“ Stein­mei­er. Green New Deal, anyo­ne? Mei­ne Prio­ri­tä­ten und Zukunfts­ge­stal­tungs­wün­sche für die­ses Land sind jeden­falls deut­lich ande­res als die von Kanz­le­rin und Vizekanzler.

Die öffent­li­che Exper­ten­mei­nung glaubt, dass Stein­mei­er ein biß­chen bes­ser abge­schnit­ten hat als Mer­kel. Bei der SPD wird dar­aus mal wie­der ein über­wäl­ti­gen­der Sieg. Bei der CDU wird es genau anders gedeu­tet. Ob das Duell über­haupt eine Aus­wir­kung auf die Wahl hat, bleibt bei all dem wei­ter offen. Im Hin­blick auf das Ver­hin­dern von schwarz-gelb wäre es zu wün­schen. Viel­leicht sind ja auch die drei Oppo­si­ti­ons­par­tei­en Gewin­ne­rin­nen der groß­ko­ali­tio­nä­ren Einigkeit. 

Nicht nur bei mir blieb der Ein­druck, dass eigent­lich bei­de – Mer­kel wie Stein­mei­er – lie­ber in der „Altes-Ehepaar“-Koalition wei­ter­ma­chen wol­len als wirk­lich ernst­haft schwarz-gelb oder eine nicht genann­te Stein­mei­er-Opti­on ein­lö­sen wol­len. So rich­tig tol­le Macht­op­tio­nen sind ja auch nicht da, wenn’s um Alter­na­ti­ven geht. Ich glau­be nicht, dass rot-rot-grün rea­li­siert wird, und ich bin mir sehr unsi­cher, ob Wes­ter­wel­le bzw. die FDP zu einem Ampel-Wort­bruch gebracht wer­den kann. Auch des­we­gen macht mich die­ses Duel unglück­lich. Es führt noch ein­mal deut­lich vor Augen, wie ver­braucht und aus­ge­brannt die SPD ist, wenn Stein­mei­er wirk­lich ihr „Spit­zen­mann“ sein soll. Das kommt teil­wei­se uns zu Gute – führt aber, solan­ge SPD und PDS sich gegen­sei­tig blo­ckie­ren, auch dazu, dass Regie­rungs­al­ter­na­ti­ven schwer sicht­bar werden.

Mei­ne Ein­schät­zung nach dem Duell: um die­se Wahl zu gewin­nen, hät­te die SPD jemand fin­den müs­sen, der – oder viel­leicht bes­ser: die – von der gro­ßen Koali­ti­on und von Schrö­der unbe­las­tet für eine ernst­haf­te Alter­na­ti­ve gestan­den hät­te. Wenn Schles­wig-Hol­stein und Hes­sen anders gelau­fen wären, hät­te das zum Bei­spiel eine erfolg­rei­che SPD-Minis­ter­prä­si­den­tin sein kön­nen. So bleibt allen, die mit der Visi­ons­lo­sig­keit ange­sichts der Kri­se unzu­frie­den sind, nur die Wahl einer der klei­nen Par­tei­en (am bes­ten natür­lich der Grü­nen) – und die Hoff­nung dar­auf, dass nicht nur schwarz-gelb ver­hin­dert wird, son­dern dass auch das Unwahr­schein­li­che wahr wird und eine Regie­rungs­op­tio­nen jen­seits der gro­ßen Koali­ti­on gefun­den wird. 

War­um blog­ge ich das? Weil immer deut­lich wird, dass Ideen, die aus der Kri­se – aus den Kri­sen der Gegen­wart – füh­ren, nur bei uns Grü­nen zu fin­den sind. Und wir lei­der noch weit vom Sta­tus der Mehr­heits­par­tei ent­fernt sind.

14 Antworten auf „Nachtkommentar zum Duell“

  1. Die Mode­ra­ti­on war so schlecht, dass ich auf Medi­en­kri­tik gar kei­ne Lust mehr habe.
    Ein paar Nuan­cen: Stein­mei­er ver­zich­te­te anders als sonst drauf, die Ver­schrot­tungs­prä­mie zu loben, sie kam gar nicht vor. Bei der Atom­de­bat­te ver­gab er die Chan­ce, auf die ver­gan­ge­nen, gegen­wär­ti­gen und zukünf­ti­gen Sub­ven­tio­nen der Atom­kraft hin­zu­wei­sen. Grü­nen wäre das nicht ent­gan­gen, da sieht man eben, wer im The­ma rich­tig drinsteckt.
    Der Rhyth­mus war natür­lich grau­en­voll. Mer­kel erstickt jeden Anflug von Schwung in ihrem eige­nen Flos­kel­brei: „Davon bin ich zutiefst über­zeugt!“ „Und ich sage ganz ein­fach:“ Bes­ser hät­te es auch Lori­ot nicht aus­drü­cken kön­nen. Und Stein­mei­er ist halt ein alter Die­sel. Jedes Fahr­rad kommt bes­ser vom Fleck.

  2. >die – von der gro­ßen Koali­ti­on und von Schrö­der unbe­las­tet für eine ernst­haf­te Alter­na­ti­ve gestan­den hätte.

    >nur bei uns Grü­nen zu fin­den sind.

    Im gro­ßen und gan­zen stim­me ich dem Arti­kel zu, habe aber mei­ne Pro­ble­me mit den zitier­ten Aus­sa­gen – die­se kor­re­spon­die­ren schlicht nicht. Auch die Grü­nen sind mas­siv belas­tet durch jenes unhei­li­ge Bünd­nis damals mit der SPD.

  3. @Christian: Ja, aber? Im Gegen­satz zur SPD haben wir in unse­rem Wahl­pro­gramm und Wahl­auf­ruf durch­aus auch Aus­sa­gen dazu drin­ne, was in der rot-grü­nen Koali­ti­on nicht opti­mal gelau­fen ist. Wir wol­len Hartz IV auf­sto­cken und set­zen uns für ein Sank­ti­ons­mo­ra­to­ri­um ein, um nur ein Bei­spiel raus­zu­zie­hen. Im Kanz­ler­du­ell (oder auch in Stein­mei­ers Brief) mer­ke ich jeden­falls nichts davon, dass die SPD gelernt hat, dass nicht alles, was unter Schrö­der Regie­rungs­pro­gramm wur­de, sinn­voll war.

  4. @Christian: Wie jetzt? Irgend­wo hin­ter den schö­nen Bild­chen und Über­schrif­ten steht, dass die SPD meint, dass nicht alles, was Schrö­der gemacht hat, Gold war? Ich wer­de mich da jetzt nicht durch­kli­cken – wür­de aber von dir doch ger­ne wis­sen: wo grenzt die SPD sich kon­kret von den Schwie­rig­kei­ten ab, die Schrö­der uns ein­ge­brockt hat? Der Spit­zen­kan­di­dat der SPD, Vize­kanz­ler­kan­di­dat Stein­mei­er, hat das jeden­falls bis­her nicht vermocht.

  5. a.) Die Fixie­rung auf die Per­son Schrö­der ist pein­lich. SPD, Grü­ne und CDU über Bundesrat/Vermittlungsausschuss haben die Agen­da-Reform mehr oder weni­ger gemein­sam erar­bei­tet. Das zu leug­nen und Schrö­der als allei­ni­gen Buh­mann auf­zu­bau­en ist lächerlich.
    b.) Dei­ne Pole­mik ist nervig.
    c.) Die Inhal­te ste­hen im Regie­rungs­pro­gramm. Zu fin­den hier: http://www.spd.de/de/politik/regierungsprogramm/index.html
    d.) Ich sehe kei­nen Sinn dar­in, mich pau­schal von den Agen­da-Refor­men zu distan­zie­ren. Die Stoß­rich­tung war und ist rich­tig. Dass Tei­le kor­ri­giert wer­den müs­sen, ist rich­tig. Was die SPD vor hat, steht im Regie­rungs­pro­gramm. Scha­de, dass Du kei­ne Lust hast, Dich zu informieren.

  6. Muss ich da wirk­lich drauf antworten?

    a. Schrö­der ist nicht der allei­ni­ge Buh­mann, war aber alles ande­re als mein Lieb­lings­kanz­ler. Was mich stört, ist auch nicht so sehr Schrö­der als viel­mehr Stein­mei­er: ein Schrö­der-Minis­ter, der die Schrö­der-Pro­gram­ma­tik wei­ter­tra­gen will.

    b. Um mit Charles Stross zu ant­wor­ten – „this is my soap­box“, hier darf ich so pole­misch sein wie ich das für sinn­voll halte. 

    c. Ich gehe davon aus, dass auch das SPD-Pro­gramm eher umfang­reich ist. War­um soll ich mir die Mühe machen, da jetzt zu schau­en, ob ich irgend­wo einen Neben­satz fin­de, in dem die SPD deut­lich macht, dass sie sich pro­gram­ma­tisch wei­ter­ent­wi­ckelt hat? Wenn dem so ist, darfst du das als SPD-Wahl­kämp­fer hier ger­ne zusammenfassen. 

    d. Nein, ich habe gera­de kei­ne Lust, mich zu infor­mie­ren. Im übri­gen hal­te ich ein­zel­ne Ele­men­te der Hartz-Refor­men auch für rich­tig – die Stoß­rich­tung und die Umset­zung aber weit­ge­hend für falsch. Und fand Stein­mei­er in die­ser Hin­sicht im Duell – um dass es ja in die­sem Bei­trag geht – schlicht blamabel. 

    Mein Fazit bleibt: scha­de, dass die SPD nicht in der Lage ist, span­nen­de­res Per­so­nal aufzustellen. 

    (P.S.: Die Debat­ten­un­lus­tig­keit von Mer­kel und Stein­mei­er, die sich jetzt in der Absa­ge der Ele­fan­ten­run­den von ARD und ZDF nie­der­schlägt, fin­de ich durch­aus bedenklich)

  7. a.) Von den Kanz­lern, die ich erlebt habe (Kohl, Schrö­der, Mer­kel), war Schrö­der ganz klar mein Lieb­lings­kanz­ler. Kei­ne Ahnung, wie alt Du bist, aber Schmidt kannst Du eigent­lich auch nicht als Kanz­ler erlebt haben, oder? Oder fan­dest Du Kohl besser?
    b.) Klar darfst Du.
    c.) Ich brau­che erst­mal kon­kre­te Kri­tik von Dir, um dann dar­auf ant­wor­ten zu können. :)
    d.) Da haben wir dann wohl einen Dissens. :)
    e.) Die Absa­ge der „Ele­fan­ten­run­de“ fin­de ich auch peinlich.

  8. Mal schnell noch zu a. In der Aus­wahl ist Schör­der viel­leicht der Bes­te – aber selbst da bin ich mir nicht so sicher, ob ich Ger­hard „Bas­ta“ „Gedöns“ Schrö­der oder Ange­la „CDU moder­ni­sie­ren“ Mer­kel den Vor­zug geben wür­de. Ich neh­me an, dass mir Brandt deut­lich bes­ser gefal­len hätte. 

    Letzt­lich fra­ge ich mich, war­um wir über­haupt einen Kanz­ler oder eine Kanz­le­rin brau­chen. Ein Regie­rungs­team an der Spit­ze (a la Schweiz) wäre m.E. völ­lig aus­rei­chend. Aber wenn’s denn schon ein Mann oder eine Frau an der Spit­ze sein muss, dann bit­te jemand mit Witz & Schwung, und nie­mand, der/die sich mit Intri­gen und Aus­sit­zen nach oben bewegt hat.

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