Twitter, Grüne und Parteitagsinszenierungen

Bünd­nis 90/Die Grü­nen haben ja schon rela­tiv lan­ge einen Twit­ter-Account, über den bis­her vor allem „Orga­ni­sa­ti­ons­ge­zwit­scher“ lief, was ich auch ganz okay fand. Nach­dem Huber­tus Heil der SPD eini­ges an posi­ti­ver Netz-PR beschert hat, wur­de dar­aus ges­tern ein Büti­ko­fer-Account, was nicht nur posi­tiv auf­ge­nom­men wur­de. Letzt­lich scheint eini­ges dafür zu spre­chen, klar zwi­schen per­sön­li­chen und orga­ni­sa­tio­nel­len Accounts zu tren­nen (die taz macht das inzwi­schen auch: mit einem für Chef­re­dak­teur Peter Unfried, einem Account für Schlag­zei­len und einem für Small­talk und Gerüch­te aus dem taz-Betrieb. Sinn­vol­le Aus­dif­fe­ren­zie­rung, also.

Beim grü­nen Twit­ter-Account ist es noch nicht so weit, der­zeit wird er also von Rein­hard Büti­ko­fer aus Den­ver befüt­tert. Der hat inso­fern recht schnell gelernt, als jetzt nicht nur poli­ti­sche Kurz­ana­ly­sen über den Ticker lau­fen, son­dern auch mal ein Kom­men­tar zur Sicher­heits­la­ge („Neue Sicher­heits­maß­nah­me: Alle Pins und But­tons abneh­men.“), oder auch die (so wie ich ihn ken­ne) büti­ko­fer-typi­sche Fuß­ball-Wahr­neh­mung des Poli­ti­schen („Clin­ton sehr gut im Angriff gg. McCain. Ker­ry noch bes­ser: Setzt den Sena­tor McCain gegen den Kan­di­da­ten McCain. So funktioniert’s!“). Aber dazu woll­te ich jetzt eigent­lich nichts schrei­ben, son­dern auf fol­gen­den Ein­trag hinweisen:

Demo­kra­ten stei­gern sich jdn. Tag in Mes­sa­ge, Insze­nie­rung u. Stim­mung. Wird mobi­li­sie­ren u. die Geg­ner beein­dru­cken. Mor­gen mehr #Büti­ko­fer

Nun wer­den die Grü­nen häu­fi­ger mal als die Par­tei bezeich­net, die im poli­ti­schen Stil den ame­ri­ka­ni­schen Mobi­li­sie­rungs­par­tei­en am nächs­ten kommt. Auch heu­te schon gibt es – und da ist wie­der­um Büti­ko­fer nicht ganz unschul­dig dar­an – ger­ne mal stark durch­in­sze­nier­te Par­tei­ta­ge (sie­he Abb.). 

BDK: Winfried Kretschmann ...
BDK 2005 als Bei­spiel für Parteitagsinszenierungen

Das geht nicht ganz soweit, dass Zwi­schen­ru­fe zum Abstim­mungs­ver­fah­ren vor­her abge­spro­chen wer­den; aber einen genau­en Zeit­plan im Hin­ter­grund, eine öffent­li­che Bot­schaft, eine stra­te­gi­sche Plat­zie­rung von Debat­ten und Kulis­se – all das gibt es auch auf deut­schen Par­tei­ta­gen, und eben auch bei den Grü­nen. Der Preis dafür, sich als pro­fes­sio­nel­le Medi­en­par­tei prä­sen­tie­ren zu können.

Sehr zum Ärger des Noch-Par­tei­chefs geht das nicht immer glatt; auch das macht den Reiz der Grü­nen aus. (Wobei es, egal wie der Par­tei­tag läuft, immer falsch ist: ent­we­der gibt es eine glat­te Insze­nie­rung, und die Medi­en fin­den es lang­wei­lig, oder es gibt basis­de­mo­kra­ti­schen Ärger, und die Medi­en sehen nur Streit).

Ich bin jetzt gespannt, ob Rein­hard Büti­ko­fer mal wie­der von den USA ler­nen will, und die nächs­te BDK – sei­ne letz­te als Par­tei­chef – zur gro­ßen Spit­zen­team­krö­nungs­mes­se wird. Sei­ne get­wit­ter­te Begeis­te­rung über den US-Par­tei­tag (des­sen demo­kra­ti­sches Gewicht eher in den Vor­wah­len als in der tat­säch­li­chen Zusam­men­kunft liegt) legt das irgend­wie nahe. 

War­um blog­ge ich das? Weil mich das Zusam­men­spiel bzw. der Wider­spruch zwi­schen öffent­li­cher Insze­nie­rung und demo­kra­ti­scher Par­ti­zi­pa­ti­on spä­tes­tens sein mei­ner Magis­ter­ar­beit interessiert.

4 Antworten auf „Twitter, Grüne und Parteitagsinszenierungen“

  1. Till, nur ein Hin­weis. Du schreibst: „Nach­dem Huber­tus Heil der SPD eini­ges an posi­ti­ver Netz-PR beschert hat, wur­de dar­aus ein Büti­ko­fer-Account“. Wenn Du damit die SPON und SZ-Arti­kel meinst – die Genos­sen wer­den das sicher nicht so wit­zig fin­den. Wenn es also nach dem PR-Fak­tor gehen wür­de, hät­te Rein­hard eher abge­schreckt sein müs­sen. Er hat sich trotz­dem dafür ent­schie­den, weil es län­ger geplant war und weil er Lust drauf hat­te – trotz der z.T. desas­trö­sen PR für Heil. Gruß Robert Hein­rich (grü­ne Twitter-Redaktion)

  2. Hal­lo Robert, ich glau­be ja durch­aus, dass das län­ger geplant war. Trotz­dem musst Du hier genau­er lesen – ich schrei­be bewusst „posi­ti­ve Netz-PR“ und mei­ne damit das hier: auf die nega­ti­ven Arti­kel bei SpOn und SZ gab es unglaub­lich viel, größ­ten­teils posi­ti­ve Arti­kel in Blogs. So eine Art Soli­da­ri­sie­rung des Net­zes mit der SPD. Und das war net­to garan­tiert auch ein posi­ti­ver PR-Effekt für Huber­tus Heil. 

    Inso­fern hof­fe ich doch, dass Büti­ko­fers Twit­ter-Debüt weni­ger eine lang geplan­te Ver­zweif­lungs­tat (nein, ich mei­ne das nicht so) war, son­dern dass ihr durch­aus auch auf die­se posi­ti­ve Netz-PR reagiert habt. Wür­de ich jeden­falls von der grü­nen Netz­pres­se­stel­le erwarten.

  3. War­um soll­ten wir ver­zwei­felt sein? Bei aller Wert­schät­zung der Blogo­sphä­re glau­be ich nicht, dass der Erfolg bei den Blog­gern für die SPD den Ver­riss in meh­re­ren Zei­tun­gen wett­macht – aber da musst du das Wil­ly-Brandt-Haus fra­gen. Ich bevor­zu­ge PR, die sowohl im Netz als auch in der Pres­se gut läuft – auch wenn du heu­te schein­bar nicht mög­lich ist, irgend­was im netz zu machen, ohne einen hämi­schen Pres­se­kom­men­tar auf den Plan zu rufen.

  4. Ich neh­me das als Spiel über Ban­de wahr: ein hämi­scher Pres­se­kom­men­tar, der soviel Netz­auf­ruhr erzeugt, dass ande­re Medi­en (und ich gehe davon aus, dass das nicht nur die taz gemacht hat), sich gezwun­gen sehen, eben­falls zu berich­ten, und zwar – schon um nicht als SpOn-SZ-Nach­läu­fer dazu­ste­hen – posi­tiv. Wenn’s gut läuft, kön­nen die sprich­wört­lich schlech­ten Nach­rich­ten rich­tig gut sein. 

    Aber etwas weni­ger kom­pli­ziert gedacht: PR heißt eben letzt­lich „public rela­ti­ons“ – und die Bezie­hung zur poli­tisch inter­es­sier­ten Öffent­lich­keit gibt’s in Zukunft nicht, wenn kei­ne Rück­sicht auf den Reso­nanz­kör­per „Blogo­sphä­re“ (blö­des Wort) genom­men wird. Ich bin jeden­falls über­zeugt davon, dass ziem­lich vie­le Mei­nungs­ma­cher (und Mei­nungs­ma­che­rin­nen) so eher erreich­bar sind als über Aktio­nen, die in der eta­blier­ten Pres­se gut lau­fen, im Netz aber ver­san­den. Wäre eine empi­ri­sche Stu­die wert …

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